Leseprobe
Gliederung
A Einleitung: Der unstillbare Hunger des Menschen nach Erfüllung
B Gottes Heilsgeschichte und göttliche Erfüllung
1 Verheißung und Erfüllung im Alten Testament
1.1 Die Landverheißung
1.2 Die Verheißung eines großen Volkes
1.3 Die Verheißung des Bundes
1.4 Die Verheißung des Segens
2 Menschliche Erwartung und von Menschen gemachte Erfüllungen
2.1 Ausrichtung auf Verheißung
2.2 Entsprechung der Erwartungen
3 Die Vollendung der Welt durch die Auferstehung Jesu
3.1 Erweiterung der alttestamentlichen Verheißungen
3.2 Vollendung der Welt in Gegenwart und Zukunft
C Fazit
A Einleitung: Das Verlangen des Menschen nach Erfüllung
Jeder Mensch dürstet nach der Erfüllung seiner Wünsche und nach einem erfüllten Leben. Dieser Hunger nach Erfüllung ist nahezu unstillbar.[1] Er macht sich Hoffnungen, lebt auf deren Erfüllung hin und glaubt den ihm gegenüber geäußerten Verheißungen oder Versprechungen, weil er auf deren positive Erfüllung hofft. So strebt jedes Individuum nach seinem persönlichen Heil.[2]
Das christliche Heil und die Vervollkommnung der Welt beginnen schon im Alten Testament durch die Verheißungen der göttlichen Heilsgeschichte, die in der Auferstehung Jesu und im daraus resultierenden Neuen Bund ihren Höhepunkt und ihre Vollendung finden. So durchfließt die Bibel eine „erstaunliche Energie (…) im Rhythmus der beiden hoffnungsvollen Worte: „Verheißung“ und „Erfüllung“. Der Gott des Bundes ist der Gott der Verheißung. Er wird als treuer Gott gefeiert. Die teilweise Erfüllung seiner Verheißungen – die Gabe einer Nachkommenschaft oder einer Erde z.B. – strebt unwiderruflich dem Heilsereignis zu, von dem jede Schrift des Neuen Testaments zeugt, der Sendung seines geliebten Sohnes.“[3] Durch die Sendung seines Sohnes und dessen Auferstehung werden alle Hoffnungen der Menschen, alle Erwartungen und jegliche von Menschen gemachte Erfüllung übertroffen. Der Tod hat keinen Stachel mehr und der Mensch kann auf die Vollendung seines Lebens im Jenseits vertrauen.
B Gottes Heilsgeschichte und göttliche Erfüllung
Die nächsten Abschnitte legen dar, wie bereits dem Volk Israel im Alten Testament Gottes Verheißungen offenbart werden, wie sehr die göttliche Erfüllung durch die Auferstehung die menschliche Erwartung und die von Menschen gemachte Erfüllung übersteigt und wie durch die Auferstehung Jesu bereits die absolute Vollendung der Welt angebrochen ist.
1 Verheißung und Erfüllung im Alten Testament
„Das Neue Testament besitzt für „Verheißung“ spezifische Begriffe wie epangello und epangellia. Es fällt auf, dass das Alte Testament keine besonderen Begriffe für die so wichtige Aussage über die göttlichen Verheißungen entwickelt hat. (…) Gott erfüllt, was er gesagt oder sogar geschworen hat. Dies ist (…) selbstverständlich.“[4] Das Volk Israel hatte großes Vertrauen in den Gott, der es geschaffen und der seinen Stammvätern Großes verheißen hatte. Josua sagt in seiner Rede an das Volk, dass nicht eine von all den Zusagen, die Gott gegeben hat, ausgeblieben ist, alle sind sie eingetroffen (Jos 23,14). Auch nach einer großen Katastrophe, „dem Tag Jahwes“[5] , vertraute Israel darauf, dass Gott seine Verheißungen in einer neuen Heilszeit letztendlich erfüllen werde. Die wichtigsten dieser Verheißungen werden im Folgenden dargestellt. Die vielen einzelnen Verheißungen der Propheten (z.B. Hosea 6,2: „Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf, und wir leben von seinem Angesicht.“) können aufgrund des geringen Umfangs der Arbeit nicht betrachtet werden.
1.1 Die Landverheißung
Seit der Herausführung aus Ägypten ist die Verheißung des Gelobten Landes von herausragender Bedeutung für das Volk Israel. Zunächst wurde Abraham Land verheißen: „Ich bin der Herr, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben.“ (Genesis 15, 7). Einige Jahrhunderte später sollte diese Verheißung an Mose und den in Ägypten versklavten Israeliten erfüllt werden: „Gott redete mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin Jahwe. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El-Schaddai (Gott, der Allmächtige) erschienen, aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben. Auch habe ich einen Bund mit ihnen geschlossen und habe versprochen, ihnen das Land Kanaan zu geben, das Land, in dem sie als Fremde lebten. Ferner habe ich gehört, wie die Israeliten darüber stöhnten, dass die Ägypter sie als Sklaven behandeln. Da habe ich meines Bundes gedacht, und deshalb sag zu den Israeliten: Ich bin Jahwe. Ich führe euch aus dem Frondienst für die Ägypter heraus und rette euch aus der Sklaverei. Ich führe euch in das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob unter Eid versprochen habe. Ich übergebe es euch als Eigentum, ich, der Herr.“ (Ex 6,2-6,8). Durch den Einzug in das gelobte Land wird die Verheißung an Abraham erfüllt. Gott hat das Volk aus Ägypten errettet, er ist der treue Gott, der sich dem Eidschwur an den Vätern verpflichtet hat.[6]
Die Stadt Jerusalem wurde später, nach der Eroberung durch König David, zum Symbol der erfüllten Landesverheißung. Sie wurde abgelöst vom Berg Zion, auf dem der Tempel Salomons erbaut worden war. Dieser wurde nun zum Sinnbild dafür, dass Gott seine Versprechungen nicht zurücknimmt, sondern dass er fortwährend für sein Volk Israels da ist.[7]
1.2 Die Verheißung eines großen Volkes
Israel hatte schon von Väterzeiten an das Verlangen, ein starkes und zahlreiches Volk zu sein. Vor allem Nachkommen waren für den Fortbestand des Volkes von großer Bedeutung.[8] Abraham empfing von Gott folgende Verheißung: „Ich mache deine Nachkommen zahlreich wie den Staub auf der Erde. Nur wer den Staub auf der Erde zählen kann, wird deine Nachkommen zählen können.“ (Genesis 13, 16). Nach Dtn 10,22 trat dieses Wachstum erstaunlich schnell ein:[9] „Als deine Vorfahren nach Ägypten zogen, waren sie nur siebzig an der Zahl; jetzt aber hat der Herr, dein Gott, dich so zahlreich gemacht wie die Sterne am Himmel.“ So ist auch die Verheißung einer großen Nachkommenschaft für die Israeliten zufrieden stellend erfüllt worden.
1.3 Die Verheißung des Bundes
Wie schon oben zitiert (Ex 6) wurde Israel ein Bund mit Gott verheißen. Der Alte Bund begründete ein „einzigartiges Gottesverhältnis, mit dem Israel beschenkt wurde “.[10] Das Volk rechnete nach der Errettung aus Ägypten mit der wohlwollenden Gegenwart Gottes. Und tatsächlich wurde es nicht mehr von Gott verlassen, sondern er ging eine besondere Verbindung mit ihnen ein, wie sie kein anderes Volk für sich beanspruchen konnte. Diese Verbindung wurde in der Bundesformel zusammengefasst, in der auch auf das kommende – neutestamtliche – Heil hingewiesen wird: „Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israels und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie an der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. (…) Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ (Jer 31,31-33)[11]
[...]
[1] Vgl. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 20, „Gott ist größer als der Mensch“, Eröffnungsreferat von Bischof Karl Lehmann bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda. Hg.v. Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, Bonn 20. September 1999, S. 6.
[2] Vgl. Schillebeeckx Edward, Die Auferstehung Jesu als Grund der Erlösung. Zwischenbericht über die Prolegomena zu einer Christologie. Herder, Freiburg im Breisgau 1979, S. 69.
[3] Gottes Wort: Licht für unsere Pfade (vgl. Ps. 119,105), Hirtenbrief der Schweizer Bischöfe zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag 2002. www.kath.ch/sbk-ces-cvs/pdf/jeune_federal_2002_d.pdf, Internetausdruck vom 26.05.2006.
[4] Eising H., Die Berufung Israels: Sinn und Erfüllung, in: Erwartung, Verheißung, Erfüllung. Hg. v. Wilhelm Heinen und Josef Schreiner, Echter-Verlag, Würzburg 1969, S. 36f.
[5] GK LB 12 “Gottes Volk unter Verheißung, Schuld und neuer Verheißung“, Hg. v. Theologie im Fernkurs, Würzburg 2003, S.40.
[6] Eising 1969, S.39.
[7] vgl. Lehrbrief 12, S.14.
[8] vgl. Lehrbrief 12, S. 12.
[9] Eising 1969, S. 45.
[10] Lehrbrief 12, S.13.
[11] vgl. Lehrbrief 12, S.13.