Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsklärung: Jugendliche mit Migrationshintergrund. Wer gehört dazu?
3 Zahlen und Fakten
3.1 Berufliche Bildung
3.2 Arbeitslosigkeit
4 Mögliche Gründe für Benachteiligung von Jugendlichen mit 8 Migrationshintergrund
4.1 Humankapitaltheoretische Ansätze
4.1.1 Kapitalbegriff
4.1.2 Kapital aus Sicht der humankapitaltheoretischen Ansätze
4.2 Arbeitsmarktsegmentation
4.3 Arbeitsmarktdiskriminierung
5 Vietnamesische Jugendliche: Eine Integrationserfolgsgeschichte
5.1 Zum Stand der Bildung von vietnamesischen Jugendlichen 12 in Deutschland
5.2 Jugendliche vietnamesischer Herkunft in Ilmenau
5.2.1 Zielgruppe
5.2.2 Ergebnis der Umfrage
6 Schlussfolgerung und offene Fragen
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
„Ich halte das Thema Integration für ein wirkliches Schlüsselthema der Zukunftsfähigkeit Deutschlands“[1], so hat sich die aktuelle Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit den Migrantinnen und Migranten geäußert. In einem Einwanderungsland wie Deutschland ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund eines der großen Zukunftsprobleme. In dieser Arbeit möchte ich mich speziell auf die Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen[2]mit Migrationshintergrund beschäftigen. Für die Jugendlichen bedeutet eine gelingende Integration erfolgreiche Bildung, berufliche Qualifizierung und ihre Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt. Sie „sind beim Zugang zum Arbeitsmarkt von den Problemen betroffen, die sie als Ausländer erfahren, aber auch von den Problemen, die für Jugendliche allgemein, also auch für deutsche Jugendliche, gelten.“ (Boos-Nünning 1996: 71)
Der Begriff „Personen mit Migrationshintergrund“ ist häufig im Gebrauch. Aufgrund seiner vielen Variationen ist der Begriff schwer zu erklären. Im ersten Kapitel meiner Arbeit wird zunächst eine ausführliche Beschreibung des Begriffs gegeben. Danach wird ein Überblick über die Ausbildungsund Arbeitssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gegeben. Anhand der Zahlen und Fakten wird dargestellt, wie sich die Teilhabechancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf der deutschen Arbeitswelt von denen ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Es ist eine Tatsache, dass einem großen Teil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Integration nicht gelingt. Sie sind in allen Bereichen noch lange nicht den deutschen Jugendlichen gleichgestellt. Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig. Im dritten Kapitel werden drei Erklärungsansätze aus der Arbeitsmarktforschung nach Boos-Nünning/ Granato dargestellt. Das nächste Kapitel möchte ich der Erfolgsgeschichte der Jugendlichen vietnamesischer Herkunft widmen. Die Arbeit endet mit einer Schlussfolgerung, in der die Integration von jungen Migranten resümiert beurteilt wird. Offene Fragen werden auch in diesem Kapitel gestellt.
2 Begriffsklärung: Jugendliche mit Migrationshintergrund. Wer gehört dazu?
In den Medien und auch in der Alltagssprache ist der Begriff „Personen mit Migrationshintergrund“ sehr stark verbreitet. Seit langem ist er auch in Wissenschaft sowie in Politik geläufig. Bei einer Unterscheidung nach Personen mit und ohne Migrationshintergrund werden die Angaben der Zuwanderung, der Staatsangehörigkeit und der Einbürgerung beachtet (vgl. Mikrozensus 2007: 5). Laut statistischem Bundesamt zählen folgende Bevölkerungsgruppen zu den Menschen mit Migrationshintergrund:
„[...] die ausländische Bevölkerung - unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland geboren wurde - sowie alle Zugewanderten unabhängig von ihrer Nationalität. Daneben zählen zu den Personen mit Migrationshintergrund auch die in Deutschland geborenen eingebürgerten Ausländer sowie eine Reihe von in Deutschland Geborenen mit deutscher Staatsangehörigkeit, bei denen sich der Migrationshintergrund aus dem Migrationsstatus der Eltern [oder auch der Großeltern; Anmerkung der Verfasserin] ableitet.“ (Mikrozensus 2007: 326)
Es ist auch zu beachten, dass nur die Zuwanderung auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik ab 1950 berücksichtig wird. Vor 1950 kamen Ausländer nach Deutschland wegen der kriegsbedingten Vertreibung als Kriegsflüchtlinge während und unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg. Im Jahre 2007 haben etwa ein Fünftel der Bevölkerung bzw. 15,4 Mio. Personen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Das ist ein Anteil von knapp 19% der Gesamtbevölkerung, während die 66,8 Millionen Personen ohne Migrationshintergrund rund 81% der Bevölkerung entsprechen (vgl. Mikrozensus 2007: 5ff). Von den Personen mit Migrationshintergrund hatten 7,3 Millionen bzw. 8,9% ausländische und 8,1 Millionen bzw. 9,9% die deutsche Staatsangehörigkeit. Die seit 1950 Zugewanderten, die auch zur Bevölkerung mit eigener Migrationserfahrung gehören, machen mit 10,5 Millionen zwei Drittel aller Personen mit Migrationshintergrund aus. Im Durchschnitt sind Personen mit Migrationshintergrund deutlich jünger als jene ohne Migrationshintergrund (34,3 gegenüber 44,9 Jahre) (vgl. Mikrozensus 2007: 8).
Schon seit 1998 wird in der BA/BIBB-Bewerberbefragung[3]nicht nur auf die Staatsangehörigkeit, sondern auch auf ihren Migrationshintergrund Bezug genommen. Als Lehrstellenbewerber mit Migrationshintergrund werden Jugendliche mit ausländischem Geburtsort, Aussiedler, sowie die bereits in Deutschland geborenen Jugendlichen ausländischer Herkunft verstanden (vgl. Ulrich /Granato 2006: 36f). An der BA/BIBB- Bewerberbefragung 2004 beteiligten 740. 200 Bewerber. Darin haben 20,1% der Bewerber Migrationshintergrund (vgl. Ulrich/Granato 2006: 37).[4]
3 Fakten und Zahlen
3.1 Berufliche Ausbildung
Nach wie vor ist die Ausbildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund schlechter als die von jenen ohne Migrationshintergrund. In Deutschland lebende Jugendliche mit Migrationshintergrund haben deutlich schlechtere Chancen, nach der Schulausbildung überhaupt einen Ausbildungsplatz zu erhalten, als die ohne Migrationshintergrund. 2001 haben über 80% der Schulabgänger mit Migrationshintergrund einen Schulabschluss erreicht. Jedoch bekommen nur 40% von ihnen einen Ausbildungsplatz gegenüber rund 66% ohne Migrationshintergrund (vgl. Granato 2003: 475).
Die schwierigen Übergänge von der Schule in die Berufsausbildung bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben die Ergebnisse des deutschen Jugendinstituts aufgezeigt. November 2004 gelang der Hälfte der Jugendlichen deutscher Herkunft der Zugang zu einer beruflichen Ausbildung, wäh- rend dies bei denjenigen mit Migrationshintergrund nur 36% waren (vgl. Rei- ßig 2006: 13). Nach der Schule gehen Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund verschiedene Wege. Viele entscheiden sich, weiter zur Schule zu gehen, weil sie entweder einen Hauptschulabschluss oder einen höheren Schulabschluss erwerben wollen (vgl. Reißig 2006: 11). Im November 2005, rund 16 Monate nach Ende des Pflichtschulbesuches befinden sich noch 35% der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Schule, um allgemeinbildende Abschlüsse zu erwerben (aber nur 22% der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund). Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Hälfte der Jugendlichen deutscher Herkunft in einer Berufsausbildung, aber nur ein Drittel der Jugendlichen ausländischer Herkunft. Der Anteil Jugendlicher mit und ohne Migrationshintergrund, die im November 2005 weder eine Schule besuchen, noch eine Ausbildung absolvieren oder erwerbstätig sind, ist gleich hoch (8% gegenüber 9%) (vgl. Reißig 2006: 16).
Im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund haben diejenige mit Migrationshintergrund deutlich schlechtere Realisierungsmöglichkeiten. Nach Angaben des Berufsbildungsberichts 2007 nahmen 34,2% der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund eine duale Ausbildung auf, während es bei denjenigen mit Migrationshintergrund 27,4% waren (BBB 2007: 43). Im Frühjahr 2006 fanden nur 42% aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Ausbildungsstelle, während es bei den gleichaltrigen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund rund 54,1% waren (BBB 2007: 45)
Da ihre Zugangschancen zu einer beruflichen Ausbildung begrenzt sind, haben viele Jugendliche mit Migrationshintergrund keinen Berufsabschluss. Nach Berechnung des Mikrozensus haben im Jahre 2005 etwa 2,18 Millionen junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren keinen anerkannten Berufsabschluss, worunter die Hälfte Jugendliche mit Migrationshintergrund ist. Doppelt so viel bleiben Jugendliche mit Migrationshintergrund im Vergleich mit denjenigen ohne Migrationshintergrund (41% gegenüber 15%) (Granato, Mona et al. 2007: 5). Ohne einen anerkannten Berufsabschluss ist ihnen die Tür zum Arbeitsmarkt verschlossen.
Die Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2006 belegen, dass nur 52.500 von den 182.000 Lehrstellensuchenden mit Migrationshintergrund eine betriebliche duale Ausbildung begannen. Mit 29% gelang es den Bewerbern mit Migrationshintergrund deutlich seltener als diejenigen ohne Migrationshintergrund (40%), einen betrieblichen Ausbildungsplatzt zu erhalten (vgl. Granato 2007: 2). Diese Ungleichheiten liegen nicht an schulischen Vorrausetzungen. Selbst bei vergleichbaren Schulabschlüssen münden Bewerber ohne Migrationshintergrund häufiger in eine duale Ausbildung ein als diejenige mit Migrationshintergrund. Während nur 32% der Realschulabsolventen aus Migrantenfamilien einen betrieblichen Ausbildungsplatz finden, sind es bei den Bewerbern ohne Migrationshintergrund mit den gleichen Abschlüssen 43%. Sogar mit Abitur ist die Chance für Jungendliche mit Migrationshintergrund den deutschen nachgestellt und lag 2006 lediglich bei 44% (gegenüber 53%) (vgl. Granato 2007: 3):
„Der Migrationshintergrund beeinflusst die Erfolgsaussichten von Bewerbern auch unabhängig von den Schulabschlüssen und Schulnoten und zwar negativ.
D.h. der Migrationshintergrund ist für sich allein genommen ein Merkmal, das mit größeren Schwierigkeiten beim Zugang zu einer dualen Ausbildung verbunden ist.“ (Ulrich/Granato 2006: 46)
3.2 Arbeitslosigkeit
"Viele junge Migranten bleiben langfristig ohne Berufsabschluss. Der Weg in die Arbeitslosigkeit ist für sie damit oft vorgezeichnet“[5], betonte Staatsministerin Maria Böhmer zum Aktionstag Ausbildung. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind stärker von Armut und Arbeitslosigkeit bedroht. Sie sind überdurchschnittlich oft ohne Beschäftigung. Im Vergleich mit Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist die Arbeitslosenquote für Jugendliche mit Migrationshintergrund seit Jahren mehr als doppel so hoch. 9,9% der Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind 2006 ohne Beschäftigung, während es bei jenen ohne Hintergrund lediglich bei 4,5% lag (BBB 2007: 43). Die Ergebnisse des Mikrozensus weisen auch auf, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 25 bis 65 häufiger erwerbslos als diejenige ohne Migrationshintergrund sind (10,6% im Vergleich zu 5,8%). Die Zahl der Erwerbstätigen beträgt lediglich 64,8 % (gegenüber 75,8%). Doch die Zahl der Erwerbslosen ausländischer Herkunft hat im Jahre 2007 um 177.000 abgenommen (Mikrozensus 2007: 8).
4 Mögliche Gründe für Benachteiligung Jugendlicher mit Migrationshintergrund
Nach Brinkmann et al. (2006: 42) liegen die geringeren Chancen der Migranten auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vor allem an „einem höheren Erwerbsrisiko, welches neben Sprachproblemen, geringerer Bildung und beruflicher Qualifikation, auch auf z.T. unsichere Aufenthaltsbedingungen, gesetzlich geregelten Nachrang bei den Zugängen zum Arbeitsmarkt sowie (indirekter) Diskriminierung von Beschäftigern zurückzuführen ist.“
Die Zahl der Arbeitslosen unter Migranten ist deutlich höher als die von Personen deutscher Herkunft. „Insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund haben aufgrund schlechterer Bildungsabschlüsse ungünstigere Startbedingungen in das Arbeitsleben als deutsche Kinder“ (Brinkmann et al. 2006: 42). Doch viele Studien haben gezeigt, dass unzureichende Schulabschlüsse sowie mangelnde schulische Voraussetzungen keine hinreichenden Ursachen für Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu einer beruflichen Ausbildung, insbesondere im dualen System seien. (vgl. Boos-Nünning/ Granato 2008: 72)
In diesem Kapitel möchte ich mich mit den drei Erklärungsansätzen für den Zugang junger Menschen mit Migrationshintergrund zu einer dualen beruflichen Ausbildung von Boos-Nünning/ Granato (2008) auseinandersetzen.
[...]
[1] Angela Merkel bei dem 4.Integrationspolitischen Dialog im Bundeskanzleramt http://www.bundesreaieruna.de/Content/DE/Artikel/IB/Artikel/Themen/Gesellschaft/Allgemein /2008-06-04-intearationsdialoa.html [27.09.2009]
[2] Unter Jugendlichen werden hier junge Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren verstanden. Als junge Erwachsene werden hier die 25- bis 35-Jährigen definiert.
[3] BA/BIBB-Bewerberbefragung ist eine Studie, die dazu dient, mehr über das Bewerbungsverhalten und den Verbleib von den bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Lehrstellenbewerbern zu erfahren (vgl. Ulrich/Granato 2006: 36).
[4] Es fehlen mir aktuellste Fakten und Zahlen über die Situation Jugendlicher mit Migrationshintergrund auf dem deutschen Arbeitsmarkt, so dass ich hier nur auf frühere Zahlen verweise.
[5] http://www.bundesregierung.de/nn 56680/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2009/06/200 9-06-17-ib-aktionstag-ausbildung.html