"Anweisung zum Gebrauch des Fernsprechers" - Geschichte von Bedienungsanleitungen im 19. Jahrhundert


Term Paper (Advanced seminar), 2002

19 Pages, Grade: 2,5


Excerpt


1 Inhaltsverzeichnis

2 Einleitung

3 Theoretische Betrachtungen
3.1 Exkurs I: Was ist Technik?
3.2 Technische Texte und Bedienungsanleitungen
3.3 Bestimmung struktureller Merkmale
3.4 Exkurs II: Mentale Modelle, metaphorische Konzepte

4 Textbeispiele am Beispiel der Telekommunikation – Bedienungsanleitungen in Telefonbüchern
4.1 Makrostrukturelle Ebene
4.2 Semantische Ebene
4.3 Syntaktische Ebene

5 Fazit

6 Bibliographie
6.1.1 Primärliteratur
6.1.2 Sekundärliteratur

2 Einleitung

Bedienungsanleitungen sind aus unserer modernen und technologisierten Welt nicht mehr wegzudenken, die Fülle immerwährender Entstehung neuer Technologien macht sie unverzichtbar im Umgang mit diesen Technologien. Dabei ist die Vermittlung von Wissen über Bedienungsanleitungen nicht immer ohne Missverständnisse möglich, was das Bonmot „Kannst Du das Gerät erst einmal bedienen verstehst du auch die Anleitung.“[1] zeigt.

Obwohl nämlich die Bedeutung einer Bedienungsanleitung immens ist, ist diese Bedeutung erst in jüngster Zeit erkannt worden, was das Produkthaftungsgesetz aus dem Jahr 1990 und die EG- Richtlinie Maschinen von 1994 zeigen.[2] Davor wurden verschiedenste Maßstäbe angesetzt, wer wie Bedienungsanleitungen schreiben kann und darf, wie man in Schwenders Buch „Früher haben wir die Anleitungen nebenbei gemacht...“ nachlesen kann. Der Fakt, dass ein Opernsänger Englisch kann, diesen zum Autor von Bedienungsanleitungen für IBM qualifiziert, zeigt diese Entwicklung deutlich.[3]

Das neunzehnte Jahrhundert leitete oben genannte Entwicklung der Technologisierung mit der industriellen Revolution ein. James Watt oder Thomas Alva Edison traten mit ihren Erfindungen in das Rampenlicht der Öffentlichkeit. Dampfkraft und Elektrifizierung waren die Schlagworte des neunzehnten Jahrhunderts und 1863 schlug die Geburtsstunde des Telefons, entwickelt von Philip Reis. Der Erfinder konnte sich zwar nicht durchsetzen, aber einige Jahre ließ Alexander Graham Bell seinerseits ein ähnliches Gerät patentieren, welches sich – anders als bei Reis in Deutschland – in Amerika rasant durchsetzte.

Das neunzehnte Jahrhundert ist aufgrund dieser Entwicklung auch das Jahrhundert, in dem sich, so scheint es eine neue Kategorie von Texten durchsetzt: Bedienungsanleitungen für technische Geräte. Auch wenn die Kategorie Instruktionstexte schon vorhanden ist, denn schon ein Kochbuch ist ein Instruktionstext, fehlen diesem doch ein entscheidendes Merkmal: Der Umgang mit Nahrungsmitteln jeglicher Art muss nicht gleichzeitig ein Umgang mit technischen Geräten sein. Der einzige Text dieser Art, welcher der Gattung Bedienungsanleitung am nahesten zu kommen scheint, ist das „Feuerwerkbuch“ aus dem Jahr 1420, jedoch richtet sich dieser Instruktionstext vorwiegend an den Handwerker, „denn eines der wenigen erhaltenen Exemplare weist auf einigen Seiten Brandspuren auf: ein Hinweis darauf, dass es vor Ort in der Werkstatt aufgeschlagen benutzt wurde.“[4] Diese Anleitung enthält zwar typische Merkmale eines Instruktionstextes, sie ist „zielgerichtet und ergebnisorientiert durch das was sie leisten soll“[5], jedoch ist dies nicht ein Text für einen typischen Endanwender. Erst die Erfindung technischer Geräte scheint eine Bedienungsanleitung notwendig zu machen, auch die damit einhergehende Mechanisierung der Produktion. Ein mündliches Weitergeben der Gebrauchsanweisung wird dadurch immer unbefriedigender und auch unökonomischer, so dass der Weg zur Gebrauchsanweisung geebnet scheint. Obwohl schon im 18. Jahrhundert Anwenderfachtexte vorliegen – z.B. Joseph Baaders „Theorie der Saug- und Hebepumpen“[6] – scheint erst die Erfindung des Telefons – einem Gerät, welchem die Benutzung durch technische Laien inhärent ist – schriftliche Texte für den Endanwender und Laien zu produzieren[7], davor so scheint es, ist der Vermittlung technischen Wissens an den Laien nicht die Beachtung gegeben worden, oder aber es war möglich, dieses Wissen mündlich zu erwerben.

„Die Regel der Technikvermittlung war bis dato mündlich. Manufakturen gab es nur für Porzellan, Textil, Glas oder Tabakwaren, die keinerlei Erklärung bedurften. Der Handwerker baute mitunter komplexere Gebilde, konnte aber den Käufer bei der Übergabe mündlich einweisen und war auch für Nachfragen erreichbar. Fixierungen aus der vorindustriellen Zeit sind rar.“[8]

Aus diesem Grund sind auch die Texte aus dem Gebiet der Telekommunikation ausgewählt:

Diese Arbeit möchte sich nun mit der Entwicklung der Textsorte Bedienungsanleitung technischer Geräte im neunzehnten Jahrhundert beschäftigen, wobei der erste Teil der Arbeit eher eine synchrone Betrachtung der Textsorte sichtbar macht, während dem zweiten Teil der Arbeit eine diachrone Betrachtung der nun wesentlich eingegrenzten Textsorte vorbehalten sein soll. Wesentlich dafür ist eine kurze Betrachtung des Technikbegriffes in dieser Arbeit und die Stellung des Textes dazu, auch wichtig ist eine Klassifizierung der Textsorte innerhalb der Gattung technischer Texte. Hier spielen Verfasser und Zielgruppe eine große Rolle: insbesondere weil ja Instruktionstexte nicht nur technische Texte sein müssen, aber auch weil die Zielgruppe nicht immer der Endbenutzer ist.

3 Theoretische Betrachtungen

3.1 Exkurs I: Was ist Technik?

Um einen Text als technischen Text oder gar als technische Bedienungsanleitung definieren zu können, braucht es einen eher scharf abgegrenzten Technikbegriff:

„(1) Das Wort Technik kann offensichtlich für unterschiedliche Technikbegriffe stehen, die in den theoretischen Wissenschaften, in den technischen Fachdisziplinen und im Alltag unterschiedliche Ausprägungen haben. [...]
(2) Menschliches Alltagsleben und Alltagshandeln ist ohne technische Hilfsmittel nicht denkbar. [...]“[9]

Beide Zitate belegen die unterschiedliche Auslegung des Technikbegriffes. Während in den theoretischen Wissenschaften vielleicht schon chemische Reaktionen als technisch bezeichnet werden, und nicht nur die Apparate, die diese Reaktion auf den Weg bringen, ist in der Alltagssprache der Technikbegriff schon wesentlich eingegrenzter (durch eine immer enger werdende Definition von Technik), z.B. die Bezeichnung von mechanischen oder elektrischen Geräten.

Durch die Gattung „technische Bedienungsanleitung“ ist der Technikbegriff dieser Arbeit aber schon vorgefasst, denn die technische Gebrauchsanweisung setzt sich ja mit der Vermittlung von Wissen über den Umgang mit technischen Artefakten auseinander. Dabei ist bei diesem Artefakt wichtig, dass das Ergebnis zählt und nicht der Umgang damit:

„Auch Klaviernoten erfüllen einige Bedingungen der Definition zur Gebrauchsanweisung. Steht da nicht, welche Taste man wie lange drücken soll? Geht es nicht um Handlungsanweisungen im Umgang mit einem Artefakt? [...] Möglicherweise kommt man wieder über die Intention zum Unterschied: Beim Spielen eines Musikinstrumentes ist das Ziel beim Umgang erreicht. Der Prozess ist das Ziel.[...]“[10]

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in den hier behandelten Texten der Umgang mit technischen Artefakten beschrieben wird, die eine Aufgabe durch mechanische, elektrische oder eine andere Energieform aktiv oder passiv verrichten, wobei nicht der Umgang sondern das Ergebnis das Ziel ist. Als Beispiel können demzufolge ein Blitzableiter, genauso wie ein Fahrrad oder ein Telefon oder ein Radio gelten, andererseits Musikinstrumente oder chemische Substanzen – wie Reinigungsmittel – von dieser Definition ausgeschlossen sind.

3.2 Technische Texte und Bedienungsanleitungen

In einer Welt, die sich technisch rasant weiterentwickelt, scheint nichts so wichtig, wie die Bedienungsanleitungen, Dokumentationen oder Gebrauchsanweisungen für diese Geräte. Der Grund ist offensichtlich: Diese Texte erhalten ihre Bedeutung durch den Fakt, weil sie manchmal das einzige Glied in der Kette der Vermittlung von Wissen über die Funktion der Technik an technische Laien sind, weil sich durch komplexe Vertriebsstrukturen der Erwerber immer weiter vom Hersteller und Entwickler der Technik entfernt und somit die mündliche Wissensvermittlung in den Hintergrund drängt und nicht zuletzt weil diese komplexen Vertriebsstrukturen durch einen Massengebrauch dieser Technik entstanden sind. Dabei ist es völlig unerheblich, ob das Gerät nun ein „modernes Telefon“ dieser Tage ist oder ob man von einem Fernsprechapparat aus dem 19. Jahrhundert spricht. Die möglichst ökonomische Verbreitung von Wissen über den Gebrauch und den Nutzen dieser Geräte steht und stand immer im Vordergrund.

Genau wie in jedem sprachlichen Bereich herrscht keine Homogenität in der Menge technischer Texte. Dazu sind die Anforderungen an Verfasser und Zielgruppen viel zu verschieden. So differenziert Hans-R. Fluck zwischen einer horizontalen und vertikalen Schichtung[11], was vor Augen führt, wie wenig erfolgreich eine singuläre und eindimensionale Definition von technischen Texten sein kann. So schreibt er zur horizontalen Schichtung:

„[...] immer wird man bei fachsprachlichen Aspekten zu dem Ergebnis kommen, dass mehrere Fachsprachen nebeneinander existieren. [...] Wir dürfen aber annehmen, dass es etwa ebenso viele Fachsprachen wie Fachbereiche gibt. [...] Unter Fachbereich wäre hier nicht ein Komplex, wie Wirtschaft oder Medizin zu verstehen, sondern deren Teilbereiche [...]“[12]

Genauso komplex wirkt die vertikale Gliederung, wie zum Beispiel die von Schmidt in Anlehnung an Drozd[13]. Ein anderes sehr gebräuchliches Modell zur vertikalen Schichtung von Fachsprachen ist das Modell von Hoffmann, in welchem die Kriterien Abstraktionsstufe, äußere Sprachform, Milieu und Teilnehmer an der Kommunikation zu einem Fünf-Schichten-Modell veranschaulicht wurden.[14]

[...]


[1] Streib, Riemer. S. 5.

[2] Ebd.

[3] Schwender. „Früher...“. S. 24.

[4] Schwender. „Geschichte...“. S. 6.

[5] Ebd.

[6] Vgl. Jacob, S. 152.

[7] Natürlich gab es auch schon Anwenderfachtexte, z.B. für den Gebrauch und die Funktion der Dampfmaschine (vgl. Jacob. S. 150, 221), jedoch erfüllen diese m.E. nicht die Bedingungen für eine typische Gebrauchsanweisung, welche nicht in erster Linie technisches Wissen über das Gerät (Artefakt, Maschine) vermitteln möchte, sondern den praktischen Gebrauch desselben. Vgl. auch Kapitel 3.4 dieser Arbeit.

[8] Vgl. Schwender. „Geschichte...“. S. 12.

[9] Vgl. Jacob. S.1f.

[10] Schwender. „Geschichte...“. S. 3.

[11] Vgl. Fluck. S. 16f.

[12] Fluck. S. 16.

[13] Ausgehend vom Fachwortschatz werden hinsichtlich der Menge und Relation die fachsprachlichen Schichten gekennzeichnet: „[...] eine wissenschaftliche, theoretisch fachliche und eine halb- oder populärwissenschaftliche, praktisch-fachliche Schicht.“ Vgl. Fluck. S. 22f.

[14] Vgl. Neckermann. S.11f.

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Details

Title
"Anweisung zum Gebrauch des Fernsprechers" - Geschichte von Bedienungsanleitungen im 19. Jahrhundert
College
Dresden Technical University  (Germanistik)
Grade
2,5
Author
Year
2002
Pages
19
Catalog Number
V15014
ISBN (eBook)
9783638202602
ISBN (Book)
9783638758239
File size
566 KB
Language
German
Keywords
Anweisung, Gebrauch, Fernsprechers, Geschichte, Bedienungsanleitungen, Jahrhundert
Quote paper
Markus Nowatzki (Author), 2002, "Anweisung zum Gebrauch des Fernsprechers" - Geschichte von Bedienungsanleitungen im 19. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15014

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