Einfluss von Komplikationen auf die Kapselbildung um unterschiedlich gefüllte Brustimplantate und andere organische Veränderungen in einem Tiermodell


Thèse de Doctorat, 2003

101 Pages

Friederike Herchenröder (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1.1 Silikonimplantate
1.1.1 Aufbau der Brustimplantate
1.1.2 Implantationsmöglichkeiten und deren Operationsweisen
1.1.3 Chemie der Polysiloxane
1.1.4 Komplikationen und "Nebenwirkungen" der Implantate
1.1.4.1 Verschiedene Oberflächenbeschichtungen der Brustimplantate
1.1.4.2 Implantatrupturen
1.1.4.3 Oberflächenbeschaffenheit und lokale Komplikationen
1.1.4.4 Systemische Komplikation oder assoziierte Erkrankungen
1.1.5 Verteilung von Silikon in vivo
1.1.6 Wirkung von Silikon in vivo
1.1.7 Hydrogelimplantate
1.1.7.1 Chemie der Hydrogele
1.1.7.2 Komplikationen der Hydrogelimplantate
1.1.8 Kochsalzprothesen
1.1.8.1 Kochsalzprothesen und deren Verwendungsmöglichkeiten
1.1.8.2 Kapselkontrakturen von Kochsalzimplantaten
1.1.8.3 Deflationen
1.1.8.4 Implantationszeiten
1.1.8.5 Komplikationen
1.1.9 Brustimplantate bei Tumorpatientinnen und Einfluss der Therapie
1.1.10 Brustimplantate und medizinische Untersuchungen

II. Fragestellungen

III. Material und Methode
3.1 Grundlagen der Nachweisverfahren
3.2 Erstellen eines histologischen Schnittpräparates
3.3 AIF-1 (Allograft inflammatory Factor - 1)
3.4 Immunhistochemie
3.4.1 Antigen- und Antikörper
3.4.2 Die immunhistochemische indirekte Methode der AIF-1 Antigen- Anfärbung
3.5 Tierkollektiv
3.5.1 Akklimatisierung der Tiere und Tierhaltung
3.6 Verwendetes Material und deren Eigenschaften
3.6.1 Bau der Modellimplantate
3.7 Op-Vorbereitung und Planung
3.7.1 Operation und Post-Op-Nachsorge
3.8 Tierhaltung und Tötung der Tiere
3.9 Sektion der Tiere und Verarbeitung der Organe
3.9.1 Entnahme der Organe
3.10 Materialien und Ansätze

IV. Datenanalyse
4.1 Statistische Auswertung
4.2 Auswertungsparameter
4.3 Auswertung der immunhistochemischen Evaluation der Prothesenkapseln
4.4 Auswertekriterien der Lebergranulome

V. Ergebnisse
5.1 Tierkollektiv
5.2 Histologische Ergebnisse
5.2.1 Makroskopische Prothesenveränderungen
5.2.2 Prothesenkapsel und Komplikationen
Einfluss des Füllmaterials
Prothesenkapseldicke
Immunhistochemie
5.2.3 Axilläre und poplitäre Lymphknotenveränderungen
5.2.4 Milzveränderungen
5.2.5 Lungenveränderungen
5.2.6 Leberveränderungen und Granulombildung
5.2.6.1 Histologische Charakterisierungen
5.2.6.2 Ergebnisse der positiv angefärbten Makrophagen in den Leber-granulomen
5.2.7 Gewichtsveränderungen im Zusammenhang mit Brustimplantaten
5.2.8 Ergebnisdarstellung der organisch-pathologischen Veränderungen bei Tieren ohne Wunddehiszenz

VI. Diskussion

VII. Literaturverzeichnis

VIII. Abkürzungsverzeichnis

IX. Anhang
Auswertebogen

X. Danksagung

I. Einleitung

Silikon wurde als Biomaterial in den letzten 30 Jahren nicht nur in der rekonstruktiven und kosmetischen Chirurgie, sondern auch in vielen anderen Bereichen der Medizin aufgrund seiner guten Bioverträglichkeit angewendet [1].

Zunächst wurde der kosmetische Brustaufbau während des Zweiten Weltkrieges in Japan durchgeführt, als japanische Frauen ihre Brüste durch direkte Injektionen mit Paraffin oder Silikonöl vergrößern ließen [2]. Silikonbrustimplantate werden seit 1962 in den Vereinigten Staaten eingesetzt. Schätzungsweise haben nach den Angaben der amerikanischen "Food and Drug Administration" (FDA) 1 bis 2 Millionen Frauen Silikonbrustimplantate erhalten [3]. Während in den 70er und 80er Jahren vermutet wurde, dass Silikon keine lokalen bzw. allgemein systemischen Wirkungen auf das umliegende Gewebe oder andere weiter entfernte Gewebe hat, konnte nachgewiesen werden, dass freies Silikon nicht nur aus rupturierten, sondern auch aus intakten Brustimplantaten in angrenzendes Gewebe diffundiert und in weit entfernt gelegene Organe transportiert werden kann [4-10].

Es wurde gezeigt, dass Silikon nicht innert, sondern im Körper oxidativ zuerst zu hydrolisiertem Silikon, Silika (SiO2) und Siliziumkomplexen verstoffwechselt wird [5-7, 11-13].

Aufgrund von immer wieder neuen veröffentlichten wissenschaftlichen Berichten, dass Silikonbrustimplantate als Ursache für neue Krankheitsbilder möglicherweise verantwortlich gemacht werden könnten [9, 14-19], wurde 1992 von der FDA entschieden, Silikonbrustimplantate in den Vereinigten Staaten vom Markt zu nehmen. Brustimplantate, die zur weiteren Forschung in kontrollierten Studien eingesetzt wurden oder aber mit Kochsalz gefüllt waren, waren davon ausgenommen [20]. In fast allen Ländern Europas können Silikonbrustimplantate immer noch ohne Einschränkung implantiert werden.

Nachdem durch die FDA schon im Jahre 1992 Silikonbrustimplantate in den Vereinigten Staaten vom Markt genommen wurden, warnte die MDA (Medial Devices Agency) in Großbritannien (Dezember 2000) aufgrund von unzureichenden Studien vor den, seit 1996 (NovaGold TM) und 1994 (PVP Hydrogel / französischer Hersteller) in Großbritannien verwendeten Hydrogelimplantaten [21]. Die französische Herstellerfirma reagierte sofort und nahm in Großbritannien die Implantate vom Markt, während die Firma NovaGold TM keine sofortige Reaktion zeigte. Die MDA beschloss daher als Vorsichtsmaßnahme bis neue Studien vorliegen, keine Implantationen von Implantaten der Firma NovaGold TM mehr zu zulassen [21].

1.1 Silikonimplantate

1.1.1 Aufbau der Brustimplantate

Gewöhnlich bestehen Silikonbrustimplantate aus einer Silikonelastomeraussenhülle, deren Dicke 200-300 µm beträgt. Bei dem Füllmaterial handelt es sich um Silikongel, einem leicht vernetzten Copolymer aus Polydimethylsiloxan (PDMS) und Polyvinylsiloxan. Brustimplantate variieren in Bezug auf das Volumen normalerweise zwischen 70 und 250 ccm. Bei Bedarf können sie aber auch erheblich größer sein. Bei manchen Brustprothesen ist die Silikonaußenhülle zusätzlich mit Polyurethan beschichtet, um das Risiko einer Kapselfibrosebildung zu reduzieren [22]. Neben einlumigen Prothesen finden zusätzlich auch bilumige Brustimplantate Verwendung, die aus einer inneren mit Silikongel gefüllten großen Kammer und einer mit Kochsalz gefüllten äußeren Kammer bestehen. Sie werden als Doppellumenprothesen bezeichnet.

1.1.2 Implantationsmöglichkeiten und deren Operationsweisen

Ein Implantat kann entweder submuskulär (M. pectoralis major) oder aber subglandulär implantiert werden. Vorteile beim submuskulären Sitz sind ist eine geringere Kapselkontrakturrate und eine bessere Palpationsmöglichkeit. Zusätzlich hat man eine bessere Übersicht des eigentlichen Brustgewebes bei der Mammographie. Diese ist sonst durch Überlagerung mit den Implantaten erschwert. Der Vorteil des subglandulären Sitzes besteht in dem weniger schmerzhaften und leichteren Herankommen bei einer Reoperation.

1.1.3 Chemie der Polysiloxane

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Silikon ist ein allgemeiner Begriff zur Beschreibung eines vollständigen synthetisch hergestellten Polymers. Es setzt sich aus Wiederholungen von Si-O-Einheiten und organischen Seitengruppen zusammen. Diese sind mit dem Siliziumatom über Silizium-Kohlenstoffverbindungen verknüpft (Abb. 1). (Die strukturelle Grundlage und das einfachste Silikon sind die Polydimethylsiloxane oder PDMS (-(-CCH3)2-Si0-)n-). Silikongel, gängigstes Füllmaterial eines Brustimplantates, entsteht mit Hilfe eines Platinkatalisators durch Vernetzung von Vinylpolysiloxanen.

Abb. 1: Chemische Struktur von Silikongel und Elastomer.

A) Polydimethylsiloxan ist chemisch durch Vinylbrücken (- x -) vernetzt und bildet ein 3- dimensionales Netzwerk. Durch Zusatz von Silikonöl wird eine formlose Gelmasse erhalten.

B) Die auf der Silikageloberfläche vorhandenen Hydroxylgruppen werden durch chemische Modifikation mit Silikonverbindungen entfernt und Silika wird hydrophober. Dieses modifizierte amorphe Silika wird in Silikongel eingelagert und dadurch ein Elastomer mit deutlich besseren mechanischen Eigenschaften erhalten (aus: [23]).

Durch die chemische Vernetzung der Siloxanketten kommt es zur Bildung eines dreidimensionalen Netzwerkes. Zusätzlich gibt es in dieser Matrix sehr kleine, nicht vernetze Polysiloxanringe [24, 25]. Dabei entsteht eine zähe, zusammenhängende Masse ohne bestimmte Form. Abhängig von der Anzahl der Vernetzungspunkte entstehen unterschiedliche Viskositäten. Silikonelastomere, die die Außenhülle der Prothesen bilden, entstehen aus hoch vernetzten Polymethylsiloxanpolymeren mit einem hohen Molekulargewicht. Um das gesamte Netzwerk zu verstärken wird chemisch modifiziertes Silika der Matrix zugefügt (Abb. 1). Allerdings ist Silikon in vivo nicht innert. Es wird in verschiedene einzelne Bausteine um- und abgebaut [7] und kann in diesem Zusammenhang bestimmte Reaktionen im Körper und Organen hervorrufen, die in dieser Arbeit im Tiermodell untersucht werden sollen.

1.1.4 Komplikationen und "Nebenwirkungen" der Implantate

1.1.4.1 Verschiedene Oberflächenbeschichtungen der Brustimplantate

In Tierversuchen wurde gezeigt, dass die Abbauprodukte des Polyurethans von mit Polyurethan beschichteten Brustimplantaten und des Härters (TDA) des Polyurethanschaums in erhöhter Konzentration potentiell Malignome verursachen können. [26, 27] In den Vereinigten Staaten wurde 1992, ausgehend von den Herstellern, Polyurethanbrustimplantate vom Markt genommen [26, 27].

Jedoch konnte bei Patientinnen, die polyurethanbeschichtete Brustimplantate erhielten, kein erhöhtes Malignomrisiko festgestellt werden [28].

Es wird sogar diskutiert, ob das Brustkrebsrisiko bei Frauen mit Implantat nicht geringer sei [29]. Allerdings konnte anhand durchgeführter Studien festgestellt werden, dass Frauen mit Implantaten zur Vergleichsgruppe einem höheren allgemeinen Krebsrisiko ausgesetzt sind [30] . Es lag ein 3fach höheres Erkrankungsrisiko der Brustimplantatpatienten für Lungenkrebs, Lungen-erkrankungen und Emphysementstehung vor, die nicht durch das Rauchen bedingt waren, sowie ein doppelt so hohes Risiko an Magen-, Vulva- und Gehirn-Tumoren zu erkranken. Es zeigte sich bei den übrigen plastischen Operationen zwar auch ein erhöhtes Krebsrisiko, jedoch nicht in diesem Maße. Um definitive Aussagen treffen zu können, sind jedoch längere und umfangreichere Studien nötig, da sich diese Krankheiten über einen längeren Zeitraum entwickeln [30].

Mc Laughin et al. konnten die Ergebnisse von Brinton et al. nicht untermauern. Die Autoren sind der Meinung, dass es weder ein erhöhtes Risiko für Gehirn-Tumoren, noch ein erhöhtes Risiko für Lungenerkrankungen [30] gäbe.

Zweifelsfrei aber ist klar, dass die darüber liegende Haut durch das Implantat beschädigt werden kann [31]. Es zeigte sich eine spontane Silikon–Extrusion 14 Monate nach Implantation, bei einer texturierten Silikonprothese.

1.1.4.2 Implantatrupturen

Studien, die sich mit Rupturen von Implantaten beschäftigten, konnten zeigen, dass diese von der Implantationszeit, Generation, Hersteller und Sitz des Implantates abhängig sind. Bei Silikonbrustprothesen konnte ein Zusammenhang zwischen der Implantationszeit und Anzahl der geschlagenen Lecks oder rupturierten Brustimplantate hergestellt werden [32]. Sowohl ältere als auch neuere Studien zeigten einen Verlust der Integrität der Prothesen zwischen 8-14 Jahren [32]. Es ergab sich ein exponentieller Verlauf und eine direkte Korrelation zwischen Implantationsdauer und Versagerquote der Hülle [33] [34]. Die Implantate der 2. Generation mit einer dünneren Hülle wiesen besonders nach 15-19 Jahren Implantationsdauer eine hohe Rupturrate auf [34]. Die verschiedenen Generationen unterscheiden sich durch die Dicke der Elastomerenhülle (1. Generation 1962), die dann aufgrund hoher Kontrakturraten von der dünneren Hülle abgelöst wurde (2. Generation). Diese wurde dann wiederum 1979 durch die Verwendung dickerer Hüllen verdrängt [35]. Weiterhin entscheidend für die Rupturrate sind der Sitz des Implantates und das Vorhandensein einer schon vorhandenen Kontraktur. Die Rupturrate ist bei bereits vorhandener Kontraktur und retroglandulärem Sitz des Implantates signifikant höher, als bei retropektoralem Sitz bei fehlender Kontraktur [34].

Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen Rupturrate, Prothesentyp und den verschiedenen Herstellerfirmen [34]. Doppellumige mit Polyurethan beschichtete Implantate der Firma "Mc Ghan" wiesen beispielsweise eine geringere Rupturrate auf (p < 0,0001) [34], als einlumige, glatte Gelimplantate bzw. Implantate der Firmen "Dow Corning", "Mentor" oder "Surgitek" [34]. Eine erhöhte Rupturrate bei der Untersuchung der Mamma mittels Mammographie bei Implantatträgerinnen konnte nicht bestätigt werden [34].

1.1.4.3 Oberflächenbeschaffenheit und lokale Komplikationen

Durch Verwendung von rauhen, texturierten Oberflächen konnte wie bereits ausgeführt, die Kapselkontrakturrate entscheidend minimiert werden [36]. Die anfänglich verwendeten Brustimplantate mit einer glatten Oberfläche wiesen eine hohe Rate von Kapselkontrakturen auf [37]. Der Vergleich glatter und texturierter Silikonbrustimplantate bei subglandulärem Sitz nach Brust-vergrößerung zeigte nach 12-monatiger Implantationszeit bei glatter Oberfläche signifikant höhere Kapselkontrakturbildung (58 %) im Vergleich zu texturierten Implantaten (8 %) [38-40]. Signifikant höhere Rupturraten konnten nicht nur in Abhängigkeit von der verwendeten Prothese, sondern auch von der Oberflächenbeschaffenheit, Sitz der Prothese und deren Füllung festgestellt werden. Deshalb, und um eine Minimierung der Kapselkontrakturen weiter zu erzielen, wurden Kochsalz-Implantate eingeführt. Das Auftreten der Kapselkontraktur bei Gel-Implantaten mit glatter Oberfläche betrug 60 % verglichen zu 20 % bei entsprechenden Kochsalz-Implantaten [41, 42].

Eine von Batra et al. anhand eines Rattenmodells durchgeführte Studie verglich 3 verschiedene Brustimplantathüllen: Silikonschaum, mikrokapilläre Hüllen und glatte Hüllen, die nach unterschiedlicher Implantationsdauer entnommen und histologisch untersucht wurden [43]. Abhängig von der Oberfläche wiesen die Gewebe bei glatten Silikonhüllen histopathologisch überwiegend Makrophagen und Fibroblasten, bei Silikonschaumhüllen eine verlängerte, aktive, zelluläre Reaktion, die sich in Form von Makrophagen, Fibroblasten und multinukleären Riesenzellen widerspiegelte und bei Hüllen mit mikrokapillären Oberfläche eine stabile, zelluläre Reaktion, mit Makrophagen und Fibroblasten auf [5, 44]. Carpaneda et al. untersuchte bei Patientinnen Entzündungsreaktionen in einem frühen und späten Stadium bei gelgefüllten, glatten Silikonbrustimplantat-oberflächen und zwar die flache bzw. konkave Seite des Implantates separat und äquivalente Punkte auf der linken und rechten Seite [45]. Festgestellt wurden unterschiedliche granulomatöse Reaktionen, innerhalb der oben genannten Punkte sowie dickere Kapselbildung an der flachen Oberseite mit einer höheren zellulären Aktivität als an der konkaven. Im frühen Stadium (45 Tage bis 3 Monate) wurde überall eine gleichmäßige, granulomatöse Entzündung, bedingt durch die geometrische Form der Oberfläche des Implantates, festgestellt. Nach längerer Implantationszeit zeigt sich somit ein uneinheitliches Bild mit einer verstärkten Kapselbildung an den Orten höherer Silikonablagerungen. Durch diese Ergebnisse können Aussagen in Bezug auf die Dynamik kapsulärer Kontrakturen getroffen werden. Erstens besteht eine Abhängigkeit zwischen flacher und konkaver Oberfläche, des Weiteren eine Abhängigkeit von der Höhe der Ablagerung des Silikongels an bestimmten Orten. Es ist davon auszugehen, dass vermehrtes Vorkommen von Silikongel an bestimmten Orten eine stärkere Stimulation der Phagozyten hervorruft, die sich zu den Orten der höheren Silikongelaktivität hinbewegen und dort eine stärkere Kapselbildung und Aktivität der Kapselbildung bedingen. Die ausschließlich anzutreffenden Zellen ähneln Makrophagen mit vakuolhaltigem Zytoplasma.

1.1.4.4 Systemische Komplikation oder assoziierte Erkrankungen

Erste Arthritis-ähnliche Symptome wurden bereits 1964 bei 2 Frauen, bei denen vorher Paraffin direkt in ihre Brüste injiziert wurde, gefunden (71). Der für diese Symptome benutzte Begriff war "human adjuvant disease". Gut dokumentierte Fälle, in denen injiziertes Paraffin und Silikon sowie Silikonimplantate als Adjuvans möglicherweise für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen verantwortlich sein könnten, werden seit dieser Zeit berichtet. 1979 wurden 4 Fälle von Sklerodermie nach kosmetischer Brustaugmentation beschrieben [46]. Erst im Jahre 1994 wurde aufgrund stark ähnelnder Krankheitsprofile in Fallberichten von über 500 Patientinnen ein neuer Begriff - "Silikonose" - vorgeschlagen, um die klinischen Symptome von Patientinnen im Zusammenhang mit Implantation von Silikonprothesen zusammenzufassen [47]. Eine Bindegewebserkrankung wird als eine Gruppe von Erkrankungen definiert, die mit entzündlichen Erkrankungen der inneren Organe assoziiert ist, zum Beispiel Rheumatoide Arthritis, Systemischer Lupus Erythematodes, Sjörgen's Syndrom, Dermatomyositis, Polymyositis, Systemische Sklerose, Ankyloische Spondylitis, Psoriasis Arthritis, Polymyalgia Rheumatika, Vaskulitiden, Arthritiden [48]. Literaturangaben nach tritt die Silikonose bei Patientinnen mit Silikonprothesen erst nach 9 - 10 Jahren nach Implantation auf [49]. Die Silikonose kann mit systemischen Symptomen wie Unwohlsein, Müdigkeit, Diarrhoe, Muskel- und Gelenkschmerzen [50], Schwäche und Fieber [51] einhergehen. Antinukleäre Antikörper und andere Rheumafaktoren fanden sich bei 40 - 50 % der Patientinnen im Vergleich zu 5 - 6 % in der normalen Bevölkerung [52, 53] serologisch erhöht. Aus diesem Grund wird die atypische Silikonose als eine Immunkrankheit beschrieben. Andere Krankheitssymptome umfassen Schluckbeschwerden, neurologische Symptome [54], Ödeme in den Gelenken, Hautveränderungen, Atembeschwerden [55, 56], trockene Schleimhäute und Augen. Die verschiedenen Symptome, die sich bei den Patientinnen äußerten hatten das klinische Bild, wie es normalerweise auch bei den Autoimmunerkrankungen z. B. bei Lupus Erythematodes (SLE), systemische Sklerodermie Arthritis oder Sjörgen Syndrom gefunden werden [49, 57-60]. Studien konnten zeigen, dass bei Frauen mit Silikonimplantaten Antikörper gegen eigenes Kollagen und Gewebe produziert werden. Bisher ist aber unklar, mit welcher Häufigkeit die Antikörper in der normalen Population auftreten. Außerdem konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass diese Antikörper CTD's oder andere Krankheiten verursachen können [61-63]. Das Auftreten von verschiedenen Antikörpern bei Frauen mit lmplantaten heißt somit nicht, dass diese einem erhöhten Risiko gegenüber der Entstehung von CTD oder anderer Krankheiten ausgesetzt sind [64].

Auch die in der Augenheilkunde verwendeten Silikongele haben sich als immunologische Adjuvantien erwiesen. Bei einem Großteil der Patienten konnten Anzeichen von Autoimmunkrankheiten, die aber jedoch auch im Zusammenhang mit genetischen Faktoren - HLA - DR - 53 - stehen, nachgewiesen werden. Nach Netzhautoperationen konnte postoperativ ein proportionaler Anstieg von Antinukleären Antikörpern gegen Silikon (ANKA) gefunden werden. Der proprotionale Anstieg des Antikörpers steht in einem Zusammenhang mit einer stärkeren Vaskularisation und einem höheren Volumen. Zudem zeigte sich bei Silikonöl eine höhere IgG 1 Fraktion (Immunglobulin 1) im Vergleich zu Silikongummi. Dieses ist durch den stärkeren Gewebekontakt von Silikonöl zu erklären [65].

Gabriel et al. konnte dagegen keinen Zusammenhang zwischen den Brustimplantaten und Autoimmunkrankheiten feststellen. Vergleichende Studien (Bsp.: Olmstedt Country) ergaben keine signifikanten Häufigkeits- und Zeitunterschiede im Auftreten von autoimmunen Bindegewebserkrankungen zwischen einer Implantatgruppe und Kontrollgruppe [48] . Lediglich die Morgensteifigkeit trat häufiger bei den Frauen mit Brustimplantaten auf. Das Risiko für das Auftreten von Morgensteifigkeit bei Implantatträgerinnen lag bei 1,81 [48]. Eine mögliche Assoziation zwischen autoimmunologisch-neurologischen Veränderungen zwischen Implantatträgerinnen und einer Kontrollgruppe konnte nicht nachgewiesen werden. Die festgestellte periphere Polyneuropathie war nicht auf das Implantat zurückzuführen, da sich diese auch bei Frauen in der Kontrollgruppe fand, die sich einer Brustreduktion unterzogen hatten. Auch Berner et al. konnten durch ihre Studie, keine symptomspezifischen Erkrankungen feststellen, die in einem signifikanten Zusammenhang zwischen Silikonimplantatträgerinnen und derer ohne Implantat stehen könnten. Sie konnten jedoch den Nachweis erbringen, dass zwischen Implantatträgerinnen und derer ohne, in Bezug auf Athralgien und Mayalgien eine signifikante positive Korrelation besteht. Diese waren bei Implantatträgerinnen erhöht [67].

Neben den Komplikationen der Ruptur und Kontraktur sollten jedoch die auftretenden Hämatome und Wunddehiszenzen nicht unterschätzt werden [68]. Studien an Frauen mit Implantaten nach Brustkrebs und Implantationen aus kosmetischen Gründen oder nach prophylaktischer Mastektomie zeigten, dass bei einer Implantation aus kosmetischen Gründen signifikant niedrigere Raten von Komplikationen auftraten (p < 0,001), als bei mastektomierten Patientinnen (kosmetisch: 6,5 % nach einem Jahr vs Mastektomie 21,8 % und kosmetisch 12 % nach 5 Jahren vs 34 %) [68]). 178 von 749 Frauen (23,8 %), insgesamt 247 von 1454 Implantaten (18,8 %) wiesen Komplikationen nach der ersten Implantation auf. Davon zeigte sich bei 39,3 % der Patientinnen eine, bei 41,6 % zwei und 19,1 % drei und mehr Komplikationen nach Implantation [68]. Das Komplikationsrisiko war in den ersten Monaten, unabhängig von der Op-Indikation, erhöht. Von allen untersuchten Komplikationen, traten 50 % innerhalb der ersten 2 Jahre, 75 % innerhalb der ersten drei Jahre und 83 % innerhalb der ersten fünf Jahre auf [48]. Innerhalb dieser 3 Gruppen zeigte sich in den ersten 60 Tagen nach Implantation kein Unterschied. Zwischen 61 - 270 Tagen nach Implantation zeigte sich jedoch eine signifikant höhere Komplikationsrate in der Krebs- und prophylaktisch mastektomierten im Vergleich zu der kosmetischen Gruppe (p < 0,005) [48, 68]. Es besteht demnach eine Korrelation zwischen dem Auftreten der ersten Komplikationen, dem Grund der Erstimplantation und dem Alter der Patientinnen [48]. Kein Zusammenhang besteht dagegen zwischen der Anzahl vorangegangener Implantate und dem Vorhandensein bisheriger Komplikationen [68]

1.1.5 Verteilung von Silikon in vivo

Es ist schon lange bekannt, dass Silikongel sowohl durch defekte als auch intakte Brustprothesenhüllen in das umgebende Gewebe diffundieren kann. Dies als "Gelbluten" bezeichnete Phänomen scheint unvermeidlich zu sein [40]. Das von Makrophagen und anderen Zellen phagozytierte freigesetzte Silikon wird über die Lymphwege und Blutgefäße zu anderen Orten, Geweben und Organen, wie z. B. Leber, Milz transportiert. Bereits durch direkte Injektion von Silikon in Gefäße konnte ein Zusammenhang zwischen Lungenveränderungen, verursacht durch Silikon, festgestellt werden. Nach der Injektion fand man eine akute Lungenentzündung. Zusätzlich ließ sich in der Bronchiallavage Silikon in Makrophagen nachweisen, und die Lunge zeigte das Bild einer Fettembolie [69]. Chen et al. gehen davon aus, dass die in der Lunge gefundenen Silikontröpfchen nach Injektion in die Gefäße genau wie Fett diese verstopfen und so eine Embolie hervorrufen können [70].

Lykissa et al. konnten zeigen, dass im Gegensatz zu hochmolekularem Polydimethylsiloxan (HM-PDMS) niedrig-molekulares Silikon (LM-PDMS) durch intakte Implantat-Elstomer-Hüllen diffundiert und besonders in lipidreichen Medien abgelagert wird. Es gelang der Nachweis, dass bei 37 °C täglich 10 mg des gesamten LM-Silikons pro 250 g Implantatgröße durch die intakte Implantathülle diffundieren und sich in der lipidreichen Umgebung, z. B. dem Brustgewebe, ablagern können [24]. Dieses würde bedeuten, dass 2 g oder mehr niedrigmolekulares Siloxan pro Jahr von einem intakten Implantat in lipidreiches Gewebe übertritt.

Auch neuere Studien zeigen immer wieder [71], dass die Migration auch durch intakte Kapseln und Implantate möglich ist, auch wenn makroskopisch noch keine sichtbaren Zeichen bestanden [71, 72]. Die Diffusionsmenge des Silikongels ins Kapselgewebe und in entfernt gelegene Organe ist von der Beschaffenheit der Prothesenhülle, die in einem Zusammenhang mit der Implantationszeit steht, der Konsistenz des Silkongels und dem unvernetzten Anteil PDMS abhängig [17, 73]. Einfluss auf die Diffusion hat somit das Alter des Implantates, sowie dessen Integrität. Durch zusätzliche Kalzifikation der Kapsel, wird die Migration und Diffusion reduziert, da diese eine dickere Kapsel bedingt [71].

Die Anfang der sechziger Jahre eingesetzten Brustimplantate enthielten ausschließlich unvernetzte Silikonflüssigkeit, die daher auch in großen Mengen ins umgebende Gewebe heraus diffundierte [17, 73]. Nach einer Injektion an Mäusen wurde Silikonöl in Organen wie Lymphknoten [8, 74] Niere [8] Milz [8, 51], Pankreas [8], Ovarien [10] und Fettgewebe [4, 8] nachgewiesen. Flassbeck et al. verglich das Blutplasma von Frauen mit Silikonbrustimplantaten von denjenigen, die sich das Implantat explantiert hatten mit einer Kontrollgruppe ohne Implantat. Es gelang der Nachweis von niedrigmolekularem Silikon (LM-Silikon) sowohl bei denen, die noch im Besitz des Implantates waren, als auch bei denjenigen, die sich bereits Jahre zuvor das Implantat explantiert hatten. In der Kontrollgruppe fand sich kein Nachweis von LM-Silikon. Somit konnte gezeigt werden, dass das niedrigmolekulare Silikon nicht nur in lipidreichem Gewebe, wie Lykissa beschrieben hatte, nachweisbar ist, sondern sogar noch nach Jahren der Explantation im Körper [25]. Die Ergebnisse weisen also darauf hin, dass LM-Silikon im Körper verweilt und nicht sofort eliminiert wird [75].

Durch Atomabsorptionsspektroskopie und Magnetresonanzspektroskopie konnte die Konzentration des heraus diffundierten Silikons im fibrotisch veränderten Brustkapselgewebe gemessen werden [40, 106] . Das niedermolekulare Silikon diffundierte als erstes aus den Prothesen ins umgebende Gewebe. Niedermolekulare Silkonkomponenten lösen sich in Körperflüssigkeiten besser und haben eine größere biologische Aktivität als hochmolekulare Silikonpolymere [40].

Tiermodellstudien konnten zeigen, dass die Lebensdauer und Stabilität von Silikonbrustimplantaten abhängig von der chemischen Zusammensetzung ist. Silikonprothesen mit einem Zusatz an Silikat (Si02), z. B. bei Kinnimplantaten sind in vivo innert [68, 76]. Es konnte gezeigt werden, dass freies unvernetztes Silikon aus dem Innern der Prothesen diffundiert und das zurück gebliebende Gel insgesamt unbeweglicher wird. Durch Absorption der Lipide ändert sich die mechanische Eigenschaft der Implantathülle [106]. Sie quillt auf und ist weniger reißfest.

Um diesem Vorgang und eine Blutungsrate aus den Prothesen entgegenzuwirken und zu reduzieren, gewinnt die Verwendung von kohäsivem Silikon immer mehr an Bedeutung. Es handelt sich hierbei um ein schnittfestes Füllmaterial, dass selbst im Falle einer Prothesenruptur innerhalb der Kapsel lokalisiert bleiben soll. Diese Implantate sollen vor allem bei Patienten mit geringem Brustgewebe, dünnem subkutanen Gewebe und durch bereits vorangegangene Eingriffe beschädigten Gewebes zum Einsatz kommen. Erste klinische Studien [77] mit kohäsiven Silikonimplantaten (Implantate der Firma Mc Ghan style 410) zeigten, verglichen mit Kochsalzimplantaten, eine geringere Faltenbildung. Eine Kapselkontraktur konnte jedoch auch bei den kohäsiven Implantaten, wie bei den bisherigen verwendeten Implantaten, gefunden werden. Bei Zerstörung der externalen Hülle wurde zwar kein Auslaufen des Gels, wie es bei Silikon der Fall ist, nachgewiesen, jedoch konnten auch hier histologische Reaktionen in Form von zellulären, granulomatösen, sowie fragmentierten Körperchen um das Implantat herum, die mit dem kohäsivem Silikon assoziiert waren, gefunden werden. Weitere umfangreiche Ergebnisse über durchgeführte Studien in diesem Zusammenhang sind derzeit noch nicht publiziert.

1.1.6 Wirkung von Silikon in vivo

Silikon ist in vivo nicht innert, sondern wird abgebaut [5]. Es wird von den sich in der Umgebung der Brustimplantate bewegenden Makrophagen phagozitiert. Diese können nach Aufnahme des Fremdmaterials ungehindert durch die Kapselschichten zu den subkapsulären Kapillaren weiterwandern. Die Phagozytose des Silikons durch Makrophagen führt schließlich zu einer Fibroblastenproliferation mit nachfolgender Kapselbildung. Diese durch Silikonbrustimplantate verursachte Bildung von periprosthetischen, oft entzündlich fibrovaskulärem Neugewebe zeigt histopathologisch das Bild von einem azellulärem dichten fibrotischem Gewebe bis hin zu starken, intensiven Entzündungen mit aktivierten Makrophagen und multinukleären gigantischen Zellen und lymphozytischen Infiltraten. Im Rahmen einer Doktorarbeit, „Immunhistochemische Charakterisierung der chronischen Entzündungs-reaktionen in Bindegewebskapseln um Silikonbrustprothesen“ [78], wurde die chronische Entzündungsreaktion im fibrotisch veränderten Brustkapselgewebe untersucht, die sich um die Brustimplantate gebildet hatte. Mit Hilfe eines immunhistochemischen Verfahrens wurden die Monozyten - Makrophagen und Granulozyten - Antigene MRP 8 und MRP 14 angefärbt. Die MRP 8 und MRP 14 Proteine lassen sich unter akut oder chronisch histiozytären entzündlich veränderten Bedingungen in den frühen Gewebsmakrophagen als Immunantwort des inflammatorisch veränderten Gewebes darstellen. Ergebnisse ergaben, dass die untersuchten Präparate alle Zeichen einer chronisch histiozytären Entzündung aufwiesen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Patientinnen mit mikroskopisch sichtbaren Silikontröpfchen im Kapselgewebe eine erhöhte Anzahl von MRP 8 und MRP 14 exprimierenden Makrophagen aufwiesen.

Gristina et al. fand ähnliche Reaktionen bei Implantatversagen [79]. Um die Implantate herum entwickelte sich eine fibro-inflammatorische Zone, welche kennzeichnend ist für einen zellulären Gewebeschaden. Innerhalb dieses Gewebeschadens kann eine zelluläre Immunreaktion, die mit einer Cytokin-Kaskade einhergeht, gefunden werden, die eine erhöhte Anfälligkeit für septische Infektionen, insbesondere für Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis und aseptische Infektionen begünstigt. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis zeigen eine verstärkte Neigung zu Oberflächen von Biomaterialien. Zusätzlich werden diese Effekte durch Fibrose und Osteolyse an der Grenzfläche zu intaktem Gewebe verstärkt.

Unklar bleibt jedoch weiterhin der mögliche Zusammenhang kapsulärer Entzündungen symptomatischer Frauen mit Silikonbrustimplantaten und Entzündungen in weiter entferntem Gewebe [80]. Obwohl bewiesen ist, dass Silikongel aus den Implantaten zu entfernt gelegenen Organen und Gewebe gelangen kann [5, 6], ist noch nicht sicher geklärt, inwieweit eine Beziehung zwischen lokalen immunologischen entzündlichen Reaktionen, die sich innerhalb der Kapsel abspielen und systemisch auftretenden Gewebereaktionen besteht. Daten der Studie deuten darauf hin, dass antigengesteuerte T-Zell-Reaktionen sowohl zu chronischen Entzündungen in der Silikonbrustkapsel, als auch zu systemischen Gewebereaktionen beitragen können. Es zeigten sich dieselben antigenreaktiven T-Zell-Klone in den entfernt gelegenen entzündetem Gewebe, die auch in der Kapsel vorzufinden waren [80]. Die auf der Kapseloberfläche der Silikonbrustimplantate anzutreffenden Zellen konnten als aktivierte Makrophagen, die nicht polarisierbares fremdes, welches morphologisch und chemisch siliokonähnliches Material enthielt, identifiziert werden. Außerdem konnten B- und CD 4 und CD 8 T-Lymphozyten um das Gewebe herum nachgewiesen werden, was deutlich macht, dass Silikon Einfluss auf das Immunsystem zu haben scheint. Der Nachweis identischer T-Zellen an multiplen Stellen im Körper der Patienten lässt vermuten, dass es zumindest einen geteilten Antigen Stimulus geben muss der zu den chronischen Entzündungen an den verschiedenen Stellen beiträgt. Es besteht eine erhöhte Aktivität im gesamten periprothetischem Gewebe bei den durch Silikonbrustimplantaten hervorgerufenen entzündlichen Prozessen in Form von entzündlicher Mediatorproduktion von Interleukin 6 und TNFα [47]. Prostaglandin E2 und Interleukin 2 zeigten hingegen keine verstärkte Aktivität. Dies lässt schlussfolgern, dass die Mediatorproduktion durch spezifische Makrophagen, die sich periprothetisch befinden, in Gang gesetzt wird [47]. Trotz verstärkter Mediatorproduktion besteht keine Korrelation zu klinischen Symptomen.

1.1.7 Hydrogelimplantate

1.1.7.1 Chemie der Hydrogele

Polyvinyl-pyrolidon-Hydrogel (CHCH2)2N (CH2)3C0 enthält hauptsächlich einen organischen Polymerstoff aus der Familie der Povidone. PVP-Hydrogel besteht aus einem biologisch innerten Polymer und Wasser. Das innerte Polymer- "N-Vinyl-2 Pyrrolidon" hat ein mittleres Molekulargewicht unter 18 000. Es wird in der Pharmaindustrie als Bindemittel, Trägersubstanz, Modifizierung der Löslichkeitseigenschaften, Lösungsvermittler bei Injektionen, als antimikrobieller Wirkstoff, Trägersubstanz in der Lebens- und Genussmittelindustrie als Bindemittel, zur Stabilisierung, als Einhüll- und Dispersionsmittel, als Überzugmittel und in der Reinigungsmittelindustrie seit Jahrzehnten problemlos eingesetzt (Novomedical).

1.1.7.2 Komplikationen der Hydrogelimplantate

Die Hersteller der seit 1990 verwendeten Hydrogelimplantate ("Novomedical", "Misti-Gold") versprechen ein besseres Körpergefühl und Form gegenüber den bisher verwendeten Silikon-, Kochsalzimplantaten. Die Kapselkontrakturate und die postoperativen Volumenveränderungen sollen deutlich geringer sein als bei den bisher verwendeten Implantaten. Bei Implantaten der Firma „Novomedical“ konnten keine postoperativen Volumenveränderungen festgestellt werden [81-83]. Die osmotische Balance des Füllmaterials (bei Novomedical–Implantaten) sei so beschaffen, dass eine postoperative Volumenveränderung verhindert wird. Bei einer Prothesenruptur soll die Ausscheidung des wasserlöslichen PVP-Hydrogels ohne Metabolisierung über die Nieren erfolgen. Eine Bolusinjektion an Kaninchen zeigte laut Hersteller, dass 72 Stunden nach Injektion kein PVP im Urin mehr nachzuweisen ist. Von weiterem Vorteil der Hydrogelimplantate sollte die bessere Röntgenstrahldurchlässigkeit des PVP-Gels, verglichen mit den bisher verwendeten Silikon- und Kochsalzimplantate, sein. Dadurch sollte eine bessere postoperative Beurteilbarkeit der Gewebestrukturen an Hand der Mammographie möglich werden (so die Firma "Novomedical [84].

Ein Vergleich zwischen texturierten Kochsalzimplantaten und Hydrogel-implantaten (Bioplasty Misti Gold 11) ergab allerdings eine erhöhte Kapselbildung, sowie eine von der Implantationsdauer abhängigen Volumenzunahme (um 48 %; r = 0,8, p = 0,001) bei den Hydrogelimplantaten [85]. Der Volumenanstieg während der ersten 13 - 24 Monate post-Operationen betrug 60 ml, nach 25 - 40 Monaten 100 ml. Alle "Misti Gold-Implantate" mussten nach 40 Monaten aufgrund einer Kapselkontraktur (Baker II und III) entfernt werden. Ein möglicher Erklärungsansatz für das schlechte Ausfallen des Ergebnisses könnte folgendes in Frage kommen: eine starke Gewebereaktion auf den Inhalt des Implantates oder der Hülle, Überfüllung der Implantate durch den Hersteller um 18 % schon vor Implantation im Vergleich zu Silikonimplantaten oder aber eine Volumenzunahme als Effekt der Osmose [37]. Aufgrund der signifikanten schlechten Ergebnisse von Hydrogelimplantaten kann die Verwendung dieser Implantate nicht befürwortet werden oder in Erwägung gezogen werden, so Benediktsson et al.

Zusammenfassend existieren allerdings noch recht wenige prospektive, retrospektive und umfangreiche publizierte Studien, die sich umfassend mit den eventuell erst nach Jahren auftretenden Komplikationen beschäftigt haben.

Wie schon erwähnt, hat die MDA in Großbritannien bis auf weiteres die Verwendung von Hydrogelimplantaten der Firmen NovaGold TM und PVP-Hydrogel seit Dezember 2000 verboten [105]. Obwohl von Seiten der MDA keine eindeutigen Studien vorliegen, die die Schädlichkeit der Implantate beweisen, so hielten sie es aufgrund der eigenen Ergebnisse, für angebracht diese in Großbritannien vom Markt zu nehmen [21]. MDA führte wegen immer noch großer Bedenken im Bereich von Brustimplantaten, auch im Bereich der neueren Materialien, Studien im Bereich der Sicherheit dieser Implantate (NovaGold und PVP-Hydrogel) durch. Im Fall von NovaGold implantierten sie selbst Kaninchen diese Implantate und töteten sie nach 28 Tagen. MDA fand bei den Tieren lang andauernde systemische Effekte, die eigentlich nicht nachweisbar sein sollten, da das Material, laut Hersteller, ohne Metabolisierung innerhalb von 72 Stunden über die Nieren ausgeschieden wird. Weiterhin weist die MDA auf Mängel und inadäquate Studien hin, die die biologische Sicherheit dieses Materials betreffen [21].

Einschränkend muss man bemerken, dass die Ergebnisse der MDA an einem sehr kleinen Kollektiv und bei sehr kurzen Implantationszeiten erzielt wurden.

1.1.8 Kochsalzprothesen

1.1.8.1 Kochsalzprothesen und deren Verwendungsmöglichkeiten

Ein Kochsalzgewebeexpander besteht heutzutage meist aus einer Silikonelastomerhülle mit einer texturierten Oberfläche. Die Implantate gibt es in verschiedenen Größen, Oberflächenbeschaffenheit und Füllmöglichkeiten. Man kann zwischen einem kleinen, moderaten und großem Profil wählen [64]. Das Implantat wird zur Brustvergrößerung, zum Beispiel bei unterschiedlicher Brustgröße, subglandulär oder aber submuskulär implantiert, während nach Mastektomie oder nach Unfällen, die den Verlust der Brust zur Folge haben oder aber Teile dieser beinhalten, der Sitz des Implantates meist submuskulär ist [64]. Die Rekonstruktion nach Mastektomie erfolgt meist in zwei Schritten. Erstens das Einsetzen eines Gewebeexpanders (Kochalz) zur Dehnung der Haut und im weiteren Verlauf einige Monate später das Einsetzen des eigentlichen Implantates, meist aus Silikongel.

1.1.8.2 Kapselkontrakturen von Kochsalzimplantaten

Der Einsatz von Kochsalzimplantaten als Alternative zu Silikonimplantaten gaben Anlass, Studien über deren Sicherheit und mögliche Komplikationen durchzuführen. Die US Food and Drug Administration (FDA) führte in Anlehnung an eine ältere von ihnen durchgeführte Studie eine neue erweiterte durch. Es zeigte sich eine allgemeine Komplikationsrate von 20,2 % wobei sich eine signifikant erhöhte Kapselkontrakturrate bei submammilären Sitz (p = 0,003) und großen Implantaten zeigte (p < 0,01). Aufgrund der Kontrakturen und Deflation mussten Folgeoperationen durchgeführt werden [86] Entscheidend für die Kapselkontrakturentwicklung ist die Oberflächen-beschaffenheit des Implantats. Texturierte Kochsalzimplantate zeigen eine geringere Inzidenz einer Kapselkontrakturbildung als glatte [87]. Klinische Studien in Bezug auf Kapselkontrakturen mit Implantaten der Firma "Mentor" sowohl mit texturierten als auch mit glatten lmplantaten ergaben jedoch keinen Unterschied. Es zeigte sich ein signifikant erhöhtes kumulatives Risiko für das Auftreten einer Kapselfibrose nach Explantation und Reimplantation im Vergleich zur Erstimplantation [64]. Die Komplikation eines zusätzlichen chirurgischen Eingriffs in den ersten 3 Jahren lag bei 1 zu 8 bei der Augmentation und 1 zu 2,5 bei der Rekonstruktion.

Die Rate der Kapselkontraktur liegt bei Kochsalzimplantaten jedoch immer noch niedriger als bei Silikon.

1.1.8.3 Deflationen

Deflation bezeichnet das Austreten von Füllmaterial aus dem Implantat und die in diesem Zusammenhang veränderte osmotische Balance des Implantates.

Was Kochsalzimplantate betrifft, kann man nicht sagen, ob die Deflation sofort, nach Tagen oder erst nach Jahren stattfindet. Deflationen können durch den Chirurgen selbst, also iatrogen, durch Kapselkontrakturen, durch Über- oder Unterfüllung, Stress, Trauma oder durch physikalische Manipulationen, z. B. starke Kompressionen bei Mammographie, entstehen [64]. Studien zeigen, dass die Deflationsrate der Kochsalzimplantate mit einer höheren Rate auftritt als bisher angenommen. Durch noninvasive Technik konnte eine Volumenveränderung nach 3 und 12 Monaten mittels MR gemessen und festgestellt werden. Es zeigte sich eine signifikante Volumenzunahme besonders in den ersten 3 Monaten.

1.1.8.4 Implantationszeiten

Die durchschnittliche Tragedauer der Implantate steht im Zusammenhang mit den Komplikationen.

Die Kochsalzimplantate zeigten gegenüber Silikonimplantaten eine kürzere Implantationszeit, 108 vs 127 Monate [29]. Dieses Ergebnis wurde mit der Unterfüllung und dem in diesem Zusammenhang erhöhten sekundären Deflationsrisiko der Kochsalzimplantate begründet. Ob das Implantat aufgrund einer Rekonstruktion oder Augmentation implantiert wurde, spielte bei diesem Ergebnis keine Rolle [29]. Allerdings wurde eingeräumt, dass dieses Ergebnis, in Abhängigkeit vom Hersteller, signifikant verschieden sein kann.

1.1.8.5 Komplikationen

Die weitere FDA Studie lief über drei Jahre und sollte die Komplikationen der lmplantate untersuchen [64]. Der häufigste Komplikationsgrund war nach einem Jahr bei der Augmentation (30 %) und Rekonstruktion (20 %) die Kapselkontrakturbildung. Nach 3 Jahren dominierte bei der Augmentation die Faltenbildung (20 % von 572 Implantaten) [64] und bei der Rekonstruktionen die Re-Operation (35 %) von 572 Implantaten). Häufigster Grund für eine Explantation nach 3 Jahren war im Falle der Augmentation die Leckage und Deflation (31 %), während diese bei der Rekonstruktion durch die Kapselkontraktur und die Infektion bedingt war (26 %) [64].

1.1.9 Brustimplantate bei Tumorpatientinnen und Einfluss der Therapie

Der Effekt von Bestrahlungen bei Frauen mit Brustimplantaten verschiedener Füllmaterialien zeigten signifikante Unterschiede zwischen Frauen mit Implantaten, die bestrahlt wurden und derer die nicht bestrahlt wurden [88]. Berücksichtigung fand die Kapselkontrakturentwicklung, Asymmetrie der Brust und die Zufriedenheit der Patientinnen mit dem Implantat [88]. Nach der Bestrahlung zeigte sich eine 100%ige Kapselkontrakturentstehung. Die Symmetrie der Brust und die Zufriedenheit der Patientinnen war bei den nicht bestrahlten Patientinnen deutlich höher [88]. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass für ein gutes kosmetisches und medizinisches Ergebnis eine Brustrekonstruktion mit Implantation im Falle einer postoperativen Bestrahlung aufgrund der starken Kontrakturenstehung nicht zu empfehlen sei, ja sogar kontraindiziert ist [88].

Es gab jedoch auch andere Ergebnisse [89]. Die Ergebnisse von Kaninchen mit Implantaten und Bestrahlung konnten nach 6 Monaten keine mit der Bestrahlung im Zusammenhang stehende erhöhte Kapselkontrakturrate feststellen.

Dennoch liegt die Komplikationsrate bei Brustrekonstruktionen mit einem Gewebeexpander mit anschließender Bestrahlung immerhin bei 30 % [90]. Im Unterschied zur Bestrahlung beeinflusst eine Chemotherapie die Komplikationsrate der Brustrekonstruktionen nicht [91].

1.1.10 Brustimplantate und medizinische Untersuchungen

Es ist bekannt, dass die Mammographie durch die Brustimplantate und deren Überlagerung des normalen Brustgewebes beeinträchtigt werden kann und sind Frauen einer höheren Strahlenbelastung ausgesetzt. Denn um das Brustgewebe bei der Mammographie vollständig erfassen zu können, müssen, bedingt durch die Implantatüberlagerungen, mehrere Aufnahmen gemacht werden (Hersteller Novomedical selbst). Durch Interferenzen aufgrund der Implantate ist die Früherkennung eines Karzinoms erschwert [25]. So können Calcium-Depots, die auf Mammographiebildern sichtbar sind, fälschlicherweise mit einem Karzinom verwechselt oder dagegen verharmlost und sogar Karzinome dadurch übersehen werden [64]. Aufgrund der Implantate kommt es auch zu einer schlechteren Röntgenstrahldurchlässigkeit, wodurch kleine Karzinome nicht frühzeitig erkannt werden. Ein Zusammenhang zwischen Brustimplantaten und erhöhtem Krebsrisiko ist jedoch nicht bekannt [28].

Die Palpation der Brust ist durch ein lmplantat behindert und erschwert [25]. Zudem kann es durch die Kompression bei der Mammographie zu einer Ruptur des Implantates kommen. Hydrogelprothesen versprechen eine bessere Röntgendurchlässigkeit als die bisherig verwendeten Prothesen. Dadurch sei die postoperative Beurteilbarkeit der Gewebestruktur bei der Mammographie besser möglich, was bisher jedoch noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte. Eine Studie verglich die Ergebnisse von myokardialer Perfussionsszintigraphieuntersuchungen mit Thalium 201 bei Patientinnen mit und ohne Implantat [92]. Die semiquantitative Analyse zeigte im Bereich der anteroseptalen, anterolateralen, lateranterioren und laterioanteralen myokardialen Wände ein Unterschied der Thalium-Aufnahme. Die übrigen Aufnahmewerte der myokardialen Wände wiesen keinen Unterschied gegenüber der Kontrollgruppe auf. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass bei einer diagnostischen Beurteilung und Interpretation myokardialer Bilder von Silikonbrustimplantaten die unterschiedliche Aufnahme thaliumorientierter Bilder berücksichtigt werden muss [92].

[...]

Fin de l'extrait de 101 pages

Résumé des informations

Titre
Einfluss von Komplikationen auf die Kapselbildung um unterschiedlich gefüllte Brustimplantate und andere organische Veränderungen in einem Tiermodell
Université
University of Münster  (Institut für klinische Radiologie)
Auteur
Année
2003
Pages
101
N° de catalogue
V149184
ISBN (ebook)
9783640597420
Taille d'un fichier
1743 KB
Langue
allemand
Mots clés
Einfluss, Komplikationen, Kapselbildung, Brustimplantate, Veränderungen, Tiermodell
Citation du texte
Friederike Herchenröder (Auteur), 2003, Einfluss von Komplikationen auf die Kapselbildung um unterschiedlich gefüllte Brustimplantate und andere organische Veränderungen in einem Tiermodell, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149184

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