Die Gender Studies (oder auch Geschlechterforschung) gingen aus dem Feminismus der USA in den 1970er-Jahren hervor. Ein Jahrzehnt später etablierte sich diese Disziplin auch im deutschsprachigen Raum. Grundlegender Gedanke war es, die binären Geschlechterverhältnisse zu ergründen, herauszufinden, warum eine hierarchische Anordnung zwischen männlichen und weiblichen Eigenschaften besteht sowie zu klären, inwiefern das biologische Geschlecht als persönliche Eigenschaft angesehen werden kann und darf. Ein Bezug zu Disziplinen außerhalb der Sozialwissenschaften ist insofern geeignet, da sich die Geschlechterverhältnisse auf alle Lebensbereiche ausbreiten. Es erscheint daher als durchaus sinnvoll, auf Basis der Gender Studies interdisziplinär zu forschen.
Wie lässt sich diese sehr junge wissenschaftliche Fachrichtung nun auf die germanistische Mediävistik übertragen? Judith Butler (1991) und Thomas Laqueur (1992) gaben dazu den entscheidenden Anstoß. Butler betonte die Performativität der sozialen Geschlechtsidentität im Zusammenhang mit den biologischen Gegebenheiten des menschlichen Körpers. Geschlechterdifferenzen werden demnach aufgrund sprachlicher Gegebenheiten hervorgebracht. Eine biologische Vorgabe der Unterscheidung der Geschlechter ist nach Butler nicht existent. Sprachliche Unterscheidungen werden von der Gesellschaft auf die biologischen Gegebenheiten übertragen und als unveränderlich dargestellt. Da diese Unveränderbarkeit aber über die Sprache künstlich erzeugt wird, ist die binäre Unterscheidung der Geschlechter sehr wohl veränderbar. Laqueur legt mit der medizinhistorischen Sichtweise dar, dass im Mittelalter die Vorstellung eines Ein-Geschlecht-Modells (one-sex-model) vorherrschte, wonach die Frau als minderwertige Ausführung des Mannes angesehen wurde. Während Butler die sex/gender-Unterscheidung grundsätzlich kritisiert, analysiert Laqueur die Vorstellung über die Kategorie ‚sex’ in der Historie.
In dieser Hausarbeit soll es überwiegend um die Forschungspositionen der mediävistischen Gender Studies gehen. Demnach gehe ich zunächst auf die soziologische Perspektive der Gender Studies ein. Die Begriffe ‚sex’ und ‚gender’ werden geklärt und die soziokulturelle Konstruktion von Geschlechtern erläutert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gender Studies und germanistische Mediävistik
- Soziologische Perspektive
- Butler und Laqueur - Verbindungen der Gender Studies mit der germanistischen Mediävistik
- Forschungspositionen der mediävistischen Geschlechterforschung
- Laudine und die Rolle der Frau im Mittelalter
- Frauen im Mittelalter
- Laudine als Beispiel für die Rolle der Frau im Mittelalter
- Geschlechterkonstruktionen in Hartmanns,Iwein'
- Körperliche Schwäche als Weiblichkeit?
- Körperliche Stärke als Männlichkeit?
- Rolle der Frauengestalten für die Entwicklung der Figur Iwein
- Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Frage, wie Geschlechter in Hartmanns von Aue,Iwein' konstruiert werden. Die Arbeit untersucht, wie sich die soziologische Perspektive der Gender Studies auf die germanistische Mediävistik übertragen lässt und welche Forschungspositionen in der mediävistischen Geschlechterforschung zu finden sind.
- Die soziologische Perspektive der Gender Studies und deren Kernaussagen.
- Die Verbindung der Gender Studies mit der germanistischen Mediävistik durch Judith Butler und Thomas Laqueur.
- Die Rolle der Frau im Mittelalter und die Darstellung von Frauengestalten in höfischen Erzähltexten.
- Die Konstruktion von Geschlechterrollen in Hartmanns,Iwein' anhand der Figuren Iwein, Laudine und Lunete.
- Die Analyse von Geschlechterkonstruktionen in Hartmanns,Iwein' im Hinblick auf die Kategorien,sex' und,gender'.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Geschlechterforschung ein und erläutert die Bedeutung der Gender Studies für die germanistische Mediävistik. Das zweite Kapitel beleuchtet die soziologische Perspektive der Gender Studies und erläutert die Begriffe,sex' und,gender'. Es werden verschiedene Forschungspositionen der mediävistischen Geschlechterforschung vorgestellt. Im dritten Kapitel wird die Rolle der Frau im Mittelalter mit Bezug auf Edith Ennen untersucht. Dabei wird besonders auf die Figur Laudine eingegangen. Das vierte Kapitel analysiert die Geschlechterkonstruktionen in Hartmanns,Iwein' anhand der Figuren Iwein, Laudine und Lunete.
Schlüsselwörter
Gender Studies, germanistische Mediävistik, Geschlechterforschung, Geschlechterrollen, Mittelalter, Hartmanns,Iwein', Laudine, Lunete, Iwein, sex/gender-Unterscheidung, soziale Konstruktion von Geschlecht, Performativität.
- Arbeit zitieren
- Julia Krüger (Autor:in), 2009, Gender Studies und germanistische Mediävistik: Geschlechterkonstruktionen in Hartmanns von Aue ‚Iwein’, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150912