Der Streik zur Pensionsreform 2003

Ergebnisse und Auswirkungen - Möglichkeiten und Grenzen


Seminararbeit, 2010

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2. Zentrale Fragestellungen und Hypothesen
1.3. Methodik
1.4. Aufbau der Arbeit

2. Sozialpartnerschaft und Streik – conditio sine qua non?
2.1. Streik und seine Bedeutung
2.2. Historischer Abriss über die Rolle und Bedeutung der Sozialpartner bis 2003
2.3. Österreichische Streikkultur der Zweiten Republik
2.4. Die Einstellung der Bevölkerung zur Sozialpartnerschaft und zu den Streiktätigkeiten

3. Der Streik zur Pensionsreform 2003
3.1. Die Pensionsreform im Detail
3.2. Einbindung und Positionierung der Sozialpartner
3.3. Österreich streikt!
3.4. Ergebnis und Auswirkungen der Streikmaßnahmen

4. Konklusion
4.1. Resümee
4.2. Beantwortung der Forschungsfragen und Hypothesen
4.3. Schlussfolgerungen

LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

„In fünf Wochen kann ich einen Zwerghasen kriegen,

aber keine vernünftige und gerechte Pensionsreform“

(Fritz Dinkhauser, AK-Präsident Tirol)

1.1. Problemstellung und Relevanz des Themas

Österreich streikt! Im Jahr 2003 wurde von den Gewerkschaften der größte Streik der Zweiten Republik organisiert. Federführend im Streikjahr 2003 zeigt sich der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB). Die geplante Pensionsreform der schwarz-blauen Regierung gab den Anlass für 200.000 Arbeitnehmer, bei strömendem Regen am 13. Mai aufzumarschieren. Unter dem Motto „Reformieren statt Abkassieren“ demonstrierten sie am Wiener Heldenplatz. Am 3. Juni streiken österreichweit eine Million Menschen in 18.000 Betrieben, Dienststellen und Unternehmungen gegen die Pläne der Regierung Schüssels, nachdem man sich in fünf „Runden Tischen“ nicht näher gekommen ist. Es ist der bislang größte ganztägige Abwehrstreik und trifft bei der Bevölkerung auf Verständnis – die Zustimmung zur Sozialpartnerschaft bzw. zu den Gewerkschaften steigt in allen Umfragen. Im selben Jahr streiken auch die Lehrer und die Eisenbahner – das Jahr 2003 gilt als „Jahr des Streiks“ in die Geschichte ein.

Unbeeindruckt von den Maßnahmen der Gewerkschaften beschließt die schwarz-blaue Regierung, allen voran Kanzler Schüssel, die Regierungsvorlage zur Pensionsreform mit wenigen Abstrichen und mit wenig Berücksichtigung der Forderung der Sozialpartner bereits einen Tag nach dem Großstreik. Der ÖGB konnte zwar bei den Zumutbarkeitsbestimmungen Kompromisse aushandeln, die Positionen zur Harmonisierung und zur Schwerarbeiterregelung fanden aber keine Durchsetzung.

SPÖ und Grüne stellen sich vollends hinter die Streikmaßnahmen, die für Österreich große Ausmaße erreichen, im internationalen Vergleich aber über ein „normal“ nicht hinauskommen. Auch die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ standen nicht geschlossen hinter der Pensionsreform. Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer (ÖVP) verweigerte seine Zustimmung im Parlament, Klaus Platzer, zum damaligen Zeitpunkt Vorsitzender der Sektion Finanzen in der GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst), kritisierte die Regierung scharf und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl holte sich von der eigenen Partei eine Abfuhr. Für die FPÖ standen bereits Neuwahlen im Raum, vor allem Jörg Haider wollte angesichts der bevorstehenden Kärnten-Wahlen Änderungen bei der Pensionsreform erzwingen. Dass sein Minister, Herbert Haupt, maßgeblich an der Konstruktion der Pensionsreform beteiligt war, zeigt die Zerrissenheit der Partei.

Was übrig blieb war ein Aufbäumen des ÖGB, der den Großteil seiner Mitglieder hinter sich scharen konnte und zurückkehrte auf die innenpolitische Bühne, die Ergebnisse aber letztendlich nicht zugunsten seiner Interessen durchsetzen konnte. Das lag schon allein daran, dass die Forderung von vornherein eine vollständige Zurücknahme der Pensionsreform beinhaltete – ein strategischer Fehler, wie sich später herausstellte. Damit konnte die Gewerkschaft nur als Verlierer aus den Verhandlungen gehen. Die Tatsache, dass die Arbeiterkammer nur eine marginale Rolle einnahm, verwundert zu diesem Zeitpunkt der Untersuchung.

1.2. Zentrale Fragestellungen und Hypothesen

Aus diesen Überlegungen heraus ergeben sich für mich nun zwei zentrale Forschungsfragen:

F1: à Welchen Einfluss hatten die Streikmaßnahmen in Summe auf die Beschlussfassung bzw. war der ÖGB hier tatsächlich machtlos?

F2: à Wie wirkte sich der größte Streik in der Geschichte der Zweiten Republik auf das Verhältnis von Gewerkschaft zu Regierung sowie auf die Sozialpartnerschaft aus?

Darauf aufbauend stelle ich zu Beginn meiner Seminararbeit zwei Hypothesen auf, die ich am Schluss versuchen möchte, zu verifizieren bzw. falsifizieren:

H1: Je größer der Druck der Basis (Betriebsräte, Bevölkerung) auf die Gewerkschaft, umso höher der Einfluss der Gewerkschaft auf die Pensionsreform 2003.

H2: Je mehr die Gewerkschaft Kampfbereitschaft demonstriert, umso mehr wird sie bei der Gestaltung der Pensionsreform 2003 mit einbezogen.

1.3. Methodik

Diese Seminararbeit wird mithilfe ausgewählter Literatur erstellt. Dabei soll der Zeitraum der Untersuchung auf das Jahr 2003 bis zur Beschlussfassung der Pensionsreform im Nationalrat eingegrenzt werden. Um die verschiedenen Positionen und Erfolge darzustellen, greife ich auf Primärliteratur (Nationalratsprotokolle, ÖGB-Materialien) und Sekundärliteratur (Zeitungsberichte, Bücher zur schwarz-blauen Regierung) zurück.

1.4. Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapitel meiner Arbeit möchte ich kurz das Thema Streik und Sozialpartnerschaft an sich beleuchten, da der Weg, den die Sozialpartnerschaft und die Österreichische Streikkultur bis 2003 beschritten haben, für das Verständnis wichtig ist. Kapitel 3 beschäftigt sich explizit mit der Pensionsreform 2003. Hier sollen die Positionen der Regierung sowie der Sozialpartner (insbesondere des ÖGB) konkret beleuchtet werden. Die Streikmaßnahmen sollen ebenso detailliert beschrieben werden wie die Ergebnisse und Auswirkungen im Einzelnen auf die Pensionsreform sowie im Ganzen auf die Sozialpartnerschaft und das Verhältnis zur Regierung. Im abschließenden Kapitel soll es möglich sein, die Forschungsfragen und Hypothesen zufriedenstellend zu beantworten und Schlussfolgerungen zu ziehen.

Diese Arbeit beschäftigt sich im Konkreten mit der politischen Dimension des Streiks zur Pensionsreform 2003 und wird nicht auf die rechtliche oder wirtschaftliche Dimension eingehen.

2. Sozialpartnerschaft und Streik – conditio sine qua non?

2.1. Streik und seine Bedeutung

Vorab ist es zunächst wichtig, das Wort „Streik“ näher zu definieren. Es handelt sich dabei um eine „gemeinsame, meist gewerkschaftlich organisierte Arbeitsniederlegung“ (Drosdowski 1989, 719). Das Verb „streiken“ wurde aus dem Englischen „to strike“ übernommen und bedeutet soviel wie „streichen“ bzw. „schlagen“. In diesem Sinne heißt es auch „to strike work“ was soviel bedeutet wie „die Arbeit streichen“ bzw. weglegen (vgl. Drosdowski 1989, 719). Wesentlich von Bedeutung für einen Streik sind die kollektive Arbeitsniederlegung sowie damit verbundene Forderungen und die Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit nach der Beendigung des Streiks. Jeder Streik hat demnach ein Ziel, nämlich, eine bestimmte Wirkung bzw. ein Ergebnis zu erreichen (vgl. Horaczek 2007, 40f.).

Streik ist aber nicht gleich Streik. Der Österreichische Gewerkschaftsbund listet allein 14 verschiedene Arten von Streiks auf. Hinzu zählen der Abwehrstreik, der Generalstreik, Vollstreik, Betriebs- oder Unternehmensstreik, eine Sonderform von Streik bei der nur eine einzige Arbeitsgruppe ihre Arbeit niederlegt, ein Teilstreik, Schwerpunktstreik, Punktestreik, Warnstreik, Proteststreik, Solidaritätsstreik, Sitzstreik, Hungerstreik und zuguterletzt ein „Wilder“ Streik (vgl. Horaczek 2007, 61f.).

2.2. Historischer Abriss über die Rolle und Bedeutung der Sozialpartner bis 2003

In aller Kürze ist es wichtig, die Rolle der Sozialpartner in Österreich im Laufe der Jahrzehnte zu beleuchten, allerdings ist dies nur ein sehr kurz gehaltener Überblick, da das Forschungsziel dieser Seminararbeit ein anderes ist. Als Goldenes Zeitalter der Sozialpartnerschaft wird die Zeit bis in die 80er Jahre dargestellt. Was danach folgte war ein demografischer, politischer und wirtschaftlicher Wandel, der auch die Sozialpartnerschaft spürbar traf – unter anderem war es das geringe Wachstum, die Internationalisierung und der damit verbundene Druck, neue Beschäftigungsformen wie die Teilzeitarbeit oder die „geringfügig Beschäftigten“, ein Anstieg der Arbeitslosenrate, die Heterogenität des Arbeitsmarktes, das Aufsprengen des SPÖ-ÖVP-Duopols und nicht zuletzt der sich abzeichnende Weg in die Europäische Union (vgl. Tálos 2006, 436f.)

Die wissenschaftliche Literatur ist sich einig, dass sich der Einfluss und die Bedeutung der Sozialpartner über die Jahre hinweg kontinuierlich schmälerte. Eindeutige Zäsuren sind hier die Jahre 1986, 1995 und vor allem 2000.

1986 war das Jahr, in dem Jörg Haider an die Spitze der Freiheitlichen Partei gelangte. Er war zugleich auch der schärfste Kritiker der Sozialpartner und forderte eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft. Später, 1993, war auch das Liberale Forum (abgespalten von der Haider-FPÖ) unter Heide Schmidt dieser Auffassung. Die Sozialpartner wurden in den 80er und 90er Jahren dahingehend geschwächt, als dass sie ihren Einfluss in der Industriepolitik verloren. Der ÖGB war der Meinung, staatliche Betriebe müssen in den Händen der Republik bleiben – die Krise machte es aber notwendig, zu privatisieren. Der Handlungsspielraum der Sozialpartner begann sich zu schmälern, das Wirtschaftswachstum ging zurück, die Arbeitslosigkeit und die Inflation stiegen an, neue grüne und postmaterialistischen Themen wurden aufs Tapet gebracht und der Wettbewerbsdruck stieg an (vgl. Horaczek 2007, 24-28).

Noch mehr Handlungsspielraum, auf nationalstaatlicher Ebene, büßten die Sozialpartner mit dem EU-Beitritt 1995 ein. Hinzu kamen in den 90er Jahren neue Beschäftigungsmodell wie die Teilzeitarbeit oder geringfügig Beschäftigte, die viele Arbeitnehmer in großer Zahl wahrnahmen. Die Mitgliederzahlen des ÖGB sanken stetig. Starke Spannungen zwischen Sozialpartner und Vranitzky-Regierung gab es dann bei den Sparpaketen 1995/96 und der Pensionsreform im Jahr 1997, wobei sich der ÖGB hier noch gut in Szene setzen konnte und Druck auf die SPÖ-ÖVP-Regierung ausüben konnte.

Der wohl größte Einschnitt kam aber im Zuge der Wenderegierung 2000. Während die WKO die Koalition mit der FPÖ begrüßte, war der ÖGB skeptisch und so war die Sozialpartnerschaft schon hier gespalten. Das Ziel der schwarz-blauen Regierung, so sieht es Emmerich Tálos, war klar: Nicht die Abschaffung der Sozialpartnerschaft an sich, „sehr wohl aber die Abschaffung ihrer als ‚Nebenregierung‘“ (Tálos 2000, 48).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Streik zur Pensionsreform 2003
Untertitel
Ergebnisse und Auswirkungen - Möglichkeiten und Grenzen
Hochschule
Universität Salzburg  (Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie)
Veranstaltung
Österreichischer Korporatismus und Wohlfahrtsstaat in Zeiten der Internationalisierung und Wirtschaftskrise
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
17
Katalognummer
V151108
ISBN (eBook)
9783640625024
ISBN (Buch)
9783640625086
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pensionsreform, Streik, 2003, ÖGB, Schwarz-Blau, Zweite Republik
Arbeit zitieren
BA Bakk.Komm. Heidi Huber (Autor:in), 2010, Der Streik zur Pensionsreform 2003, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151108

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