Die Gottesbeziehung im Licht der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Relevanz und Chance des Themas

2. Das Beziehungsangebot nach der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie Carl Rogers’
2.1 Die Bedingungen für eine konstruktive Persönlichkeitsveränderung
2.2 Die klientenbezogenen Variablen
2.3 Die Therapeutenvariablen im Einzelnen
2.4 Die gesprächspsychotherapeutische Beziehung und ihr Prozeß
2.5 Implikationen des klientenzentrierten Konzepts

3. Die Gottesbeziehung im Licht der Gesprächspsychotherapie
3.1 Die These
3.2 Gott oder Gottesbild? - Die fundamentaltheologische Legitimation der These
3.3 Die Beziehung Gott - Mensch aus theologischer Perspektive
3.4 Grundlinien der Gottesbeziehung gemäß dem Beziehungskonzept der Gesprächspsychotherapie
3.4.1 Voraussetzungen einer gelungenen Gottesbeziehung auf seiten des Menschen
3.4.2 Voraussetzungen einer gelungenen Gottesbeziehung im Blick auf das Gottesbild
3.4.3 Die Grundvoraussetzung einer gelungenen Gottesbeziehung
3.5 Bewertung und kritischer Ausblick

4. Literatur

1. Einleitung: Relevanz und Chance des Themas

Nachdem die differenzierte Beschreibung der „dämonischen Gottesbilder“ von Karl Frielingsdorf zumindest in der religionspädagogischen und -psychologischen Diskussion deutliche Spuren und Betroffenheit hinterlassen hat, stellt sich verstärkt die Frage, wie das Bild von Gott als dem liebendem und gütigen Vater den Menschen „erfolgreich“ vermittelt werden kann. Macht doch bereits die Bezeichnung „dämonisch“ deutlich, daß diese Formen des Glaubens nur noch wenig bzw. gar nichts mehr mit dem biblischen Gott zu tun haben. „Dämonische Gottesbilder“ - das fordert aber auch dazu heraus, nach Wegen Ausschau zu halten, wie Gottesbilder vermittelt werden können, ohne daß sie diese negative Konnotation bekommen; - das fordert heraus, zu untersuchen wie Gottesbilder heilende oder therapeutische Wirkung erlangen.

Das in der Seelsorge zunehmend aufgegriffene Konzept der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie nach dem amerikanischen Psychologen Carl R. Rogers könnte eine Grundlage dafür bieten, wie die Beziehung zwischen Gott und Menschen gestaltet werden muß, damit sie den gewünschten heilenden Charakter bekommt bzw. entfalten kann. Da Rogers in besonderer Weise davon ausgeht, daß das Beziehungsangebot des Therapeuten an seinen Klienten für den therapeutischen Prozeß von ausschlaggebender Bedeutung ist, kann auch die These aufgestellt werden, daß das Beziehungsangebot Gottes an die Menschen bestimmten Prinzipien folgen muß, um seine heilende Kraft entfalten zu können. Dieser These soll in dieser Arbeit eingehender nachgegangen werden. Dies geschieht in den folgenden Schritten:

Am Anfang steht eine Klärung der Grundzüge der klientenzentrierten Gesprächs­psycho­therapie, wie sie Carl Rogers auf dem Boden der Humanistischen Psychologie entwickelt hat. Dabei steht im Mittelpunkt, welchen Prinzipien die Beziehung Therapeut - Klient in diesem Konzept folgen muß.

Daran anschließend stellt sich die zentrale Frage, ob die Gottesbeziehung überhaupt an psychotherapeutischen Theorien gemessen werden darf. Mit der dabei zu treffenden Unterscheidung von Gott und Gottesbild sowie der Klärung des Verhältnisses Gott - Menschen in der Bibel, reicht die Beantwortung dieser Frage auch in systematisch-theologische und bibeltheologische Bereiche hinein. Damit ist es schließlich möglich, die Anforderungen an die Gottesbeziehung im Anschluß an die Gesprächspsychotherapie zu formulieren.

Eine abschließende kritische Betrachtung zeigt auf, daß neben den positiven Ergebnissen die Untersuchung selbst neue Fragen und Probleme aufwirft. Deshalb werden auch Perspektiven entwickelt, wie diese Herausforderungen in Angriff genommen werden könnten.

2. Das Beziehungsangebot nach der klienten­zentrierten Gesprächspsychotherapie Carl Rogers’

2.1 Die Bedingungen für eine konstruktive Persönlichkeits­veränderung

Carl R. Rogers hat schon früh in seiner psychotherapeutischen Arbeit darüber reflektiert, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit psychotherapeutische Prozesse erfolgreich sind oder - mit Rogers’ Worten - „eine konstruktive Persönlichkeitsveränderung herbeizu­führen“ vermögen.[1] Das Ergebnis dieser Reflexion bildet bis heute „die wichtigste Grundlage für das Verständnis nicht nur der psychotherapeutischen, sondern jeder helfenden Bezieh­ung“[2] und damit einen der fruchtbarsten Beiträge Rogers’ innerhalb der Psychotherapie. Aus seiner Erfahrung heraus hatte Rogers nämlich sechs solcher Bedingungen gefunden, die je für sich genommen notwendige und zugleich in ihrer Gesamtheit hinreichende Bedingungen für erfolgreiche Psychotherapie darstellen, insofern sie „über eine gewisse Zeitspanne hinweg andauern“.[3]

Im einzelnen sind dies folgende Bedingungen:[4]

(1) Zwischen Therapeut und Klient besteht ein psychologischer Kontakt.
(2) Der Klient befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz, d.h. er ist verletzbar oder ängstlich.
(3) Der Therapeut ist in der Beziehung zum Klienten kongruent bzw. integriert.
(4) Der Therapeut empfindet dem Klienten gegenüber bedingungslose positive Zuwendung, d.h. er akzeptiert ihn so, wie er ist.
(5) Der Therapeut „empfindet ein empathisches Verstehen des inneren Bezugsrahmens des Klienten“ und versucht, dies zum Ausdruck zu bringen.
(6) Der Klient nimmt das ihm entgegengebrachte empathische Verstehen und die bedingungslose positive Zuwendung (zumindest minimal) wahr.

An diesen sechs Bedingungen fällt auf, daß externe Faktoren, die außerhalb von Therapeut und Klient und ihrer Beziehung liegen, keinerlei Rolle spielen. Dies kann wohl als unterscheidendes Charakteristikum für die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie angesehen werden. Mit Ausnahme der ersten Bedingung, welche lediglich die Notwendigkeit des psychologischen Kontakts aussagt, können daher bei diesen Bedingungen therapeutenbezogene und klientenbezogene unterschieden werden. Zu letzteren sind die Bedingungen (2) und (6) zu zählen, zu ersteren die Bedingungen (3) bis (5), welche auch mit dem Begriff „Therapeutenvariablen“ bezeichnet werden. Diesen fünf Bedingungen ist gemeinsam, daß sie in unterschiedlich hohem Maß erfüllt sein können; einzig die erste Bedingung kann entweder erfüllt sein oder nicht erfüllt sein.[5]

Rogers geht daher von der Hypothese aus, daß bei Gegebenheit aller sechs Bedingungen auch eine konstruktive Persönlichkeitsveränderung beim Klient stattfinden wird, und daß dieses um so ausgeprägter sein wird, je besser die Bedingungen (2) bis (6) erfüllt sind. Für Rogers gilt dies in allen Situationen, d.h. auch in nicht explizit psychotherapeutischen.[6] Dabei macht er zu diesem Zeitpunkt allerdings (noch) keine Aussage darüber, in welchem Zusammenhang die Bedingungen stehen, inwiefern sie sich gegenseitig bedingen und welchen Stellenwert sie jeweils einnehmen.

In der Rezeption des Ansatzes von Rogers ist allerdings zu beobachten, daß diese sechs Voraussetzungen oft auf die drei therapeutenbezogenen Bedingungen Kongruenz, Empathie und Akzeptanz verkürzt werden. Somit entsteht der Eindruck, daß lediglich diese drei sogenannten Therapeutenvariablen für den therapeutischen Prozeß notwendig und hinreichend wären.[7] Dabei wird aber übersehen, daß auch die klientenbezogenen Variablen ihre eigene Wichtigkeit besitzen. Dies mag wohl darin begründet sein, daß diese wegen ihrer gewissen Selbstverständlichkeit kaum noch näher betrachtet werden. Im folgenden soll daher zunächst die Bedeutung der klientenbezogenen Variablen herausgestellt werden, worunter ich aus Gründen der Ähnlichkeit auch die erste Bedingung behandeln werde. Im Anschluß daran werden in einem eigenen Block die drei therapeutenbezogenen Variablen erläutert.

2.2 Die klientenbezogenen Variablen

Wenn auch die Bedingung (1) - das Bestehen eines Kontaktes bzw. einer Beziehung zwischen Therapeut und Klient - nicht nur für den Klienten, sondern natürlich ebenso für den Therapeuten gilt, so nimmt sie doch auf Seiten des Klienten einen größeren Stellenwert ein. Der Grund dafür liegt darin, daß von der Kontaktfähigkeit des Therapeuten ausgegangen werden kann (sonst könnte er wohl unmöglich Therapeut sein), während diese seitens des Klienten denkbar auch nicht gegeben sein könnte. Rogers bestimmt das Maß dieses psychologischen Kontaktes jedoch ziemlich niedrigschwellig, wenn er ihn als Ausmachen eines (auch unbewußten, aber) wahrnehmbaren Unterschiedes durch die Anwesenheit des jeweils anderen definiert.[8] Diese eigentlich banale Feststellung erhält aber sowohl angesichts entsprechender Krankheiten, als auch im Blick auf die Frage nach der Gottesbeziehung in dieser Arbeit ihre Bedeutung.

Die Bedingung (2) beschreibt den Zustand des Klienten als „inkongruent“. Damit meint Rogers eine Diskrepanz zwischen dem meist unbewußten Erleben einer Person einerseits und deren bewußtem Selbstkonzept oder Selbstbild andererseits. Biermann-Ratjen u.a. beschreiben sie kurz als „mit sich selbst uneins sein, sich nicht verstehen, sich nicht akzeptieren und / oder in der Form von Gespanntheit, die Angst genannt wird“.[9] Grundlage dafür ist bei Rogers sein Verständnis, daß jedem lebendigen Organismus eine Tendenz innewohnt, die unter Voraussetzung freien Wirkens den Organismus in Richtung Wachstum und Reife führt. Dieser organismischen „Aktualisierungstendenz“ steht aber entgegen, daß eine Person aufgrund von Erziehung, Außeneinflüssen und Erfahrungen ein bestimmtes und in der Regel idealisiertes Bild von sich selbst entwickelt (ein sog. Selbstbild oder Selbstkonzept), das ebenfalls auf seine Durchsetzung hin ausgerichtet ist, d.h. auf Aktualisierung hin tendiert. Inkongruenz bezeichnet den Konflikt, der so zwischen organismischer Aktualisierungstendenz und Selbst-Aktualisierungstendenz entstehen kann und durch den beide Aktualisierungstendenzen in ihrer Entfaltung behindert werden. Dies ist der Grund, weshalb sich Menschen in psychotherapeutische Behandlung bzw. Beratung begeben, und so muß es entsprechend auch Ziel und Aufgabe der Psychotherapie sein, die Inkongruenz aufzuheben, indem das Selbstkonzept wieder an die organismische Aktualisierungstendenz angenähert wird.[10]

[...]


[1] Rogers 1957, S. 167.

[2] Schmid, einleitend zu Rogers 1957, S. 165.

[3] Rogers 1957, S. 168.

[4] Vgl. Rogers 1957, S. 168f.

[5] Vgl. Rogers 1957, S. 178.

[6] Vgl. Rogers 1957, S. 178.

[7] Vgl. Biermann-Ratjen, S. 13.

[8] Rogers 1957, S. 169.

[9] Biermann-Ratjen u.a., S. 13.

[10] Vgl. Jochheim, S. 226f. Selbstverständlich kann dies hier nur eine stark verkürzte Wiedergabe des Störungsmodells Rogers’ sein.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Gottesbeziehung im Licht der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Katholisch-Theologisches Seminar)
Veranstaltung
Seelsorgliche Gesprächsführung
Note
1,3
Autor
Jahr
1998
Seiten
25
Katalognummer
V15297
ISBN (eBook)
9783638204484
ISBN (Buch)
9783638732956
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Überlegungen zur Gottesbeziehung des Menschen auf dem Hintergrund des therapeutischen Beziehungsangebots nach Carl Rogers.
Schlagworte
Gottesbeziehung, Licht, Gesprächspsychotherapie, Seelsorgliche, Gesprächsführung
Arbeit zitieren
Markus Raschke (Autor:in), 1998, Die Gottesbeziehung im Licht der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15297

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