Leseprobe
Inhalt
Vorwort
1. Annäherung an das Phänomen Burnout
1.1 Burnoutsymptomatik
1.1.1 Burnoutsymptomatik nach Burisch
1.1.2 Burnoutsymptomatik nach Schaufeli & Enzmann
1.1.3 Reduzierung auf 3 Symptomgruppen
1.2 Burnout Phasentheorien
1.3 kausale Erklärungen zu Burnout
1.4 Verschiedene Burnout Modelle
1.4.1 Harrison
1.4.2 Kybernetik
1.4.3 Cherniss
1.5 Anleihen aus anderen Forschungsgebieten
1.5.1 Stresstheoretische Ansätze
1.5.2 Arbeitszufriedenheit
1.6 aktuelle Forschung
1.6.1 Reziprozitäts- und Equity-Theorien
1.6.2Job Demands-Control- & Job Demands-Resources-Modell
1.6.2.1 JDC
1.6.2.2 job-demands-resources model of burnout
1.6.3 Emotionstheorien
1.7 Messung von Burnout
1.7.2 FPI-R
1.7.2 MBI
1.7.3 Messinstrument zum Arbeitsengagement
1.8 Zwischenresümee
1.9 Burnoutthesen des Studienbriefes.
1.9.1 Arbeitsbelastungen in helfenden Berufen..
1.9.2 Arbeitszufriedenheit in helfenden Berufen
2. Salutogenetische Sichtweise
2.1 Antonovsky
2.2 Studien/Ergebnisse zur Salutogenese
2.3 weitere flankierende Ergebnisse
2.4 Zwischenresümee
3. Kollegiale Unterstützungsgruppen
3.1 KoBeSu nach Jörg Schlee.
3.2 Kooperative Beratung nach Wolfgang Mutzeck
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis:
Vorwort
Gegenwärtig vermitteln die Massenmedien das Bild eines massiven Sozialabbaus des Staates. Ohne auf plakative Pauschalaussagen á la „Der Staat ist bankrott“ etc. einzugehen, wird dennoch deutlich, dass durch steigende Arbeitslosenzahlen auch die Steuereinnahmen einerseits und Versicherungsbeiträge u.a. zur Pflegeversicherung andererseits sinken. Dies führt zu Einschränkungen von sozialen Leistungen, die der Staat übernimmt. Wo die finanziellen Ressourcen fehlen, werden keine ArbeitnehmerInnen beschäftigt, die diese sozialen Leistungen qua ihrer Ausbildung/ ihres Studiums für die Bevölkerung erbringen.
Auch die Kompensation der sozialen Leistungserbringung über die Kirchen schwindet kontinuierlich, da auch diese fehlende Einnahmen (Kirchensteuern) aufgrund von Kirchenaustritten zu verzeichnen haben.
Die Folgen sind, dass insbesondere helfende Berufe zwecks Kosteneinsparung reduziert werden bzw. sich die Arbeitsbelastungen derer, die fehlende MitarbeiterInnen kompensieren, zwangsläufig erhöht.
Aktuell wurde ein Zwischenbericht zu einer von der Europäischen Union im fünften Forschungsprogramm durchgeführten und finanzierten Studie zum europaweiten vorzeitigen Berufsausstieg bei Pflegepersonal publiziert. Zu der next-Studie[1] (nurses early exit study) wurden 40.000 Pflegekräfte in 10 Ländern der EU befragt. Das 5. Kapitel befasst sich explizit mit „Burnout im Pflegeberuf in Europa“.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Mittelwerte für das persönliche Burnout mit Ausnahme der Niederlande und Norwegen knapp über- oder unterhalb des Mittelpunktes der Skala liegen.
Nun stellen die Pflegeberufe sicherlich nicht alle helfenden Berufe dar, zu denen u.a. auch pädagogische, beratende und seelsorgerische Berufe zählen. Dennoch weisen die Pflegeberufe Tätigkeiten, Dienstleistungen, Skills etc. auf, die sich auch in anderen helfenden Berufen finden lassen und somit eine Übertragung der Ergebnisse auf andere helfende Berufe gestatten. Somit orientiert sich diese Hausarbeit primär an Publikationen über „der“ klassischen helfenden Berufssparte: „Pflege“. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse bzgl. des Burnouts in der aktuellen next-Studie entfaltet diese Hausarbeit ein dreigeteiltes Bearbeitungsfeld:
Zuerst werden Beiträge zur Definition, Erläuterung, Prävalenz und Inzidenz angeführt.
Im daran anschließenden Teil wird ein Perspektivwechsel vorgenommen und das Salutogenesemodell von Antonovsky hinzugezogen. Der Blickwinkel aus salutogenetischer Sicht würde nicht danach fragen: „Wer erkrankt warum, wann und in welchen Situationen an Burnout?“ sondern vielmehr: „Was hält Menschen in helfenden Berufen gesund?“. Gleichzeitig werden die Thesen beider Kurseinheiten des Studienbriefes: „Arbeitsmotivation, -leistung und –zufriedenheit“ über Burnout aufgegriffen.
Der dritte Teil behandelt Strategien, die unter präventivem Gesichtspunkt eine Burnoutwahrscheinlichkeit verringern.
1. Annäherung an das Phänomen Burnout
Seit nunmehr über 30 Jahren wird in der Fachpresse ein Phänomen diskutiert, dessen Nomenklatur auf Freudenberg (1974) zurückzuführen ist, einen spezifischen berufsbezogenen, langwierigen, chronischen Erschöpfungszustand charakterisiert und im ICD-10 mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0[2] diagnostiziert wird. Da es sich somit um eine weltweit anerkannte Diagnose handelt, bietet es sich an als Kurzcharakteristik die Taxonomie des ICD-10 bzgl. des Burnouts nachzuzeichnen. Demnach wird Burnout unter „Kapitel XXI – Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten führen“ aufgelistet. Die Subkategorie „Z73 Probleme verbunden mit Schwierigkeiten der Lebensbewältigung“ subsumiert Burnout unter „Z73.0 Erschöpfungssyndrom (Burn-out-Syndrom)“. Somit wird deutlich, dass es sich um eine Syndrom-Diagnose handelt. Im Gegensatz zum „Morbus“ der ein manifestes Krankheitsbild bezeichnet, wird unter einem Syndrom ein Symptomenkomplex verstanden.
1.1 Burnoutsymptomatik
In der Vielfalt von Burnoutstudien, die seit Beginn der theoretischen Erschließung des Phänomens Burnout durchgeführt worden sind, lässt sich äußerst schwer ein einheitliches Feld eruieren. Teilweise werden Symptome angeführt, die nicht nur burnoutspezifisch sind, andere sind unpräzise formuliert und wiederum andere lassen sich nur in bestimmten zeitlichen Intervallen feststellen. Hilfreich erscheint hier eine Zuordnung im Sinne einer Gruppierung.
1.1.1 Burnoutsymptomatik nach Burisch
Burisch (1989) analysierte eine Vielzahl an Burnoutstudien über diverse Berufssparten hinsichtlich der angeführten Symptome. Seine synoptische Darstellung soll hier nur anhand der dort angeführten Kategorien mit jeweils einem Symptombeispiel aufgefügt werden:
Kategorie[3] 1: Warnsymptome der Anfangsphase
a) Vermehrtes Engagement für Ziele
Bspw.: freiwillige unbezahlte Mehrarbeit
b) Erschöpfung
Bspw.: Chronische Müdigkeit
Kategorie 2: Reduziertes Engagement
a) Für Klienten, Patienten etc.
Bspw.: Dehumanisierung
b) Für Andere Allgemein
Bspw.: Zynismus
c) Für die Arbeit
Bspw.: Widerstand, täglich zur Arbeit zu gehen
d) Erhöhte Ansprüche
Bspw.: Verlust von Idealismus
Kategorie 3: Emotionale Reaktionen; Schuldzuweisung
a) Depression
Bspw.: Insuffizienzgefühle
b) Aggression
Bspw.: Schuldzuweisungen an Andere oder das „System“
Kategorie 4: Abbau
a) der kognitiven Leistungsfähigkeit
Bspw.: Ungenauigkeit
b) der Motivation
Bspw.: Dienst nach Vorschrift
Kategorie 5: Verflachung
a) des emotionalen Lebens
Bspw.: Gleichgültigkeit
b) des sozialen Lebens
Bspw.: Einsamkeit
c) des geistigen Lebens
Bspw.: Desinteresse
Kategorie 6: Psychosomatische Reaktionen
Bspw.: Schwächung des Immunsystems
Kategorie 7: Verzweiflung
Bspw.: Existentielle Verzweiflung
1.1.2 Burnoutsymptomatik nach Schaufeli & Enzmann
Eine ähnliche synoptische Darstellung wurde später von Schaufeli & Enzmann publiziert, wobei sie die Symptome nach 3 Ebenen gliederten, in denen jeweils 5 Symptombereiche unterschieden werden (- auch hier soll exemplarisch jeweils nur ein Symptombeispiel aufgeführt werden):
Symptome[4] auf individueller Ebene
1) Affektive Symptome
Bspw.: Stimmungsschwankungen
2) Kognitive Symptome
Bspw.: Selbstmordgedanken
3) Physische Symptome
Bspw.: sexuelle Probleme
4) Verhaltenssymptome
Bspw.: Unfallzunahme
5) Motivationssymptome
Bspw.: Begeisterungsverlust
Symptome auf interpersoneller Ebene
1) Affektive Symptome
Bspw.: zunehmende Wut
2) Kognitive Symptome
Bspw.: Nimbus von Großartigkeit
3) Physische Symptome
keine
4) Verhaltenssymptome
Bspw.: Abschottung
5) Motivationssymptome
Bspw.: Entmutigung
Symptome auf institutioneller Ebene
1) Affektive Symptome
Bspw.: Arbeitsunzufriedenheit
2) Kognitive Symptome
Bspw.: Gefühle nicht anerkannt zu werden
3) Physische Symptome
keine
4) Verhaltenssymptome
Bspw.: Unpünktlichkeit
5) Motivationssymptome
Bspw.: Widerstand zur Arbeit zu gehen
1.1.3 Reduzierung auf 3 Symptomgruppen
Eingedenk dieses großen Symptomenspektrums, stellt sich die Frage nach einer handhabbaren Symptomreduktion. Abgesehen davon, dass bei einer solch übergroßen Anzahl an Symptomen, die wiederum auch auf andere Syndrome, Krankheitsbilder, Zustände und Erlebnisinhalten anzuwenden sind, im klinischen Alltag massive differentialdiagnostische Probleme entstehen, stellt sich auch implizit die Frage nach der inhaltlichen Präzision des Begriffes. Gegenwärtig zeigt sich in psychologischen Standard- bzw. Einführungslehrwerken wie in „dem Zimbardo“ folgendes Dreikomponentenmodell:
„Das Syndrom des Ausgebranntseins ist gekennzeichnet durch:
- emotionale Erschöpfung,
- Depersonalisierung
- Und Einschränkungen der persönlichen Anliegen.“[5]
1.2 Burnout Phasentheorien
Nicht nur bei den Symptomen zeigt sich in der Fachliteratur eine z.T. inhaltlich divergierende Vielzahl. Burisch führt ebenfalls unterschiedliche Phasentheorien auf, um eine bessere Gegenüberstellung der einzelnen Verlaufstadien zu ermöglichen. Die dort angeführten Phasentheorien seien hier lediglich in den Stadien genannt:
nach[6] Freudenberger:
1. Empfindendes Stadium
2. Empfindungsloses Stadium
nach Lauderdale:
1. Verwirrung
2. Frustration
3. Verzweiflung
nach Edelwich:
1. Idealistische Begeisterung
2. Stillstand
3. Frustration
4. Apathie
5. Intervention
nach Maslach:
1.a Emotionale Erschöpfung
1.b Physische Erschöpfung
2. Dehumanisierung
3. Terminales Stadium
nach Cherniss[7]:
1. Berufsstress
2. Stillstand
3. Defensive Bewältigungsversuche
1.3 kausale Erklärungen zu Burnout
Auch hinsichtlich der Aussagen über die Entstehung und Chronifizierung von Burnout zeigt sich in der scientific community kein direkter Konsens. Rösing[8] (108f) weist die Fachpublikationen 3 Erklärungsebenen zu:
a) die interpersonale Ebene
b) die interpersonelle und die
c) der Person-Institution-Ebene.
Zu a) Auf der interpersonalen Ebene finden sich psychodynamische bzw. psychoanalytische Ansätze, die primär auf Freudenberger zurückzuführen sind. Er bezeichnete Burnout als „Krankheit des Überengagements“. Auch Pines würde hierunter fallen, da er Burnout als Folge einer ursprünglich „brennenden“ Anfangs-(über-)motivation sieht. Rösing charakterisiert die interpersonalen Ansätze:
„Die bisher erwähnten interpersonalen Ansätze postulieren im Kern intrapsychische Dissonanzen, Nichtstimmigkeiten zwischen beruflichem Selbstbild und Selbstanspruch auf der einen Seite und den erfahrenen oder beruflichen Realitäten auf der anderen. Wenn diese Dissonanzen nicht im Sinne einer Selbstbild-Korrektur bewältigt werden können, sprechen Psychoanalytiker auch gerne von narzistischer Störung…“[9]
zu B) Unter der interpersonellen Ebene werden jene Erklärungsmodelle subsumiert, die Burnout auf der Interaktionsebene zwischen dem Ratsuchenden (Klient, Patient etc.) und dem Ratgebenden (Therapeut, Pflegekraft etc.). Rösing[10] isoliert aus den unterschiedlichen Modellen 3 Kausalmodelle:
[...]
[1] Hasselborn, H.-M. et al.: Berufsausstieg bei Pflegepersonal – Arbeitsbedingungen und beabsichtigter Berufsausstieg bei Pflegepersonal in Deutschland und Europa. Dortmund/Berlin/Dresden 2005
[2] Weltgesundheitsorganisation: Internationale Klassifikation psychischer Störungen. Bern 1999, S. 343
[3] vg.: Burisch, M.: Das Burnout-Syndrom. Berlin, Heidelberg 1989, S. 12
[4] vgl.: Rösing, I.: Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt? Heidelberg und Kröning 2003, S. 61 ff.
[5] Zimbardo, , P.: Psychologie. Berlin, Heidelberg 1995, S. 575
[6] vgl.: Burisch, a.a.O., S. 19
[7] Nähere Erläuterungen zu Cherniss unter 1.4.3
[8] vgl. Rösing, a.a.O., S. 108 ff.
[9] Rösing, a.a.O., S. 111
[10] Rösing, a.a.O., S. 114