Häusliche Gewalt gegen Frauen - Welche Präventions- und Interventionsmöglichkeiten gibt es?

Unter besonderer Berücksichtigung des S.I.G.N.A.L. Interventionsprogramms


Dossier / Travail, 2010

32 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Gewalt
2.1 Definition von Gewalt
2.2 Formen der häuslichen Gewalt
2.3 Ursachen von Gewalt
2.4 Folgen von Gewalthandlungen

3 Prävention und Intervention
3.1 Formen von Prävention und Intervention
3.2 Geschichtlicher Hintergrund von Prävention und Intervention
3.3 Anwendung von Prävention und Intervention im Gesundheitssystem
3.4 S.I.G.N.A.L. Interventionsprogramm
3.5 Nutzen von Prävention und Intervention

4 Diskussion und Ausblicke

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

„Als er das erste Mal ausgerastet war fiel sie so unglücklich, dass ihr Arm gebrochen war. Am nächsten Tag entschuldigte er sich reuevoll, nahm sich frei und kümmerte sich um sie und die Kinder. Sie war schockiert und gleichzeitig gerührt. Auch Jahre später, nach unzähligen Wutausbrüchen und weiteren Verletzungen hoffte sie - selbst entscheidungsunfähig - noch immer, er werde sich ändern.“ (Buskotte 2007: 89ff.)

In der vorliegenden Hausarbeit gehen wir der Frage nach, ob es gelingt Erkrankungen und Verletzungen ursächlich mit häuslicher Gewalt in Verbindung zu bringen.

Der erste Kontakt mit Hilfsangeboten in Form von Präventions- und Interventionsprogrammen wird für gewaltbetroffene Frauen in Einrichtungen des Gesundheitswesens hergestellt. Dies ist von besonderer Bedeutung, da neben direkten Verletzungen durch physische oder sexuelle Gewaltanwendung ein großes Dunkelfeld an indirekten Folgeerkrankungen und psychischen Störungen durch vorangegangene Gewalthandlungen anzunehmen ist.

In unserer Ausarbeitung werden Formen, Ursachen und Folgen von Gewalthandlungen beschrieben. Derzeit angewendete Präventions- und das S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramm stellen wir vor und hinterfragen die Wirksamkeit hinsichtlich transparenter Zuschreibungen von Gewalttat und Erkrankung.

Wir verwendeten Literatur des Robert Koch Instituts, der World Health Organisation und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Weiterführende Literatur wurde in der Hochschul- und Landesbibliothek sowie im elektronischen Zeitschriftenbestand gesichtet. Darüber hinaus haben wir in Datenbanken wie EMBASE, Medline und Cochrane Library recherchiert. Mit einer Trefferanzahl von sechs Reviews.

2 Gewalt

2.1 Definition von Gewalt

Gewalt wird als diffuses und komplexes Phänomen bezeichnet, welches sich einer genauen wissenschaftlichen Definition entzieht. Gewalt gefährdet in hohem Maße die Gesundheit von Individuen. Die Vorstellung dessen, was als Gewalthandeln angesehen wird, unterliegt kulturellen Einflüssen, Wertevorstellungen und gesellschaftlichen Normen. Sie sind einem ständigen Wandel ausgesetzt und werden von nachfolgenden Generationen neu bestimmt oder interpretiert (WHO 2003: 5).

Gewaltdefinition der Weltgesundheitsorganisation: „Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichen Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, die entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“ (WHO 2003: 6)

Definition von häuslicher Gewalt: Bei häuslicher Gewalt geht es um die Ausübung von Macht und Kontrolle zwischen den Beziehungspartnern. Sie umfasst alle physischen, sexuellen und psychischen Übergriffe zwischen erwachsenen Personen, die in einer früheren, derzeit bestehenden oder in Trennung befindlichen Paarbeziehung leben (Leopold 2002: 31).

Der neutrale Begriff der häuslichen Gewalt verzichtet auf geschlechtliche Zuweisungen von Täter und Opfer, da auch Männer Opfer von Konfliktlösungen durch Gewalt werden (Hagemann-White/Lenz: 2006: 46ff.). Doch in der überwiegenden Anzahl, besonders bei der engen Betrachtung von Gewaltübergriffen, wird die Gewalthandlung von Männern an Frauen verübt (Hornberg et al. 2008: 15).

Hierarchische Positionen im Geschlechterverhältnis beeinflussen Beziehungsgewalt. Zuschreibungen von eindeutig männlichen bzw. weiblichen Tätigkeiten, Handlungen und Einstellungen führen zu sozialen Konstruktionen von Mann und Frau. Der Einsatz körperlicher Gewalt dient dazu, schnell und unmissverständlich die natürliche Ordnung im Geschlechtersystem herzustellen (Lamnek et al. 2006: 24ff.).

Vor diesem Hintergrund wird Frauen das Recht auf freie Entscheidungen und körperliche Unversehrtheit abgesprochen (Brückner 1998: 10).

Der gewalttätige Mann bewegt sich außerhalb der bestehenden Rechtsordnung jedoch innerhalb der Geschlechterordnung (Meuser 2002: 56).

Untersuchungen über Entscheidungsfindungen in Partnerschaften haben ergeben, dass gleichberechtigte Beziehungspartner auch die relativ niedrigste Gewaltrate aufweisen. Trifft der Mann die Entscheidungen alleine, ist auch die Gewaltrate deutlich höher (Luedtke 2008: 60).

Gewalttätiges Handeln ist mit ungleichen Machtverhältnissen zwischen Täter und Opfer verbunden. Die stärkere Person verfügt über Mittel wie körperliche Überlegenheit oder finanzielle Ressourcen und setzt diese gegen die schwächere Person ein. Es geht um die Demonstration von Macht und die Durchsetzung eigener Interessen unter Einsatz der verfügbaren Mittel. Die physischen und psychischen Verletzungen werden dabei billigend in Kauf genommen (Brückner 1998: 19ff.).

2.2 Formen der häuslichen Gewalt

Häusliche Gewalt dient dazu Macht und Kontrolle gegenüber dem Beziehungspartner auszuüben. Die Misshandlungssysteme sind vielfältig und häufig keine einmaligen Ereignisse. Nach Heise (1999: 5f.) werden folgende Gewaltformen unterschieden:

- Unter körperlicher Gewalt werden Ohrfeigen, Faustschläge, Fußtritte, Würgen und Fesseln, Angriffe mit Gegenständen, Angriffe mit Waffen, Morddrohungen und Tötungen verstanden.
- Zur sexualisierten Gewalt zählen alle Formen der sexuellen Nötigung bis zur Vergewaltigung.
- Beispiele für psychische Gewalt sind Beleidigungen, Demütigungen und Einschüchterungen. Der Entzug von Lebensgrundlagen wie Nahrungsaufnahme oder der Entzug von Bewegungsfreiheit wie das Einsperren in Räumen werden dazu gezählt.
- Mit ökonomischer Gewalt sind Einwirkungen auf die Berufsausübung des Partners wie Zwang zur Arbeit oder Arbeitsverbot gemeint. Die alleinige Verfügungsmacht des Mannes über das Familieneinkommen führt zu finanzieller Abhängigkeit.
- Bei sozialer Gewalt kommt es zum Abbau freundschaftlicher Kontakte bis zur totalen Isolation. Diese Situation ermöglicht eine ständige Kontrolle oder Überwachung der Partnerin.

2.3 Ursachen von Gewalt

Heute vorliegende Studien können aufgrund ihrer Methodik keine eindeutige Kausalität zwischen Ursachen und Gewalthandlung herstellen. Die ermittelten Untersuchungsergebnisse lassen Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren oder gewaltbeeinflussenden Faktoren bzw. Gewaltbetroffenheit zu (Hellbernd 2006: 23).

Anhand des ökologischen Modells nach Heise (1999: 8) werden die vielfältigen Einflussfaktoren vier verschiedenen Ebenen zugeordnet. Die Bereitschaft Gewalttäter oder Gewaltopfer zu werden, hängt von Faktoren ab, die das Individuum, seine privaten Beziehungen, seine sozialen Gemeinschaften und das gesellschaftliche Klima betreffen.

Abbildung 1: Das ökologische Modell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Krug et al. 2002: 12

Die individuelle Ebene betrachtet Entwicklungsfaktoren wie persönliche Gewalterfahrungen, Gewalthandlungen zwischen den Eltern und erlernte Konfliktlösungen. Die Beziehungsebene betrachtet, wie in engen zwischenmenschlichen Beziehungen Macht verteilt und Konflikte gelöst werden. Die Ebene des sozialen Umfeldes wie zum Beispiel Freundschaft, Arbeitsplatz oder Ausbildungsstätte betrachtet den Grad der Isolation oder Teilhabe an diesen sozialen Gemeinschaften und deren Einfluss auf Gewalthandlungen. Auf gesellschaftlicher Ebene werden Faktoren betrachtet, die aufgrund politischer Entscheidungen oder kultureller Prägungen Einfluss nehmen. Im Bereich der häuslichen Gewalt spielen geschlechtsspezifische Rollenverteilungen und damit verbundene Machtverhältnisse bei Konfliktlösungen eine wesentliche Rolle (Heise et al. 1999: 8; Hellbernd 2006: 22).

Unter Risikofaktoren werden Merkmale verstanden, die häusliche Gewalt auf Täter wie auch auf Opferseite begünstigen. Kindliche Gewalterfahrungen, insbesondere sexueller Missbrauch, erhöhen das Risiko im späteren Leben selbst Gewalt auszuüben (Löbmann/Herbers 2005: 8ff.). In der Studie zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland (2004) konnte kein ursächlicher Zusammenhang sowohl zwischen Alkoholkonsum und Gewaltanwendung wie auch zwischen Arbeitslosigkeit und Gewalthandeln hergestellt werden. Auch auf Opferseite konnte die weit verbreitete Annahme, Bildung, Einkommen, Religion oder sozialer Status hätten Einfluss auf das Gewaltgeschehen, nicht nachgewiesen werden. Während der Kindheit erlebte Gewalthandlungen, insbesondere sexuelle Übergriffe, erhöhen das Risiko, auch im Erwachsenenleben Gewalt durch Beziehungspartner zu erleiden. Die Absicht, die bestehende Paarbeziehung zu beenden, kann schwere Gewalthandlungen auslösen und die Gefahr getötet zu werden, ist in dieser Situation erhöht (Müller et al. 2008: 18f.).

2.4 Folgen von Gewalthandlungen

Häusliche Gewalt hat Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen, aber auch auf die Ökonomie der Gesellschaft. Die Auswirkungen auf die Frau wurde in einer groß angelegten Untersuchung zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland 2004 vom Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (BMFSFJ) dargestellt (Müller et al. 2008: 14ff.).

Abbildung 2: Angaben von Frauen in Hinblick auf Gewalterfahrungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung: Müller et al. 2008: 7

In dieser Untersuchung wurden 10.264 Frauen zwischen 16 bis 85 Jahren zu Gewalterfahrungen, ihrem Sicherheitsgefühl und ihrer psychosozialen und gesundheitlichen Situation befragt. Auf Fragen nach Gewalterfahrungen des bisherigen Lebens gaben 37 % der Frauen körperliche Gewalt, 13 % sexuelle Gewalt und 42 % psychische Gewalt an (Müller et al. 2008: 5ff.).

“Die Untersuchung bestätigte insgesamt, dass Gewalt gegen Frauen überwiegend häusliche Gewalt durch männliche Beziehungspartner ist.“ (Müller et al. 2008: 13)

Gewalt in der Partnerschaft hat vielfältige Auswirkungen. Es beeinflusst die Gesundheit, das Wohlbefinden und das Verhalten der Gewaltopfer. Sie nehmen Informationen und Dienstleistungen nur beschränkt in Anspruch. Die Teilhabe am öffentlichen Leben ist begrenzt und emotionale Unterstützung von Freunden und Verwandten können nur schwer angenommen werden. Den Blick auf sich selbst, auf ihre Kinder, auf ihren Arbeitsplatz und ihre Karriere vernachlässigen sie.

Erkrankungen, die mit Gewalterlebnissen in Zusammenhang stehen, werden in direkte und indirekte Folgen von Gewalt unterschieden. Unter indirekten Erkrankungen werden psychische Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Depressionen, psychosomatische Erkrankungen oder Verhaltensänderungen verstanden, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken (Krug et al. 2002: 100).

Gewalt hat neben individuellen auch gesamtgesellschaftliche ökonomische Auswirkungen. Es entstehen Ausgaben für Polizeieinsätze, Gerichts- bzw. Prozesskosten, krankheitsbedingte Abwesenheit am Arbeitsplatz, verlorene Leistungsfähigkeit durch verfrühten Tod, Autopsien, diagnostische und therapeutische Maßnahmen, somatische und psychosomatische Langzeitfolgen, psychosoziale Betreuung und die Unterbringung von Gewaltopfern in Zufluchtsstätten. Durch häusliche Gewalthandlungen entstehen Kosten, da gewaltbetroffene Frauen gesundheitliche Probleme aufweisen und Notfalleinrichtungen häufiger aufsuchen (Krug et al. 2002: 11f.).

Gesamtgesellschaftliche Kosten entstehen somit auf der Ebene des Gesundheitssystems, des Rechtssystems und des Sozialsystems (GiG-net 2008: 74).

Es existieren in Deutschland keine Untersuchungen die Folgekosten von Gewalt ermitteln. Eine Studie mit dieser Fragestellung wurde in England und Wales durchgeführt (Hellbernd et al. 2004: 29). Kosten die im Zusammenhang mit Gewalt entstanden betrugen für das Jahr 2004 eine Summe von 34 Milliarden Euro. 2 Milliarden Euro entfielen auf den Gesundheitssektor (Walby 2004: 1).

Vor diesem Hintergrund sind aus ökonomischer Sicht Präventions- und Interventionsmaßnahem gerechtfertigt, wenn gesamtgesellschaftliche Folgekosten verhindert oder verringert werden können (Hornberg et al. 2008: 23).

[...]

Fin de l'extrait de 32 pages

Résumé des informations

Titre
Häusliche Gewalt gegen Frauen - Welche Präventions- und Interventionsmöglichkeiten gibt es?
Sous-titre
Unter besonderer Berücksichtigung des S.I.G.N.A.L. Interventionsprogramms
Université
University of Applied Sciences Fulda
Cours
Gesundheitswissenschaftliches Arbeiten
Note
1,3
Auteur
Année
2010
Pages
32
N° de catalogue
V150335
ISBN (ebook)
9783656392125
ISBN (Livre)
9783656392262
Taille d'un fichier
1182 KB
Langue
allemand
Mots clés
häusliche, gewalt, frauen, welche, präventions-, interventionsmöglichkeiten, unter, berücksichtigung, interventionsprogramms
Citation du texte
Helena Bohlender (Auteur), 2010, Häusliche Gewalt gegen Frauen - Welche Präventions- und Interventionsmöglichkeiten gibt es?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150335

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