Die heutige, wieder erlangte autonome Provinz des nördlichen Balkans umschließt die geografischen Landschaften der Batschka, des Banats sowie Teile Syrmiens. Gerade auch hinsichtlich ihrer Grenzen stellte es eine ungeahnte Problematik jugoslawischer Verfassungstheorie dar.
Wohl nur Interessierten ist die Region der Vojvodina heute ein Begriff. Dabei stand sie vor allem in den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg (und in den 80er Jahren) im Fokus südosteuropäischer, wenn nicht gar europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Dass die Vojvodina weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden scheint, verdankt sie wohl ironischerweise dem Umstand, nie Schauplatz offener Gewaltausbrüche und Militäraktionen gewesen zu sein. Sofern jene NATO- Angriffe des Jahres 1999 auf strategisch bedeutsame Ziele in der Vojvodina nicht unter diese Kategorie fallen sollen. Dagegen verging keine Woche, in der uns nicht neue Schreckensmeldungen über Kriegsverbrechen und Massaker aus dem Kosovo erreichten.
Beide Regionen blicken zunächst auf eine durchaus vergleichbare Geschichte. Aufgrund einzigartiger Besiedlungsentwicklung und Nationalitätenpolitik genossen sie jeweils eine gesonderte Behandlung unter den Staaten des Balkans, die im Status einer autonomen Provinz mündete- dadurch aber nicht zuletzt auch zum Corpus Delicti (südost-)europäischer Interessen und Integrationspolitik wurde. Konfliktpotenzial, welches sich in den Unruhen im Kosovo 1981 erstmals offen zeigte, und in die serbische Offensive des Kosovo- Krieges 1998/ 1999 steuerte. Worin liegen demnach die Spezifika der Region Vojvodina? Welche Gründe und Ursachen lassen sich herausfinden, dass sie eben nicht wie das Kosovo wie wohl keine andere Region im Blickpunkt der europäischen Öffentlichkeit steht?
Die Vojvodina erfuhr eine historisch zwar recht kurze, dafür aber wahrscheinlich umso intensivere wie wechselvolle Geschichte. Nach dem Zurückdrängen der Osmanen Ende des 17. Jahrhunderts erreichte die Region eine erste Besiedlungswelle im Auftrag der Habsburger Monarchie, um den von Kriegsjahren ausgezehrten Boden neu zu bevölkern. Neusiedlern wurden Privilegien wie religiöse Freizügigkeit und ökonomische Vorteile in Aussicht gestellt. Für Tausende Deutsche, besser bekannt als Donauschwaben, wurde die Region ebenso zur neuen Heimat wie für Serben, Kroaten und Magyaren. Die spätere, charakteristische kulturelle Heterogenität der Vojvodina lässt sich als Resultat jener Populationspolitik zurückführen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitendes
- Historische Grundlagen der Besiedlungspolitik der Vojvodina
- Von der Habsburger Monarchie und deren Zerfall 1918
- Vom,,serbischen Hemd“ in den „jugoslawischen Mantel“? Die Entwicklung der Vojvodina bis Ende des Zweiten Weltkrieges
- Die Vojvodina als Spielball der Interessen unter Berücksichtigung ihrer
verfassungsrechtlichen Stellung nach 1945
- Sowjetische Nationalitätenpolitik
- Souveränität und Autonomie in der Verfassung von 1946
- Struktur und Möglichkeiten politischer Partizipation der autonomen Provinz Vojvodina in der Verfassungstheorie bis 1974
- Schwaches Serbien- starkes Jugoslawien? Die Ära Tito und die Verfassung von 1974
- Verfassungsrevision und die Antibürokratische Revolution unter Milosevic 19
- Sowjetische Nationalitätenpolitik
- Ein Ausblick: Das Erbe der Geschichte und Demokratisierung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Entwicklung der autonomen Provinz Vojvodina im Kontext der jugoslawischen Verfassungstheorie nach 1945. Sie beleuchtet die Herausforderungen, die sich aus der Nationalitätenpolitik und den Interessen verschiedener Akteure ergaben, und analysiert, wie diese in den Verfassungen von 1946, 1974 und 1988/1990 zum Ausdruck kamen.
- Die historische Entwicklung der Vojvodina und ihre Bedeutung für das serbische Selbstverständnis
- Die Rolle der Sowjetischen Nationalitätenpolitik in der Gestaltung der Verfassung von 1946 und der Autonomie der Vojvodina
- Die Auswirkungen der Tito-Ära und die Verfassung von 1974 auf die politische Partizipation der Vojvodina
- Die Verfassungsrevisionen unter Milosevic und deren Einfluss auf die Autonomie der Provinz
- Die Herausforderungen der Demokratisierung und das Erbe der Geschichte für die Vojvodina
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 bietet eine Einleitung in die Thematik und stellt die Region der Vojvodina im Kontext der jugoslawischen Verfassungstheorie vor. Kapitel 2 beleuchtet die historischen Grundlagen der Besiedlung der Vojvodina, beginnend mit der Habsburger Monarchie und deren Zerfall 1918. Es wird die Entwicklung der Region bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und die sich dabei ergebenden Herausforderungen für die nationale Identität der Vojvodina beleuchtet. Kapitel 3 analysiert die Stellung der Vojvodina in der jugoslawischen Verfassungstheorie nach 1945. Es werden die Auswirkungen der sowjetischen Nationalitätenpolitik, die Ära Tito und die Verfassungsrevisionen unter Milosevic auf die Autonomie der Provinz untersucht. Kapitel 4 bietet einen Ausblick auf die Herausforderungen der Demokratisierung und das Erbe der Geschichte für die Vojvodina.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Themen wie Autonomie, Nationalitätenpolitik, Verfassungstheorie, jugoslawische Geschichte, Vojvodina, Serbien, Sowjetische Nationalitätenpolitik, Tito-Ära, Milosevic, Demokratisierung.
- Citation du texte
- Robin Otto (Auteur), 2009, Die Vojvodina in der Jugoslawischen Verfassungstheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150804