Bei näherer Betrachtung der Balkanproblematik der Zwischenkriegsjahre, insbesondere der Pakte und Verträge zwischen 1919 und 1938, gibt es nur eine geringe Zahl deutschsprachiger Werke zu dieser Thematik zu recherchieren. Geschichte und Politik der Nachkriegszeit auf dem Balkan scheinen in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung einen geringen Stellenwert zu genießen, was unverständlich erscheint, war der Balkan der Nachkriegszeit1 doch Interessenschauplatz der Großmächte und spielte in deren Politikvisionen eine konträre Rolle. So versuchten in den Nachkriegsjahren Frankreich und Italien, ihren Machtbereich auf dem Balkan auszudehnen und zu etablieren, mit der Machtergreifung Deutschlands2 trat eine entscheidende Wende in der europäischen Politik ein, die sich auch in einer Änderung der Balkanpolitik der Großmächte bemerkbar machte. Eine wichtige Rolle im zentralen politischen Gefüge des Balkans spielte ebenso die Sowjetunion, deren politischer Einfluß einen bestimmenden Faktor der Südosteuropapolitik der Zwischenkriegsjahre darstellte. Der Balkan der Jahre 1919 bis 1938 ist intern geprägt von einer politischen Neuorientierung, bestimmende Faktoren dieser Umorientierung sind wirtschaftliche, primär aber politische Sicherheit gegenüber äußeren Einflüssen. Eine Vielzahl von Friedens -, Neutralitäts - und Kooperationsverträgen wurden in dieser Periode zwischen den einzelnen Balkanstaaten geschlossen, deren primäres Ziel in der Sicherung des eigenen Machtbereiches und der eigenen Grenzlinien bestand. Dem Balkanpakt von 19343 kommt dabei eine differenzierte Bedeutung in der Reihen der Pakte und Verträge der Balkanstaaten zu. Was für die deutsche Geschichtsschreibung angemerkt wurde, der Mangel an differenzierte Literatur, gilt insbesondere auch für die Thematik des Balkanpakts. Deutschsprachige Literatur zu dieser Thematik ist nur schwer zugänglich, die Mehrzahl der Werke zu diesem Thema sind im Zeitraum zwischen 1934 und 1945 verfaßt, und beschäftigten sich primär mit dem völkerrechtlichen Aspekt des eigentlichen Vertragswerkes. Auch in allgemeingeschichtlichen Werken findet der Balkanpakt von 1934 nur selten Erwähnung, im Gegensatz zu den Balkanpakten von 1918 und 1953. " Welchen Stellenwert hat der Balkanpakt von 1934 im Gefüge der Balkanstaaten der Nachkriegsjahre ? " ist die Frage, die es an dieser Stelle zu untersuchen gilt. Die verfaßte Arbeit stellt hierbei nicht den Anspruch einer vollständigen Klärung dieser Frage, sie versucht, die geschichtliche Entwicklung des Föderationsgedankens der Balkanstaaten von den Pariser Friedensverträgen bis in das Jahr 1934 transparent darzustellen, und den Stellenwert des Balkanpaktes innerhalb dieser Entwicklungsperiode zu erörtern. Dabei soll sowohl der geschichtliche Aspekt des Föderationsgedankens, als auch der juristisch - völkerrechtliche Aspekt des Pakts Berücksichtigung finden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Derzeitiger Forschungsstand
- Derzeitiger Forschungsstand
- Definition des territorialen Begriffs "Balkan"
- Ursprung und Entwicklung der föderativen Idee auf dem Balkan
- Vom byzantinischen Reich bis zu den Pariser Friedensverträgen
- Entwicklung einer föderativen Idee von den Pariser Friedensverträgen 1919 bis zum Balkanpakt 1934
- Die Balkankonferenzen
- Vorgeschichte
- Innere Organisation der Balkankonferenzen
- Problematik der Balkankonferenzen
- Der Balkanpakt
- Von den Balkankonferenzen zum Balkanpakt: Vorbereitung und Abschluß des Balkanpakts
- Grundlegende Zielsetzung
- Problematik der funktionellen Eingrenzung
- Der Balkanpakt als Kollektiv - und Regionalpakt
- Der Balkanpakt als Garantievertrag
- Der Balkanpakt als Allianzvertrag (Unter besonderer Berücksichtigung Bulgariens)
- Der Balkanpakt: Ein Nichtangriffspakt?
- Die Beistandsverpflichtung
- Inkrafttreten, Offenheit und Dauer des Paktes
- Die Bedeutung des griechischen Vorbehalts des Artikels 3 für den Balkanpakt
- Von den Balkankonferenzen zum Balkanpakt: Vorbereitung und Abschluß des Balkanpakts
- Rechtswidrigkeit des Balkanpakts gegenüber der Völkerbundsatzung und dem Briand - Kellog - Pakt
- Abschließende Beurteilung des Balkanpakts
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Balkanpakt von 1934 und untersucht dessen geschichtliche Entwicklung im Kontext der föderativen Idee auf dem Balkan. Sie verfolgt das Ziel, die Entstehung und Bedeutung des Paktes innerhalb der komplexen politischen und geostrategischen Landschaft der Zwischenkriegszeit zu beleuchten. Der Fokus liegt dabei auf den historisch-politischen und völkerrechtlichen Aspekten des Paktes.
- Die Entstehung und Entwicklung des Föderationsgedankens auf dem Balkan
- Die Rolle des Balkanpakts in der regionalen Politik und im internationalen Machtgefüge
- Die Problematik des Balkanpakts im Kontext der völkerrechtlichen Verträge und Abkommen der Zeit
- Der Einfluss der Großmächte auf die Balkanstaaten und deren Bestrebungen zur Selbstständigkeit
- Die vielseitigen Funktionen und Zielsetzungen des Balkanpakts
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das Vorwort erläutert die Bedeutung des Balkanpakts im Kontext der Balkanpolitik der Zwischenkriegszeit und führt in das Thema der Arbeit ein. Die Einleitung betont die Schwierigkeit, deutschsprachige Literatur zum Balkanpakt zu finden, und die Notwendigkeit, die geschichtliche Entwicklung des Föderationsgedankens auf dem Balkan zu untersuchen.
- Derzeitiger Forschungsstand: Dieses Kapitel beleuchtet die Forschungslandschaft zum Balkanpakt. Es werden verschiedene Interpretationen des Paktes vorgestellt, wobei der Fokus auf dessen Einordnung als eigenständiges Vertragswerk oder als Fortsetzung der Kleinen Entente liegt. Die Debatte über die Klassifizierung des Paktes und die Gründe für das Fernbleiben Bulgariens werden ebenfalls dargestellt.
- Ursprung und Entwicklung der föderativen Idee auf dem Balkan: Dieses Kapitel zeichnet die Geschichte des Föderationsgedankens auf dem Balkan nach, beginnend mit dem byzantinischen Reich bis hin zu den Pariser Friedensverträgen. Es werden die verschiedenen Einflüsse der Großmächte auf die Balkanstaaten, die Bestrebungen zur Selbstständigkeit und die Herausforderungen der Einkreisungspolitik dargestellt. Die Bedeutung der Balkankonferenzen und die Entstehung der Idee einer Wirtschaftsunion im Sinne der wirtschaftlichen Autarkizität werden hervorgehoben.
- Die Balkankonferenzen: Dieses Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Balkankonferenzen, wobei die Vorgeschichte, die Organisation und die Problematik der Konferenzen im Vordergrund stehen. Es werden die Versuche einer regionalen Zusammenarbeit der Balkanstaaten und die Schwierigkeiten, die durch die Interessen der Großmächte entstanden, beleuchtet.
Schlüsselwörter
Der Balkanpakt von 1934, Föderation, Balkanstaaten, Großmächte, Zwischenkriegszeit, Politik, Geschichte, Völkerrecht, Regionalpakt, Allianzvertrag, Nichtangriffspakt, Balkanpolitik, Kleinstaaten, Einkreisungspolitik, Autarkizität, Selbstständigkeit, Interessensphäre, Großmächte, Frankreich, England, Rußland, Türkei, Jugoslawien, Rumänien, Griechenland, Bulgarien, Albanien.
- Quote paper
- Kristian Seewald (Author), 1995, Der Balkanpakt von 1934, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15117