Der geplante EU-Beitritt der Türkei


Term Paper, 2006

23 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union

3. Vorteile und Nachteile für die EU durch die Aufnahme der Türkei
3.1. Gründe gegen eine Aufnahme
3.1.1. Geschichtliche Unterschiede
3.1.2. Unterschiede in der Gesellschaft und der Politik
3.1.3. Achtung der Menschenrechte
3.1.4. Folgen in der Wirtschaft
3.1.5. Bedenken in der Sicherheitspolitik
3.2. Gründe für eine Aufnahme
3.2.1. Vorteile in der Sicherheitspolitik
3.2.2. Die Europäische Union ist keine „christliche Vereinigung“
3.2.3. Sicherstellen der Energieversorgung

4. Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt
4.1. Politische Kriterien
4.2. Wirtschaftliche Kriterien
4.3. Administrative Kriterien

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Europäische Union (EU) feierte am 01.05.2004 ihre Erweiterung durch die neuen Mitgliederstaaten aus Mittel- und Osteuropa als einen historischen Moment und eine Wiedervereinigung des europäischen Kontinents.

Die Türkei hat bereits am 31.07.1959 einen Antrag auf Mitgliedschaft mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gestellt. Bis zum endgültigen Beitritt zur EU werden sicherlich noch einige Jahre hinzukommen. Vor gut sechs Jahren ernannten die Regierungschefs der EU die Türkei zum Beitrittskandidaten. Die Türkei als potenzielles Beitrittsland nimmt eine Sonderrolle ein und ist zum Gegenstand politischer und wirtschaftlicher Auseinandersetzungen geworden.

Ein baldiger EU-Beitritt der Türkei wird in dieser Zeit wie kaum ein anderes Thema kontrovers diskutiert.

In der vorliegenden Hausarbeit sollen die Hintergründe und Argumente der Beitrittsfrage aufgezeigt werden. Die Türkei hat im Laufe der Jahre permanent diverse Rückschläge einstecken müssen. Trotz der sich ständig wiederholenden Ablehnungen lässt sich die Türkei nicht entmutigen, sie verfolgt beständig ihr Ziel EU-Beitritt.

In meiner Hausarbeit sollen die Gründe und Fakten hierzu näher betrachtet werden, und zwar in bezug auf die Aufnahme der Türkei in die EU-was spricht dafür und was spricht dagegen sowie der Handlungsstrang innerhalb der Politik der Türkei.

Der Stand der Entwicklung zum Beitritt der Türkei in die EU wird in den jährlichen Fortschrittsberichten der Europäischen Kommission festgehalten. In meiner Hausarbeit habe ich den Fortschrittsbericht vom 6. Oktober 2004 zugrunde gelegt.

Im Anschluss an meine Darstellung erfolgt eine Erläuterung, warum ich dem EU-Beitritt der Türkei kritisch gegenüberstehe, ihn jedoch nicht ablehne.

2. Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union

Die Republik Türkei ist der Nachfolgerstaat des Osmanischen Reiches. Am 29. Oktober 1923 gründete Mustafa Kemal Atatürk die türkische Republik. Als Präsident der Nationalversammlung brachte er Reformen auf dem Weg, die einen neuen türkischen Staat schufen. Eine der wichtigsten Neurungen war die Abschaffung der Staatsreligion.[1] Das Reformkonzept Kemals basierte auf folgende 6 Prinzipien:

Nationalismus: Die Existenz eines türkischen Nationalstaates.

Laizismus: Staat und Kirche sind getrennt. Dadurch wird der Austritt aus der islamischen Staatenwelt und die Trennung von der islamischen Reichsidee erreicht.

Republikanismus: Abschaffung des Sultanats und des Kalifats. Dafür Schaffung einer Republik.

Populismus: Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger und der Wille des Volkes als konstitutives Element.

Etatismus: Der Staat hat eine bestimmende Rolle in der Wirtschaft.

Reformismus: Eine permanente Umformung von Staat und Gesellschaft.[2]

Deshalb machte die Türkei nach dem zweiten Weltkrieg deutlich, dass sie keinen Beitrag zur sowjetischen Expansion liefere. Die Türkei wollte sich dem Westen anschließen. Da der USA die geostrategische Lage der Türkei wichtig war, unterstützte die USA die Türkei bei diesem Vorhaben. Die Türkei wurde 1952 mit Griechenland in die NATO aufgenommen. Dem Europarat trat die Türkei drei Jahre zuvor bei.

Die Türkei stellte Ende der 1950er Jahre einen Antrag auf assoziierte Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Im September 1963 unterzeichneten die Türkei und die EWG das „Ankara Abkommen“ (Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und der EWG). Die Türkei wertete dies als einen ersten Schritt in Richtung Vollmitgliedschaft in der EWG (heute EU). Der Artikel 28 des Abkommens regelte dies im einzelnen. Das Ziel des Abkommens war eine Zollunion zwischen der Türkei und der EWG. Das Zusatzprotokoll von November 1970 sollte den Weg dazu freimachen.[3]

Durch die Zypernkrise (1974) verschlechterte sich das Verhältnis zur Europäischen Gemeinschaft (EG) erheblich. Im Herbst 1980 kam es zu einem Militärputsch in der Türkei. Daraufhin setzte die EG das Assoziationsabkommen offiziell aus. Die Türkei hatte eigentlich vor in diesem Jahr einen Antrag auf Vollmitgliedschaft zu stellen.

Aufgrund der sich verbesserten Beziehungen zur EG reichte die Türkei ihren Antrag auf Vollmitgliedschaft am 14. April 1987 ein, obwohl die Mitgliedsstaaten der EG Bedenken äußerten. Deshalb kam zwei Jahre später auch die Absage durch die Europäische Union. Die EU gab als Grund die instabile wirtschaftliche und politische Lage in der Türkei an.[4]

Anfang 1995 trat die Zollunion zwischen der EU und der Türkei in Kraft. Daraufhin wurden alle Zölle zwischen der EU und der Türkei abgebaut. Dafür wurde ein gemeinsamer Außenzoll eingeführt. In der Türkei wurde dies als ein weiterer Schritt in Richtung EU-Mitgliedschaft gewertet. Der Europäische Rat beschloss im Dezember 1999 auf einem Gipfeltreffen in Helsinki die Türkei als Beitrittskandidaten aufzunehmen, obwohl es weiterhin politische und wirtschaftliche Bedenken gab. Trotzdem eröffnete sich für die Türkei dadurch eine Perspektive für Beitrittsverhandlungen.

Im November 2002 gewann die Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) unter der Führung von Recep Tayyip Erdogan die Parlamentswahlen. Erdogan (zur Zeit Ministerpräsident) setzt sich für einen zügigen EU-Beitritt der Türkei ein. Im Dezember 2002 auf dem Kopenhagener EU-Gipfel beschlossen die Regierungschefs, dass sie Ende 2004 entscheiden wollen ob es zu Beitrittsverhandlungen mit der Türkei kommen soll. Die Vorraussetzungen, die der Europäische Rat vom 16./17.12.2004 für die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei formulierte hat die Türkei erfüllt. Deshalb eröffnete die EU am 3.10.2005 offiziell die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Damit treten die europäischen Beziehungen zur Türkei in eine qualitativ neue Phase ein.[5]

3. Vorteile und Nachteile für die EU durch die Aufnahme der Türkei

Auf den beiden EU-Gipfel von 1999 und 2002 wurde entschieden, der Türkei einen möglichen Beitritt in Aussicht zu stellen. Diese Entscheidung ist umstritten. Daraufhin begann eine alte Debatte wieder aufzuleben: nämlich eine Grundsatzdebatte darüber, ob es überhaupt sinnvoll ist die Türkei in die Europäische Union aufzunehmen. Politiker, Wissenschaftler und die Gesellschaft beschäftigen sich bereits seit Jahrzehnten damit. Bei allen Meinungsstreitigkeiten kann man jedoch nicht von einer fairen und objektiven Darstellung der Problematik reden.

Eine der Vorteile der Befürworter für einen türkischen EU-Beitritt liegt in der geostrategischen Lage der Türkei. Sie sehen die Türkei als ein Brückenland, die zum einem Vermittler zwischen dem christlichen Europa und dem islamischen Nahen Osten werden könnte. Außerdem werde ihrer Meinung nach mit einem EU-Beitritt verhindert, dass radikale islamische Kräfte in der Türkei die Oberhand gewinnen. Die Beitrittsgegner hingegen bringen Gegenargumente ein, die sich von geografischen Gegebenheiten, kulturelle Hindernisse bis hin zu politischen Schwächen in der Türkei erstrecken. Außerdem werde die EU laut den Beitrittsgegnern durch einen türkischen Beitritt geschwächt. Die wirtschaftlichen Folgen wären für die EU verheerend.[6]

3.1. Gründe gegen eine Aufnahme

Die Andersartigkeit der Türkei im Vergleich zu den bisherigen und den neuen EU-Staaten ist laut den Beitrittsgegnern das Hauptproblem. Ihre Argumentationen beinhalten einen Aufruf an die Türkei und die EU sich zu verändern. Deshalb ist sie auch nicht als eine zerstörende Kritik zu verstehen.

Valery Gisard d´Estaing, bis 2003 Vorsitzender des „Konvents zur Zukunft Europas“ stellt ein prominentes Gegenbeispiel in dieser Problematik dar. Er ist strikt gegen einen türkischen EU-Beitritt. Valery sagt, dass die Türkei nicht in Europa liege (er meinte damit, dass 3% der Landmasse der Türkei in Europa und 97% dagegen auf dem asiatischen Kontinent liegen).[7] Außerdem bedeutet der Beitritt der Türkei nach ihm das Ende der Europäischen Union.

Die Historiker Heinrich August Winkler und Hans-Ulrich Wehler bestimmen vor allem auf der wissenschaftlichen Seite die Debatte. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die unterschiedliche historische Entwicklung der EU-Staaten im Gegensatz zur Türkei. Der Beitritt der Türkei würde außerdem wegen ihrer politischen Kultur die EU überfordern. Es könnte zum Verlust des europäischen „Wir Gefühls“ führen.[8]

3.1.1. Geschichtliche Unterschiede

Die weltliche Gewalt hat sich im westlichen Europa sei dem Mittelalter von der kirchlichen gelöst. Damit ist eine Basis für Gewaltenteilung und Pluralismus geschaffen worden. Dieser Prozess ist in der Türkei erst im vorigen Jahrhundert begonnen worden und dauert bis heute noch an. Außerdem fehlten der Türkei wichtige Epochen wie z.B. die Renaissance, Reformation und die wissenschaftliche Revolution. Es ist ebenfalls zu erwähnen, dass das osmanische Reich gegen das christliche Europa in der Geschichte unerwägt Krieg geführt hat.[9]

Wegen der unüberwindbaren Grenzen Europas zur Türkei in religiöser und kultureller Hinsicht hat Europa die Türkei über Generationen hinweg als „das Andere“ angesehen. Es wurden vor allem pessimistische Bilder im 18. Jahrhundert über „die Türken“ gezeichnet. Das Gegenargument der Andersartigkeit ist heute nur noch eingeschränkt gültig, da sich Europa und die Türkei nicht mehr über eine Staatsreligion definiert. Ein weiterer Missstand in der türkischen Geschichte ist der Völkermord an den christlichen Armeniern im Ersten Weltkrieg. Historiker behaupten, dass die Türkei die alleinige Schuld für dieses Verbrechen trägt. Wer dieses Verbrechen öffentlich beim Namen nennt, müsse heute noch mit hohen Haftstrafen rechnen. Die Beitrittsgegner (Historiker) fordern deswegen die Europäische Union auf, die Chancen für einen Beitritt der Türkei auch von deren Umgang mit ihrer eigenen Geschichte abhängig zu machen.

Man findet unterschiedliche Denkweisen der Menschen nicht nur in der Geschichte. Der Mehrzahl der türkischen Bevölkerung wird immer noch rückständiges Denken vorgeworfen.[10]

[...]


[1] vgl. Michael W. Weithmann: Atatürks Erben auf dem Weg nach Westen, 1997, S. 126f

[2] vgl. Udo Steinbach: Grundlagen und Anfänge der Republik, in: Informationen zur politischen Bildung Nr. 277 Türkei, 2002, S. 10

[3] vgl. Aysegül Karabas: Zum Verhältnis der Türkei zur EU unter besonderer Berücksichtigung einer möglichen Aufnahme, 2002, S. 8-10

[4] vgl. Andrea K. Riemer: Die Türkei und die Europäische Union: Eine unendliche Geschichte? In: Aus Politik und Zeitgeschehen, 2003, S. 40-41

[5] vgl. Andrea K. Riemer: Die Türkei und die Europäische Union: Eine unendliche Geschichte? In: Aus Politik und Zeitgeschehen, 2003, S. 43

[6] vgl. Heinz Kramer: EU-kompatibel oder nicht?: Zur Debatte um die Mitgliedschaft der Türkei in der EU, 2003, S. 10

[7] vgl. Udo Steinbach: Landeskundliche Gegebenheiten, in: Informationen zur politischen Bildung Nr. 277 Türkei, 2002, S. 3

[8] vgl. Heinrich August Winkler: Ehehindernisse: Gegen einen EU-Beitritt der Türkei, 2002, S. 13

[9] vgl. Hans-Ulrich Wehler: Das Türkenproblem, 2002, S. 9

[10] vgl. Heinrich August Winkler: Selbstzerstörung inbegriffen, 2004, S. 8

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Details

Title
Der geplante EU-Beitritt der Türkei
College
University of Applied Sciences Wernigerode  (Fachbereich Verwaltungswissenschaften)
Grade
2,0
Author
Year
2006
Pages
23
Catalog Number
V149361
ISBN (eBook)
9783640598595
ISBN (Book)
9783640598717
File size
453 KB
Language
German
Keywords
EU-Beitritt, Türkei
Quote paper
Thorsten Kenull (Author), 2006, Der geplante EU-Beitritt der Türkei, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149361

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