Das Referat analysiert die Sozialstruktur der ehelmaligen DDR aus modernisierungstheoretischer Perspektive.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Zum Begriff “Modernisierung”
III. Zur Sozialstruktur der (ehemaligen) DDR
a) Modernisierungsfortschritte
b) Modernisierungsdefizite
IV. Nachholende Modernisierung in den neuen Bundesländern
a) Modernisierungstendenzen als Folge der Wiedervereinigung
b) Demodernisierungstendenzen als Folge der Wiedervereinigung
V. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Moderne europäische Gesellschaften, wie sie seit den politischen Revolutionen des späten 18.
Jahrhunderts und der Industriellen Revolution gewachsen sind, unterscheiden sich von vormodernen
organischen Sozialsystemen durch funktionale Ausdifferenzierung in den Bereichen Politik,
Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. In einer als modern bezeichenbaren bürgerlichen Gesellschaft
gekennzeichnet durch Demokratisierung, marktabhängiges Wirtschaften und kulturelle Pluralität sind
politische, ökonomische und kulturelle Entscheidungsträger nicht mehr identisch.
Von diesem Modernisierungsverständnis ausgehend, lässt sich die Sozialstruktur der DDR als
modernisierungshemmend, ja als Modernisierungsrückschritt kennzeichnen und die sozialstruktu-
rellen Wandlungen im Gefolge der Wiedervereinigung als nachholende Modernisierung deuten.
Aufgabe dieser Arbeit ist es, in kurzer Form, dies in den einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen
nachzuvollziehen. Da die oben gegebene Definition von Modernisierung umstritten und problematisch
ist, weil ihr ein lineares Geschichtsverständnis zugrunde liegt[1], soll zunächst im ersten Teil näher auf den
Modernisierungsbegriff eingegangen werden. Ausgehend von einer modifizierten Version des
Modernisierungsbegriffs kann dann die Sozialstruktur der DDR auf Modernisierungsfortschritte und
Modernisierungsdefizite untersucht werden. Anschließend werden die Auswirkungen der Zäsur der
Wiedervereinigung und des folgenden Transformationsprozesses (in Richtung des Gesellschaftsmo-
dells der BRD) auf die ostdeutsche Sozialstruktur thematisiert.
II. Zum Begriff “Modernisierung”
Zur Analyse sozialen Wandels wird in der Soziologie häufig der Begriff Modernisierung verwendet.
Als systematisches Modell zur Beschreibung und Bewertung von Nachkriegsgesellschaften erscheint
dieser Begriff zum ersten Mal im Rahmen von Parsons Arbeiten zum Strukturfunktionalismus in den
1950er Jahren. Parsons stellt das Gesellschaftsmodell der westlichen Industrienationen, insbesondere
der USA, als Leitbild dar und geht von einer evolutionären Entwicklung der “unterentwickelten
Staaten” in Richtung dieses Leitbildes aus. (Parsons 1972.) Kritiker haben bemängelt, dass diese De-
finition des Modernisierungsbegriffs einer Idealisierung der westlichen Gesellschaften nahe kommt
und außerdem Brüche und Kosten im Modernisierungsprozess vernachlässigt. Die Schwächen einer
“linear” gedachten Modernisierung von Gesellschaften in Richtung eines Idealbildes hat auch die
vieldiskutierte These des Historikers Francis Fukuyama aufgedeckt, der nach dem Zusammenbruch
der “bipolaren Weltordnung” von einer Vollendung der globalen Modernisierung im Sinne des west-
lich- liberalen Gesellschaftsmodells und damit vom “Ende der Geschichte” ausgeht. (Fukuyama
1992.) Neuere Modernisierungskonzepte gehen nicht mehr von einer linearen Entwicklung aus.
Modernisierung wird jetzt als “ein variantenreicher und keineswegs linearer Vorgang, gekennzeich-
net von ungleichzeitigen Abläufen, Rückschritten und widersprüchlichen Teilentwicklungen”, be-
schrieben. (Rucht 1994, S. 60.) Die Kriterien, an denen die Modernität einer Gesellschaft und ihrer
Struktur gemessen werden kann, sollen Rationalität und Leistungsfähigkeit sein, und zwar im Hin-
blick darauf, ob “eine möglichst hohe Befriedigung der Wünsche und Bedürfnisse möglichst vieler
Menschen” durch sie gewährleistet werden kann. (Geißler(A) 1992, S. 305.) Das heißt, dass eine Ge-
sellschaft, um als modern zu gelten, einer immer größeren Mehrheit ihrer Mitglieder eine positive Bi-
lanz von Befriedigungen und Versagungen ermöglichen muss. (Geißler 1996, S. 360.) Diese Maß-
stäbe sollen im Folgenden der Untersuchung und Beurteilung der Sozialstruktur der (ehemaligen)
DDR zugrunde liegen und es ermöglichen, Modernisierungsfortschritte und -defizite ausfindig zu
machen.
III. Zur Sozialstruktur der (ehemaligen) DDR
Ausgehend von dem skizzierten Modernisierungsbegriff lassen sich in der Sozialstruktur der DDR
sowohl Modernisierungsvorsprünge, als auch Modernisierungsdefizite im Vergleich mit der Sozial-
struktur der BRD feststellen. Elemente, die für die Modernisierung in der BRD als charakteristisch
bezeichnet werden können (Wohlstandssteigerung, Höherqualifizierung, Umschichtung nach oben,
Verschiebungen innerhalb der drei Produktionssektoren, Lockerung des Schichtgefüges, Ver-
ringerung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten, Lockerung der Familienbindungen, Differenzie-
rung der privaten Lebensformen, Alterung und Geburtenrückgang) sind auch in der Sozialstruktur
der DDR wiederzufinden, allerdings nicht in gleicher Ausprägung. Es bestanden und bestehen z.T.
weiterhin sowohl Modernisierungsfortschritte, als auch Modernisierungsdefizite in der ostdeutschen
Sozialstruktur, wobei die Modernisierungsdefizite eindeutig überwiegen und z.T. systemsprengende
Wirkungen entfachten. (Geißler(A) 1992, S. 305ff./ Ebd. 1996, S. 363ff.)
a) Modernisierungsfortschritte
Es lassen sich in der Sozialstruktur der DDR drei markante Modernisierungsvorsprünge ausmachen.
Der erste “Vorsprung” bezieht sich auf den Gleichstellungsvorsprung der Frauen in der DDR, der
durch die ideologisch gesteuerte “Emanzipation von oben” ermöglicht und durch die
Abwanderungsbewegungen vor dem Bau der Mauer erzwungen wurde. Im Vergleich zur BRD
besaßen die Frauen in der DDR einen allgemein höheren Bildungsstand, waren in der Mitte der
Berufshierarchie stärker vertreten und zudem politisch engagierter. Verstärkte Bildung und
Berufstätigkeit von Frauen trug auch zur Auflockerung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in den
Familien bei, nicht aber zur Infragestellung des Modells der “bürgerlichen” Familie zugunsten
alternativer Formen des Zusammenlebens, wie dies in der BRD seit den 1960/70er Jahren
zunehmend der Fall wurde. (Geißler(B) 1992, S. 15f.)
Der zweite “Vorsprung” ist im Bereich der Versorgung mit beruflicher Qualifikation anzusiedeln.
Kurz vor der Wende waren in der BRD noch 23% aller Erwerbstätigen Ungelernte, aber nur 10% in
der DDR. (Geißler(B) 1992, S. 16f.) Man muss diesen Vorsprung insofern relativieren, als auch
Teilfacharbeiter in den statistischen Angaben der DDR berücksichtigt sind.
[...]
[1] Zumindest behaupten das “postmoderne” und neohistoristische Kritiker.
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