Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Voraussetzungen der Betrachtung
1.1. Einwirkung der Psychoanalyse auf die freudsche Kulturtheorie
1.2. Der seelische Apparat der Menschen
1.3. Das freudsche Menschenbild
2. Die freudsche Kulturtheorie
2.1. Der Kulturbegriff
2.2. Die Leistungen der Kultur
2.3. Entstehung der Kultur
3. Die Zukunft einer Illusion
3.1. Freuds Einstellung zur Religion
4. Das Verhältnis von Individuum und Kultur
4.1. Der Grundkonflikt
4.2. Das Schuldgefühl
4.3. Das kulturelle Über-Ich
4.4. Der Mensch in der Kultur
5. Bewertung aus heutiger Sicht und Zeit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Sigmund Freuds Kulturtheorie und als deren Mittelpunkt das Werk Das Unbehagen in der Kultur (1930) sind das Thema dieser Hausarbeit. Ich habe mich aus mehreren Gründen dafür entschieden, gerade diesen klassischen Text der Kulturphilosophie zu vertiefen.
Leider habe ich mich mit dem generellen Thema Kultur und dem Verhältnis zwischen Kultur und Mensch bisher, kaum explizit beschäftigt, da ich bis jetzt sowohl in der Schule als auch im Studium noch nicht damit konfrontiert wurde.
Als wir die freudsche Kulturtheorie in einer Seminarsitzung besprochen haben, war ich zunächst sehr überrascht, auf welchen Gebieten Freud in seinen Forschungen und Überlegungen gearbeitet hat. Freud selber war mir bereits bekannt, weil ich mich für Psychologie interessiere und auch als Fach in der Schule Psychologie belegt habe. Mir war daher das typische allgemeine Wissen über Freud bereits bekannt, welches sich allerdings auf die verschiedenen Phasen der Kindheit, die drei innerseelischen Instanzen (Es, Ich und Über-Ich) und die Begründung der Psychoanalyse beschränkte. Nach der anregenden Diskussion, die wir im Seminar geführt haben, fasste ich schnell den Entschluss, mich intensiver mit Freuds Kulturtheorie beschäftigen zu wollen. Insbesondere die von Freud beschriebene Kulturfeindlichkeit der Menschen hat mein Interesse an seinem Text geweckt. Ich wollte mehr erfahren über seine Ansichten über die Psyche, den Menschen allgemein, die Auswirkungen der Triebe und eben die Kultur.
Den Text habe ich anhand dreier Hauptfragestellungen erarbeitet: Was versteht Freud unter Kultur? Wie ist das Verhältnis von Kultur und Individuum bei ihm bestimmt? Wie begründet er seine Ansicht, dass Menschen oft eine Abneigung gegen ihre eigene Kultur haben? Desweiteren möchte ich noch auf einige andere Aspekte genauer eingehen, die ich bei der Analyse seiner Kulturtheorie als besonders wichtig empfinde, zum Beispiel inwiefern die freudsche Kulturtheorie von seiner Psychoanalyse beeinflusst ist und inwiefern sich mit seiner Kulturtheorie auch allgemeine religiöse, kulturelle Phänomene erklären lassen. Diese Fragen ermöglichen, so hoffe ich, dem Leser eine Übersicht über den Inhalt des Textes sowie gleichzeitig weiterführende, tiefergehende Erklärungen hinsichtlich Freuds Kulturphilosophie. Abschließend möchte ich mich dann als Fazit damit beschäftigen, wie seine Theorie aus heutiger Sicht und Zeit zu bewerten ist und ich möchte Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen der freudschen kulturtheoretischen Ansätze aufzeigen.
1. Voraussetzungen der Betrachtung
1.1. Einwirkung der Psychoanalyse auf die freudsche Kulturtheorie
Die Frage, ob es eine Verbindung zwischen der Psychoanalyse und der freudschen Kulturansicht gibt, kann schnell und eindeutig beantwortet werden.
Die Tatsache, dass Freud primär kein Philosoph oder Kulturtheoretiker war, sondern hauptsächlich Psychologe und Psychiater, wirkt sich stark auf seine Kulturphilosophie aus. Als Begründer der Psychoanalyse hat er eine psychoanalytische Sicht auf die Kultur. Freud selbst bezeichnet das Unterfangen in seinem Aufsatz Das Unbehagen in der Kultur als einen „[…] Versuch zur Übertragung der Psychoanalyse auf die Kulturgemeinschaft [...].“[1]
Seine Kenntnisse, die er durch das Studium seelischer Vorgänge gemacht hat, also seine Annahmen über die Triebentwicklung, den seelischen Apparat und die seelischen Instanzen beim Individuum, fließen in seine Kulturphilosophie ein. Er setzt sie in Bezug zur Kulturentwicklung und zu den unterschiedlichen Fragen nach der Kultur, welche von ihrem Gegenstand her in den Erkenntnisbereich der Philosophie fallen.
Freud schrieb außerdem das Folgende: „Nach dem lebenslangen Umweg über die Naturwissenschaften, Medizin, und Psychotherapie war mein Interesse zu jenen kulturellen Problemen zurückgekehrt, die dereinst den kaum zum Denken erwachten Jüngling gefesselt hatten.“[2] Mit seiner Arbeit wendet er also seine psychoanalytische Theorie ebenfalls auf kulturelle Probleme und Phänomene an, wie etwa Krieg oder Religion. Mit der Religion beschäftigt er sich gesondert, in seinem Aufsatz Die Zukunft einer Illusion, auf welche ich zu einem späteren Zeitpunkt noch eingehen werde.
Fest steht also, um seine Kulturtheorie sinngemäß nachvollziehen zu können, ist es für den Leser von Bedeutung, sich zunächst mit einigen Grundbegriffen und Hauptthesen der Psychoanalyse auseinander zu setzen. Dabei besonders wichtig und interessant ist das Hintergrundwissen zu der freudschen Konstruktion des seelischen Apparates und des freudschen Menschenbildes.
1.2. Der seelische Apparat der Menschen
Für die psychoanalytische Perspektive der Betrachtung der Kultur ist der seelische Apparat der Menschen, wie Freud ihn konstruiert, eine entscheidende Voraussetzung.
Dieser seelische Apparat ist zerlegt in drei Teile (Instanzen) mit unterschiedlichen Funktionen. Einen Teil bildet das Über-Ich, welches die moralische Instanz ist und das Gewissen enthält. Es wird unter dem Einfluss der sozialen Umwelt gebildet und repräsentiert gesellschaftliche Werte und Standards. Einen zweiten Teil bildet das Es, welches dem Lustprinzip unterliegt und die mächtigen Triebe des Eros (Lebenstrieb) und Thanatos (Todestrieb) enthält. Den dritten Teil bildet das Ich, welches der Außenwelt zugewendet ist und in dem das Realitätsprinzip herrscht. Auf das Ich, mit seinem kontrollierenden kritischen Verstand, treffen die Forderungen des Über-Ichs in Form von Geboten und Verboten und die Forderung nach Triebbefriedigung des Es.
1.3. Das freudsche Menschenbild
Das Menschenbild Freuds ist eher deterministisch und negativ. Der Mensch ist für ihn ein triebgesteuertes Wesen, das „[…] biologische Instinkte [hat], primär sexueller und aggressiver Art, die nach sofortiger Befriedigung drängen, was bei den Menschen einen Konflikt mit ihrer sozialen Realität auslöst.“[3]
Die Natur des Menschen liegt für Freud im Streben nach Glück als entweder (negativ gewendet) Meiden von Schmerz und Unlust oder (positiv ausgedrückt) das Erleben starker Lustgefühle durch Triebbefriedigung. Das Lustprinzip beherrscht die Leistung des seelischen Apparates und setzt den Lebenszweck. Die vollkommene Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse ist dabei eigentlich nie möglich bzw. nicht durchführbar, denn „[…] alle Einrichtungen des Alls widerstreben [dem Programm des Lustprinzips] […].“[4] Ihm drohen drei Quellen mit Leid: erstens der Verfall des eigenen Körpers, zweitens die zerstörerischen Kräfte der Außenwelt und drittens die Beziehungen zu anderen Menschen.
[...]
[1] Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. In: Studienausgabe. Band 9. Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion. Frankfurt a. M. 1974. S. 269.
[2] Freud, Sigmund: Selbstdarstellung. Schriften zur Geschichte der Psychoanalyse. Frankfurt a. M. 1993. S. 98.
[3] Zimbardo, Philip; Gerrig, Richard J.: Psychologie. 16. Auflage. München 2004. S. 726.
[4] Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. S. 208.