Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
Verzeichnis der Abbildungen
1. Einführung
1.1 Zielsetzung der Arbeit
2. Illustrierung: Globalisierung
2.1 Allgemeine Kennzeichen der Globalisierung
2.2 Globale Akteure und Vereinbarungen
3. Hintergründe der Globalisierungskritik
3.1 Eingrenzung: Wer sind die Globalisierungskritiker?
3.2 Darstellung ausgewählter kritischer Thesen
3.2.1 Veränderung der globalen Einkommensstruktur durch Handelsliberalisierung?
3.2.2 Führt das Finanzsystem zum Kurzschluss?
3.2.3 Ökologische Belastung durch wirtschaftliche Globalisierung?
3.2.4 Gravierende Defizite der WTO zu Lasten der Dritten Welt?
4. Resultate und Schlussbetrachtungen
Anhang
Quellenverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1: Zunahme internationaler Handel zwischen 1950 und 2000
Abb. 2: Vergleich der BIP-Wachstumsraten von 1990 bis 2010
Abb. 3: Living Planet Index 1970 - 2005
1. Einführung
1.1 Zielsetzung der Arbeit
Flugabwehrraketen stehen bereit, Hubschrauber kreisen über der Sicherheitszone die von zehntausenden Soldaten und Polizisten observiert wird, mehrere Meter hohe Eisenzäune schmücken die Landschaft. Was sich wie ein Kriegsszenario anhört, ist eines der alljährlich stattfindenden Gipfeltreffen der mächtigsten Industrienationen der Welt zur Debatte über relevante weltpolitische Fragenstellungen.
„ Carlo Giuliani ist der erste Gefallene der Globalisierung [ … ] “.1 Der 23- Jährige Italiener wurde während der Ausschreitungen des G-8-Gipfels in Genua 2001 von einem Polizisten erschossen. Von den Anhängern der Anti-Globalisierungswelle zum Märtyrer stilisiert, stellte Giuliani für die Gegenseite lediglich einen unter tausenden gewaltbereiten Demonstranten dar, welche für die hochrangigen Minister inzwischen genauso selbstverständlich zum Gipfel gehören wie das gemeinsame Dinner im Luxushotel.
Neben den radikalen und gewalttätigen Verfechtern, auf die im Folgenden nicht näher eingegangen werden soll, gibt es aber ebenso hundertausende friedliche Demonstranten und Aktivisten. Diese organisieren sich in unterschiedlichsten Gruppierungen parallel zu den Gipfeltreffen tagenden Kongressen, aber auch außerhalb der Tagungen, um ein breites Publikum über ihre Ziele und Vorstellungen einer veränderten Welt zu informieren und diese bestenfalls auch zu realisieren. Doch was treibt diese enorme globale Protestbewegung an, die für stetig wachsende Mitgliederzahlen in globalisierungskritischen Organisationen verantwortlich ist?2
Die Erläuterung der zahlreichen Motive von Menschen, welche bereit sind - offensichtlich auch unter Lebensgefahr -öffentlich ihre Meinungen über die Auswirkungen einer globalisierten Welt kundzutun, soll Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Als Einstieg wird zunächst ein grundsätzlicher Überblick über den Term „Globalisierung“ sowie über relevante Akteure im weltpolitischen Geschehen gegeben. Im verbleibenden Hauptteil der Ausarbeitung werden sodann ausgewählte Thesen der Globalisierungskritiker aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet sowie zugehörige Lösungs- oder Änderungsvorschläge kritisch analysiert.
Diese Seminararbeit unternimmt den Versuch, innerhalb des breiten Themenfeldes der Globalisierungskritik, welche sich inzwischen zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin entwickelt hat, diverse Argumente der Globalisierungskritiker aufzugreifen und anschließend zu beurteilen, inwieweit diese positiv zur Veränderung der Weltwirtschaft beitragen können.
2. Illustrierung: Globalisierung
2.1 Allgemeine Kennzeichen der Globalisierung
Wie in der renommierten britischen Wochenzeitschrift „The Economist“ konstatiert, lässt sich der Begriff „Globalisierung“ zu den meist gebrauchten Begriffen dieses Jahrhunderts zählen. Eine unter unzähligen Definitionen betitelt Globalisierung „ [ … ] als eine zunehmende politische, wirtschaftliche und kulturelle Vernetzung [sowie] den freien Austausch und Fluss von Waren, Kapital und Dienstleistung [als auch] von Menschen und Ideen. “ 3
Allgemeine theoretische Indikatoren der Globalisierung und die aktuelle wirtschaftliche Lage der Welt lassen sich auch ohne wertenden Bezug nennen. Es ist bei Befürwortern wie auch Kritikern der globalen Vernetzung unumstritten, dass der Abbau internationaler Handelshemmnisse sowie fortschreitende wirtschaftliche Integration zahlreicher Schwellen- und Entwicklungsländer eine mehr als zwanzigfache Steigerung des Welthandelsvolumens im Zeitraum zwischen 1950 und 2000 mit sich brachte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Zunahme internationaler Handel zwischen 1950 und 20004
Sowohl der rasante Preisverfall in den Transport- und Kommunikationssystemen der letzten Jahrzehnte, die Intensivierung der globalen Migrations- und Arbeiterbewegung als auch der anhaltende technische Fortschritt trugen darüber hinaus maßgeblich zur stetig steigenden Anzahl der multinational agierenden Unternehmen bei. Globale Direktinvestitionen ausländischer Firmen, welche zwischen 1985 und 1998 durchschnittlich um 19 % jährlich stiegen und somit mehr als doppelt so stark zunahmen wie der internationale Handel in diesem Zeitraum, sowie die Fragmentierung von Produktionsprozessen und „Global Sourcing“ werden inzwischen in den Teilen der Welt realisiert, die für die jeweiligen Tätigkeiten über spezifische Standortvorteile verfügen. Dabei werden derweilen vermehrt die Standortvorteile moderner Industrienationen mit den relativen und absoluten Kostenvorteilen der Billiglohnländer kombiniert.5
Zusätzlich kommt es durch die beständig zunehmende Verknüpfung der globalen Finanzmärkte zu einer allgegenwärtigen, internationalen Mobilität von Kapital und Finanzdienstleistungen, welche eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Wechselkursen und Aktienindizes spielen. Die Geschwindigkeit des Kapitaltransfers sowie die große Spekulationsfreude der Großaktionäre auf zukünftige Veränderungen von Devisenzinssätzen und möglicherweise gewinnbringende Aktien können mittlerweile für die Wirtschaftspolitik eines Landes signifikante Bedeutung bekommen. Aktuell stellen 99 % des Währungshandels reine Spekulation auf zukünftige Wechselkurse dar, während sich lediglich die verbleibenden 1 % auf reale Handelstransaktionen beziehen.6
Konsens zwischen den kontrahierenden Parteien herrscht ebenfalls in der Hinsicht, dass der aktuelle Globalisierungsschub nicht nur die weltwirtschaftliche Situation und damit die Kapital- und Gütermärkte grundlegend verändert, sondern auch, erneut frei von Wertung, mit einer nie dagewesenen Geschwindigkeit in soziale, kulturelle, politische undökologische Sphären des alltäglichen Lebens eindringt. Der internationale Wettbewerbsdruck des Marktes wirkt sich global auf Sozialleistungen, Arbeitsplätze und Umweltauflagen aus.7
Die allgemein anerkannte Freihandelstheorie von Adam Smith (1723-1790) basierend auf seinem Hauptwerk „Wohlstand der Nationen“ (1776), an der sich aktuell nahezu alle Industrienationen orientieren, plädiert eindeutig für geöffnete Volkswirtschaften und Marktliberalisierung. Durch den daraus resultierenden übernationalen Konkurrenzdruck und die dadurch günstigeren und verbesserten Handelsgüter würde als Konsequenz der Nutzen und Wohlstand aller individuellen Wirtschaftssubjekte gesteigert werden. Basisbedingungen dessen seien Privatisierungen sowie die sogenannte Deregulierung des Staates, d.h. dieser solle Mitwirken am Wirtschaftsgeschehen auf ein nötiges Minimum reduzieren und internationale Vorschriften zunehmend abbauen.8
Der Frage, ob von dem „ [ … ] zur Religion erklärt[en] “ 9 internationalen Freihandel und dessen beinahe bedingungsloser Förderung seitens der Industrienationen tatsächlich alle Staaten und Individuen profitieren, soll im anschließenden Hauptteil nachgegangen werden. Zuvor soll jedoch ein Überblick über die für diese Arbeit relevanten Institutionen und internationalen Abkommen gegeben werden.
2.2 Globale Akteure und Vereinbarungen
Dieser Teil konzentriert sich auf die bedeutsamsten Organisationen, Institutionen und Abkommen, welche von den Globalisierungskritikern häufig direkt adressiert werden. Es treten zahlreiche Akteure im Globalisierungsprozess auf, allerdings gibt es kaum eine Institution, die eine größere Zielscheibe für Kritiker darstellt als die Welthandelsorganisation (WTO). Die aus der im Jahre 1994 endenden Uruguay-Runde hervorgegangene WTO baut strukturell hauptsächlich auf dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) auf, welches die Regeln für die Liberalisierung des Warenhandels zwischen den mittlerweile 153 Mitgliedsländern (Stand: 2010) aufstellt.10 GATT wurde nach dem 2. Weltkrieg 1947 in Kraft gesetzt um die Weltwirtschaft wieder zu reaktivieren. Die Hauptinhalte dieses Abkommens stellen das Meistbeg ü nstigungsprinzip, also die Umwandlung bilateraler Absprachen zu multilateralen Liberalisierungen und die Unzulässigkeit wettbewerblicher Diskriminierung in Bezug auf Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Anbieter dar (Inländergleichbehandlung). Ferner sind die Mitgliedsstaaten zu Reziprozität verpflichtet, d.h., dass eingeräumte Vergünstigungen bzgl. des Warenaustausches auf Gegenseitigkeit beruhen müssen. Für die Umsetzung des weltweiten Abbaus von protektionistischen Maßnahmen wie beispielsweise Zoll- und Handelshemmnissen wurden regelmäßige Zollrunden vorgesehen.11
Darüber hinaus sind die Rahmenabkommen zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels (GATS) und die Regeln zum Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) weitere Hauptziele der WTO. Essentiell bei den Vereinbarungen ist, dass die gegründete WTO zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens „ Freihandel “ als übergeordnetes Ziel proklamiert hat. Diese Tatsache wird im weiteren Verlauf der Ausarbeitung wieder aufgegriffen.12
Die im Rahmen der Währungs- und Finanzkonferenz der UN-Mitglieder 1944 gegründeten supranationalen Bretton-Woods-Institutionen Internationaler Währungsfond (IWF) und Weltbank stehen ebenfalls im Zentrum der Kritik von Globalisierungskritikern. Zu den aktuell verfolgten Zielen der Weltbank zählt neben der Bekämpfung von Armut im Allgemeinen auch die Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern. Die Weltbank fungiert heute als der wichtigste Geldgeber für internationale Entwicklungsprojekte wie der Vergabe von Mikrokrediten, Korruptionsbekämpfung, HIV- Prävention oder der Förderung von Schulen. Seit Gründung des IWF hat dieser „ [ … ] eine größ ere Wandlung in seinen Aufgaben erfahren, [ … ] [was] ihn für Kritik angreifbarer macht als die Weltbank. “ 13 Zu den heutigen Missionen des IWF zählen hauptsächlich die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik sowie die Erhöhung des Welthandelswachstums.14
Doch auch die Gegenseite verhielt sich keinesfalls statisch. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) etablierten sich in den vergangenen Jahren weltweit und versuchen nach wie vor das von Noam Chomsky15 als „ Profit over People “ bezeichnete Vorgehen der mächtigsten Industriestaaten (G8) und Global Player zu stoppen bzw. umzulenken. Das wohl derzeit wichtigste und bekannteste Netzwerk der Gegenbewegung stellt die 1998 in Frankreich gegründete Organisation Attac dar. Attac zählt inzwischen 90000 Mitglieder in 50 verschiedenen Ländern und versteht sich weniger als Organisation denn als loses Netzwerk.16 Attac erfährt neben der Zustimmung durch prominente Mitglieder auch Unterstützung von diversen kirchlichen, gewerkschaftlichen sowie umweltschützenden Vereinigungen. Als Hauptziel proklamiert Attac eine solidarische undökologische Weltwirtschaftsordnung die der Nord- wie auch der Südhalbkugel eine nachhaltige und demokratische Entwicklung gewährleisten soll.17
3. Hintergründe der Globalisierungskritik
Nachdem die zentralen Termini und relevanten Hintergründe beleuchtet wurden, richtet sich der Fokus auf die unterschiedlichen Vorstellungen der verschiedenen Organisationen und die Frage, ob und wie diese miteinander in Einklang gebracht werden können. Beginnend mit dem Versuch einer Eingrenzung und Klärung des Begriffs „Globalisierungskritiker“ - aufgrund der unscharfen Abgrenzung zwischen sachlichen und ideologischen Argumenten keineswegs eine einfache Aufgabe - erfolgt im Anschluss daran eine Analyse der zentralen Thesen der Kritiker.
3.1 Eingrenzung: Wer sind die Globalisierungskritiker?
Die Bewegung der Globalisierungskritik umschließt eine große Vielfalt an Interessenvertretungen. Neben den größeren und bekannten NGOs18, Umweltorganisationen19 sowie politischen und kirchlichen Parteien, existieren auch zahlreiche Forschungsinstitute mit Hauptaugenmerk auf die Handlungen multinationaler Unternehmen. Zusätzlich bilden sich auch zunehmend kleinere Gruppierungen20, die sich mit Einzelthemen wie beispielsweise den „ Rechtlosen “ beschäftigen.21
Grundsätzlich lässt sich die zu Anfang der 1990er Jahre entstandene altermondialistische22 Bewegung in zwei Hauptströmungen unterteilen: Auf der einen Seite stehen die Akteure, welche die globale Bewegung und das kapitalistische System als Ganzes in Frage stellen. Der Begriff „ Globalisierungsgegner “ umschreibt diese Gruppierungen angemessener als der häufig für beide Seiten fälschlicherweise identisch gebrauchte Begriff „ Globalisierungskritiker “. Meist gehört dieser Seite auch der im Zuge der Medienberichterstattung bei Gipfeltreffen häufig genannte, extremistische „ Schwarze Block “ an, der versucht, seine Ziele - falls notwendig - auch mit Gewalt durchzusetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass in diesem Teil der altermondialistischen Bewegung lediglich eine kleine Minderheit vertretenden ist, wird im Folgenden stets von der dominierenden, „lediglich“ gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlentwicklungen der neoliberalen Globalisierung protestierenden und mit diplomatischen Strategien ausgestatteten Strömung ausgegangen.23
[...]
1 Fichtner, U. (2001) , www.spiegel.de.
2 Vgl. Gerdesmeier und Gievert (2007), www.bpd.de.
3 Tempel, S. (2005), S. 12.
4 Darstellung entnommen aus: Rübel, G. (2004), S. 2.
5 Vgl. Rübel, G. (2004), S. 1 ff.
6 Vgl. Boxberger und Klimenta (1999), S. 16 f.
7 Vgl. ebenda, S. 24 f.
8 Vgl. ebenda, S. 27.
9 Ebenda, S. 27.
10 Vgl. Donges, Menzel und Paulus (2003), S. 64.
11 Vgl. Rübel, G. (2004), S. 260 ff.
12 Vgl. Donges, J. und Menzel K. und Paulus P. (2003), S. 64 ff.
13 Ebenda, S. 98.
14 Vgl. ebenda, S. 95 ff.
15 Autor des gleichnamigen Buches „Profit over People“ (1999) und Kritiker der US-Wirtschaftspolitik.
16 Vgl. ohne Verfasser, www.attac.de.
17 Vgl. Jäger, U. (2003), S. 4.
18 Z.B. Oxfam und Public Citizen, beides internationale Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.
19 Z.B. Greenpeace und Friends of the Earth International.
20 Sogenannte „One-Issue/Single-Issue- Gruppen“.
21 Vgl. Backes, U. und Jesse, E. (2006), S. 147 ff.
22 Frei aus dem fränzosischen übersetzt: „andere Welt“.
23 Vgl. Moreau, P. und Steinborn E. (2005), S. 6.