Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Gespräch mit Mitarbeitern: Kritik und Anerkennung
3 Kritische Gespräche
3.1 Grundlagen
3.2 Arten
3.3 Kritik statt Problemeskalation
4 Besondere Anforderung an die Führungskraft
4.1 Mitarbeitergespräch als grundlegendes Führungsinstrument
4.2 Mitarbeiterbeurteilung als Ausgangspunkt für Kritik und Lob
5 Fazit
6 Reflexion: Zugang zum Thema
7 Anhang
7.1 Anlage
7.2 Literatur
1 Einleitung
Mitarbeitergespräche sind ein in der Personalarbeit mittlerweile weit verbreitetes Mittel, um Potentiale einzuschätzen, Ressourcen herauszufinden und das Leitungselement der Kontrolle einzusetzen. Um diese strukturell durchzuführen, stehen zahlreiche Praxis-Ratgeber, Vorschlagsammlungen, Checklisten und Coaching-Experten zur Verfügung, die Führungskräften eine möglichst gute Vorbereitung auf anstehende Mitarbeitergespräche bieten wollen. Leider stellt sich in der gegenwärtigen Literatur jedoch heraus, dass zwar viele Konzepte, Ansätze und Ideen existieren, aber nur sehr wenige theoretische Grundlagen bezogen auf eine wissenschaftliche Betrachtung der Funktionen und Wirkungsweisen von Mitarbeitergesprächen vorhanden sind (vgl. Hilb 2008, 6).
„Sichtet man die Fülle vorhandener „Praktikerliteratur“, so wird darin teilweise überzeugend dargelegt, dass eine zukunftsorientierte Personalentwicklung ohne psychologisches Grundlagen- und Methodenwissen nicht mehr durchführbar sei.“ (Sonntag 2006, 17). Erst in den letzten Jahren kommen auch verstärkt Ansätze auf den Markt, die eine wissenschaftlich fundierte Form der Mitarbeitergespräche und deren Einbindung in das strategische Personalmanagement versprechen. Dabei muss jedoch zwischen operativer und strategischer Personalarbeit unterschieden werden: das Mitarbeitergespräch als solches sollte als Teil der operativen Mitarbeiterführung und nicht als Teil eines strategischen Personalmanagements aufgefasst werden (vgl. Hilb 2008, 12f).
Der Mangel an solchen Konzepten zeigt sich umso deutlicher, wenn ein Teilaspekt von Mitarbeitergesprächen betrachtet wird. Muss sich ein Personaler auf die schwierige Aufgabe eines kritischen Mitarbeitergespräches einlassen, stehen ihm wiederum hauptsächlich die erwähnten Ratgeber zur Verfügung. Wenige - um nicht zu sagen keine - wissenschaftlich fundierten Texte sind in diesem Bereich zu finden. Entsprechend wichtig erscheint es, eine klare Vorgehensweise zu haben und strukturelle Grundlagen zu entwickeln, um kritische Gespräche erfolgreich meistern zu können. Für die Personalverantwortlichen kann diese Herausforderung schnell zu einer Lawine aus Problemen werden: falsch angebrachte Kritik birgt die Gefahr, vor den Mitarbeitenden Respekt einzubüßen oder ein vormals gutes Arbeitsverhältnis, eine hohe Arbeitsmotivation oder ein großes Engagement eines Mitarbeiters nachhaltig zu gefährden.
In der vorliegenden Arbeit werden im Kapitel 2 Grundlagen zu Gesprächen mit Mitarbeitern aufgezeigt, bevor in Kapitel 3 kritische Gespräche als solches behandelt werden. Neben den Besonderheiten werden verschiedene Arten kritischer Gespräche aufgezeigt und es wird aufgezeigt, worauf sich Führungskräfte dabei einlassen müssen.
Anschließend werden in Kapitel 4 verschiedene Ansatzpunkte dargestellt die beschreiben, wie sich die Führung aufstellen muss, um präventiv kritischen Situationen vorzubeugen. Ein besonderes Augenmerk wird hier auf die Funktionen regelmäßiger Mitarbeitergespräche gelegt und die Mitarbeiterbeurteilung als Grundlage der Bewertung von Leistungen der Mitarbeitenden wird beleuchtet.
In einem abschließenden Fazit werden die im Vorfeld dargestellten Aspekte vereint, bevor in einer kurzen Reflexion auf die Themenwahl und den Zugang zum Thema eingegangen wird.
2 Gespräch mit Mitarbeitern: Kritik und Anerkennung
Kritik und Anerkennung können als Teil der Führungsaufgabe „Kontrolle“ verstanden werden. Diese auszuführen bedarf einer besonderen Sensibilität der Führungskraft (vgl. Kratz 2007, 9). Die Führungskraft ist also dazu aufgefordert, ihre Mitarbeiter/innen ausreichend zu kontrollieren und ihnen Rückmeldung zu ihrer Arbeitsleistung und zu ihrem Arbeitsverhalten zu geben. Dieses geschieht in der Praxis oftmals in zahlreichen Zwischengesprächen. Bei der Betrachtung verschiedener Organisationen wird aber schnell klar, dass „ein ausgeprägter Mangel an integrierten Personalmanagementkonzepten“ (Hilb 2008, 18) im Allgemeinen und entsprechend ebenso ein Mangel an Rückmeldesystemen bezüglich der Arbeitsleistung von Mitarbeiter/innen im Speziellen existiert. Der Entwicklungsstand der Personalarbeit in diesem Bereich steckt noch in den Kinderschuhen und ist auch in der Theorie nicht ausreichend ergründet (vgl. Hilb 2008, IX).
Betrachtet man auf dieser Grundlage nun die Möglichkeiten und Verfahren für Praktiker, im Bereich der Personalarbeit Kritik und Anerkennung zu äußern, sind diese relativ gering einzuschätzen. Ohne integriertes Konzept, wie Rückmeldungen gegeben werden können oder Gespräche initiiert werden, fallen insbesondere Rückmeldungen positiver Art meist dem Zeitdruck zum Opfer. Viele Führungskräfte handeln nach dem Motto „Nicht gemeckert ist Lob genug“. Somit lässt sich zwar im ersten Moment Zeit sparen, der Motivation und der oben beschriebenen Kontrollfähigkeit ist eine solche aktionisti- sche Strategie aber eher abträglich.
Anerkennung und Kritik
Worte der Anerkennung sollten - wie auch kritische Anmerkungen - nicht „gießkannenartig“ verteilt werden. Das Austeilen von Komplimenten an Mitarbeiter sollte nicht ohne vorherige Überlegung erfolgen. Die Mitarbeitenden müssen sich bewusst sein, warum ein Lob ausgesprochen wurde. Hierzu ist eine möglichst konkrete und nachvollziehbare „Anerkennungskultur“ notwendig. Nur so kann die positiv bewertete Leistung beibehalten oder sogar gesteigert werden. (vgl. Kratz 2007, 66ff). Sowohl durch Kritik als auch durch Anerkennung kann eine Leistungsverbesserung erreicht werden. Durch klare Äußerungen einer Kritik wird eine Situationsverbesserung erreicht, durch Anerkennung wird die Motivation der Mitarbeitenden gesteigert (Kratz 2007, 13).
Lob hat aber auch eine weitere Funktion: Kritik wird nur dann angenommen, wenn vorher schon ausreichend Lob ausgesprochen wurde - erst so kann eine gute Atmosphäre zwischen Angestellten und Chef geschaffen werden. Lob soll dabei nicht überschwänglich und aufgesetzt wirken, jedoch wird es als vernünftig angesehen, einem Mitarbeiter nicht nur Rückmeldung zu negativen sondern auch zu positiven Leistungen zu überbringen (vgl. Pinnow 2009, 286).
Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass eine Situation zum Anbringen der Kritik oder des Lobes geschaffen wird. Dies sollte durch die Einladung zu einem Mitarbeitergespräch unter vier Augen geschehen. Vor dem dann stattfindenden Gespräch muss die Führungskraft ein konkretes Ziel definieren, dass dann auch kontinuierlich verfolgt werden kann. Dieses ist insbesondere im Falle von kritischen Gesprächen angebracht. Soll eine Leistung verbessert werden? Ist ein Verhalten des Mitarbeiters anpassungswürdig? Diese Fragen muss eine Führungskraft möglichst detailliert schon vor dem Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter für sich beantwortet haben.
Im folgenden Kapitel wird näher auf die Durchführung kritischer Gespräche eingegangen.
3 Kritische Gespräche
3.1 Grundlagen
Kritische Situationen erleben wir ständig - fast täglich - im alltäglichen Leben. Wenn eine kritische Situation zu eskalieren droht, steuert man wie selbstverständlich dagegen und entwickelt Coping-Strategien. Mit diesen richten Personen ihr Handeln auf die kritische Situation aus und passen es an, um die Situation zu entschärfen. In Unternehmungen und Organisationen, die als Systeme aufeinander aufbauen und von der Handlungsfähigkeit der einzelnen Systemeinheiten abhängig sind, sollte es das oberste Ziel der Personalführung sein, diese Handlungsfähigkeit zu erhalten. Kritische Situationen, kritisches Verhalten oder schwierige Momente im Unternehmensverlauf, müssen also durch die Führungskraft gemeistert werden, um die Handlungsfähigkeit der gesamten Organisation nicht zu gefährden.
Betrifft die kritische Situation einen der Mitarbeitenden, ist die Führungskraft besonders gefordert. In Gesprächen mit dem oder den betroffenen Mitarbeitenden muss sie versuchen, die kritische Situation aufzulösen. Hierzu werden in hohem Maße psychologische Kompetenzen von der Führungskraft gefordert (vgl. Sonntag 2006, 17).
In vielen Betrieben ist keine klare Regelung von generellen Mitarbeitergesprächen und somit erst recht nicht von kritischen Gesprächen vorgesehen. Dies geht aus einer Untersuchung zahlreicher Betriebs- und Dienstvereinbarungen hervor (vgl. Hinrichs 2009, 111). Die vorhandene Praktikerliteratur gibt jedoch einige Anregungen für ein möglichst positiv verlaufendes kritisches Gespräch.
Dabei ist die Begrifflichkeit „kritisches Gespräch“ genauer abzugrenzen. Kritische Gespräche können eine Vielzahl von Situationen betreffen, in denen eine Führungskraft einen Mitarbeitenden auf ein bestimmtes, meist sensibles Thema ansprechen muss. Dies kann sich in einem weiten Spektrum bewegen - von der Kritik an einer konkreten Arbeits- oder Verhaltensweise eines Mitarbeitenden (Kritikgespräch) über das Ansprechen konkreter Problemlagen (z.B. Sucht, persönliche Probleme), die Lösung eines Konfliktes innerhalb eines Arbeitsteams bis hin zur Mitteilung einer Kündigung (Kündigungsgespräch), fallen zahlreiche Szenarien unter die Begrifflichkeit eines kritischen Gespräches.
Grundlegend bei allen Gesprächsarten ist es, dass kritische Gespräche einer Vorbereitung bedürfen. Eine direkte Reaktion auf ein Fehlverhalten oder auf ein der Führungskraft zugetragenes Verhalten ist keine Option für ein zielgerichtetes, das Problem auflösendes Verhalten.
Je nach Praxisratgeber werden verschiedene Ansätze zur Vorbereitung eines solchen Gespräches gegeben. Exemplarisch könnte der Verlauf eines kritischen Gespräches wie folgt aussehen:
- Positiver Beginn (Atmosphäre schaffen, Stimmung aufrecht halten)
- Klärung des Sachverhaltes (Anhand von Fakten)
- Bitte um Stellungnahme (nicht im Kündigungsgespräch)
- Diskussion über Ursachen und Folgen des Sachverhaltes
- Abstimmung des künftigen Verhaltens (ggf. Zielvereinbarung)
- Positives Ende
(vgl. Kratz 2007, 46 und Kellner 2002, 46f)
Bezogen auf weitere Rahmenbedingungen wird in der Literatur auf eine möglichst positive Gestaltung des Gesprächs und des Gesprächsraumes hingewiesen. Es sollte nach Möglichkeit auf neutralem Boden, d.h. nicht im Büro des Chefs stattfinden. Dabei sollte ein möglichst störungsfreies Umfeld geschaffen werden (vgl. Hinrichs 2009, 112f).
Auf das Kritikgespräch und das Kündigungsgespräch wird im Folgenden genauer eingegangen.
3.2 Arten
3.2.1 Kritikgespräche
Bezogen auf den grundlegenden Umgang mit Kritik lässt sich die „Change Manage- ment“-Strategie von Kurt Lewin auf die Bewältigung einer schwierigen Situation mit einem Mitarbeiter übernehmen. Nach dem „Auftauen“, dem Klären des Kritikfaktors, folgt die Änderung des kritisierten Punktes und damit die Änderung der Verhaltensweise, die anschließend wieder „eingefroren“ werden muss (vgl. Bierhoff 2006, 495 und Cava 2000, 218). Letzteres lässt sich beispielsweise durch positive Rückmeldungen bezogen auf die neue Verhaltensweise erreichen.
Das Gespräch selbst soll der Beendigung eines Fehlverhaltens und der Sicherung der Arbeitsfähigkeit dienen. Die Führungskraft sollte dabei dem Anspruch folgen, dem Mitarbeiter zu helfen, besser zu werden. Es muss klar werden, dass das Gespräch ein konkretes Verhalten, nicht den Mitarbeitenden als Person betrifft. Unterschieden werden muss dabei zwischen Kritik aufgrund mangelhafter Arbeitsleistung und Kritik aufgrund von Fehlverhalten oder nicht angemessenem Verhalten (vgl. Hölzel, Raslan 2006, 37ff).
Das Kritikgespräch sollte nach einer Vorankündigung stattfinden. Mitarbeiter sollten „in jedem Fall rechtzeitig und vollständig über Zeitpunkt, Anlass und Ort des Gesprächs“ informiert werden. „So hat auch er die Möglichkeit sich auf das Gespräch vorzubereiten.“ (Hölzel, Raslan 2006, 10f).
Der Kritikpunkt muss nachweisbar sein und dem Mitarbeitenden möglichst konkret nachvollziehbar gemacht werden (vgl. Hölzel, Raslan 2006, 38). Das hinter der Kritik stehende Problem sollte dem Mitarbeitenden dabei als Fakt, als Sachverhalt dargestellt werden (vgl. Kratz 2007, 48). Als Grundlage dieser Kritik kann neben grundsätzlichen Fehlern des Mitarbeiters (z.B. laufend wird Ware falsch ins Regal sortiert) auch ein Abweichen vom Verhaltenskodex der Organisation gelten. Ein solcher Kodex ergibt sich explizit beispielsweise aus einem dargestellten Unternehmensleitbild oder einer Handlungsaufforderung im Rahmen eines Qualitätsmanagement-Systems oder einer Geschäftsordnung. Oder es wird eher implizit über die Unternehmenskultur bestimmt. Diese Codes dienen als Grundlage der Kritik am Verhalten oder der Person der Mitarbeitenden und spielen somit eine ausschlaggebende Rolle. Die Führungskraft kann sich auf sie berufen, sie bildet die Basis des unternehmerischen Verhaltens und Auftrittes.
Auch auf eventuelle schwierige Lebenssituationen als Auslöser einer unzureichenden Arbeitsleistung oder eines unerwünschten Verhaltens muss sich eine Führungskraft einstellen. Die Trennung vom Lebenspartner oder der Tod eines Angehörigen gehört ebenso dazu wie finanzielle Probleme des Angestellten, Drogensucht oder psychische Erkrankungen. Für den Umgang damit spielt hier ebenfalls die jeweilige Unternehmenskultur einer Organisation eine besondere Rolle (vgl. Hölzel, Raslan 2006, 145ff). Je nach deren Ausrichtung werden solche schwierigen Lebenssituationen als zu bewältigende Aufgabe der Führungskraft angesehen oder nicht. Ob und wie weit hierbei die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine Rolle spielt, kann an dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden. Sie wird jedoch in der vorliegenden Literatur durchaus als Ausgangspunkt der Einmischung des Arbeitgebers beim Umgang mit schwierigen Lebenssituationen der Mitarbeitenden gesehen (vgl. Hölzel, Raslan 65f, 150f, 159f).
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