Gewaltenteilung in der Parteiendemokratie Deutschland


Hausarbeit, 2007

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

In unserem Grundgesetz steht unter Artikel 20, Absatz 2 geschrieben: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“1

Als der parlamentarische Rat 1949 darüber entschied, wie unser Grundgesetz, insbesondere die Teilung der Gewalten, aussehen soll, so orientierte man sich an der Vorstellung Montesquieus. Was man damals aber nicht vorausgesehen hat, war die Unmöglichkeit der Realisierung der geplanten Strukturierung bzw. strikten Trennung der Exekutiven von der Legislativen.

Diese Hausarbeit befasst sich mit der Frage, woran die Umsetzung letztendlich gescheitert ist und welche Vor- und Nachteile dies für unsere Demokratie birgt.

Zuallererst werde ich mich mit den Gedanken Montesquieus zur Gewaltenteilung, die man im Allgemeinen als die klassische Gewaltenteilung ansieht, auseinander setzen, um später einen Vergleich zur geschichtlichen Entwicklung und zur aktuellen Situation in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen.

2. Montesquieu

Montesquieus Lehre von der klassischen Gewaltenteilung wird leider nur zu oft falsch verstanden. Im allgemeinen Verständnis der Gewaltenteilung wird häufig die Regierung direkt der Exekutive zugeordnet und das Parlament der Legislative. Einer der Kämpfer gegen diesen Irrglauben stellt Alois Riklin dar, der in seinem Aufsatz „Montesquieu's so called 'Separation of Powers' in the Context of the History of Ideas“ versucht zu verdeutlichen, was die wirklichen Absichten Montesquieus waren und wie seine Idee von der Gewaltenteilung zu verstehen ist. Laut Riklin ist nirgends eine strikte Gewaltenteilung in Form einer Zuordnung der Gewalten zu bestimmten Institutionen gegeben. Die alleinige Zuordnung von der ausführenden Gewalt zur Regierung und die der gesetzgebenden Gewalt zum Parlament ist somit falsch.2 Diese Trennung war nie die Absicht, Montesquieu hat den Begriff der Gewaltenteilung auch nie benutzt, sondern sprach von einer gewissen Aufteilung bzw.

Streuung der Macht. Das Hauptaugenmerk dieser Trennung solle auf der Kontrolle der Macht liegen und somit Machtmissbrauch verhindern. Die Gewalten sollen teilweise getrennt, teilweise geeint sein. In seiner Vorstellung der Gemischten Verfassung für die englische Monarchie geht Montesquieu von je drei Sozialen Kräften, dem Volk, dem Adel und dem König und je drei Gewalten, der Legislative, der Exekutive und der Judikative aus. Aus diesen Kategorien erstellt er eine Matrix und ordnet jeder Paarung eine von sieben Regierungsabteilungen zu. Lediglich die Paarung bestehend aus König und Judikative bleibt unbesetzt.

Zu dieser Matrix stellt er vier Regeln auf: Die erste Regel besagt, dass niemals zwei oder alle drei Gewalten unter der Kontrolle von nur einer sozialen Kraft bzw. Regierungsabteilung stehen solle. Laut der zweiten Regel solle keine der drei Gewalten einer der Sozialen Kräfte bzw. Regierungsabteilungen alleine anvertraut werden. Die dritte Regel postuliert, dass jede Soziale Kraft an einer der drei Gewalten beteiligt sein solle, außer dem König, der keinen direkten Anteil an der Judikative haben soll. Nach der letzten Regel wird der Allgemeinwille nicht durch die Gleichheit von Individuen gebildet, sondern auf Basis der Gleichheit und Unabhängigkeit jeder Sozialen Kraft, unabhängig der Zahl ihrer Mitglieder.

Hier zeigt sich laut Riklin deutlich die eigentliche Intention Montesquieus: Die Generierung eines Netzwerks aus Trennung und Vermischung, aus „checks and balances“ zur Machtkontrolle.3

An dieser Stelle möchte ich Montesquieu für das erste verlassen und mich der Bundesrepublik Deutschland und der Entstehung ihres Grundgesetzes zuwenden.

3. Der parlamentarische Rat und das Grundgesetz

Wie Eberhard Schütt-Wetschky zu Beginn seines Aufsatzes „Gewaltenteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung? Nach dem Scheitern des Gewaltenteilungskonzeptes des Parlamentarischen Rates: Gemeinwohl durch Parteien statt durch Staatsorgane“ schreibt, war die ursprüngliche Absicht des Rates eine in Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes festgehaltene normierte Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament4. Der parlamentarische Rat hatte beschlossen die Staatsorgane in Exekutive, Legislative und Judikative aufzuteilen, wobei hier die Bundesregierung die Aufgabe der Exekutive übernehmen sollte, während dem Bundestag, also dem Parlament, die Rolle der Legislative zukommen sollte. Der Grundgedanke dahinter stellt die Absicherung gegenüber dem potentiellen Machtmissbrauch dar, vor allem im Kontext zu der vorangegangenen Zeit der NS-Diktatur. Peter Badura schreibt dazu in seinem Buch „Staatsrecht: systematische Erläuterung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland“ folgendes: „Die Teilung der Gewalten, wonach die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird und wonach die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und und Recht gebunden sind, gibt dem politischen Prozess und der öffentlichen Gewalt eine rechtliche Verfasstheit, die Missbrauch verhindern und letzten Endes dem Schutz der Freiheit des einzelnen dienen soll.“5 Die Absicht des parlamentarischen Rates war also durchaus nobel als er dem jungen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland eine der wichtigsten Merkmale der Rechtsstaatlichkeit, die Gewaltenteilung zugewiesen hat. So wird dies auch in den Protokollen des parlamentarischen Rates festgehalten: „Drei Merkmale müssten erfüllt sein, damit eine Verfassung in diesem 'klassischen' Sinne als demokratisch bezeichnet werden könne: Gleichheit und Freiheit der Bürger; Teilung der Gewalten; Garantie der Grundrechte. Die angestrebte Teilung der Gewalten im klassischen Sinne soll den Missbrauch staatlicher Macht verhindern.“6

Jedoch überlebte die ursprünglich beabsichtigte Trennung zwischen Regierung und Parlament nicht einmal in der ersten Legislaturperiode. Der Grund für dieses Scheitern liegt laut Schütt- Wetschky darin, dass nicht die staatlichen Organe selbst die handelnden Akteure darstellen, sondern Parteien.7

4. Entscheidung durch Mehrheit.

Ursprünglich sollte der komplette Bundestag über die Verabschiedung von Gesetzen in seiner Aufgabe als Legislative entscheiden. Diese Vorstellung hat sich aber als utopisch erwiesen, denn man dachte dabei nicht an die Auswirkungen des Zusammenschlusses der Mitglieder des Parlamentes in unterschiedliche Parteien, also in zueinander in Konkurrenz stehenden Gruppen. Es gibt keine Trennung zwischen Legislative und Exekutive in Form von der Gegenüberstellung von Parlament und Regierung, sondern eine neue Gewaltenteilung in Form von Regierungsmehrheit gegenüber der Opposition. Dies stellt die Geburtsstunde der deutschen Parteiendemokratie dar. Einige Gelehrte sprechen hier von der Durchbrechung der klassischen Gewaltenteilung. Laut Horst Dreier wird die Gewaltenteilung durch die Parteiendemokratie überlagert. Nun gilt es zu prüfen, ob das bestehende System eigentlich gegen die Verfassung verstößt, oder mit ihr vereinbar ist und dennoch eine Form von Gewaltenteilung zu finden ist, die Montesquieus Idee von der Machtkontrolle durch Gegenmacht gerecht wird.8

[...]


1 Badura, Peter, 1996: Staatsrecht: systematische Erklärung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. S. 259

2 Riklin, Alois, 2000: Montesquieu's so called 'Separation of Powers' in the Context of the History of Ideas. S. 1

3 Riklin, Alois, 2000: Montesquieu's so called 'Separation of Powers' in the Context of the History of Ideas. S. 4

4 Schütt-Wetschky, Eberhard, 2001: Gewaltenteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung? Nach dem Scheitern des Gewaltenteilungskonzeptes des Parlamentarischen Rates: Gemeinwohl durch Parteien statt durch Staatsorgane. S. 68

5 Badura, Peter, 1996: Staatsrecht: systematische Erklärung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. S. 270

6 Schütt-Wetschky, Eberhard, 2001: Gewaltenteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung? Nach dem Scheitern des Gewaltenteilungskonzeptes des Parlamentarischen Rates: Gemeinwohl durch Parteien statt durch Staatsorgane. S. 73

7 Schütt-Wetschky, op. cit., S. 69

8 Schütt-Wetschky, Eberhard, 2001: Gewaltenteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung? Nach dem Scheitern des Gewaltenteilungskonzeptes des Parlamentarischen Rates: Gemeinwohl durch Parteien statt durch Staatsorgane. S. 70

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Gewaltenteilung in der Parteiendemokratie Deutschland
Hochschule
Universität Mannheim  (Fakultät für Sozialwissenschaften, Lehrstuhl für Politische Wissenschaften III)
Veranstaltung
Proseminar Entwicklung des Parlamentarismus, Mag. Marcello Jenny
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V151753
ISBN (eBook)
9783640635191
ISBN (Buch)
9783640635429
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Parteiendemokratie, Montesquieu, Deutschland
Arbeit zitieren
Diplom-Sozialwissenschaftler Sebastian Hey (Autor:in), 2007, Gewaltenteilung in der Parteiendemokratie Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151753

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