Leseprobe
<p>Durch medizinethischen Diskurs und aufklärungsphilosophische Gedanken hat sich das hierarchische paternalistische Arzt-Patienten Verhältnis früherer Zeiten gewandelt. Anstatt Entscheidungen über Maßnahmen, die das Wohl des Patienten betreffen, einzig der Urteilsgewalt des Arztes zu überlassen, wird nunmehr die Entscheidungsautonomie des Patienten betont. Der Arzt hat sich vor einer Behandlung den <em>informed consent </em>des Patienten einzuholen, d.h. seine freiwillige Zustimmung nach umgreifender Information über mögliche Folgen, Kosten, Chancen, Komplikationen und Alternativen der Behandlung. Der Arzt nimmt also im Idealfall die Rolle des beratenden Experten ein. Die Fürsorgepflicht des Arztes tritt nunmehr hinter dem Autonomie-Aspekt des Patienten zurück und ist somit nicht mehr oberstes Prinzip der Arztethik.</p>
<p>Das Prinzip der Selbstbestimmung kann jedoch nur unter bestimmten Vorraussetzungen gewährt sein. So sind, neben dem bereits erwähnten <em>informed consent,</em> die Kompetenz eines Patienten, d.h. seine Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, sowie die Freiheit von Außenkontrolle und steuernder Einflussnahme diese Entscheidungen betreffend, wichtige Vorraussetzungen. In Fällen in denen der Patient nicht entscheidungsfähig ist, wie es z.B. auf Kinder, Komapatienten, geistig Behinderte oder demente Personen zutrifft, tritt die Fürsorgepflicht des Arztes wieder in Kraft. Dieser Essay beschäftigt sich mit diesem notwendigen Arzt-Paternalismus und dessen medizinethischen Leitlinien.</p>
<p>In Fragen der medizinischen Therapiebegrenzung stoßen wir heutzutage angesichts der zunehmenden Möglichkeiten und des technischen Fortschritts auf ethische Dilemmata und normative Grundfragen. Ethiker orientieren sich an verschiedenen Konzepten, die sich mit der Menschenwürde und dem Wert des Lebens auseinandersetzten. Im Folgenden werde ich vor dem Hintergrund der Orientierung an den Grundkonzepten der Lebensqualität und Heiligkeit des Leben Problemfälle diskutieren, die sich mit dem Lebensanfang und Lebensende auseinander setzen, namentlich die Verwerfung von Embryonen nach einer Präimplantantionsdiagnostik, d.h. nach gentechnischer Untersuchung auf Erbkrankheiten und Probleme der Sterbehilfe. Dass es sich bei diesen Beispielen um ethische Grenzfälle handelt, lässt sich allein an der Tatsache erkennen, dass die rechtlichen Bestimmungen dazu innerhalb Europas stark divergieren. So ist aktive Sterbehilfe in den Niederlanden zulässig, in Deutschland hingegen strikt verboten. Die Präimplantationsdiagnostik von menschlichen Embryonen ist ebenfalls in Deutschland untersagt, während sie in Amerika, sowie in anderen Ländern Europas, z.B. Dänemark erlaubt ist. Daraus ergibt sich die Frage, wie die verschiedenen Begründungstheorien dieser medizinischen Bestimmungen lauten.</p>
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