In der Bevölkerung der Bundesrepublik herrscht ein Bedürfnis nach mehr direkter Beteiligung. 2002 meinten fast drei Viertel der Deutschen, dass Volksabstimmungen gut für die Demokratie seien und diese stärken würden. So würden beispielsweise viele einen Volksentscheid über die EU-Verfassung oder die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei begrüßen.
Tatsächlich stellt die Bundesrepublik in ihrer derzeitigen Form ein rein repräsentatives System dar, das plebiszitäre Elemente lediglich auf Länder- und Kommunalebene zulässt. Damit ist Deutschland – wie fast alle modernen Industrienationen – dem liberal-repräsentativen Demokratiemodell zuzuordnen. Seit jeher sieht sich dieses Modell der Kritik von Vertretern einer partizipativen, also direkten und vermeintlich ‚echten’ Demokratie ausgesetzt. Der Gegensatz von repräsentativem und partizipatorischem Demokratiemodell durchzieht die gesamte politische Ideengeschichte, wobei sich in der Praxis das repräsentative Modell durchsetzen konnte, in der Theorie jedoch seit den 70er Jahren wieder verstärkt Stimmen laut werden, die ein plebiszitäres Demokratiemodell fordern. Die abnehmende Bereitschaft der Bürger zur politischen Beteiligung, sei es bei der Teilnahme an Wahlen oder der Mitgliedschaft in politischen Vereinigungen, die allgegenwärtige Politikverdrossenheit und andere antidemokratische Entwicklungen lösen bei vielen Beobachtern die Besorgnis einer wachsenden Distanz zwischen Bürgern und Staat aus. Indem darauf verwiesen wird, dass politische Partizipation in den etablierten Demokratien zum Problem geworden sei, fordern viele eine Abkehr vom repräsentativ-liberalen Modell und eine stärkere Verwirklichung des Volkssouveränitätsgedankens in einem partizipatorischen Modell.
Es soll nun untersucht werden, inwieweit der vermeintliche Gegensatz von repräsentativem und partizipatorischem Demokratiemodell tatsächlich als unauflösbar erscheint, oder ob nicht vielmehr gerade in der Synthese beider Modelle der größte Nutzen liegen könnte. Um dies zu ermöglichen werden die beiden sich gegenüber stehenden Demokratiemodelle und deren ideengeschichtliche Entwicklung in groben Zügen dargestellt, wobei die Federalist Papers sowie Benjamin Barbers Werk Strong Democracy als zentrale Beispiele dabei helfen sollen, die Kernaussagen beider Modelle klarer zu fassen. Ziel dieser theoretischen Vorüberlegungen ist es, herauszufinden, inwieweit die Aufnahme plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz als sinnvoll erscheint.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Repräsentation als Problem etablierter Demokratien?
- Repräsentative vs. partizipatorische Demokratie. Ein Vergleich auf theoretischer Ebene
- Die Federalist Papers als Plädoyer für ein liberal-repräsentatives Demokratiemodell
- Die zentralen Aussagen der Federalist Papers
- Republik vs. Demokratie
- Der Gedanke der Repräsentation in der politischen Ideengeschichte
- Barbers Strong Democracy als Ansatz eines partizipatorischen Demokratiemodells
- Die zentralen Aussagen Barbers
- Repräsentative vs. Direkte Demokratie
- Das Ideal der uneingeschränkten Volkssouveränität in der politischen Ideengeschichte
- Unvereinbarkeit von liberalem und partizipatorischen Modell?
- Trennung von normativer und empirischer Ebene
- Auflösung des Gegensatzes plebiszitär vs. repräsentativ
- Notwendigkeit und Nutzen der Synthese beider Modelle
- Möglichkeiten der Anwendung direktdemokratischer Verfahrensweisen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Analyse auf empirischer Ebene
- Plebiszitäre Elemente in der Bundesrepublik Deutschland
- Formen und Möglichkeiten der plebiszitären Demokratie
- Vorhandene Beteiligungsformen auf Bundesebene
- Aspekte der historischen Entwicklung
- Mehr direkte Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland?
- Direkte Demokratie als Chance?
- Möglichkeiten der Einfügung plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz
- Konkrete Reformvorschläge
- Zusammenfassung und Ausblick
- Repräsentative vs. partizipatorische Demokratie
- Direkte Demokratie in Deutschland: Chancen und Herausforderungen
- Synthese von Repräsentativer und Direkter Demokratie
- Plebiszitäre Elemente im Grundgesetz
- Politische Partizipation in etablierten Demokratien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Möglichkeiten und Chancen direkter Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland im Kontext des vermeintlichen Gegensatzes von repräsentativen und partizipatorischen Demokratiemodellen. Sie beleuchtet die historische Entwicklung und die theoretischen Grundlagen beider Modelle und analysiert die aktuellen Herausforderungen für die etablierte repräsentative Demokratie. Die Arbeit fokussiert auf die Frage, ob eine Synthese von repräsentativen und plebiszitären Elementen einen Weg zur Stärkung der politischen Beteiligung und zum Erhalt der Demokratie in der Bundesrepublik bieten könnte.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den aktuellen Zustand der politischen Partizipation in Deutschland beleuchtet und die Problematik des vermeintlichen Gegensatzes zwischen repräsentativen und partizipatorischen Demokratiemodellen aufzeigt. Im ersten Kapitel werden die beiden Modelle auf theoretischer Ebene miteinander verglichen. Dabei werden die Federalist Papers als zentrales Dokument für die Begründung der liberalen Repräsentativdemokratie und Benjamin Barbers Werk Strong Democracy als Ansatz eines partizipatorischen Demokratiemodells analysiert. Das zweite Kapitel widmet sich der Frage, welche konkreten Maßnahmen zur Einführung plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland denkbar wären.
Schlüsselwörter
Direkte Demokratie, Repräsentative Demokratie, Partizipatorische Demokratie, Federalist Papers, Strong Democracy, Volkssouveränität, Plebiszit, Grundgesetz, Politische Partizipation, Bundesrepublik Deutschland.
- Arbeit zitieren
- Verena Edlbauer (Autor:in), 2006, Repräsentation als Problem etablierter Demokratien? Welche Chancen birgt die direkte Demokratie? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151435