Ein Blick auf die topografischen Verhältnisse Griechenlands verdeutlicht, dass griechischer Handel größtenteils mit Überseehandel gleichzusetzen ist. Aus den schriftlichen und archäologischen Quellen wissen wir heute, dass es neben Sklaven und Luxusgütern vor allem das lebenswichtige Getreide war, das aus den fruchtbaren Regionen Siziliens, Ägyptens und des pontischen Raumes nach Athen importiert wurde. Da beim antiken Überseehandel zum einen Fremde, Griechen und Nicht-Griechen, aufeinander trafen und zum anderen immer auch Konfliktpotential durch die Eigeninteressen der beteiligten Personen gegeben war, blieben Streitigkeiten nicht aus.
Personen mit sehr unterschiedlichen Motivationen und finanziellen Möglichkeiten waren die Träger dieses Handels. Von den wenigen bekannten Großreedern abgesehen, waren diese einerseits zahlreiche kapitalstarke Finanziers sowie kleinere Investoren, die die hohen Zinserträge der Handelsfinanzierung schätzten, andererseits die Berufsseefahrer mit ihren Sklavenmannschaften, die Kapitäne ohne eigene Schiffe und die eigentlichen Händler, die ein Darlehen zum Ankauf der Waren aufnehmen mussten oder wollten. Dass solche Geschäfte die Möglichkeit des Betruges einräumten, gilt nicht erst für die Gegenwart.
Es geht in dieser Abhandlung um den Kreditbetrug im Überseehandel Athens zu klassischer Zeit. Zunächst sollen dazu die Mechanismen des Handels, insbesondere dessen Finanzierung, untersucht und einiges zu den daran Beteiligten ausgeführt werden. Eine Beschreibung der Dikai Emporikai in ihrer Substanz und historischen Entwicklung sowie ihre Verortung innerhalb des attischen Rechts werden diese grundlegenden Untersuchungen ergänzen.
Leitende Fragen dieser Untersuchung sind: Wie funktionierte antiker griechischer Handel, wer trug ihn? Wie wurde von wem betrogen und wie wurde Betrug sanktioniert? Wie verfuhr Athen mit den beteiligten Fremden, Metoikoi oder Xenoi und wie mit den eigenen Bürgern? Und falls überhaupt, welche über-attische Bedeutung ist dem beizumessen?
Die Synthetisierung der wirtschafts-, sozial- und rechtsgeschichtlichen Aspekte der Thematik soll die Beantwortung dieser Fragen ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Athens Überseehandel im 4. Jahrhundert
2.1. Der Getreideimport und die Handelspolitik
2.2. Die Finanzierung des Handels: dáneion nautikón
2.3. Emporoi und Naukleroi – Bürger, Metöken und Xenoi
3. Die Dikai Emporikai
3.1. Charakteristik dieser Verfahren
3.2. Die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit und der Zuständigkeiten
3.3. Die Bedeutung der Dikai Emporikai für den Handel und das athenische Recht
4. Betrug im Überseehandel Athens in den schriftlichen Quellen
4.1. Die demosthenische Rede gegen Zenothemis
4.1.1. Inhalt der Rede
4.1.2. Interpretationen und Forschungsdiskussionen
4.2. Weitere demosthenische Reden zu Betrug im Überseehandel
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
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