Reiseberichte als kultur- und wirtschaftshistorische Quelle

Am Beispiel von Henry Th. von Böttingers: „Durch 360 Längengrade“


Masterarbeit, 2009

77 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG
1.1. Einleitende Bemerkungen zum Vorhaben
1.2. Eingrenzung und Aufbau der Arbeit
1.3. Quellenlage
1.4. Stand der Forschung

2. DER REISEBERICHT – ZUR HISTORIE EINER LITERATURGATTUNG
2.1. Von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert
2.1.1. Von den frühesten Anfängen bis zum Mittelalter
2.1.2. Entwicklungsvarianten seit Beginn der Frühen Neuzeit
2.1.3. Die Entstehung der Ars apodemica
2.1.4. Die Kavalierstour
2.1.5. Entdeckungs- und Forschungsreisen
2.1.6. Von den Amerikareisen im 20. Jahrhundert bis heute
2.2. Zur Rezeptionsgeschichte von Reiseberichten
2.3. Modi der Fremdwahrnehmung
2.4. Die Bedeutung von Reiseberichten im Rahmen kultureller und 28
wirtschaftlicher Transferleistungen

3. HENRY THEODOR VON BÖTTINGER
3.1. Herkunft, Erziehung, Ausbildung, beruflicher Werdegang
3.2. Zu seiner Rolle als Wirtschaftsbürger und Unternehmer
3.3. Ehrungen, Titel, Orden und Auszeichnungen
3.4. Zum politischen Einfluss
3.5. Zur sozialen und philanthropischen Einstellung

4. DIE REISE UM DIE WELT
4.1. Ziel und Zweck der Reise, Äußere Umstände, Reiseverlauf
4.2. Erfahrungen, Beobachtungen, Erkenntnisse
4.2.1 Kulturelle Erfahrungen
4.2.2 Wirtschaftsbezogene Beobachtungen
4.2.3 Religiöse Erkenntnisse
4.3 Zur literarischen Form
4.4 Materielle und theoretische Transferleistungen

5. ZUSAMMENFASSENDE BETRACHTUNG

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

1.1. Einleitende Bemerkungen zum Vorhaben

Laut Brunner´s Literaturwissenschaftlichem Lexikon sind Reiseberichte beziehungsweise Reiseliteratur synonyme Oberbegriffe für Darstellungen tatsächlicher oder fiktionaler Reisen.[1] Heutzutage gibt es Reiseberichte in vielerlei Varianten in der gesamten Bandbreite medialer Vielfalt. Ihre Historie reicht weit zurück in die Geschichte, worüber uns zahlreiche Zeugnisse vorliegen.

Nach Erfindung der Buchdruckkunst und den damit verbundenen schnellen Vervielfältigungsmöglichkeiten von Reiseberichten, kam es zu einer weiten Verbreitung berühmter Beispiele dieser Gattung, wobei die Blütezeit schriftlicher Reiseberichte im 19. Jahrhundert zu verorten ist.

Das wird auf den ersten Blick deutlich, wenn man als Schnelltest einmal bei Google Books den Suchbegriff „Reiseberichte zwischen 1800 und 1900“ eingibt: 1184 Bücher aus dem genannten Zeitraum sind unter dieser Rubrik dort bereits eingescannt und herunterladbar, mit Schwerpunkt auf einem Erscheinungsjahr in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Es handelt sich dabei lediglich um gedruckte Werke. Vor dem Hintergrund eines wachsenden Interesses an historischen Reiseberichten in den letzten Jahren verdienen aber nicht nur gedruckte Reiseberichte unser Interesse, sondern auch handschriftlich überlieferte, die es zahlreich gibt, und deren Autoren nicht a priori beabsichtigten, sie literarisch zu verwerten.

Die auslösende Idee für die Thematik dieser Arbeit entstand bei einem Besuch des Archivs der Bayer AG im Jahre 2008 in Leverkusen. Unter der Vielzahl der dort vorhandenen Exponate fiel ein prächtiger, ledergebundener Foliant auf, der durch seine Größe, sein mit Golddruck verziertes Äußeres sowie sein beträchtliches Volumen von nahezu 800 Seiten ins Auge stach. Vor allem aber durch den ungewöhnlichen Titel:

„Durch 360 Längen – Grade“

(Rund d´rum Rum)

Es handelte sich hierbei um einen ca. 800 seitigen Reisebericht einer Reise um die Welt in Tagebuchform, handschriftlich verfasst in deutscher Kurrent. Der Autor - Henry T. Böttinger[2] - hat diese Reise in seiner Eigenschaft als Mitglied der Direktion der Bayer AG vom 11. Dezember 1888 bis zum 1. Juni 1889 unternommen. Böttinger, dessen Name heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist und auch in den Firmenannalen der Firma Bayer AG nicht mehr vorkommt, war ein Schwiegersohn des Firmengründers Friedrich Bayer und mit dessen jüngerer Tochter Adele verheiratet. Er war ab 1882 nahezu vierzig Jahre zunächst in leitender Position im Vorstand und ab 1907 als Aufsichtsratsvorsitzender der Bayer AG maßgeblich für die Entwicklung und den Aufstieg dieser Firma zu einem Weltkonzern verantwortlich.

Sein Reisetagebuch ist nur noch als Einzelstück in Abschrift vorhanden[3] und bis dato noch nicht wissenschaftlich bearbeitet. So kam es als Folge des Archivbesuchs zu der Idee der Untersuchung dieses speziellen Werkes. Dazu wurde zunächst eine Transkription des Werkes in lateinische Schrift vorgenommen, gekoppelt mit einer inhaltlichen Analyse und einer Auswertung der dort beschriebenen Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse und etwaiger belegbarer Resultate.

Dies diente als Ausgangsbasis für Überlegungen zur Thematik der Masterarbeit. Als Ziel der Masterarbeit wurde definiert, in einem breiter angelegten Kontext herauszufinden, inwieweit Reiseberichte generell als kultur- und wirtschaftshistorische Quelle dienen können, was für eine Rolle sie im Rahmen materieller und theoretischer Transfers gespielt und wie sie damit zur Globalisierung beigetragen haben, und wie in diesem Zusammenhang der Reisebericht Henry T. Böttingers zu bewerten ist.

Dazu wurde eine Aufarbeitung vorliegender Untersuchungen zu Reiseberichten im Allgemeinen vorgenommen, zu der Entstehung und Entwicklung von Reiseberichten im Laufe der Zeit, sowie eine Kategorisierung verschiedener Typen innerhalb dieses Genres.

Im Rahmen der Arbeit sollen die folgenden Thesen erörtert und belegt werden:

- Reiseberichte haben je nach Ausformung und Intention meist einen nachhaltigen Einfluss auf die Leserschaft ausgeübt. Sie waren eine wichtige Informationsquelle und Transfermedium in einer Zeit, in der Kommunikationsmöglichkeiten noch nicht im heutigen Maße gegeben waren, meinungsbildend für die Einschätzung anderer Kulturen und Gesellschaftsformen, sowie ein Reflexionsspiegel für die im eigenen Land herrschenden politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zustände. Diese Funktion haben sie erst im Rahmen der heutigen globalen medialen Informationsmöglichkeiten weitgehend verloren.
- Böttinger erweist sich – bei aller stilistischen Unzulänglichkeit seines Tagebuchs – als ein genauer Beobachter anderer Länder, Völker und Sitten. So haben sich zum Beispiel seine Beschreibungen und Prognosen zu Japan, getroffen Ende des 19. Jahrhunderts, im Laufe der folgenden Jahrzehnte erstaunlich genau bewahrheitet.
- Neben allgemeinen Einschätzungen und Erkenntnissen beschreibt Böttinger bereits 1889 detailliert die Grundprinzipien des Taylorismus an Hand der Produktionsprozesse in den Schlachthöfen Chicagos, lange bevor diese Begrifflichkeit etabliert war. Zweifellos haben seine Erfahrungen und Erkenntnisse auch den kompletten Neubau der Bayer Werke nach amerikanischem Muster in den 1890er Jahren mit beeinflusst.

1.2. Eingrenzung und Aufbau der Arbeit

Die oben bereits angeführte Zielsetzung der Arbeit „Bedeutung der in Form von Reiseberichten publizierten Informationen und des darin verborgenen Materials für die kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Forschung“ wird untersucht und dargestellt am Beispiel von Sekundärliteratur und des Reiseberichts von Böttinger. Der Fokus liegt daher auf einer generellen Betrachtung verschiedener Arbeiten zum Thema Reisebeschreibungen, besonders unter den Aspekten Entwicklung, Rezeption und Transferleistungen, sowie auf einer Detailanalyse der speziellen Reisebeschreibung Böttingers.

Nach den einleitenden Bemerkungen zur Themenstellung, zur Quellenlage allgemein und zum Stand der Forschung in dieser Thematik erfolgt zunächst eine Darstellung der Gattung Reisebericht in der Vielfalt ihrer historischen Entwicklung.

Im Anschluss daran wird näher auf die Person Henry T. Böttingers eingegangen, seine Herkunft, Ausbildung und Entwicklung, seine Rolle im Rahmen der Bayer AG und all das, was ihn als Mensch, als Bürger und als Industriellen besonders gekennzeichnet hat.

In einem dritten Hauptteil wird die von ihm durchgeführte Reise näher analysiert in Anlehnung an das bei Bödeker / Bauerkämper / Struck beschriebene Schema:
a) Reisepraxis, b) Kulturkontakte, c) literarische Aufarbeitung sowie d) materielle und theoretische Transferleistungen.[4]

Wie kam es überhaupt zu der Reise, was war ihr Primärziel und wie waren die äußeren Umstände des Reiseverlaufs?

Welche Aktivitäten und Kontakte gab es im Reiseverlauf und was waren die damit verbundenen Erfahrungen, Beobachtungen und Erkenntnisse?

Was war der Zweck des Reiseberichts und wie steht es um dessen literarische Form?

Welche Resultate in Form von materiellen und theoretischen Transferleistungen hat die Reise erbracht?

Wie ist die Reise im Licht der gesetzten Themenstellung zu beurteilen?

Abschließend werden in der zusammenfassenden Schlußbetrachtung die wesentlichen Erkenntnisse zur Themenstellung noch einmal dargelegt und auf die zu Eingang aufgestellten Thesen Bezug genommen.

1.3. Quellenlage

Wie in der Einleitung bereits angeführt ist die Quellenlage zu Reiseberichten allgemeiner Art überaus reichhaltig und im Rahmen einer Masterarbeit nicht umfassend auswertbar. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Weg gewählt, die aufgeworfene Fragestellung zum Einen anhand umfassender Sekundärliteratur auszuwerten, die es zu der Thematik in kaum noch überschaubarem Umfange gibt; zum Andern durch detaillierte Auswertung einer einzigen Quelle als „pars pro toto“, nämlich des Reisetagebuchs von Henry T. von Böttinger. Zusätzlich wurden zur Verifizierung und Ergebnisüberprüfung seiner Tagebuchnotizen als Originalquellen die Aufsichtsratsprotokolle der Bayer AG aus den 1880/90er Jahren ausgewertet, sowie die so genannte „Böttingerschrift“, ein Kompendium mit Beiträgen leitender Mitarbeiter, welches aus Anlass des 25. Jubiläums von Böttinger im Jahre 1908 von Carl Duisberg, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG initiiert wurde, dessen endgültige Fertigstellung allerdings erst 1919 erfolgte, ein Jahr vor dem Tode Böttingers.

1.4. Stand der Forschung

„Der Reisebericht ist erst spät zum Gegenstand umfassender wissenschaftlicher Untersuchung geworden“ und „die Historiographie der europäischen Reiseliteratur ist noch nicht geschrieben“, schrieb Bitterli 1973 in seinem Beitrag „Der Reisebericht als Kulturdokument“.[5] Er fand dies erstaunlich, weil doch bereits im 14. Jahrhundert Reiseberichte weit verbreitet waren[6] und aus Frankreich im 17. Jahrhundert berichtet wird, „Reisebeschreibungen überträfen in der Hauptstadt und bei Hofe die Romanliteratur an Beliebtheit“.[7] Seit Bitterlis Kommentaren hat sich auf dem Gebiet der Reiseforschung viel getan; die Reiseforschung hat sich innerhalb der historischen Wissenschaften als eigenes Feld etabliert. Allerdings haben die große inhaltliche Bandbreite dessen, was man unter der Gattung Reiseberichte zusammenfasst und die Vielfalt der möglichen Forschungsansätze lange Zeit eine umfassende interdisziplinäre Forschung erschwert. Unterschiedlichste Methoden und Interessen haben einen einheitlichen Ansatz behindert. Brenner bezeichnet und bemängelt dies als „Disparatheit der Fragestellungen und Methoden“.[8]

Ein Grund dafür liegt in der Vielfältigkeit des Genres: Reiseberichte, Reiseerzählungen, Reisetagebücher, Reisebriefe finden sich sowohl in Form realer Sachprosa, wie auch als fiktive literarische Erzählungen, die aber zumeist mit realem Hintergrundwissen verwoben sind.[9] Dazu kommt, dass die Gründe von Reisenden für die Abfassung von Berichten über ihre Reisen im Laufe der Zeit einem ständigen Wechsel unterworfen waren: den Reiseberichten von Kreuzfahrern oder Pilgern ins Heilige Land lagen eher religiöse Motive zugrunde; Berichte über Kavalierstouren der Frühen Neuzeit fokussieren anders als solche von Entdeckungs- und Forschungsreisenden; Reiseberichte aus der Zeit der Aufklärung wurden mit anderer Intention verfasst als solche über Bildungsreisen in der Romantik und Weltreisen des späten 19. Jahrhunderts.

Forschung zu Reiseberichten bestand bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vorwiegend aus additiven Übersichten und Typisierungen der in einzelnen Ländern erschienenen Berichte. Erst im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts finden sich erste Ansätze zu einer theoretisch breiteren Auseinandersetzung.[10]

Zirka ab den 1980er Jahren fand die Thematik eine breite Aufnahme in der wissenschaftlichen Forschung in Form von Tagungen, Sammelbänden, Monographien und Aufsätzen.[11] Rees kommentierte dies: „Die historische Reiseforschung […] erlebt seit den frühen 1980er Jahren eine bis heute ungebrochene Renaissance und hat sich zu einem stetig expandierenden Forschungsfeld entwickelt“.[12] Die Sekundärliteratur zu der Thematik nimmt laut Heinritz ständig weiter zu, fächert sich aber immer mehr auf in Spezialgebiete: „Die Zahl der Einzelbeiträge zu diversen Texten und Autoren wächst allmählich ins Unüberschaubare“ und „eine hochgradige Spezialisierung ist geradezu kennzeichnend für den gegenwärtigen Stand der Forschung“.[13]

Bei aller Diversität der verschiedenen Forschungsansätze wie zum Beispiel zur Sozialgeschichte, zur Mentalitätengeschichte, zur Technikgeschichte oder zur Ideengeschichte, liegt ein übergreifender, allen Ansätzen gemeinsamer Aspekt in dem Thema „Fremdheit“. In allen Reisebeschreibungen gibt es Fremdheitsaspekte, die besonders beschrieben und kommentiert werden. Die Auseinandersetzung mit dem Andersartigen, erfahren als Gegenteil vom Vertrauten, Gewohnten, zwingt zu Urteilen und Bewertungen über dieses Anderssein, und damit zu einer Eigenpositionierung im Umgang mit diesen Erfahrungen. Dieser Aspekt von Reiseberichten hat in der Forschung der letzten Jahre breiten Raum eingenommen. Das gilt besonders in Bezug auf Reiseberichte des 19. Jahrhunderts, in dem das Interesse an und die Beschäftigung mit fremden Regionen und unbekannten Menschen und Kulturen enorm zunahm, bedingt durch die Entstehung moderner Wissenschaften, die Ausbreitung von Imperialismus und Kolonialismus, sowie dem Aufkommen neuer Verkehrsmittel, welche das Reisen beschleunigten und vereinfachten.

Die bereits beschriebene Aufsplitterung der Forschungsaktivitäten mit Folge einer hochgradigen Spezialisierung auf bestimmte Perioden oder Aspekte macht es schwer, einen einheitlichen Stand der Forschung zu definieren. Vielmehr muss man zu den jeweiligen Spezialgebieten – perioden- und themenbezogen - den gegenwärtigen Stand der Forschung analysieren, wobei es hier keine scharfen Trennlinien gibt, sondern lediglich Schwerpunktbildungen. Unter Berücksichtigung der Disparatheit der Forschungsansätze wird im Folgenden für einige Kerngebiete der Stand der Forschung und ihrer Repräsentanten aufgeführt, jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Periodenbezogen: als umfassende Standardwerke sind hier vor allem die Arbeiten von Peter Brenner „Der Reisebericht“ sowie von Eric J. Leed „Die Erfahrung der Ferne“ anzuführen, die beide zwar bereits vor einigen Jahren erschienen sind, in der übergreifenden Darstellung des Themenbereichs aber noch immer aktuell erscheinen.

Für den Bereich des Mittelalters reflektieren die analytischen Bibliographien von Paravicini und Halm aus 1994 weitgehend den gegenwärtigen Stand der Forschung. Empfehlenswert dazu sind aber auch zwei Dissertationen jüngeren Datums mit dem Focus auf Asienberichte: Marina Münklers „Erfahrung des Fremden“ aus dem Jahre 2000, sowie Marion Steinickes „Apokalyptische Heerscharen und Gottesknechte“ aus dem Jahre 2002.

Für die Frühe Neuzeit bis zirka 1800 sind die Arbeiten von Julius Stagl herausragend; aber auch die Ergebnisse einer 2001 stattgefundenen Tagung in Potsdam zu „Reisen im Spannungsfeld von Absolutismus und Aufklärung“ erscheinen besonders relevant, wie zum Beispiel die dort geleisteten Beiträge von Siebers und Tilgner zur inhaltlichen Entwicklung der Kavaliersreise. Zu einem besseren Verständnis der höfischen Bildungsreisen und Berichten darüber ist auch die Dissertation von Antje Stannek aus dem Jahre 2001 empfehlenswert.

Themenbezogen: Michael Harbsmeier hat Reiseberichte unter mentalitäts-geschichtlichen Aspekten untersucht. Zu Amerikareisen im 20. Jahrhundert ist Alexander Schmidt´s „Reisen in die Moderne“ eine maßgebliche Veröffentlichung. Marcus Popplow hat in seiner Dissertation Reiseberichte unter dem Aspekt Technikgeschichte analysiert.

Ein kohärenter Forschungsansatz im themenrelevanten kulturhistorischen Kontext „Erfahrung der Welt – Begegnung mit dem Fremden“ - zeichnet die Arbeiten von Peter Brenner, Reinhard Heinritz, Arnd Bauerkämper, Hans Erich Bödeker und Bernhard Struck sowie Ortfried Schäffter aus, die am besten den gegenwärtigen Stand der Forschung hierzu repräsentieren.

Erwähnenswert ist noch die 1992 an der Eutiner Landesbibliothek eingerichtete „Forschungsstelle zur historischen Reisekultur.“ Die in Deutschland wohl einmalige Einrichtung zur Sammlung, Verzeichnung und Auswertung historischer Reiseberichte verfügt über einen umfassenden Bestand an Reiseliteratur aus fünf Jahrhunderten in zehn Sprachen, sowie über zwei spezielle Datenbanken zu der Thematik.[14]

2. DER REISEBERICHT - ZUR HISTORIE EINER LITERATURGATTUNG

Mobilität kennzeichnet die Geschichte der Menschheit von Beginn an; sie ist, sozusagen als erste Conditio Humana, eine der Grundlagen unserer Entwicklungsgeschichte und unseres heutigen Wissens. Leed sagt dazu: „Wenn wir unsere Gegenwart verstehen wollen, dann müssen wir verstehen, welche Funktion die Mobilität in der Geschichte hatte: Sie war immer eine auf Veränderung gerichtete Kraft, die Persönlichkeiten, soziale und kulturelle Landschaften verändert und zur Herausbildung einer globalen Zivilisation geführt hat“.[15] In der Anfangsgeschichte der Menschheit war permanente Mobilität das kennzeichnende Grundelement des Zusammenlebens von Jägern und Sammlern in Familienverbänden und Horden. Mit Beginn von zivilisiertem Zusammenleben in Form von Sesshaftigkeit bekam Mobilität eine neue Qualität. Aus allgemeinem, ziellosem Umherziehen wurden nun zielgerichtete Reiseaktivitäten. Bereits gegen Ende des 5. Jahrtausends v. Chr. weiß man von hochseefähigen Segelschiffen, die wohl vorwiegend zu Erkundungs- und Handelszwecken genutzt wurden. Abenteurer und Händler waren also, wenn man so will, die ersten Reisenden.

2.1. Von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert

Von der Durchführung einer Reise bis zum Reisebericht nach deren Abschluss war es nur ein kleiner Schritt. Denn wollte man für die mit einer Reise verbundenen Mühen Lohn in Form von Bewunderung, Ruhm und Ehre ernten, so musste von den gemachten Erlebnissen, Erfahrungen und bestandenen Abenteuern berichtet werden, sicherlich vorwiegend in Form von Erzählungen und mündlichen Überlieferungen, aber bereits frühzeitig auch in schriftlicher Form.

2.1.1. Von den frühesten Anfängen bis zum Mittelalter

Frühester uns bekannter und in Schriftform erhaltener Bericht über eine Reise ist mit dem Gilgamesch – Epos eine Abenteuerreise.[16] Dort lesen wir von König Gilgamesch von Uruk, der zu einem Feldzug in den Libanon aufbricht, um Unsterblichkeit zu erlangen. „Allumfassende Weisheit erwarb er in jeglichen Dingen. / Er sah das Geheime und deckte auf das Verhüllte, / er brachte Kunde von der Zeit vor der Flut. / Einen weiten Weg kam er her, um (zwar) müde / doch (endlich) zur Ruhe gekommen zu sein. / Festgehalten auf einem Steinmonument ist all die Mühsal“.[17] Zwar war es kein Steinmonument, sondern es waren Tontafeln, die von dem britischen Assyriologen George Smith in den Ruinen des Königspalastes von Ninive gefunden wurden. Aber diese Tontafeln, die Smith 1872 der Londoner Society of Biblical Archaeology vorstellte, sind wohl der früheste bekannte schriftliche Reisebericht.[18]

Aus der Antike sind diverse Beispiele über durchgeführte Reisen und Berichte darüber bekannt. Neben dem um 800 v. Chr. entstandenen abenteuerlichen Reisebericht Homers über die sagenumwobenen Fahrten des Odysseus und dem Bericht Herodots über seine Ägyptenreise um 468 herum liegt uns zum Beispiel ein Fahrtenbericht über die Erkundung des afrikanischen Kontinents durch den karthagischen Seefahrer Hanno vor, der um das Jahr 470 vor Christus entlang der afrikanischen Westküste vermutlich bis in den Golf von Guinea segelte um Seewege zu erkunden, neue Handelswege zu erschließen und Kolonien zu gründen.[19]

Aus der römischen Zeit sind zahlreiche Reisebeschreibungen verschiedener Form von Geschichtsschreibern, Geographen, Naturforschern und Ärzten erhalten. Diese beinhalten vor allem geographische oder naturwissenschaftliche Beobachtungen und detaillierte Angaben (zum Beispiel zu Gezeiten und Meeresströmungen), aber zumeist auch „Memoranda“: Bemerkenswertes und Phantastisches zur Ergötzung und zum Staunen der Leserschaft.

Man reiste entweder in amtlicher Eigenschaft, als Händler oder aus Wissbegier; aber auch Erholungsreisen waren bereits en vogue, vorwiegend nach Griechenland, Kleinasien, Ägypten und nach Spanien. Diodor, Strabo, Pausanias, Dioskur, Galen oder die beiden Plinius (Plinius der Ältere und Plinius der Jüngere) haben uns in ihren Werken reichlich Zeugnisse davon hinterlassen. Plinius d. Ä. beschreibt die menschliche Natur (und damit auch sich selbst) als „reiselustig und nach Neuem begierig“.[20] Dies reflektiert, dass die Reisetätigkeit in dieser Zeit sehr hoch war, wohl auch, weil die Bedingungen in weiten Teilen des römischen Reiches dazu gute Voraussetzungen boten.[21]

Im Mittelalter änderte sich dies. Reisen wurde vorwiegend als beschwerlich und gefährlich angesehen. Gleichwohl wurde gereist, entweder aus profanen kaufmännischen oder amtlichen Gründen, sehr häufig aber auch aus religiöser Motivation heraus:

- Missionarsreisen[22]
- Pilgerreisen und Wallfahrten des persönlichen Heilsgewinns wegen, zum Erlass der Sündenstrafen, um ein Gelübde zu erfüllen oder als Sühnereise;
- Kreuzzüge zur Erlangung ruhmreicher Taten für den Glauben und für himmlischen Lohn;
- Ritterreisen als standesgemäße Abenteuerreisen zum Kennenlernen der Welt und als Prüfung individueller und sozialer Fähigkeiten, sowie
- Scholarenreisen als fachliche Bildungsreise.

All diesen Reisen lag aber ein wesentliches Zusatzmotiv zugrunde: die Erlangung von Ehre, dem zentralen Motiv im Mittelalter. Um nun in den Genuss solcher Ehre zu gelangen, musste von den Reisen und den dabei gemachten Erlebnissen und Erfahrungen auch berichtet werden. So kam es zu erstaunlich vielen Reiseberichten aus dieser Zeit, in der eine Vervielfältigung ja noch nicht per Druck, sondern handschriftlich geschah.

Eine dazu von Werner Paravicini und Christian Halm herausgegebene Bibliographie verzeichnet allein für die zwei Jahrhunderte von 1334 bis 1531 insgesamt 154 uns erhaltene Reiseberichte aus dem deutschsprachigen Raum, wobei darin Reisen in die Neue Welt ebenso wie solche in andere Erdteile (mit Ausnahme des Heiligen Landes) nicht enthalten sind. Inhaltlich handelt es sich dabei vorwiegend um Pilgerreisen.[23]

2.1.2. Entwicklungsvarianten seit Beginn der Frühen Neuzeit

Mit der Renaissance und dem Ideal des „uomo universale“, also eines möglichst umfassend gebildeten Menschen, bildeten sich neue Reisemotive heraus. Wurden im Mittelalter Reisen, die nicht amtlichen oder kirchlichen Zwecken dienten, von den Kirchenvätern als Ausdruck von „luxuria“, „superbia“ oder „curiositas“ als sündhaft charakterisiert, als Hinwendung zu Nutzlosem und Abwendung von Gott, so wird nun zumindest die „curiositas“ im Sinne von Wissbegierigkeit als ein legitimes Reisemotiv akzeptiert und geachtet.[24]

Die Natur, bisher meist als etwas Bedrohliches angesehen, sowie die Schönheit der Landschaft werden neu wahrgenommen. Petrarca unternimmt eine Reise zur Besteigung des Mont Ventoux und entdeckt und beschreibt dabei die Schönheiten der Natur.[25]

Man reiste innerhalb und außerhalb des eigenen Kulturbereiches um neue Völker, Tiere, Pflanzen und Landschaften kennen zu lernen und sein Weltbild zu erweitern.

Die „peregrinatio academica“ kam in Mode: zur Vervollkommnung des Studiums sollte man nicht nur die eine Heimatuniversität, sondern auch „terra aliena“, d. h. andere Universitäten in verschiedenen Ländern besucht haben. Bologna, Padua, Perugia, Pisa, Siena, Paris, Orleans, Bourges, Montpellier, Löwen, Dole oder Wien wiesen einen hohen Anteil an ausländischen Studenten in Theologie, Jura und Medizin auf, ja es kam sogar zur Bildung von Landsmannschaften an diesen Universitäten, die einen eigenen, privilegiertem Rechtsstatus genossen.[26]

Bekannte Humanisten wie Erasmus von Rotterdam, Rudolf Agricola und andere reisten häufig und viel zu Studienzwecken an andere Universitäten sowie in die verschiedensten Städte Europas. Francis Bacon definierte mit seinem auf den Prinzipien empirischer Beobachtung und unverfälschter Erfahrung beruhenden Ansatz Wissenschaft neu und beeinflusste damit wiederum den Stil von Reisebeschreibungen, die nunmehr stark als objektive Beschreibung der Welt verstanden wurden. In Folge dieser neuen Sichtweisen auf Reisen kam es zu einer Welle von Reiseanleitungen, die wiederum zu einer inhaltlich neu strukturierten Art von Reisebeschreibungen führte. 1574 erschien in Straßburg als erste gedruckte Reiseanleitung „De peregrinatione“ des sächsischen Juristen Hieronymus Turler, die bereits ein Jahr später in London unter dem Titel „The Travailer“ abgedruckt wurde. 1577 wurde in Ingolstadt der „Commentariolus de arte apodemica seu vera peregrinandi ratione“ des Humanisten und Arztes Hilarius Pyrckmair veröffentlicht. Ebenfalls 1577 erschien in Basel das Werk: „Methodus Apodemica: in Eorum Gratiam Qui Cum Fructu in Quocunq Tandem Vitae Genere Peregrinari Cupiunt„ des Universalgelehrten Theodor Zwinger.

In der Folgezeit kam es zu einer Flut von Veröffentlichungen auf diesem Gebiet, nicht nur in Latein, sondern auch in den wichtigsten europäischen Sprachen. Stagl hat in einer Bestandsaufnahme dazu über 300 Veröffentlichungen gleicher Art bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aufgelistet.[27][28]

2.1.3. Die Entstehung der „Ars apodemica“

Das Besondere an diesen Reiseanleitungen, die man auch unter dem Begriff „Ars apodemica“ zusammenfasst, und die in Folge zu einer qualitativ neuen Art von Reiseberichten führten, war ihr methodischer Ansatz. Die Wiederentdeckung der griechischen Philosophie im Humanismus führte dazu, dass Logik und Empirie Leitlinien der Wissenschaft wurden. Empirisch erworbenes Wissen, nicht nur um seiner selbst willen, sondern um den Menschen durch Bildung insgesamt zu einem besseren Wesen zu machen, war das Ziel der Humanisten. „Schematisieren, Sammeln und Systematisieren lag überhaupt in der Tendenz der Zeit“.[29] Nach den großen Entdeckungen des 15. Jahrhunderts beschäftigte man sich verstärkt mit Sichtung und Auswertung des gewonnenen Wissens. Durch Zusammenführung von älterem und neuerem Wissen wollte man die Qualität der Erkenntnis insgesamt erhöhen. In ersten Sammelwerken, wie zum Beispiel dem zwischen 1550 und 1560 erschienenen „Delle Navigationi et viaggi“ des Venezianers Battista Ramusio wurden Reiseberichte systematisch erfasst und aufgelistet.

Dass dies in Venedig geschah, war kein Zufall. Venedig war als Handelsstadt mit vielfältigen, weltweiten Verbindungen schon immer ein Zentrum des Nachrichtenhandels gewesen. Seine Gesandten hatten bereits ab dem 13. Jahrhundert die Pflicht über ihren Aufenthalt in der Fremde innerhalb bestimmter Frist Berichte zu verfassen, so genannte „Relazionen“, mit Eindrücken von Land und Leuten: Kommentare zur Lage und Beschaffenheit des betreffenden Staates, zu Eigenschaften und Beschaffenheit des Landes, eine Beschreibung der Einwohner und nicht zuletzt zur Person des örtlichen Fürsten.[30] Nunmehr wurde Venedig auch zu einem Zentrum des Druck- und Verlagswesens. Die oben erwähnten Verfasser reisemethodischer Schriften, Turler, Pirckmair und Zwinger, waren alle in Venedig beziehungsweise deren Universitätsstadt Padua gewesen. Mit ihren Schriften zur Durchführung von Reisen haben sie, basierend auf dem Gedankengut der aristotelischen Logik, Reisen neu definiert.

Reiseberichte im Sinne der Ars apodemica waren Berichte über Reisen, in denen das dabei Erfahrene (nicht wahllos alles, sondern „Wissenswertes“: scitu ac visu digna) methodisch erfasst, systematisiert, ausgewertet und in Folge einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. Apodemik kann man also auch bezeichnen als eine Methode der strukturierten Datengewinnung. Hierzu lag allen Reiseanleitungen ein Basisschema zugrunde, nach denen sie aufgebaut waren.

Zunächst wurde in einem ersten Abschnitt Reisen definiert: „peregrinari“ im Sinne von Erwerb nützlichen Wissens durch gewonnene Erkenntnisse, im Unterschied zu „vagari“, dem plan-, ziel- und nutzlosen Reisen.

In einem zweiten Schritt wurde „peregrinari“ gegliedert, zum Beispiel nach der Art (Bildungsreise, Kaufmannsreise etc.), den Mitteln (geistige, körperliche, sachliche), der Form (Landreise, Seereise, zu Fuß oder zu Pferd etc.), der Materie (Reiseziele, Wege, Zwecke) sowie den Umständen (Zeit, Ort, Gesellschaft etc.).

Ein dritter Teil befasste sich mit Argumenten für und gegen das Reisen (gesundheitliche und moralische Gefahren, Kosten versus Nutzenaspekte).

In einem vierten Abschnitt wurden medizinische Ratschläge gegeben (hygienischer, medikamentöser, aber auch allgemein lebenspraktischer Art).

Ein fünfter Teil ging auf religiöse Aspekte ein (Frömmigkeitsanleitungen, aber auch Verhaltensregeln für bereiste Länder bei konfessioneller Diskrepanz zwischen Reisendem und Reiseland[31] ).

Der sechste Teil enthielt detaillierte praktische Reiseratschläge in Bezug auf Vorbereitung und Durchführung der Reise: Erwerb von allgemeinen Kenntnissen zu Sprache, Land und Leuten, Anpassung an Landessitten und Absehen von geäußerten Vergleichen mit Zuhause, Gesundheitsmaßregeln und Ernährungshinweise, Warnung vor exzessivem Verhalten, sowie Ratschläge für das Verhalten nach Rückkehr von der Reise (keine Lügenschichten).

In einem siebten Teil wurden Aussagen zu den wichtigsten Nationen gemacht mit Beschreibung von Land, Leuten, Regierungssystemen und Besonderheiten.

Ein achter Teil gab Hinweise zur Benutzung von Karten und anderen Hilfsmitteln praktischer Art.

Der neunte Teil befasste sich konkret mit der Methodik der Informationsgewinnung und des schriftlichen Festhaltens derselben mit Hilfe von Reisetagebüchern (zurückgehend auf antike Vorbilder sollte zum Beispiel von den besuchten Orten festgehalten werden: Name, Geschichte, Lage, Klima, Territorium, Phänomena).[32]

Reisen wurde zu einer Methode, mit der gebildete Europäer die Welt erforschten und auf Basis der zu erstellenden Reiseberichte das gewonnene Wissen zu strukturieren versuchten.

Einen langsamen quantitativen und qualitativen Bedeutungsverlust der Ars apodemica kann man ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verorten. In einigen Bereichen behielt die Methodik der Ars apodemica allerdings unverändert Gültigkeit, so vor allem bei den Medizinern.

Die in der Ars apodemica begründete Systematik der Reiseanleitungen blieb noch lange aktuell, wurde vielfältig adaptiert und erweitert, und erlebte eine zweite Blüte im 18. Jahrhundert. In Zedler´s Universallexikon, einem prominenten, zeitgenössischen Werk, welches ab 1731 erschien und weit verbreitet war, ist unter dem Stichwort „Reisen“ aufgeführt: „daß man die Welt kennen lerne, das ist, die Völcker in ihren Sitten, Gewohnheiten, Aufführung betrachtet, und alles gehöriger massen zu seinen Nutzen anwende“. Reiseklugheit war die Devise. Sie beinhaltete nach Zedler genaue Reiseplanung, kluges Betragen an fremden Orten, exakte Beobachtung und Publikation des Gesehenen. „Nach der Reise muss man sehen, seine gesehene und erkannte Sachen klüglich an den Mann zu bringen“. Auf 13 Seiten wurden insgesamt 91 Punkte detailliert ausgeführt, die der Reisende zu beachten habe, um „seine Reisen mit wenigerer Gefahr und mit größerem Nutzen zurücklegen [zu können]“.[33]

[...]


[1] Brunner / Moritz 2006, S. 336. Sie unterteilen weiter nach: Reisehandbüchern mit nützlichen Informationen, wissenschaftlichen Reisebeschreibungen, literarischen Reisebeschreibungen, literarischen Reiseberichten, Reiseerzählungen und Reiseromanen.

[2] Die Nobilitierung erfolgte erst 1907.

[3] Böttinger hat von dem Original wohl eine nicht genau Anzahl Abschriften verfertigen lassen, von denen aber keine weiteren erhalten sind, wie auch das Original selbst nicht. Er sagt dazu in einer als Nachwort an die Tagebuchblätter angehängten Notiz: „Diese Blätter sind s. Z. von mir nicht geschrieben worden, mit der Absicht sie zu vervielfältigen; auf Wunsch vieler meiner Freunde habe ich sie jedoch nachträglich abschreiben lassen, ohne aber weder das Original noch die Abschrift irgend welcher weiteren Correctur oder Censur zu unterziehen, sodass alle Widersprüche, Mängel des Styls etc. leider noch darin vorhanden sind, welche in einem nicht corrigirten Opus leicht vorkommen.“

[4] Bödeker u.a., 2004, S. 9 f.

[5] Bitterli 1973, S.555 ff.

[6] So gab es z. Bsp. von John Mandevilles Buch „Reisen eines Ritters durch das Gelobte Land“ zahlreiche Abschriften und Übersetzungen in diverse europäische Sprachen.

[7] Atkinson 1922, S.10. laut Bitterli 1973.

[8] Brenner 1990, S.5.

[9] Siehe Definition in Brunner / Moritz 2006, S. 283. Brenner favorisiert eine engere Auslegung und definiert abweichend dazu Reiseberichte als „sprachliche Darstellung authentischer Reisen“. Brenner 1990, S. 9.

[10] So zum Beispiel 1973 Bitterli: Der Reisebericht als Kulturdokument, oder 1978 Stewart: Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhundert.

[11] Beispiele hierfür sind: 1980 Krasnobaev als Hg. des Sammelwerkes: Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert als Quellen der Kulturbeziehungsforschung, 1981 Maczak und Teuteberg als Initiatoren des Wolfenbütteler Symposions, bei dem sich Wissenschaftler aus zehn Länder mit Aspekten und Methoden historischer Reiseforschung befassten und die Ergebnisse in einem Sammelband veröffentlichten, 1983, 1986, 1991 Griep und Jäger als Herausgeber mehrerer Sammelbände zu der Thematik, Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre zahlreiche Veröffentlichungen incl. Sammelbänden von Brenner, sowie 1995 Fuchs und Harden als Hg. des Sammelwerkes: Reisen im Diskurs.

[12] Rees 2002.

[13] Heinritz 1998, S. 13.

[14] Die Sammlung umfasst Reiseberichte, Topographien, Reiseromane etc., darunter rund 5.000 Originalausgaben aus dem 16.-20. Jahrhundert, 1200 historische Reiseführer, 1.200 Ausgaben in Kopie, 1.250 Neuausgaben und Reprints, 450 Titel in Mikroformen, mehrere handschriftliche Reisetagebücher etc., sowie über 1.500 Titel Sekundärliteratur, Spezialbibliographien und Nachschlagewerke. Die Datenbank »Reiseliteratur in der Eutiner Landesbibliothek« verzeichnet, erschließt und kommentiert die dort vorhandene Reiseliteratur. Die Datenbank »Deutschsprachige Reiseliteratur des 18. bis 20. Jahrhunderts« weist deutschsprachige Reiseliteratur aus drei Jahrhunderten inhaltlich erschlossen nach und umfasst knapp 20.000 Titel.

[15] Leed 1993, S.18.

[16] Entstehungszeitraum vermutlich im 3. Jahrtausend v. Chr. laut Maul 2008, S.17 f.

[17] Gilgamesch Epos, 2. Tafel, Vers 6-10 in: Maul 2008, S.47.

[18] Es handelt sich dabei um insgesamt 12 Tontafeln mit je 3 Kolumnen á 50 Versen auf der Vorder- und auf der Rückseite, also zirka 3600 Verse. Die Tafeln mussten aus vielen kleinen Fragmenten zusammengesetzt werden, wobei die Arbeit daran bis heute noch nicht ganz abgeschlossen ist. Siehe hierzu Maul 2008, S.11.

[19] Hanno war ein hochrangiger karthagischer Beamter. Er gründete auf seiner Reise tatsächlich sechs Kolonien. In seinem Fahrtenbericht, den er nach der Rückkehr in Karthago verfasste, beschreibt er unter anderem den Ausbruch eines Vulkans, wahrscheinlich des Kamerunberges. Sein Reisebericht, der Periplus (= Umschiffung) Hannonis, ist allerdings nicht im Original, sondern innerhalb einer umfassenderen griechischen Handschrift überliefert. Diese trägt die Bezeichnung Codex Palatinus Graecus und wird in der Universitätsbibliothek Heidelberg bewahrt. Siehe hierzu Huss 2004, S.39ff.

[20] Plinius NH XVII 66: „hominum natura novitatis ac peregrinationis avida“

[21] Friedländer zitiert dazu eine Aussage des Generalpostmeisters Heinrich Stephan: „daß weitaus die meisten Gebiete des alten Römerreichs einen solchen Verkehr und eine solche Kultur, wie sie zu jener Zeit besaßen, in einer langen Reihe von Jahrhunderten nicht wiedererlangt haben und auch noch jetzt sehr fern davon sind“. Friedländer 1996, S. 259. Bei Hlavin wird diese Aussage fälschlicherweise Friedländer selbst zugeschrieben und auch inkorrekt wie folgt zitiert:“ Die Bedingungen für Leichtigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit des Reisens waren im weitaus größten Theil des römischen Reiches in einem Grade vorhanden, wie sie es in Europa zum Theil erst wieder seit dem Anfang unseres Jahrhunderts gewesen sind.“ Hlavin 1998, S. 25.

[22] Diese verfolgten neben religiösen allerdings auch handfeste weltliche Ziele. So sandte im Jahr 1245 Papst Innozenz IV. diverse Geistliche wie den Franziskaner Pian del Carpine aus, um Kunde über das Tartarenvolk und dessen weitere Absichten einzuholen. Diese sollten ausspioniert werden und es sollte geprüft werden, ob man die Tartaren nicht zur christlichen Lehre konvertieren und dann zu Bündnispartnern im Kampf gegen die Sarazenen machen könne. Del Carpine beschreibt in seiner „Historia mongalorum“ sowohl die Zivilisation der Mongolen (Territorium, Wirtschaftsformen, Herschaftsorganisation), als auch ihre Kultur (Sitten, Lebensgewohnheiten, religiöse Riten). Weitere bekannte Beispiele für ähnliche Reisen in den Fernen Osten in dieser Zeit, über die auch entsprechende Reiseberichte vorliegen, sind die Reisen der Franziskaner Wilhelm von Rubruk aus dem Jahre 1248 und Odorich von Pordenone aus dem Jahre 1330. Siehe hierzu Steinicke 2002, S. 94 ff. sowie Münkler 2000, S. 8 f. und S. 35.

[23] Paravicini 1994, S.25 f.

[24] Im Jahre 1510 formulierte der päpstliche Sekretär, Kardinal Raphael, päpstliches Lob in einem Vorwort zur Veröffentlichung der Reiseberichte Lodovico de Varthemas über dessen mehrjährige Weltreise und den Erkenntnissen daraus:„…die Beschreibung und Vermessung der Welt und von Erdteilen […] stehen [in der Wertschätzung] nicht an letzter Stelle, und bringen mindestens soviel Vergnügen wie Gewinn; weswegen auch diejenigen, die sich solchen Studien widmen, immer in höchster Ehre gehalten und überreichlich belohnt wurden.“ Varthema 1863, cxxvii. Eigene Übersetzung.

[25] Siehe hierzu Eppelsheimer: Petrarca, Dichtungen, Briefe, Schriften.

[26] Conrads 1982, S. 46.

[27] Stagl 1989, S. 141 ff.

[28] Ibid. 1980, S. 353 ff. sowie Ibid. 1989, S. 140 ff.

[29] Ibid. 1989, S. 146.

[30] Hlavin-Schulze 1998, S 82.

[31] Inwieweit sollte der Reisende sich anpassen und zum Beispiel seine Konfession verheimlichen; viele humanistisch geprägte Reisende der damaligen Zeit kamen aus protestantischen Gebieten, ein bevorzugtes Reiseland aber war das katholische Italien.

[32] Empfohlen wurde ein doppeltes System: ein chronologisches schnelles Notieren von allem, was auffiel oder dem Reisenden einfiel, sowie ein systematisches abendliches Nacharbeiten der Notizen in die Rubriken eines zweiten Tagebuchs, das nach dem Prinzip der „loci communes“ eingeteilt war: Gesehenes, Gelesenes, Gehörtes, Erlebtes, Erdachtes etc. Diese Methodik konnte bei einem Reisetagebuch dazu führen, dass statt eines chronologischen Reiseberichts ein eher unpersönlicher Zustandsbericht entstand, bei dem die Person des Verfassers weitgehend in den Hintergrund trat.

Eine englische Sammlung von Reiseberichten aus dem Jahre 1704 enthielt im Vorwort die Anregung zu einem Tabellenbuch, welches jeder Reisende führen sollte, mit den folgenden Kategorien: Klima, Regierungsform, Macht, Stärke der Befestigungen, bedeutende Städte, Religion, Sprache, Münzen, Handel, Manufakturen, Reichtum, Bistümer, Universitäten, antike Ruinen, Bibliotheken, Sammlungen seltener Dinge, Kunst und Künstler, öffentliche Bauten, Straßen, Brücken, Wälder, Berge, Gebräuche, Gewohnheiten, Gesetze, Privilegien, merkwürdige Abenteuer und überraschende Zufälle, natürliche und künstliche Kuriositäten, Bodenbeschaffenheit, Pflanzen, Tiere und alles, was seltsam, ergötzlich und lehrreich erscheint. Siehe Leed 1993, S. 203.

[33] Zedler´s Universallexikon, Bd. 31, S. 366 ff. Die aufgeführten Regeln stützten sich auf Schriften von Julius Bernhard von Rohr.

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Reiseberichte als kultur- und wirtschaftshistorische Quelle
Untertitel
Am Beispiel von Henry Th. von Böttingers: „Durch 360 Längengrade“
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
77
Katalognummer
V152746
ISBN (eBook)
9783640654000
ISBN (Buch)
9783640654468
Dateigröße
838 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reiseberichte, Bayer AG, von Böttinger
Arbeit zitieren
Josef Knoke (Autor:in), 2009, Reiseberichte als kultur- und wirtschaftshistorische Quelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152746

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