Finanzresearch - Wie objektiv und unabhängig sind die Prognosen der Finanzanalysten tatsächlich?

Eine kritische Untersuchung zur Rolle der Finanzanalysten bei der Entwicklung des deutschen Aktienmarktes zwischen Nov 07 und Jan 08


Mémoire (de fin d'études), 2009

122 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Die Rolle von Finanzanalysten auf dem Kapitalmarkt
2.1 Grundlegende Charakterisierung von Finanzanalysten
2.1.1 Definition und Abgrenzung der Finanzanalysten
2.1.2 Klassifizierung der Finanzanalysten
2.2 Funktionen und Ziele auf dem Kapitalmarkt
2.2.1 Analysten als Informationsintermediäre
2.2.2 Funktionen von Finanzanalysten aus ökonomischer Sicht
2.2.2.1 Informationseffizienz
2.2.2.2 Verfahrenseffizienz
2.2.2.3 Reduzierung von Agency-Problemen
2.3 Aufgaben und Inhalte der Finanzanalystentätigkeit
2.3.1 Organisatorische Einordnung in den Banken
2.3.2 Methodik des Finanzresearchs
2.3.3 Der Finanzresearch Prozess
2.3.3.1 Informationsbeschaffung
2.3.3.2 Informationsverarbeitung
2.3.3.3 Informationsdistribution

3 Einflussfaktoren auf die Qualität des Finanzresearchs
3.1 Empirische Erkenntnisse zu den Empfehlungen und Prognosen
3.1.1 Kursreaktion bei Veröffentlichung
3.1.2 Überoptimismus
3.2 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren
3.2.1 Behavioral Finance
3.2.2 Verhaltensanomalien und Heuristiken
3.3 Interessenkonflikte
3.3.1 Interessenkonflikte aufgrund von Geschäftsbeziehungen
3.3.1.1 Inhouse Beziehungen
3.3.1.2 Management Beziehungen
3.3.2 Persönliche Interessen und Ziele der Finanzanalysten
3.3.2.1 Erfolgsorientierte Ziele
3.3.2.2 Eigene Aktienbestände und Mandatstätigkeiten
3.3.3 Externe Einflüsse
3.4 Spezifische Einflussfaktoren
3.4.1 Analysten- und arbeitgeberspezifische Faktoren
3.4.2 Unternehmensspezifische Faktoren
3.5. Regulierung des Analystentätigkeit
3.5.1 Freiwillige Selbstregulierung
3.5.2 Gesetzliche Regulierung
3.6 Zusammenfassung

4 Untersuchung der Analysteneinschätzungen im Zeitraum November 2007 bis Januar 2008
4.1 Situation am deutschen Aktienmarkt
4.2 Empirische Untersuchung der Prognosen und Empfehlungen
4.2.1 Datenbasis
4.2.2 Untersuchung der Aktienempfehlungen und Kursprognosen
4.3 Beurteilung der Ergebnisse
4.4 Entwicklungen im Finanzresearch

5 Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bewertungsrelevante Informationsströme am Kapitalmarkt

Abbildung 2: Stufen der Informationseffizienz nach Fama

Abbildung 3: Einordnung des Research in das Tätigkeitsfeld einer Bank

Abbildung 4: Beispiele für Trendlinien in der Technischen Analyse

Abbildung 5: Beispiele für Formationen in der Technischen Analyse

Abbildung 6: Informationsaktivitäten des Finanzanalysten

Abbildung 7: Methoden des Researchs

Abbildung 8: Subjektive Bewertung von Preisänderungen

Abbildung 9: Kursreaktion auf preisrelevante positive Information

Abbildung 10: Anspruchsgruppen der Sell Side Analysten

Abbildung 11: Zielsystem der Sell Side Analysten

Abbildung 12: Entwicklung der Geldmenge M3 im Euroraum

Abbildung 13: Leitzinsentwicklung USA und Euroland

Abbildung 14: Ifo Weltwirtschaftsklima

Abbildung 15: Verbraucherpreiseindex für Deutschland

Abbildung 16: Wachstumsbeiträge zum realen Bruttoinlandsprodukt

Abbildung 17: ZEW Konjunkturindikator

Abbildung 18: Ifo Geschäftsklimaindex für Deutschland

Abbildung 19: Entwicklung des DAX in 2007

Abbildung 20: Entwicklung des MDAX in 2007

Abbildung 21: Analystenprognosen für den DAX Ende 2008

Abbildung 22: Entwicklung DAX zwischen November 2007 und Januar 2008

Abbildung 23: Entwicklung MDAX zwischen September 2007 und Januar 2008

Abbildung 24: Anzahl der Empfehlungen (Betrachtungsperiode und Vergleichsperioden)

Abbildung 25: Absolute Verteilung der Empfehlungen (November 2005 bis Januar 2006)

Abbildung 26: Absolute Verteilung der Empfehlungen (November 2006 bis Januar 2007)

Abbildung 27: Absolute Verteilung der Empfehlungen (November 2007 bis Januar 2008

Abbildung 28: Relative Verteilung der Empfehlungen (November 2005 bis Januar 2006)

Abbildung 29: Relative Verteilung der Empfehlungen (November 2006 bis Januar 2007)

Abbildung 30: Relative Verteilung der Empfehlung (November 2007 bis Januar 2008

Abbildung 31: Verteilung der Empfehlungskategorien Buy und Hold/Sell (November 2005 bis Januar 2006)

Abbildung 32: Verteilung der Empfehlungskategorien Buy und Hold/Sell (November 2007 bis Januar 2008)

Abbildung 33: Histogramm

Abbildung 34: Anzahl der Kurszielanpassungen (November 2007 bis Januar 2008)

Abbildung 35: Relative Verteilung der Kurszielanpassungen (November 2007 bis Januar 2008)

Abbildung 36: Zeitpunkte der Kurszielanpassungen im Januar 2008

Tabellenverzeichnis:

Tabelle 1: Bewertungskategorien und ihre Bedeutung

Tabelle 2: Informationswahrnehmungsanomalien

Tabelle 3: Informationsverarbeitungsanomalien

Tabelle 4: Entscheidungsanomalien

Tabelle 5: Untersuchte Banken und Analystenhäuser

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

„An der Börse ist zwei mal zwei stets fünf minus eins“, sagte einmal Bonmot Andre Kos- tolany und beschrieb damit, wie schwierig es ist die Entwicklungen an den Kapitalmärkten zu prognostizieren.1 2 Kapitalmarktakteure, welche sich mit der Erstellung dieser Prognosen beruflich befassen, werden als Finanzanalysten bezeichnet. Sie erstellen im Rahmen ihrer Tätigkeit Prognosen und Aktienempfehlungen zu börsennotierten Unternehmen und versu­chen ihre zukünftigen Entwicklungen aufzuzeigen. Ihre Aufgabe besteht insbesondere dar­in, Fehlbewertungen von Aktien beziehungsweise von Unternehmen aufzudecken und die­se dann in entsprechende Handlungsempfehlungen für die Investoren umzuwandeln. Sie leisten in ihrer Rolle als Informationsintermediäre einen wichtigen Beitrag zur Funktions­fähigkeit der Kapitalmärkte. Jedoch werden sie ihrer Funktion an den Kapitalmärkten nur dann gerecht werden, wenn sie ein möglichst objektives und unabhängiges Aktienresearch erstellen. Nach dem Platzen der Kapitalmarktblase Ende der 90er Jahre bestanden jedoch erhebliche Zweifel, ob die Vorrausetzungen tatsächlich immer erfüllt wurden. Bis zum März 2000 waren die internationalen Kapitalmärkte von einem längerfristigen Auf­wärtstrend geprägt. Die positive Entwicklung an den Märkten führte dazu, dass die Inves­toren die Arbeit der Analysten kaum kritisch hinterfragten, trotz ihrer viel zu optimisti­schen Prognosen und Empfehlungen. Als jedoch die Kurse ab März 2000 verstärkt Verlus­te verzeichneten und die Kapitalmarktblase platzte, gerieten die Analysten verstärkt in die Kritik. Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, dass sie durch viel zu optimistische Prog­nosen und Empfehlungen den rasanten Anstieg der Kapitalmärkte vorangetrieben hätten. Kritiker argumentieren zudem, dass dieser extreme Überoptimismus der Analysten zu unüberlegten Wertpapierkäufen auf Seiten der Investoren beigetragen hätte, was letztlich den rapiden Anstieg der Kurse veranlasste, ohne das dieser fundamental gerechtfertigt ge­wesen wäre. Darüber hinaus gerieten Analysten auch bei verschiedenen Bilanzskandalen wie beispielsweise von Worldcom oder Enron in die Kritik. So rieten Analysten zum Teil noch wenige Tage vor dem Bankrott von Worldcom die Aktie zu kaufen. Nach diesen of­fensichtlichen Problemen mit diesen Einschätzungen der Analysten wurde eine Reihe an gesetzlichen und standesrechtlichen Regelungen erlassen, um insbesondere den häufig als Hauptgrund für diese Überoptimismus genannten Interessenkonflikten entgegenzuwirken und letztlich das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Jedoch ist es fraglich, ob diese Maßnahmen die Interessenkonflikte und den Überoptimismus der Analysten verhindern können. Daher soll in der vorliegenden Arbeit die Rolle der Analysten bei der Entwicklung des deutschen Aktienmarktes zwischen November 2007 und Januar 2008 untersucht wer­den.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, einerseits aufzuzeigen, wie objektiv und unabhängig die Prognosen und Empfehlungen der Finanzanalysten überhaupt sein können. Dazu werden die wichtigsten Einflussfaktoren, welche auf die Qualität des Finanzresearchs wirken können, theoretisch identifiziert und beschrieben. Darüber hinaus wird im Rahmen der empirischen Untersuchung, dass Verhalten und die Rolle der Analysten bei der Ent­wicklung des deutschen Aktienmarktes zwischen November 2007 und Januar 2008 aufge­zeigt. Aus diesen Überlegungen heraus, resultiert die Struktur der nachfolgenden Arbeit. Diese Arbeit wird daher neben der Einleitung in 4 Kapitel untergliedert.

Zunächst wird in dem Kapitel 2 die Rolle der Finanzanalysten am Kapitalmarkt aus theore­tischer Sicht beschrieben. Der Begriff des Finanzanalysten wird definiert und es werden die Finanzanalysten klassifiziert. Dem schließt sich die Erläuterung ihrer Funktionen am Kapitalmarkt an, die sie erbringen beziehungsweise aus theoretischer Sicht erbringen soll­ten. Anschließend werden im Rahmen der Leistungserbringung von Analysten die ver­schiedenen Analysemethoden sowie der Ablauf der Finanzanalyse beschrieben. Das Kapi­tel 3 befasst sich mit den möglichen Einflussfaktoren auf die Qualität der Prognosen und Empfehlungen. Zunächst werden die empirischen Erkenntnisse zu den Marktreaktionen und dem Überoptimismus von Empfehlungen und Prognosen dargestellt. Anschließend werden die Einflussfaktoren beschrieben, welche die Qualität des Researchs möglicherwei­se beeinflussen und einen erhöhten Optimismus begründen können. Es werden dabei ver­haltenswissenschaftliche Aspekte, Interessenkonflikte sowie spezifische Einflussfaktoren identifiziert und thematisiert. Der Abschluss des Kapitels beschreibt die aktuellen Entwick­lungen im Bezug auf die gesetzlichen und standesrechtlichen Veränderungen, welche sich direkt auf die Analystentätigkeiten auswirken. Kapitel 4 präsentiert die eigene empirische Untersuchung der veröffentlichten Analysteneinschätzungen am deutschen Aktienmarkt. Sie erstreckt sich über den Zeitraum November 2007 bis Januar 2008. Zunächst werden die fundamentalen Rahmenfaktoren und die Entwicklung des deutschen Aktienmarktes in dem Betrachtungszeitraum dargestellt. Die anschließende Untersuchung überprüft die Empfeh­lungen und Prognosen auf einen möglicherweise bestehenden Überoptimismus. Zudem wird die Frage geklärt, ob die Analysten in diesem Zeitraum einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Aktienmarktes hatten. Nach der Beurteilung der Ergeb­nisse werden die Weiterentwicklungsmöglichkeiten und aktuellen Tendenzen im Finanzre­search aufgezeigt. Die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse der theoretischen und empirischen Analyse dieser Arbeit werden in dem Kapitel 5 zusammengefasst.

2 Die Rolle von Finanzanalysten auf dem Kapitalmarkt

2.1 Grundlegende Charakterisierung der Finanzanalysten

2.1.1 Definition und Abgrenzung der Finanzanalysten

Finanzanalysten werden häufig auch als Investment- oder Wertpapieranalysten bezeichnet und sind der Gruppe der Informationsintermediäre zuzuordnen. Ihre grundlegende Aufgabe besteht in der Beschaffung, Überprüfung, Verarbeitung, Interpretation sowie der strategi­schen Einordnung allgemein verfügbarer Informationen und spezieller Vorkenntnisse, um darauf aufbauende Prognosen und Empfehlungen für Unternehmen erstellen zu können. Diese dienen wiederum anderen Kapitalmarktteilnehmern als Basis für künftige Anlage- und Investitionsentscheidungen.

Gemäß der Definition der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Manage­ment (DVFA) sind Finanzanalysten Personen, „die aufgrund allgemein verfügbarer Infor­mationen und spezieller Vorkenntnisse eine Beurteilung und Bewertung von Wertpapieren von Unternehmen und deren Derivaten - auch von Volkswirtschaften, Kapitalmärkten und Branchen - in Form von zumeist schriftlichen Analysen vornehmen. Die Ergebnisse der Arbeit der Analysten dienen privaten und institutionellen Anlegern und den Kundenbera­tern, Vermögensverwaltern sowie Portfolio Managern in Kapitalanlagegesellschaften im In- und Ausland als Grundlage für Anlageentscheidungen.“3

Finanzanalysten sind grundsätzlich von den Finanzjournalisten abzugrenzen, die bei den verschiedensten Börseninformationsdiensten wie beispielsweise Börsenbriefen, Anlage­magazinen oder Sendern beschäftigt sind. Die Finanzjournalisten verarbeiten sowohl direk­te Unternehmensnachrichten und Research-Berichte über Unternehmen, als auch von ihnen eigens recherchierte Informationen.4 Diese Ergebnisse werden dann in den verschiedenen Medien von ihnen publiziert. Das übergeordnete Ziel der Journalisten ist es, neben einer Verbesserung ihrer persönlichen Reputation, eine Steigerung der Auflagenhöhe beziehung­sweise der Einschaltquote des jeweiligen Mediums zu erreichen.5

Eine ebenso von den Finanzanalysten abzugrenzende und schwer einzuordnende Gruppe sind die sogenannten „Gurus“ oder „Tippgeber“. Damit sind Personen gemeint, welche in der Öffentlichkeit stehen und eine so intensive Wirkung entfalten können, dass sie durch ihre Empfehlungen Aktienkurse mit geringeren Handelsumsätzen zu bewegen vermögen. Die Gurus stammen zu einem geringeren Anteil aus der Gruppe der Analysten, aber zu einem weit größeren Teil aus der Gruppe der Journalisten. Problematisch ist hierbei vor allem die Kombination aus Journalismus mit öffentlichkeitswirksamen Fernsehauftritten und einem gleichzeitigen Engagement als Vermögensverwalter. Massenpsychologische Mechanismen können hierbei zu erheblichen und fundamental nicht gerechtfertigten Kurs­bewegungen führen, die gewinnbringend ausgenutzt werden könnten. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn im Vorfeld der Berichtsveröffentlichung entsprechende Positio­nen seitens dieser Akteure aufgebaut wurden.6 7 Da die vorliegende Arbeit sich speziell auf die Leistungen von Finanzanalysten konzentriert, ist es unerlässlich, die Teilgruppe der Finanzanalysten klar von den anderen Teilgruppen der Finanzjournalisten und den soge­nannten „Tippgebern“ abzugrenzen.

2.1.2 Klassifizierung der Finanzanalysten

Finanzanalysten können anhand ihrer institutionellen Dimension differenziert werden. Die institutionelle Dimension unterscheidet zwischen (1) Sell Side Analysten und (2) Buy Side Analysten.

(1) Die Sell Side Analysten sind in den Research-Abteilungen von Investment- oder Uni­versalbanken sowie Brokerhäusern tätig und bieten ihre Leistungen vorwiegend externen Abnehmergruppen an. Das primäre Ziel ist es, eigene Kunden anzusprechen als auch Neu­kunden zu gewinnen, um somit die eigene Handelsabteilung zu unterstützen. Das Research wird dabei entweder direkt an die Kunden weitergegeben oder über die Journalisten bezie­hungsweise die Informationsdienstleister veröffentlicht. Dabei ist zu beachten, dass die breite Öffentlichkeit diese Informationen häufig mit zeitlicher Verzögerung erhält, da zu­nächst die zahlende Kundschaft mit den Berichten und Empfehlungen bedient wird. Für das Kreditinstitut, welches im Regelfall die Kosten für das Sell Side Research trägt, ist eine solche Abteilung nur dann sinnvoll, wenn die entstehenden Kosten durch zusätzliche Ein­nahmen kompensiert werden. Diese zusätzlichen Erträge können durch den Verkauf der Berichte, eine Erhöhung des Handelsvolumens sowie durch eine Steigerung des Bekann­theitsgrades der Research-Abteilung erzielt werden.

(2) Im Gegensatz zu den Sell Side Analysten sind die Buy Side Analysten in der Regel Angestellte von institutionellen Anlegern beispielsweise von Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen oder Kreditinstitute. Sie erstellen Gutachten, Studien und Anlageurteile ausschließlich für das eigene Unternehmen. Diese gelieferten Informationen fließen direkt in die Investitionsentscheidung ein und unterstützen ihre jeweiligen Portfolio Manager bei der Einschätzung von Branchen und Einzelunternehmen. Institutionelle Anleger mit einem eigenen Buy Side Research finanzieren diese Abteilungen zumeist über einen besseren Anlageerfolg beziehungsweise durch die Performanceoptimierung ihrer Kapitalanlagen. Neben den institutionellen Analysten existiert eine Gruppe von Analysten, die nicht ein­deutig zugeordnet werden können. Es handelt sich dabei um die Gruppe der unabhängigen Analysten, die in den letzten Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen hat. Zu den größten und bedeutendsten unabhängigen Analystenhäusern in Deutschland zählen unter anderem Independent Research, Equinet, SES Research sowie AC Research. Im Gegensatz zu den Buy Side Analysten und den Sell Side Analysten sind diese nicht für eine Investmentbank oder für institutionelle Anleger tätig, sondern sie sind eigenständig und stellen den Investo­ren ihre unabhängigen Finanzanalysen gegen ein entsprechendes Entgelt zur Verfügung. Sie verkaufen ihre Research-Berichte meist auf Abonnentenbasis oder als Projektarbeiten. Die Zielgruppe ist zumeist ein kleiner wohlhabender Kreis an privaten und institutionellen Anlegern. Diesen Analystenhäusern wird zwar eine hohe Objektivität und Unabhängigkeit zugeschrieben, aber sie sind auch sehr stark auf gute Beziehungen und Kontakte zu dem Unternehmensmanagement und insbesondere zu den Kunden ihrer Auftragsstudien ange­wiesen. Dies können wiederum Gründe sein, welche die vollkommene Unabhängigkeit dieser Analystenhäuser in Frage stellen.8 9

Die institutionellen Analysten unterscheiden sich in ihren Zielen und den Research­Tätigkeiten. So generieren die Sell Side Analysten zunächst keine direkten Erlöse für ihre Reports und unterliegen somit einem besonderen Konflikt. Zum einen sollen sie ein mög­lichst unverzerrtes Research erstellen um ihrer Funktion als Informationsintermediär nach­zukommen. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Zielsetzungen ihrer Arbeitgeber hin­sichtlich der Neukundengewinnung und der Handelsvolumenerhöhung stärker wiegen als häufig angenommen wird. Hingegen sind derartige Konflikte zwischen den Buy Side Ana­lysten und den Portfolio Managern kaum zu erwarten, da die Weitergabe des Research- Reportes nicht nach außen stattfindet.10

So stehen im besonderen die Sell-Side Analysten im Fokus der öffentlichen Diskussionen, wenn es um Fehleinschätzungen bestimmter Unternehmen und den damit verbundenen Interessenkonflikten geht. Aus diesem Grund untersucht der Autor in der nachfolgenden Arbeit die Gruppe der Sell Side Analysten auf mögliche Interessenkonflikte.

2.2 Funktionen und Ziele auf dem Kapitalmarkt

2.2.1 Analysten als Informationsintermediäre

Kapitalmärkte sind die Koordinationsstellen, um monetäre Dispositionsmöglichkeiten von Kapitalanbietern und Kapitalnachfragern zusammenzuführen und das Kapital an seine effi­zienteste Verwendungsmöglichkeit zu lenken. Der Wertpapiermarkt stellt einen Teilbe­reich des Kapitalmarktes dar, an dem die Kapitalvermittlung in verbriefter Form koordi­niert wird.11 12 Nachfolgend werden die Leistungen der Finanzanalysten untersucht, welche sich auf den Wertpapiermarkt als Teilbereich des Kapitalmarktes beziehen. Diese Kapital­märkte sind durch Prozesse der Informationswahrnehmung, -verarbeitung und -weitergabe gekennzeichnet, die das Ergebnis eines Informationswettbewerbes zwischen sämtlichen Marktteilnehmern aufzeigen. Die auf diesem Markt kommunizierten Informationen stellen ein zweckorientiertes Wissen dar, zum Beispiel in Form von Nachrichten über die Wahr­scheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Ereignis eintreten kann. Somit zeigen Nachrichten, welche Kursveränderungen hervorrufen, Wertpapierinformationen an. In der Abbildung 1 werden die unterschiedlichen Akteure auf den Kapitalmärkten dargestellt. Die beiden Hauptakteure sind zum einen die Unternehmer, welche als Kapitalnachfrager agieren und zum anderen die Investoren, welche als Kapitalgeber auftreten. Die Unternehmer benöti­gen Kapital um ihre notwendigen Investitionen durchzuführen. Investoren sind bereit die­ses zur Verfügung zu stellen, vorausgesetzt sie können dadurch eine entsprechend hohe Rendite erzielen. Jedoch besteht in dieser Konstellation eine asymmetrische Informations­verteilung. Die Unternehmen besitzen einen entscheidenden Informationsvorsprung gege­nüber den Kapitalgebern bezüglich des eigenen zukünftigen Entwicklungspotenzials und möglicher Risiken, die mit einer Investition verbunden sind. Damit es trotzdem zu einem Kapitaltransfer kommen kann, müssen sowohl von den Unternehmen als auch von Dritten Informationen über das Unternehmen produziert und diese zur Verfügung gestellt werden. Die Spezialisten im Sammeln, Auswerten und Kommunizieren von Informationen werden in der Literatur als Informationsintermediäre bezeichnet. Sie können definiert werden als „Intermediäre, die bei einem Austausch von Finanzierungstiteln eingeschaltet werden, um die aus einer asymmetrischen Informationsverteilung resultierenden Informationsbarrieren zwischen Kapitalnehmern und Kapitalgebern zu überwinden oder abzumildern.“13 14 Die Informationsintermediäre stellen die dritte Gruppe neben den Investoren und Unter­nehmen auf dem Markt für Wertpapierinformationen dar. Sie sind das Bindeglied zwischen der Quelle einer Information, dem Unternehmen und dem Investor und dienen gleichzeitig als Verbreitungskanal für bewertungsrelevante Informationen. Diese Informationen werden durch sie gebündelt und mittels entsprechender Analysen aufgearbeitet. Aufgrund dieser Informationsverarbeitung, liegt kein reiner Informationshandel, sondern eine Informations­intermediation vor. Die von ihnen erstellten Analysen und Empfehlungen basieren in der Regel auf öffentlich verfügbaren Informationen sowie berufsspezifischen Kenntnissen und sind das Ergebnis eines komplexen Informations- und Verarbeitungsprozesses. Sie dienen sowohl den privaten als auch den institutionellen Investoren als Basis für deren Anlage- und Investitionsentscheidungen.15

Die Abbildung 1 veranschaulicht, dass dem kapitalnachfragenden Unternehmen unter­schiedliche Arten und Wege für den Informationstransfer zur Verfügung stehen. Von den Unternehmen, der Hauptquelle der bewertungsrelevanten Informationen, fließen die Nach­richten drei Zielgruppen zu. Dies geschieht zum einen durch eine direkte Kommunikation mit den Anlegern und zum anderen durch eine indirekte Kommunikation über zwischenge­schaltete Informationsintermediäre. Der Gruppe der Informationsintermediäre sind neben den Medien die Finanzanalysten zuzuordnen. Sie dienen dabei als Informationsagenten zwischen dem Unternehmen und dem Investor. Die übermittelten internen Unternehmens­informationen an den Kapitalmarkt sind zum einen gesetzlich vorgeschrieben und zum anderen erfolgt die Veröffentlichung auf freiwilliger Basis. Insbesondere die freiwillige Publizität stellt eine strategisch geplante und zielgerichtete Kommunikation der Unterneh­men mit den Kapitalgebern und den Informationsintermediären, der sogenannten „Financi­al Community“, dar. Diese strategisch geplante und zielgerichtete Kommunikation wird Investor Relation bezeichnet. Mit der Unterstützung von Investor Relations Maßnahmen wird die Strategie des Unternehmens in die Sprache der Financial Community übersetzt, um somit den Kapitalmarktteilnehmern das tatsächliche Wertpotenzial des Unternehmens zu verdeutlichen und ihre Erwartungshaltung positiv zu beeinflussen.16 Die übergeordneten Ziele sind die Senkung der Kapitalkosten sowie eine langfristig angemessene Bewertung am Kapitalmarkt, welche die tatsächliche Ertragskraft und das tatsächliche Risiko des Un- ternehmens wiederspiegelt.17

Ein wesentlicher Teil des Informationsflusses am Kapitalmarkt erfolgt durch die Zwi­schenschaltung von Informationsintermediären. Dies deutet darauf hin, dass Finanzanalys­ten sowohl für die Unternehmen als auch für die Investoren einen Mehrwert generieren können. Worin dieser Mehrwert genau liegt und wie sich die Existenz der Analysten theo­retisch begründet, ist Inhalt des nachfolgenden Abschnittes.

2.2.2 Funktionen von Analysten aus ökonomischer Sicht

Die wesentlichen Voraussetzungen für einen funktionierenden Kapitalmarkt sind die Ver­fügbarkeit unverzerrter Informationen, eine breite Basis an Investoren mit Zugang zu die­sen Informationen, Gesetze welche die Rechte der Investoren schützen sowie ein liquider und effizienter Sekundärmarkt. Für Analysten sind insbesondere die Verfügbarkeit unver­zerrter Informationen als auch das Vorliegen eines liquiden und effizienten Sekundärmark­tes entscheidend.

Um die Auswirkungen der Analysten bezüglich ihrer Analysen, Empfehlungen und Prog­nosen auf die Effizienz des Kapitalmarktes zu untersuchen, bietet sich die Verwendung der Konzepte der Informations- und Verfahrenseffizienz an. Nur wenn auf einem Kapitalmarkt eine optimale Informations- und Verfahrenseffizienz existiert, ist eine optimale Allokati­onseffizienz zu erreichen. Nachfolgend soll der Einfluss einer effektiven und effizienten Finanzanalyse hinsichtlich der Informations- und Verfahrenseffizienz untersucht werden. Zudem werden die Probleme, welche aufgrund unvollständiger Vertragsbeziehungen sowie durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle resultieren, im Rahmen der Agency Theorie thematisiert.

2.2.2.1 Informationseffizienz

Auf einem effizienten Kapitalmarkt hängt der zukünftige Aktienkurs nur von den in der Zukunft auftretenden Informationen ab und ist somit nicht rational prognostizierbar. Die Existenzberechtigung von Finanzanalysten steht somit in einem direkten Zusammenhang zur Theorie der Informationseffizienz von Kapitalmärkten. Die Basis für die Theorie der Informationseffizienz legt Fama (1970) mit seiner Definition eines effizienten Marktes: „A market in which prices always 'fully reflect" available information is called“. Die Bedin­gungen für diese Theorie sind, dass den Marktteilnehmern alle verfügbaren Informationen jederzeit kostenlos zur Verfügung stehen, keine Transaktionskosten anfallen und homoge­ne Erwartungen bezüglich der Interpretation von Informationen durch die Marktteilnehmer bestehen.18

Auf den informationseffizienten Märkten werden sämtliche Informationen sofort verarbei­tet und die Preise der gehandelten Wertpapiere beinhalten zu jedem Zeitpunkt die bewer­tungsrelevanten Informationen. Es ergeben sich Kursveränderungen, wenn „neue“ Infor­mationen entstehen, die auf Basis vorangegangener Informationen nicht vorhersehbar war­en.19 Die Einarbeitung beziehungsweise Verarbeitung neuer Informationen erfolgt unverzüg­lich und ohne jegliche Zeitverzögerung. Der Preis eines Wertpapieres ist somit zu jedem Zeitpunkt der beste Schätzer seines inneren Wertes und stellt somit einen verlässlichen Wertindikator und Anhaltspunkt für die Anlageentscheidung dar. Je nach Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden relevanten Informationen zur Bewertung eines Assets differenziert Fama drei Arten der Informationseffizienz: die schwache Form, die halb­strenge Form sowie die strenge Form.20

Die Abbildung 2 verdeutlicht, dass jede höhere Form der Informationseffizienz die niedri­gere Form einschließt. Eine schwache Informationseffizienz am Kapitalmarkt liegt vor, wenn sämtliche Informationen über historische Kursverläufe im aktuellen Kurs eines Wertpapieres enthalten sind. Wenn nun zu den historischen Kursverläufen noch öffentlich verfügbare Informationen, also alle durch Publikationen bekannt gegebenen Informationen, unmittelbar in die Preise der Wertpapiere einfließen, liegt eine halbstrenge Informationsef­fizienz vor. Hingegen ist ein Markt streng informationseffizient, wenn die Wertpapierprei­se sämtliche bewertungsrelevanten Informationen enthalten. Der Pool an Informationen umfasst somit neben den historischen Kursen und den öffentlich verfügbaren Informatio- nen auch die sogenannten Insiderinformationen. Allein auf einem streng informationsef­fizienten Markt ist ein optimaler Transfer des Kapitals an seine bestmögliche Verwen­dungsmöglichkeit gegeben. Wenn im Marktpreis sämtliche bewertungsrelevanten Informa­tionen vollständig und unverzüglich eingepreist sind, ist der Preismechanismus vollständig intakt. Jedoch ist auf einem streng informationseffizienten Markt eine Existenz der Finanz­analysten ohne Nutzen, da die Leistung von Finanzanalysten nicht in dem Handel und dem Aufspüren von Insiderinformationen bestehen sollte.

Desweiteren werden Finanzanalysten auf Märkten mit halbstrenger Inforationseffizienz keine Überrendite erzielen können, da die öffentlich verfügbaren Informationen unverzüg­lich eingepreist sind und die Erstellung von Analysen zu einer Überproduktion des bereits am Markt vorhandenem Wissens gleich kommt. Wenn diese Produktion zusätzlich mit Kosten verbunden ist, kommt es zu einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtssenkung. Es besteht jedoch ein logisches Defizit. Wie kommt es zu einem Aktienhandel, wenn auf ei­nem informationseffizienten Markt kein Individuum durch Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung Überrenditen erzielen kann? Aus welchem Grund sollten dann teure Informationen gekauft oder produziert werden, wenn diese zu keinem Mehrwert füh­ren? Wenn keine Anreize für irgendeine Informationstätigkeit existieren, dann wird es auch nicht möglich sein, dass sämtliche Informationen in den Marktpreisen reflektiert wer­den. Dieser von Grossman/Stiglitz (1980) beschriebene und untersuchte Zustand wird als Informationsparadoxon bezeichnet.

In der Realität existieren Marktunvollkommenheiten, welche aufgrund von Verhaltens­anomalien oder individuelle Entscheidungsheuristiken zu einem suboptimalen Informa­tionsverarbeitungsprozess führen. Ist das Verhalten der Marktteilnehmer emotional gebun­den oder beeinflussen massenpsychologische Aspekte, wie beispielsweise ein Herdenver­halten, die Kursbildung, dann ist die Informationseffizienz des Kapitalmarktes einge­schränkt. Es resultieren daraus verschiedene Zustände am Kapitalmarkt wie beispielsweise spekulative Blasen und Überreaktionen etc., welche nicht oder nur sehr selten rational zu erklären sind. Zudem kommt es zu einem zumindest vorübergehend ineffizienten Markt unter der Annahme von strenger Informationseffizienz, wenn für die Informationssuche und Informationsauswertung Kosten entstehen, rechtliche Beschränkungen existieren, die Nutzung sowie Beschaffung von Informationen eingeschränkt ist und die Marktteilnehmer21 22 23 das am Markt vorhandene Preissystem als vollkommen informativ ansehen. Das Modell von Grossmann/Stieglitz sieht die Einführung von Kosten für die Informationsbeschaffung vor, wobei das Ausmaß der damit verbundenen Entscheidungsverbesserung den Wert der Information beeinflusst. Es wird nur dann zu einer Informationsbeschaffung durch die Ka­pitalmarktteilnehmer kommen, wenn der Grenznutzen größer ist als die entstehenden Grenzkosten. Ansonsten werden die Informationen nicht beschafft und die Informationen werden nicht in die Preise eingearbeitet. Auch wenn die Informationen kostenlos verfügbar wären, müssen die Investoren über das nötige Wissen, die Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, um die Informationen unverzerrt bewerten und verarbeiten zu können. Ist die Bemächtigung dieser Faktoren wiederum mit Kosten verbunden, so kann dies ebenso zu einer ineffizienten Informationsverarbeitung führen, auch wenn die Informationen kosten­los am Markt verfügbar wären. Dieses Problem kann durch die Tätigkeit von Finanzana­lysten gelöst werden, da ihnen das Wissen und die Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Informationseffizienz an den Kapitalmärkten zu sichern oder zu erhöhen. Im Rahmen ihrer Intermediationsfunktion können sie Größenvorteile als auch Spezialisierungsvorteile generieren, um somit die gesamten Informationskosten zu senken. Daraus folgt, dass Fi­nanzanalysten auch nur dann auf den Kapitalmärkten existieren, wenn der Markt ineffi­zient ist und Abweichungen von einem vollkommenen Markt aufweisen. Durch ihre ratio­nalen und unverzerrten Prognosen und Empfehlungen ermöglichen sie eine Erhöhung der Informationseffizienz und leisten somit einen Mehrwert für den Kapitalmarkt. Aus dieser Erkenntnis heraus, lässt sich die erste Funktion der Finanzanalysten ableiten.

2.2.2.2 Verfahrenseffizienz

Eine Variante zur Messung der Verfahrenseffizienz an den Kapitalmärkten, stellt die Effi­zienz als Summe der folgenden vier marktorganisationsbestimmten Kostenkomponenten dar: 1. den Kosten des Wertpapierservices der Bank, 2. den Kosten fortlaufender Informa­tionen, 3. die Transaktionskosten sowie 4. die Verwaltungs- und Verwahrkosten. Die Pro­duktion dieser Leistungen erfolgt mit dem jeweils rationellsten Verfahren und unter Wett­bewerb der Leistungen der Anbieter. Das Ziel ist es die Summe der einzelnen Kostenkom­ponenten zu minimieren und damit den Grad der Verfahrenseffizienz zu erhöhen.24 25 26 Bei der genaueren Untersuchung des Beitrages von Finanzanalysten zur Verfahrenseffi­zienz stellen vor allem die Transaktionskosten einen entscheidenden Faktor dar. Für Anle­ger hat die Höhe der Transaktionskosten einen unmittelbaren Einfluss auf die Nachfrage nach Wertpapieren und der zu erzielenden Rendite. Je niedriger die Transaktionskosten für den Investor sind, umso höher ist die zu erzielende Rendite. Zum Teil sind bestimmte Kos­tenkomponenten gleichzeitig betroffen, daher können diese zu gegenläufigen Effekten füh­ren. Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, diese zu drei unabhängigen Teilgruppen zusam­menzufassen: 1. der Informations- und Entscheidungsbereich, 2.der Ausführungsbereich sowie 3. der Erfüllungs- und Verwahrbereich. Die Tätigkeiten der Finanzanalysten und der damit verbundenen Verfahrenseffizienz beziehen sich vor allem auf den Informations- und Entscheidungsbereich. Dieser Bereich beinhaltet die anfallenden Kosten der Anleger für die fortlaufende Information, die transaktionsbedingten Informations- und Entscheidungs­kosten, die Sicherungskosten gegen Informationsrisiken als auch die Kosten der Emitten­ten für die vorgeschriebene Informationsbereitstellung im Rahmen der periodischen Publi­zität.27

Bei der Entscheidungsfindung von Investoren hinsichtlich des Kaufs oder Verkaufs eines Wertpapieres sind neben den individuellen Präferenzen und Kriterien ebenso die Informa­tionen über Handlungsalternativen und ergebnisbeeinflussenden Faktoren ausschlagge­bend. Dazu zählen neben gesetzlichen Richtlinien der Börse, den Finanznachrichten eben­so die Prognosen und Empfehlungen der Finanzanalysten. Wenn nun eine entsprechend große Anzahl an Finanzanalysten am Markt existiert und ein entsprechend funktionieren­der Wettbewerb zwischen diesen besteht, werden die Kosten für den Informations- und Entscheidungsbereich sinken. Durch eine Kommunikation genauer unverzerrter Prognosen und Empfehlungen können die Anleger nun ihre transaktionsbedingten Informations- und Entscheidungskosten sowie die Kosten der Sicherung gegen Informationsrisiken minimie­ren. Die Anleger können durch die Existenz der Analysten ihre Kosten senken, wodurch ihre Rendite positiv beeinflusst wird. Eine Eigenerstellung der Prognosen würde mit wei­taus höheren Kosten verbunden sein, da sie bei der Informationsverarbeitung nicht im sel­ben Maße von Größen- und Spezialisierungseffekten profitieren können. Hingegen kommt es zu negativen Auswirkungen, wenn die von den Analysten erstellten Prognosen und Empfehlungen unvollständig oder fehlerhaft sind. So können beispielsweise fehlerhafte Unternehmensmeldungen, Analysen oder Prognosen zu Vermögensnachteilen bei den An­legern führen. Auch wenn die Qualität des Aktienresearchs nicht verlässlich ist, wird der Anleger diese Informationen mit in seine Investitionsentscheidung einbeziehen und sichert sich gegen die mögliche Gefahr von Vermögensnachteilen mittels einer Art Selbstversiche- rung ab. Daraus resultieren zusätzliche Aufwendungen für die Absicherung und demzufol­ge höhere kalkulatorische Transaktionskosten. Diese wiederum wirken sich negativ auf die erzielbare Rendite aus und daraus resultieren höhere Kapitalkosten für die Unternehmen. Die gestiegenen Risiken erschweren die Liquiditätsbeschaffung und führen zu höheren Renditeforderungen der Investoren. Daher ist es notwendig, einen möglichst hohen Grad an Verfahrenseffizienz am Kapitalmarkt zu erreichen, denn nur dann kann eine entspre­chend hohe Informationseffizienz erzielt werden. Entscheidend dabei ist, dass neue Infor­mationen nur durch die Kauf- oder Verkaufsentscheidungen der Anleger in die Wertpa­pierkurse eingepreist werden. Aber die Anleger investieren nur dann, wenn die erwarteten Gewinne die anfallenden Transaktionskosten übersteigen. Ist dies nicht der Fall, werden die notwendigen Investitionen nicht getätigt und die neuen Informationen können nicht in die Kurse eingepreist werden. Aus diesem Grund spiegeln die Kurse nicht den tatsächli­chen Informationsstand wieder und sind minderer Qualität. Daher wirken hohe Transakti­onskosten hemmend und verhindern die entsprechenden Preisanpassungsmechanismen in den Kursen, welche jedoch notwendig sind um ein möglichst hohes Maß an Informations­effizienz zu erzielen. Abschließend ergibt sich, dass die Verfahrenseffizienz eine not­wendige Bedingung für die Informationseffizienz ist, um eine hohe Allokationseffizienz an den Märkten zu erreichen. Dadurch können Analysten zu einem möglichst objektiven und unverzerrten Research beitragen.

2.2.2.3 Reduzierung von Agency Problemen

Agency Beziehungen existieren überall dort, wo eine Person (Prinzipal) eine andere Person (Agent) beauftragt, damit diese im Interesse des Prinzipals Leistungen erbringt, wobei eine Übertragung von Teilen der Entscheidungskompetenz auf den Agenten erfolgt. Eine solche Agency-Beziehung besteht bei börsennotierten Aktiengesellschaften zwischen den Eigen- kapitalgeber (Prinzipal) und dem Unternehmensmanagement (Agent).

Die Anteilseigner als Eigentümer des Unternehmens stellen für die Gegenleistung von zu­künftigen Zahlungen ihr Kapital bereit und delegieren die Geschäftsführung an das Mana­gement. Die angestellten Manager entscheiden über die Verwendung der Ressourcen und beeinflussen damit den Gewinnanspruch der Kapitalgeber. Durch die Trennung zwischen Eigenkapital und der Leitungs-Verfügungsmacht können Risiken reduziert werden, da eine Kapitalbereitstellung durch eine Vielzahl von Anteilseignern erfolgt und dies eine breite28

Streuung des unternehmerischen Risikos ermöglicht. Zudem können Manager mit ihrer Qualifikation und den entsprechenden Kenntnissen das investierte Kapital viel effizienter und gezielter einsetzen.29 Das Problematische an dieser Beziehung sind die bestehenden Interessenkonflikte zwischen den Eigenkapitalgebern und dem Management. Zwischen beiden Parteien besteht ein unterschiedliches Informationsniveau. Die Manager besitzen gegenüber den Investoren einen Informationsvorsprung bezüglich der Entwicklung und zukünftiger Erfolgspotenziale des Unternehmens. Jedoch genau diese Informationen sind entscheidend für den Eigenkapitalgeber um die Rendite zu kalkulieren. Aufgrund der un­terschiedlichen Informationsniveaus beider Parteien wird dieser Zustand als asymmetrische Informationsverteilung bezeichnet.30

Die Agency Theorie unterscheidet die aus der Arbeitsteilung resultierenden Informations­asymmetrien hinsichtlich ihrer Entstehungsphase zum einen vor Vertragsabschluss (Hid­den Information) und zum anderen nach Vertragsabschluss (Hidden Action).31 Vor der ver­traglichen Beziehung besteht für die potentiellen Eigenkapitalgeber (Prinzipal) die Gefahr, dass sie die tatsächliche Qualität eines Unternehmens aufgrund ihres Informationsdefizites nicht adäquat beurteilen können. Die Aktionäre müssen damit rechnen, dass der Unter­nehmenswert positiver dargestellt wird als dieser tatsächlich ist, um somit einen weitaus höheren Aktienkurs zu erzielen. Daher werden die Investoren eine Bewertung anwenden, welche sich an der durchschnittlichen Qualität aller Unternehmen orientiert und sie zahlen demzufolge auch nur einen entsprechend niedrigen Durchschnittspreis. Daraus folgt, dass sämtliche Agenten aus dem Markt austreten, welche gute oder bessere Qualität als der Durchschnitt anbieten und nur die Unternehmen mit minderer Qualität im Markt bleiben (adverse selektion). Unternehmen höherer Qualität (unterbewertete Unternehmen) werden daher ihren Kapitalbedarf hauptsächlich durch Innenfinanzierungen, beispielsweise Ge­winnthesaurierungen, abdecken. Hingegen beziehen Unternehmen von minderer Qualität (überbewertete Unternehmen) ihren Liquiditätsbedarf hauptsächlich vom Kapitalmarkt. Die durchschnittliche Qualität am Markt wird dann weiter abnehmen und die rational han­delnden Investoren werden ihre Investitionsbereitschaft zunehmend reduzieren. Als Folge des fehlenden Gleichgewichtes zwischen Preis und Qualität bleibt im Extremfall eine Ka- pitalbereitstellung durch die Investoren aus. Es kommt zum Marktversagen.

Die Problematik nach Vertragsabschluss besteht darin, dass das Management den Informa­tionsvorsprung ausnutzt, um den eigenen Nutzen zu maximieren (Moral Hazard). Ein ge­ringerer Arbeitseinsatz oder eine Verwendung der Ressourcen für eigene Interessen sind mögliche Ausprägungen eines derartigen Verhaltens. So besteht die Gefahr, dass das Kapi­tal der Investoren nicht seiner effizientesten Verwendung zufließt und somit Ressourcen verschwendet werden. Um den Gefahren des Moral Hazard und Adverse Selektion entge­genzutreten, ist es wichtig entsprechende Vertrags- bzw. Finanzierungsbeziehungen zu gestalten, wodurch diese Probleme überwunden werden oder zumindest eine weitgehende Harmonisierung der Interessen erzielt werden kann. Vor Vertragsabschluss könnten die Investoren die Unternehmen genauer analysieren (Screening). Nach der Kapitalbereitstel­lung wären Maßnahmen wie die Aufstellung von Verhaltensregeln, dem setzen von Anrei­zen (Entlohnungssysteme) sowie eine Kontrolle der Unternehmensleitung durch die Be­schaffung entsprechender Informationen (Monitoring) denkbar. Jedoch sind diese Maß­nahmen wiederum mit sehr hohen Agency-Kosten verbunden und führen letztendlich nicht zu einer vollständigen Behebung dieser Konflikte.

Durch die Einschaltung von Finanzanalysten als Informationsintermediäre können die In­formationsasymmetrien reduziert werden, indem eine regelmäßige Überwachung des Ma­nagements für die Investoren stattfindet. Erfolgt eine Beobachtung des Managements durch jeden einzelnen Eigenkapitalgeber, so ergeben sich sehr hohe Agency-Kosten. Nach Diamond sind die Überwachungs- und Delegationskosten der Finanzanalysten, den soge­nannten „Delegated Monitors“, in Summe geringer als die der alternativen Überwachung durch eine Vielzahl individueller Investoren. Sie haben den großen Vorteil die Informatio­nen zu weitaus geringeren Kosten zu beschaffen als die einzelnen Investoren, da sie das nötige Wissen, die entsprechenden Branchenkenntnisse sowie die nötigen Erfahrungen, besitzen, um wichtige von unwichtigen Unternehmensinformationen herauszufiltern und zu verarbeiten. Sie können zudem diese Informationen und Erfahrungen für die Analyse gleicher oder ähnliche Unternehmen mit einfließen lassen. Sie stellen für jeden Investor einen geeigneten Ansprechpartner bezüglich unternehmensspezifischer Fragestellungen dar und leisten als unabhängige Gutachter einen sehr wichtigen Beitrag zur Beurteilung und Bewertung eingeholter Informationen. Finanzanalysten können durch ihre Fachkenntnisse, Erfahrungen und ihre öffentliche Wirksamkeit Einfluss auf das Unternehmensmanagement ausüben (Monitoring). Durch publizierte Research-Berichte in denen Schwachstellen der Unternehmensstrategie oder negatives Verhalten des Managements aufgedeckt werden, können Analysten einen entsprechenden Druck auf das Unternehmen aufbauen und indi-32 rekt Einfluss auf das Management ausüben. So sind Analysten im Zusammenwirken mit dem Markt prinzipiell in der Lage das Management im Sinne der Eigenkapitalgeber zu disziplinieren und können somit einen Beitrag zur externen33 Unternehmenskontrolle, der Corporate Governance, leisten.

Durch die Existenz von Finanzanalysten sind zum einen die Agency-Kosten wesentlich geringer und daraus resultiert ein höherer Unternehmenswert. Somit besitzen die Finanz­analysten im Rahmen der Überwachung der Unternehmensführung Kostenvorteile. Dem­zufolge ist eine Beobachtung durch Analysten auch aus Sicht des Unternehmens ein erstre­benswertes Ziel. Andererseits kann den Analysten kein völlig selbstloses Verhalten im Sinne einer Gewährleistung der Kapitalmarkteffizienz und Unternehmenskontrolle bestä­tigt werden. Vielmehr wird ihr Verhalten häufig von eigenen Karriereplanungen, Entloh­nungen und einer gewissen Loyalität gegenüber ihren Arbeitgebern beeinflusst. Als Nut- zenmaximierer werden Analysten immer darauf achten, die Interessen des eigenen Arbeit­gebers nicht zu verletzen, aber auch gleichzeitig ihre eigene Zielfunktion zu maximieren. Diese mehrstufigen Principal-Agent-Beziehungen sind wichtige Determinanten für die Researchqualität und stehen im Kapitel 3 im Mittelpunkt der Ausführungen.

2.3 Aufgaben und Inhalte der Finanzanalystentätigkeit

2.3.1 Organisatorische Einordnung in den Banken

Finanzanalysten betreiben Research, das heißt sie analysieren systematisch wert- und kurs­bestimmende Faktoren und beurteilen Märkte, Branchen oder Einzelunternehmen in Form von eigens erstellten Researchstudien. Eine Researchstudie - im Folgenden auch als Re­search, Research-Bericht, Studie oder Finanzanalyse bezeichnet - ist eine schriftliche oder elektronische Mitteilung und beinhaltet eine Analyse der an den Kapitalmärkten gehandel­ten Instrumente, deren Emittenten sowie einer entsprechenden Investmentempfehlung. Das Ziel des Researchs besteht darin, die zukünftigen Entwicklungen und Potenziale der Ana­lyseobjekte sicherer einschätzen zu können. In diesem Zusammenhang wird des Öfteren auch von einem Coverage oder Analysten-Coverage gesprochen. Diese Bezeichnung stellt die Bearbeitung eines bestimmten Marktsegmentes oder bestimmten Unternehmens durch das Research beziehungsweise durch einen Analysten dar.34 35 36 Zu den Zielgruppen der Re­search-Leistungen zählen, neben den eigenen Kunden, auch die bankinternen Geschäftsbe­reiche und deren Kunden, fremde Banken und institutionelle Investoren. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit von Banken werden diese Studien auch Nichtkunden kostenlos oder gegen ein entsprechendes Entgelt angeboten. Banken organisieren ihr Research ganz un­terschiedlich, wobei sich im Wesentlichen drei Grundformen herauskristallisiert haben.

(1) Dies ist zum einen das in Investment- und Universalbanken am häufigsten vorzufin­dende zentralisierte Inhouse Research. Hierbei erfolgt eine Konzentration sämtlicher Re­search-Aufgaben in einer einzelnen Abteilung. Diese zentrale Organisation ermöglicht eine unmittelbar geschäftsunterstützende Vorleistung für eine Vielzahl von Tätigkeiten der ein­zelnen Geschäftsbereiche und stellt einen wesentlichen Baustein der Wertschöpfungskette in Banken dar (vgl. Abb.3). Dennoch veranschaulicht das Research kein Geschäftsfeld im engeren Sinne, da es keinen eigenen Umsatz generiert. Stattdessen trägt es unmittelbar durch seine Aktivitäten maßgeblich zur Umsatzentwicklung in den Geschäftsbereichen bei. Research-Reports werden den Investoren zumeist kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine Bezahlung für das Research erfolgt jedoch indirekt durch die Gebühren für die durchge­führten Wertpapiertransaktionen. Unter rein ökonomischen Aspekten stellt ein zentralisier­tes Inhouse-Research eine sinnvolle Variante dar, jedoch muss das Research einer Vielzahl an Abnehmern mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen gerecht werden. Zudem birgt eine derartige umfangreiche und komplexe organisatorische Einflechtung des Researchs in den Banken die Gefahr, dass insbesondere Analysten zahlreichen externen Einflussfaktoren ausgesetzt sind, welche zu den häufig kritisierten Interessenkonflikten führen.

(2) Eine weitere Möglichkeit stellt die Ausgründung des Researchs in eine selbstständige Tochtergesellschaft, dem sogenannten Outsourcing beziehungsweise dem unabhängigen Research dar. Hierbei wird die Research-Abteilung in eine rechtlich selbstständige Toch­tergesellschaft ausgegliedert und kann sich einer unmittelbaren Einflussnahme durch bankgeschäftliche Interessen entziehen. So steht eindeutig die Wettbewerbs- und Abneh­merorientierung im Vordergrund. Neben der schwierigen Aufgabe adäquate Preise für die Leistungen am Markt für ihre Research-Berichte zu erzielen, stehen sie im direkten Wett­bewerb mit den häufig kostenlos verfügbaren Reports. Diese Variante birgt die Gefahr, dass die Research-Tochtergesellschaft nicht alle Anforderungen der internen Geschäftsbe­reiche befriedigen kann und somit einzelne Geschäftseinheiten ihr eigenes Research auf­bauen, woraus Doppelarbeiten sowie Effizienzverluste resultieren.

(3) Die dritte Variante eine Research-Abteilung in den Banken zu organisieren, stellt ein37

dezentral integrierte Inhouse Research dar. Hierbei wird die Abdeckung des Aufgaben­spektrums der unterschiedlichen bankinternen Geschäftsbereiche in den Vordergrund ge­stellt.38 So erhält jede Zentraleinheit einen eigenen individuell zugeschnittenen und funkti­onsspezifischen Research-Bereich. Zentral wird lediglich ein Basis-Research eingerichtet, welches die volkswirtschaftlichen Gesamteinschätzungen erstellt und diese allen anderen Abteilungen bereitstellt. Dies ermöglicht eine optimale Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage. Jedoch erschwert eine solche Dezentralisierung eine problemlose interne Abstimmung zwischen den einzelnen Bereichen, beispielsweise bei der gemeinsamen Nut­zung von Datenbanken. Ebenso können Abteilungsgrenzen eine enge Zusammenarbeit und Kommunikation von Informationen innerhalb des Konzerns verhindern, was sich entspre­chend negativ auf die Effizienz der einzelnen Teileinheiten auswirken wird.

Alle 3 Organisationsformen des Researchs sind mit entsprechenden Vor- und Nachteilen verbunden. Letztendlich ist die Anwendung in der Praxis von verschiedenen Kriterien und deren jeweiligen Gewichtung abhängig. Zu diesen Entscheidungskriterien gehören u.a. die individuellen Qualitätsansprüche, der Kostensituation sowie verschiedene Trends und Entwicklungen an den Finanzmärkten.39

2.3.2 Methodik des Finanzresearchs

Die Kerntätigkeit der Finanzanalysten ist die Analyse und Bewertung von Unternehmen.

Im Rahmen der Finanzanalyse werden notwendige Informationen gesammelt, aufbereitet und ausgewertet, um somit Einschätzungen bezüglich der zukünftigen Entwicklung von Vermögenspositionen der Investoren erstellen zu können. Die Finanzanalyse ermöglicht Prognosen hinsichtlich der zukünftigen Aktienkursentwicklungen. Auf der Basis dieser Prognosen werden über die Zusammenstellung von Portfolios (Selection) sowie hinsich­tlich empfohlener Transaktionszeitpunkte (Timing) Aussagen getroffen. Um derartige Prognosen erstellen zu können, bedarf es der passenden Methoden.40 Es ist festzustellen, dass die Bedeutung eines formalisierten methodischen Vorgehens des Researchs in den vergangenen Jahren stets an Bedeutung gewonnen hat. Dies ist vor allem in der rasanten technischen Entwicklung begründet. So haben insbesondere quantitative Methoden in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch die zunehmende Komplexität der Finanz­märkte stellt neue und höhere Anforderungen an die Transparenz der angewandten Metho­den aufgrund der Kunden, die zunehmend die erstellten Prognosen hinterfragen und sie auch selbst nachvollziehen wollen. Je professioneller das Vorgehen und je transparenter die verwendeten Methoden sind, umso besser kann sich die Research-Abteilung einer Bank gegenüber den Wettbewerbern behaupten.

Research kann durch verschiedene Methoden betrieben werden und kann nach unterschied­lichen Kriterien differenziert werden. Die (1) fundamentale Analyse und (2) technischen Analyse stellen die beiden Grundarten der Aktienanalyse dar und lassen sich in der Art der verwendeten Inputdaten unterscheiden.41

(1) Als die bedeutendste Methode hat sich bei den Finanzanalysten die Fundamentalanaly­se durchgesetzt. Die Fundamentalanalyse unterstellt, dass der Kurs einer Aktie langfristig um den ökonomisch richtigen Wert einer Aktie, dem inneren Wert, schwankt und sich die Kurse im Laufe der Zeit wieder den richtigen Werten annähert. Das Ziel eines fundamenta­len Ansatzes besteht darin, den inneren Wert einer Aktie zu ermitteln, welcher dann mit dem aktuellen Marktpreis, dem Börsenkurs, verglichen wird.42 Stellen Analysten entspre­chende Abweichungen fest, so können die bestehenden temporären Über- oder Unterbe­wertungen einer Aktie zur Erzielung von Analagegewinnen ausgenutzt werden. Der inne­re Wert einer Aktie wird durch die internen und externen Unternehmensdaten bestimmt, welcher den anteiligen Barwert der zukünftig zu erwartenden Zahlungsströme des Unter­nehmens darstellt. Zu den zukünftigen Erfolgsgrößen eines Unternehmens zählen unter anderem die Gewinne, Cash Flows oder Dividenden. Diese Erfolgsgrößen werden auf Ba­sis detailierter Analyse historischer und aktueller Daten geschätzt und mit einem risikoad­justierten Zinssatz diskontiert. Die Fundamentalanalyse ist daher eine ein zukunftsorien­tiertes Konzept anzusehen.43 Ein wesentlicher Vorteil dieser Analysemethode ist es, dass diese auf einer theoretischen Fundierung beruht. Jedoch ist dieses Verfahren sehr zeitinten­siv und erfordert ein weitreichendes Know How des Analystenhauses. Zudem ist die Qua­lität einer solchen Analyse entscheidend von der Qualität der zugrunde liegenden Informa­tionen und Daten abhängig.44

(2) Hingegen beruht die technische Analyse nicht auf fundamentalen Daten, stattdessen konzentriert sie sich sowohl auf die Analyse historischer Aktienkursentwicklungen als auch auf eine Reihe von psychologischen Faktoren. Diese Analyse basiert auf der Annah­me, dass sich Kurse in Trends beziehungsweise in Zyklen bewegen und somit die vergan­genen Kursentwicklungen wiederkehren. Auf Basis dieser Erkenntnisse versuchen die technischen Analysten mittels der Analyse von Kurscharts bestimmte Muster in der Kurs­entwicklung herauszufiltern, um somit möglichst frühzeitig Trendverläufe und Umkehr­punkte erkennen zu können. Basierend auf den erlangten Informationen werden nun ent­sprechende Prognosen für die zukünftige Kursentwicklungen abgeleitet. Wichtige Techni­ken die zur Interpretation von Charts zum Einsatz kommen sind sogenannte Trend-, Un- terstützungs- und Widerstandslinien sowie Trendbestätigungs- und Trendumkehrformatio­nen (vgl. Abb. 4 und Abb. 5). Zudem werden Indikatoren gebildet, welche auf die Existenz von Trend- und Übertreibungsphasen hinweisen. Die Vorteile der technischen Analyse sind vor allem ihre Einfachheit und ihre schnelle Durchführbarkeit. Jedoch hat diese Me­thode den großen Nachteil, dass ihr Vorgehen auf keiner theoretische Fundierung basiert.45 Ergänzend können noch weitere Research-Methoden wie beispielsweise quantitati­ve/qualitative sowie univariate/multivariate unterschieden werden. Diese Research­Methoden stellen die Dimensionen für die beiden Grundarten, der Fundamental- und tech­nischen Analyse, dar. Wie die Abbildung 6 verdeutlicht, kann diese dimensionale Diffe­renzierung eine Vielzahl entsprechender Modelle unterscheiden.46 In der Praxis erfolgt die Erstellung der Prognosen nicht nur durch die stringente Anwendung einer Methode, son­dern zumeist mittels einer Kombination aus den verschiedenen Modellen. Die überwiegen­de Mehrheit der Finanzanalysten folgt in der Analysepraxis dem fundamentalanalytischen Ansatz. Die technische Analyse wird zumeist lediglich als Unterstützung, beziehungsweise als Ergänzung eingesetzt. Aus diesem Grunde konzentrieren sich die folgenden Ausfüh­rungen auf die Vorgehensweise der Fundamentalanalyse.

2.3.3 Der Finanzresearch-Prozess

Das Ziel des Researchs ist es, die zukünftigen Entwicklungen sicherer einschätzen zu kön­nen. Aus diesem allgemein formulierten Ziel können die konkreten Aufgaben des Re­searchs in einem 3-stufigem Research-Prozess abgeleitet werden (vgl. Abb. 7). Nachfol­gend sollen die Phasen Informationsbeschaffung, Informationsverarbeitung und Informati­onsdistribution unterschieden werden. Die einzelnen Prozessschritte laufen zwar prinzipiell hintereinander ab, greifen aber ineinander.

2.3.3.1 Informationsbeschaffung

Die Informationsbeschaffung stellt die erste Phase des Research-Prozesses dar. Die unmit­telbare Beschaffung und Verfügbarkeit von Informationen ist eine grundlegende Voraus­setzung für eine gute Analyse eines Unternehmens. Analysten können im Rahmen ihrer Analyse auf verschiedene Informationsquellen zurückgreifen. Informationsquellen können anhand ihrer Herkunft unterschieden werden. Informationen, welche direkt aus dem zu analysierenden Unternehmens stammen, zählen zu den Primärquellen und die sonstigen, öffentlich zugänglichen Informationen zu den Sekundärquellen.47

Der erst genannten Kategorie sind Informationen zuzuordnen, welche aufgrund gesetzli­cher Bestimmungen erstellt werden. Zu den gesetzlichen Verpflichtungen gehören in Deutschland sowohl die Veröffentlichung von Konzernabschlüssen, die Pflicht zur Durch­führung einer jährlichen Hauptversammlung, als auch die im Rahmen der Ad-hoc- Publizitätspflicht gemäß §15 WpHG veröffentlichten Mitteilungen. Zudem gelten für börsennotierte Unternehmen zusätzliche gesetzliche Publizitätsanforderungen.48 Dazu zählt unter anderem die Veröffentlichung von Zwischenberichten. Außerdem unterliegen diese Unternehmen den internationalen Informations- und Transparenz-Anforderungen der je­weiligen Börsen, so sind beispielsweise Aufnahmevoraussetzungen im Prime Standard der Frankfurter Börse eine regelmäßige Quartalsberichterstattung, die Anwendung internatio­naler Rechnungslegungsstandards, Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders sowie die Durchführung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr.49 Der zweiten Kategorie werden journalistische Veröffentlichungen, allgemeine Statistiken sowie Studien von unabhängigen Instituten zugeordnet. Auch zählen zu den Sekundärquel­len die Research-Berichte von anderen Sell-Side-Analysten, sowie die Prognosen und Ge­spräche mit dieser Analystengruppe. Informationen von den Lieferanten, Abnehmern und sonstigen Geschäftspartnern stellen ebenso eine gute Möglichkeiten dar, um Rückschlüsse auf das zu analysierende Unternehmen zu erhalten.50

Welche dieser Informationsquellen von den Analysten genutzt werden, ist vor allem davon abhängig, welchen Nutzen durch die Beanspruchung erzielt werden kann. Der Nutzen kann in Form des Informationsgewinnes ausgedrückt werden, welcher jedoch von dem aktuellen Informationsstand des Analysten, sowie von den aufzubringenden Informationskosten ab­hängig ist. Weitere Kriterien für die Wahl einer bestimmten Informationsquelle können die gesammelten Erfahrungswerte, die Glaubwürdigkeit sowie die Kompetenz dieser Quelle sein. Darüber hinaus stellt das institutionelle Umfeld, insbesondere die Größe des Arbeit­gebers und die Verfügbarkeit der Ressourcen ein Kriterium dar. Befragungen von Analys­ten stellten fest, dass insbesondere die von den Unternehmen selbst veröffentlichten Infor­mationen eine sehr hohe Relevanz haben. Neben den vom Unternehmen publizierten Ge­schäfts- und Quartalsberichten wird die direkte Kommunikation mit den Unternehmensver­tretern als sehr wichtig erachtet. Insbesondere die Möglichkeit einer persönlichen Kommu­nikation ist für Analysten dabei sehr bedeutsam. Dies könnte unter anderem darin begrün­det sein, dass sich die Analysten durch diesen persönlichen Kontakt einen Informations­vorsprung gegenüber den anderen Marktteilnehmern erhoffen. Darüber hinaus können Analysten in den persönlichen Gesprächen die für sie wichtigen Fragen stellen, um die Kompetenz des Managements beurteilen zu können.51

Den Informationen aus den Sekundärquellen wird hingegen nur eine untergeordnete Be­deutung beigemessen.52 Dennoch beschäftigen und informieren sich die Analysten regelmä­ßig in der Wirtschaftspresse sowie in den verschiedenen Datenbanken der Branchen-, Ka­pital- und volkswirtschaftlichen Statistiken. Laut Analystenbefragungen wurde den Berich­ten und Prognosen anderer Analysten als mögliche Informationsquelle die geringste Be­deutung zugeordnet.53 Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Empfehlungen und Prognosen anderer Analysten in der Praxis durchaus eine nicht unwesentliche Rolle spielen (vgl. Abschnitt 3.2.3).

2.3.3.2 Informationsverarbeitung

Diese Prozessstufe umfasst die eigentlichen Eigenleistungen von Analysten, die Erstellung der Prognosen über die zukünftige Unternehmensentwicklung. Dazu werden zunächst die beschafften Daten analysiert, gefiltert und verarbeitet. Um methodisch fundierte und nach­vollziehbare Prognosen zu erstellen, können die dafür notwendige Analysen in grundsätz­lich zwei verschiedenen Richtungen erfolgen, dem (1) Top-Down-Ansatz und dem (2) Bot- tom-Up-Ansatz.

(1) Bei einer Top-Down-Analyse wird der Auffassung gefolgt, dass sich Unternehmen langfristig nicht der allgemeinen Marktentwicklung entziehen können. Aus diesem Grunde werden zunächst die dem zu analysierenden Objektes übergeordneten Faktoren untersucht.

Es erfolgt eine volkswirtschaftlich orientierte Analyse der Märkte, Länder und Sektoren, um somit die attraktivsten Märkte herauszufiltern. Im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Analyse werden unter anderem die Konjunkturentwicklung, Zinsentwicklung, Geldmenge untersucht.54 Die daraus ermittelten Prognosen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung werden anschließend für die Schätzungen der Branchenentwicklung herangezogen. Hierbei fließen ebenso Indikatoren wie die aktuellen Lagerbestände und Auftragseingänge mit ein, welche auf die Entwicklung der Branche schließen lassen. Aus der erwarteten Branchen­entwicklung können Annahmen über die Entwicklung von zukünftigen Umsatz- und Er­gebnisentwicklungen des zu analysierenden Unternehmens erstellt werden. Auf Basis die­ser Annahmen erfolgt dann die Formulierung der Prognosen.55

(2) Im Gegensatz dazu basiert der Bottom-Up-Ansatz auf der mikroökonomischen Unter­nehmensebene, entsprechend werden zu Beginn die Prognosen für das Unternehmen for­muliert. Auf Basis dieser Prognosen werden die entsprechenden Schätzungen für die Bran­che beziehungsweise für den Gesamtmarkt abgeleitet. Der Bottom-Up-Ansatz hat insbe­sondere den Vorteil, dass die kursrelevanten Faktoren einzelner Aktiengesellschaften ef­fektiver ermittelt werden können. Jedoch ist diese Methodik wesentlich zeit- und ressour­cenintensiver als bei einem Top-Down-Ansatz. Zudem besteht die Gefahr, dass wichtige makroökonomische Sachverhalte vernachlässigt werden, welche durchaus die Unterneh­mensentwicklung stärker beeinflussen können. Daher werden in der Praxis üblicherweise beide Verfahren parallel angewendet, um somit die Plausibilität der Ergebnisse besser überprüfen zu können. Auf Basis der prognostizierten Kennzahlen erfolgt die Bestimmung des Unternehmenswertes. Zu den in der Praxis am häufigsten verwendeten Bewertungsver­fahren gehören die Multiplikatormethode und die DCF-Methode.56 Das Ergebnis des Finanzresearch-Prozesses ist der Research-Report. Ein besonderes popu­läres Instrumentarium stellen dabei die Gewinnprognosen dar, welche sehr zentrale Input­Faktoren für den Research-Report darstellen. Research-Reports werden in der Regel ein- bis zweimal jährlich veröffentlicht und gegebenenfalls unterjährig angepasst. Ausgehend von der Differenz zwischen dem berechneten Unternehmenswert und dem Aktienkurs, beziehungsweise dem Marktwert des Unternehmens wird das Anlageurteil abgegeben. Die daraus entstehende Differenz beschreibt die Erwartung hinsichtlich der zukünftigen Ak­tienkursentwicklung des Unternehmens und ergibt letzten Endes die Empfehlung für die Aktie. Es liegt eine Unterbewertung vor, wenn sich der errechnete Fair Value über dem aktuellen Kursniveau der Aktie befindet. Diese Aktie würde von den Analysten als eine Kaufempfehlung eingestuft werden. Respektive ist ein Fair Value, welcher unter dem Un­ternehmenswert liegt, eine Aktie welche mit Verkauf bewertet wird. In Abhängigkeit des jeweiligen Analystenhauses erfolgt die Empfehlung in verschiedenen Empfehlungskatego­rien. Die drei prinzipiellen Bewertungskategorien sind „Kaufen“ (Buy), „Halten“ (Hold) und „Verkaufen“ (Sell). Häufig werden mehrstufige Rating-Systeme verwendet, um insbe­sondere den positiven Bereich mehr ausdifferenzieren zu können (vgl. Tab. 1). Dies gibt den Analysten zusätzliche Flexibilität und ermöglicht es ihnen, insbesondere negative Ein­schätzungen indirekter und positiver zu formulieren. So unterteilen beispielsweise fünfstu­fige Bewertungssysteme die Buy- und Sell-Empfehlungen nochmals in Strong Buy sowie (Moderate) Buy und in (Moderate) Sell und Strong Sell. Das Problem, welches durch die vielfältigen Differenzierungen der Empfehlungen entsteht, ist, das es keine eindeutige Handlungsempfehlung mehr für die Investoren gibt. Darüber hinaus führt dies zu Verwir­rung bei den Investoren, da eine Hold-Empfehlung des Öfteren auch als eine Verkaufs­empfehlung gewertet werden kann. Zudem ist es problematisch, dass sich einige Analys­tenhäuser mit ihren Empfehlungen auf das Kursziel der Aktie und andere auf die Entwick­lung des Aktienkurses beziehen.57 58 59 Zusammenfassend stellt die Informationsverarbeitung die wertschaffende Prozessstufe der Finanzanalysten dar, indem dieser die unstrukturierten Informationen verschiedener Quellen filtert und in eine Bewertung oder Prognose trans­formiert.

2.3.3.3 Informationsdistribution

Die Einschätzung der Analysten über die Chancen und Risiken des Unternehmens und die gesamten Ergebnisse der Analyse werden abschließend als Research-Reports veröffent­licht. Diese Studien variieren je nach Abnehmergruppen hinsichtlich ihres Komplexitäts­und Detailierungsgrades. Die Research-Berichte für institutionelle Investoren müssen viel höheren Anforderungen gerecht werden als die Studien für Privatanleger beziehungsweise Kleinanleger. Dies ist dadurch begründet, dass institutionelle Anleger meist über weitrei­chendes ökonomisches und statistisch-analytisches Fachwissen verfügen und Research­Reports für diese Gruppe nur dann einen Nutzen stiften, wenn sie über die Vermittlung dieses Wissens hinausgehen und tatsächlich neue Informationen darstellen. Die Hauptziel­gruppe für die Analystenstudien sind ohnehin die institutionellen Investoren, schon allein aufgrund ihrer viel höheren Anlagevolumina.60 Die Verbreitung der Research-Berichte erfolgt auf zwei zeitlich aufeinander folgenden Wegen. Zuerst werden die Studien den ei­genen Kunden der Analysten zur Verfügung gestellt (primäre Informationsverarbeitung). Ziel ist es, die entsprechenden Anlageempfehlungen zu vermarkten und die Kunden zu Investitionen in den entsprechenden Papieren zu überzeugen. Nachdem der eigene Kun­denkreis mit den Infos bedient wurde, werden die Studien der breiten Öffentlichkeit zu­gänglich gemacht (sekundäre Informationsverarbeitung). Hierzu zählen unter anderem die Informations- und Nachrichtendienste wie beispielsweise Reuters oder Bloomberg sowie kommerzielle Datenanbieter im Internet wie auch Börsenbriefe.61 Diese zeitliche Verzöge­rung bei der Übermittlung des Researchs an die Öffentlichkeit ist dadurch zu begründen, dass Analysten zunächst ihren eigenen Kunden ein vorzeitiges Handeln ermöglichen wol­len. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die Kursreaktionen auf die Emp­fehlungen und Prognosen sich größtenteils im Zeitpunkt der primären Informationsverar­beitung einstellen werden und entsprechend eingepreist sind, wenn es die Öffentlichkeit erfährt.

3 Einflussfaktoren auf die Qualität des Finanzresearchs

Der Bereich des Aktienresearchs ist aufgrund des enormen Ressourcenanspruches für die Banken und Brokerhäuser sehr bedeutend. Ebenso sind die Analysteneinschätzungen für Investoren und Unternehmen von sehr großem Interesse, da sie die Basis für ihre Inves­titionsentscheidungen darstellen und sie die Probleme und Kosten (Agency-Kosten), wel­che aus den unterschiedlichen Informationsniveaus zwischen dem Unternehmensmanage­ment und den Investoren entstehen, reduzieren. Daraus können wiederum geringere Kapi­talkosten und höhere Aktienkurse für die Unternehmen resultieren. Allerdings werden sich diese positiven Effekte nur dann einstellen, wenn die Prognosen und Empfehlungen eine entsprechend hohe Qualität aufweisen. Die Qualität der Prognosen und Empfehlungen werden durch verschiedenste Faktoren beeinflusst und bestimmt. Die Grundvoraussetzun­gen um eine möglichst hohe Qualität des Finanzresearchs zu erzielen ist es, dass die Fi­nanzanalysten bei der Erstellung der Prognosen und Empfehlungen objektiv und unabhän­gig agieren. Die Unabhängigkeit kann Analysten grundsätzlich in zwei Aspekte unter­schieden werden. Der Begriff Unabhängigkeit beschreibt die fehlende Einflussmöglichkeit von Dritten, sowie den Grad des Einflusses der Eigeninteressen von Analysten auf den Meinungsbildungsprozess. Analysten haben zudem ihre Tätigkeiten objektiv und integer auszuführen. Integrität umfasst im Allgemeinen die Unbestechlichkeit, Redlichkeit, Voll­ständigkeit und Unversehrtheit.62 Demzufolge sollten die Analysten ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt und Redlichkeit, im Interesse ihrer Kunden durchführen. Objektivität liegt vor, wenn die Urteilsfindung sachlich, unparteiisch und unvoreingenommen durchge­führt wird.63 Die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit eines Analysten stellen entscheidende Einflussfaktoren bei der Research-Erstellung dar. Das Ergebnis kann letztlich entweder als objektives oder nicht objektives Research bezeichnet werden.

In der anschließenden Untersuchung werden daher die Faktoren identifiziert und beschrie­ben, welche die Qualität des Finanzresearchs beeinflussen können. Die zentrale Fragestel­lung lautet, sind die Prognosen und Empfehlungen der Analysten trotz der Existenz ver­schiedenster Einflussfaktoren objektiv und unabhängig? In dem Abschnitt 3.1 werden zu­nächst die empirischen Erkenntnisse zu der Marktwirkung und der allgemeinen Qualität von Gewinnprognosen und Aktienempfehlungen dargestellt. Der Einfluss verhaltenswis­senschaftlicher Determinanten bei der Erstellung von Prognosen und Empfehlungen wird in dem Abschnitt 3.2 dargestellt. Dabei soll im Besonderen der Einfluss und die Wirkung von Verhaltensanomalien und Heuristiken im Informations- und Entscheidungsprozess erörtert werden. Welchen Interessenkonflikten die Analysten ausgesetzt sind und welche Eigeninteressen die Objektivität und Unabhängigkeit der Research-Ergebnisse beeinflus­sen können, wird im Rahmen des Abschnittes 3.3 thematisiert. Der Abschnitt 3.4 identifi­ziert weitere, spezifische Bestimmungsfaktoren für die Qualität des Finanzresearchs. Zu­dem werden in dem letzten Abschnitt 3.5 die gesetzlichen und standesrechtlichen Regelun­gen genauer thematisiert.

3.1 Empirische Erkenntnisse zu den Empfehlungen und Prognosen

3.1.1 Kursreaktionen bei Veröffentlichung

Die Einschätzungen von Analysten haben eine sehr hohe Bedeutung am Kapitalmarkt. In­sbesondere institutionelle Investoren nehmen häufig unmittelbar nach der Veröffentlichung von Analystenstudien Portfolio-Anpassungen vor. Daher besitzen die Prognosen und Emp­fehlungen vermutlich ein erhebliches Marktbeeinflussungspotenzial und können zu signifi­kanten Kursreaktionen führen.

[...]


1 Bangert (2008), S. 10.

2 Vgl. Göres (2004), S. 1 ff.

3 Vgl. Friedrich (2007), S. 39; Hax (1998), S.11 ff.

4 DVFA (2000a), S.48.

5 Vgl. Döring (2000), S.121; Von Rosen/ Gerke (2001), S. 11 f.

6 Vgl. Von Rosen/Gerke (2001) S.11 f.

7 Vgl. Wichels (2002), S.31 ff.

8 Vgl. Mikhail/Walther/Willis (2004), S. 68; Von Rosen/Gerke (2001), S. 1.

9 Vgl. Schnell, C. (2005), S. 27.

10 Vgl. Göres (2004), S. 32; Pietzsch (2004), S. 11 f.

11 Vgl. Aulibauer/ Thießen (2002a), S. 5.

12 Vgl. Von Rosen/Gerke (2001), S. 10 f.

13 Vgl. Friedrich (2007), S. 44 f.

14 Hax (1998), S. 46.

15 Vgl. Stanzel (2007), S. 11 ff.

16 Vgl. Gerke (2002), S. 444.

17 Vgl. von Rosen/Gerke (2001), S. 10 f.; Pietzsch (2004), S. 18 f.

18 Fama (1970), S. 383.

19 Vgl. Fama (1970), S. 383.

20 Vgl. Stanzel (2007), S. 26.

21 Vgl. Henze (2004), S. 8.

22 Vgl. Pietzsch (2004), S. 23 f.; Seeger (1998), S. 33 ff.

23 Vgl. Sapusek (1998), S. 115 ff.; Seeger (1998), S. 30 f.

24 Vgl. Paul (1999), S. 650 ff.; Aulibauer/Thießen (2002b), S. 50 f.

25 Vgl. Henze (2004), S. 6 ff.; Michaelsen (2001), S. 70 ff.

26 Vgl. Bessler/Stanzel (2006), S. 228 ff.

27 Vgl. Stanzel (2007), S. 30 ff.

28 Vgl. Stanzel (2007), S. 33.

29 Vgl. Pietzsch (2004), S. 29.

30 Vgl. Friedrich (2007), S.57 ff.

31 Vgl. Henze (2004), S. 10 ff.

32 Vgl. Paul (1999), S. 656 ff.; Perridon/Steiner (2003), S. 50.

33 Vgl. Nassauer (2000), S. 27 ff.

34 Vgl. Schmidt/Weiß (2003), S. 12.

35 Vgl. Gerke (2002), S. 676.

36 Vgl. Pietzsch (2004), S. 13.

37 Vgl. Diehl (1998), S. 7 f.

38 Vgl. Zimelka (2002a), S. 641.

39 Vgl. Zimelka (2002a), S. 637.

40 Vgl. Klein (1999), S. 49; Zimelka (2002b), S. 660.

41 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 227 ff.

42 Vgl. Perridon/ Steiner (2003), S. 218.

43 Vgl. Pietzsch (2004), S. 12.

44 Vgl. Michalkiewicz (2003), S. 126; Dette (1998), S. 35 ff.

45 Vgl. Poddig (1996), S. 51 f.; Dette (1998), S. 41 ff.

46 Vgl. Zimelka (2002b), S. 659.

47 Vgl. Michaelsen (2001), S.41 ff.

48 Vgl. Friedrich (2007), S. 44 f.

49 Vgl. Deutsche Börse (2009).

50 Vgl. Henze (2004), 15 f.

51 Vgl. Friedrich (2007), S. 71 f.

52 Vgl. Hax (1998), S. 12 ff.

53 Vgl. Zimelka (2002b), S. 660 f.

54 Vgl. Steiner/Bruns (2002), S. 230.

55 Vgl. Friedrich (2007), S. 75.

56 Vgl. Wichels (2002), S. 66; Friedrich (2007), S. 76 f.

57 Vgl. Pietzsch (2004), S. 67 ff.; Henze (2004), S. 17 f.

58 Vgl. Göres (2003), S. 66 f.

59 Vgl. Schumacher/Kagelmann (2001), S. 62 f.

60 Vgl. Michalkiewicz (2003), S. 127 f.; Göres (2004), S. 61.

61 Vgl. Hax (1998), S. 21; Pietzsch (2004), S. 70 f.

62 Vgl. Brockhaus (1989), S. 555.

63 Vgl. DVFA (2006), S. 1.

Fin de l'extrait de 122 pages

Résumé des informations

Titre
Finanzresearch - Wie objektiv und unabhängig sind die Prognosen der Finanzanalysten tatsächlich?
Sous-titre
Eine kritische Untersuchung zur Rolle der Finanzanalysten bei der Entwicklung des deutschen Aktienmarktes zwischen Nov 07 und Jan 08
Université
Technical University of Chemnitz
Note
1,3
Auteur
Année
2009
Pages
122
N° de catalogue
V153180
ISBN (ebook)
9783640654802
ISBN (Livre)
9783640654741
Taille d'un fichier
5006 KB
Langue
allemand
Mots clés
Finanzresearch, Finanzanalysten, Prognosen, Empfehlungen, die Rolle von Finanzanalysten auf dem Kapitalmarkt, Einflussfaktoren auf die Qualität des Finanzresearchs, Analysteneinschätzungen im Zeitraum Nov07 und Jan08
Citation du texte
Martin Rzehak (Auteur), 2009, Finanzresearch - Wie objektiv und unabhängig sind die Prognosen der Finanzanalysten tatsächlich?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153180

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