Das klassische Hollywood-Kino und der Gangsterfilm: Eine Analyse einer Sequenz aus Howard Hawks "Scarface" (1932)


Seminararbeit, 2007

20 Seiten, Note: 5.5 (Schweiz)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kontextualisierung
2.1 Inhaltsangabe
2.2 Produktionsdaten und DVD-Fassung
2.3 Einordnung in die Filmgeschichte
2.4 Produktionsgeschichte
2.5 Einordnung der Sequenz in den Gesamtfilm

3 Sequenzprotokoll der Szene „The World is Yours“ aus SCARFACE, R: Howard Hawks, USA 1932 (35’:53’’-39’:13’’)

4 Auswertung
4.1 Einstellungslänge und -grösse
4.2 Montage
4.3 Mise-en-scène
4.4 Kamerawinkel und -bewegung
4.5 Geräusche, Musik und Dialog

5 Schlusswort

Glossar

Bibliografie

1 Einleitung

Das Ziel dieser Arbeit ist anhand der Sequenz „The World is Yours“, aus dem Film SCARFACE (R: Howard Hawks, USA 1932) von Howard Hawks, die spezifischen Charakteristiken, die Filme des klassischen Hollywoods aufweisen, zu benennen, und ihre Funktion und Wirkung zu erklären. Des weiteren, eine ausführliche Analyse der im Sequenzprotokoll gesammelten Daten über Einstellungslänge, -grösse, Kamerawinkel, und -bewegung, Misce-en-scène und Montage.
Ich möchte eine Definition von Spicer (2002) zum Stil des klassischen Hollywoods vorwegnehmen, was die später behandelten Themen leichter in einen grösseren Gesamtkontext einbetten lässt:

The classical style was an attempt to produce a cinema that was comprehensible for a wide audience. It’s unambiguous clarity stemmed from the subordination of all devices of style to the motivations of the characters and the consequences of their actions. To achieve this clarity, Hollywood filmmakers employed a systematic set of camerawork and editing practices which constructed viewers as ‚ideal ob-servers’, able to see and hear events from best possible vantage point, thereby ensuring that their con-centration is always focused on the main characters, played by stars, and on the significant elements of the storyline in which they are involved [...] (Spicer 2002:45-46).

Wie die Unterordnung sämtlicher Stilmittel zu Gunsten der Charaktere und der Handlung genau von statten geht, werden ich im Verlaufe der Arbeit, eingehend im Auswertungsteil, zeigen. Der ausgewählte Film SCARFACE ist für die Fragenstellung besonders interessant, weil er in einer Phase des Umbruchs der Filmproduktion gemacht wurde. Nur zwei Jahre vor Produktionsbeginn, 1928, wurde der Lichtton von Fox patentiert, was einen radikalen Umbruch, in der Art wie Filme gemacht und erzählt wurden, zur Folge hatte: Zuerst wurde wegen den Geräuschen der Kamera das Bild ganz starr. Die Kameras wurden in so genannte Ice Boxes gesteckt; grosse, schallgedämpften Kabinen. Da man die Möglichkeiten des neuen Mediums Ton voll ausschöpfen wollte, entstand das Musical Genre, das vorzugsweise Geschichten zeigte, die sich hinter der Bühne abspielten: Backstage-Musicals. Den Talkies, wie die frühen, auf Dialog fokussierten Tonfilme auch genannt wurden, warf man nach einem anfänglichen Hype jedoch bald Sprechlastigkeit vor. Auch die Schauspieler mussten sich den tiefgreifenden Umwälzungen anpassen. Plötzlich war nicht mehr übertrieben ausdrucksstarke Pantomimik gefragt, sondern differenziertes, realistisches Schauspiel. Trotz der Neuartigkeit der Produktionsumstände, sind die für das klassische Hollywood typischen Produktionstechniken in SCARFACE bereits angewandt, was ihn somit zu einem geeigneten Anschauungsobjekt macht.

2 Kontextualisierung

2.1 Inhaltsangabe

Der Mafioso Tony Camonte erledigt die Drecksarbeit für seinen Chef John Lovo im Chicago der 1930er Jahre. Es herrscht Prohibition und die Gangs der Nord- und Südseite der Stadt teilen sich die Rechte am Verkauf von Alkohol an die Speakeasies, illegalen Kneipen. Tony entfacht mit dem Auftragsmord am Mafiaboss Big Louis einen Bandenkrieg, durch den er sich langsam an die Spitze der Chicagoer Mafia hoch kämpft. Der Polizei ist er ein Dorn im Auge, da sie sehr wohl von seinen krummen Machenschaften Kenntnis hat, ihm aber nichts nachweisen kann. Mit zunehmendem Erfolg gewinnt er die Mafiabraut Poppy für sich, die er seinem ehemaligen Vorgesetzen Lovo auf demütigende weise ausspannt. Tonys einziger Schwachpunkt ist sein inzestuöses Verlangen nach seiner Schwester Cesca, das ihm zum Verhängnis wird. Ansonsten verhält er sich immer nach seinem selbst formulierten Prinzip: „Do it first, do it yourself and keep on doing it.“ Als er nach längerer Abwesenheit von der Heirat seines Partners Guino mit seiner Schwester Cesca erfährt, knallt er diesen kurzerhand ab. Dieser impulsive Mord, den er nicht wie die anderen zu vertuschen vermag, liefert ihn der Polizei an den Haken. Nun hat sie endlich etwas gegen ihn in der Hand. Es kommt zur Belagerung von Tonys Appartement, wo er und seine Schwester ein abruptes Ende finden.

2.2 Produktionsdaten und DVD-Fassung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3 Einordnung in die Filmgeschichte

SCARFACE kam unmittelbar während der Weltwirtschaftskrise in die Kinos und ist, nach UNDERWOLRD (R: Josef von Sternberg, USA 1927) dem ersten Mafia-Filme überhaupt, einer der wenigen Mafiafilme des frühen klassischen Hollywoods. Das Genre bekam durch die 1934 einsetzende Zensur und das Ende der Blütezeit der Mafia, die mit der Gefangennahme aller grosser Drahtzieher und der Aufhebung der Prohibition ihrer Basis entzogen wurde, einen schweren Stand (Faulstrich/Korte 1991:165). Zur Zeit der grossen Depression waren die Träume der Leute nach Ruhm und Erfolg auf ein Minimum zurückgeschraubt. Was zählte, war das Überleben selbst. 1932 betrug die Zahl der Arbeitslosen in den USA rund 25%. Gangster-Filme wie SCARFACE zeigten Männer, die trotz schwieriger Arbeitslage erfolgreich waren und den American Dream1 weiterlebten, wenn auch auf eine illegale Weise, was der Regierung, Zensurbehörde und Sittenwächtern gar nicht zusprach. Spicer (2002) sieht die Person des Gangsters im Amerika der 1920/30er Jahre als Repräsentationsfigur, die die Ambivalenz des amerikanischen Wirtschaftssystem widerspiegelt: „The gangster was another authentic American folk hero, the archetypal American dreamer’ whose action live out the contradictions of capitalism, the price of being a successful competitive individualist“ (Spicer 2002:9).

Die seit den Zwanzigerjahren herrschende Prohibition2, die die Kriminalität vorbeugen sollte, tatsächlich aber genau das Gegenteil zur Folge hatte, stiftete ihren Beitrag zur Unpopularität des Staates und der Exekutivgewalten bei. SCARFACE gehört zur Gruppe der so genannten Pre-Code-Filme3, die gemacht wurden bevor 1934 der Hays Code, benannt nach Will H. Hays, die Darstellung von Gewalt, Drogenkonsum, Sexualität und kriminellen Le-benswandel massiv einschränkte. Der Production Code, wie die Zensurierung auch genannt wurde, war eine Selbstzensur der Filmindustrie, die wegen Druck von kirchlichen Institutionen wie der Legence of Decency4 eingeführt wurde, aber auch wegen staatlichen Androhungen und der finanziell prekären Lage der Filmstudios, die durch Skandalfilme und die Wirtschaftskrise massive Zuschauereinbussen zu verzeichnen hatten. Vorangegangen waren Skandale um SchauspielerInnen: Der Drogentod von Oliver Thomas oder Barbara La Marr. Diese Ereignisse hatten bereits vor dem Tiefgang der gesamten Filmindustrie den Ruf nach geordneten Verhältnissen im Hollywood Babylon5 veranlasst.

Die 1928 erfolgte Standardisierung des Lichttons in der Filmproduktion ermöglichte es, die für den Mafiafilm wichtigen Merkmale wie der Ton von Maschinengewehren und den Mafiaslang der Figuren realistisch zu vermitteln (Spicer 2002:9).

2.4 Produktionsgeschichte

Zur Freigabe von SCARFACE gibt es zahlreiche Anekdoten. Der berüchtigte Howard Hughes, Produzent des Filmes, der eine vorliebe für Actionsequenzen hatte, liess Howard Hawkes die Verfolgungsjagd gegen Ende des Films, in welcher Lovo versucht Tony verunglücken zu lassen, neunzehn Mal wiederholen. Die Superproduktion wurde an insgesamt 62 verschiedenen Sets und in drei separaten Studios gedreht. Die öffentlich gemachten Auseinandersetzungen zwischen Hughes und der Zensurbehörde führten dazu, dass der Film in aller Munde war und bei seiner Veröffentlichung ein Kassenschlager wurde. Das Hays Office, auch schon vor 1934 aktiv, störte sich neben der Gewaltdarstellung vor allem an der Tatsache, dass der Protagonist des Films, der einer gesetzlosen, kriminellen Lebensart nachgeht, damit sehr erfolgreich ist. Das hatte zur Folge, dass in der Mitte des Films eine Szene im Büro eines Zeitungsmagnaten hinzugefügt wurde, nachdem Hawks die Produktion bereits verlassen hatte. In dieser werden die Taten der Mafia direkt angesprochen und verurteilt. Zudem musste Hawks für die zensurierte Version ein alternatives Ende drehen, in dem Tony Camonte gehängt wird. Dem Anfang des Films wurde ein Texttablett vorangefügt, in dem die Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber den Gewalttaten der Mafia angeprangert werden. Auch erhielt der Film den Zusatztitel: „The Shame of a Nation“. Ben Hecht, ein Journalist, der die Romanvorlage von Armitage Trail zu einem Drehbuch adaptierte, stützte sich zu grossen Teilen auf wahre Begebenheiten, die zur damaligen Zeit in den Zeitungen kursierten: Das Valentinstag Massaker, die Ermordung von „Big Jim“ Colosimo (alias „Big Louis“), die Belagerung von Francis „Two Gun“ Crowely durch die Polizei. Der Titel des Films und sein Protagonist verweisen unverkennbar auf Al Capone, der zu jener Zeit wegen der Narbe, die er auf der linken Backe trug, auch als „Scarface“ bekannt war.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das klassische Hollywood-Kino und der Gangsterfilm: Eine Analyse einer Sequenz aus Howard Hawks "Scarface" (1932)
Hochschule
Universität Zürich  (Filmwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Einführung in die Filmanalyse
Note
5.5 (Schweiz)
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V151688
ISBN (eBook)
9783640636716
ISBN (Buch)
9783640636884
Dateigröße
5406 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hollywood-Kino, Gangsterfilm, Eine, Analyse, Sequenz, Howard, Hawks, Scarface
Arbeit zitieren
Simon Meier (Autor:in), 2007, Das klassische Hollywood-Kino und der Gangsterfilm: Eine Analyse einer Sequenz aus Howard Hawks "Scarface" (1932), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151688

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