Leseprobe
Inhalt
Einleitung
1. Menschenrechte – Menschenwürde
1.1. Historische Entwicklung der Menschenrechte
1.2. Menschenwürde – Definitionsversuch
1.3. Grundlegendes zu Menschenrechten im Verständnis
2. Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession?
2.1. Kritik an der Definition als Menschenrechtsprofession
2.2. Was spricht für die Menschenrechtsprofession?
2.3. Zusammenführendes
3. Von der Notwendigkeit eines dritten Mandates in der Profession „Soziale Arbeit“
3.1. Die Funktion Sozialer Arbeit – ein systemischer Blick und Versuch einer Gegenstandsbestimmung
3.2. Die Notwendigkeit der Selbstbestimmung Sozialer Arbeit
4. Fazit
Literatur
Einleitung
Die Forderung, das klassische Doppelmandat Sozialer Arbeit zu einem Tripelmandat zu erweitern beinhaltet im Sinne Staub – Bernasconis, dass sich Soziale Arbeit neben den Ansprüchen der Klienten und den gesetzten Anforderungen durch die Gesellschaft eine dritte Bezugesebene setzt. Diese solle aus wissenschaftlichem Beschreibungs- und Erklärungswissen sozialer Probleme bestehen – und hieraus resultierenden wissenschaftsbegründeten Arbeitsweisen und Methoden, aus einer professionsspezifischen ethischen Bewertungsbasis (Berufskodex) sowie aus den im Berufskodex erwähnten Menschenrechten als Legitimationsbasis.[1]
Um nun die Funktion dieses Tripelmandates in der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession zu erklären und die Sinnhaftigkeit der Forderung nach einem solchen Mandat herauszustellen, wäre zunächst die Frage zu beantworten, inwieweit Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession ist – oder sein sollte. Insbesondere, da sich das Tripelmandat selbst auf die Menschenrechte als Legitimationsbasis bezieht, sind die Begriffe „Menschenrechte“ und dementsprechend, als Schutzgegenstand ebendieser, „Menschenwürde“ zu betrachten und innerhalb der Profession Sozialer Arbeit zu positionieren.
Eine solche Positionierung benötigt zum einen eine Klärung der Begriffe an sich, zum anderen eine Betrachtung der Begriffe aus sozialarbeitswissenschaftlicher Sicht – und somit der Beantwortung der Frage, in welchen Beziehungen die Menschenrechte in der Profession Sozialer Arbeit eine Rolle spielen (müssen).
Im zweiten Schritt ist das Tripelmandat mit seinen Bestandteilen zu betrachten, um schließlich die Funktion des Mandates in der Profession „Soziale Arbeit“ zu bestimmen.
Es ist zu klären, wieso ein drittes Mandat notwenig ist – und was dieses Mandat aufgrund seiner Notwendigkeit beinhalten muss. Im Zuge der Menschenrechts – Diskussion werde ich mich hierbei auf den „bewertenden“ Teil des Mandates (also die Seite des Code of Ethics und der Menschenrechte) beschränken. Die Diskussion der wissenschaftsbegründeten Beschreibung- und Erklärungsbasis und der sich hieraus entwickelnden Methoden und Arbeitsweisen ist nicht zu leugnend interessant – aber m. E. auf der ethischen Ebene vernachlässigbar.
1. Menschenrechte – Menschenwürde
1.1. Historische Entwicklung der Menschenrechte
Auch wenn die Deklaration der Menschenrechte durch die UN 1948 sicherlich einen Meilenstein in der Geschichte der Entwicklung der Menschenrechte darstellt, so reicht doch diese Entwicklung wesentlich weiter zurück – und ist, wie sich herausstellen lässt, mitnichten heute abgeschlossen. Die Darstellung dieser Entwicklung ist durchaus unterschiedlich möglich, hier sei eine kurze, dreistufige Betrachtung dargestellt.[2]
Die erste sich verbreitende philosophische Idee, dass allen Menschen grundlegende Rechte zukommen, lässt sich bereits in der griechischen Antike finden. Insbesondere die philosophische Schule der Stoa vertrat zum einen die Ansicht, dass die Tugenden der Vernunft das Zusammenleben der Menschen bestimmen sollten (im Gegensatz zu den Idealen des Kriegshelden), zum anderen dahingehend, dass sich ein friedliches Zusammenleben der Menschen nur dann ergebe, wenn Vernunft, Gleichheit und insofern auch das Zusprechen der gleichen grundlegenden Rechte sich nicht nur auf den nationalen Kontext bezögen, sondern über Volksgrenzen hinweg gelten.[3]
Kennzeichnend für diese Phase der Menschenrechtsentwicklung ist vor allem die Tatsache, dass die Menschrechte hier zwar als philosophische Idee entstanden, sich jedoch nicht in Rechtsnormen ausdrückte.
Erst fast 1500 Jahre später, im Zuge der Aufklärung, wandelte sich die ursprünglich philosophische Idee (im Zuge der allgemeinen Säkularisierung) in ein Naturrecht – vor allem durch den Naturrechtsphilosophen John Locke – und auf diesem Wege fand die Idee, dass Leben, Freiheit und Eigentum Grundrechte eines jeden Menschen sind, die es gesellschaftlich und somit mithin politisch zu schützen gilt, langsam Eingang in die reale Politik.
Diese Umwandlung läutet die zweite Phase der Entwicklung ein. Mit der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (1776) und der französischen Revolution (1789) finden die Menschenrechte ihren Ausdruck in den Verfassungen der jeweiligen Staaten. Die Virginia Bill of Rights erhebt das Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum Versammlungs- und Pressefreiheit, den Anspruch auf Rechtsschutz und das Wahlrecht zu unveräußerlichen Menschenrechten.[4] Kennzeichnend für diese Phase der Entwicklung bleibt, dass die bis dahin philosophische Idee ihren Eingang in die Staatsverfassungen fand, diese jedoch nur für die Bürger des jeweiligen Staates galten – oder auch nur anteilig für die Bevölkerung, da sie zunächst nur den Bürgern, nicht jedoch den Bürgerinnen der Staaten zugesprochen wurden – und somit die Frau zunächst von den Menschenrechten ausgenommen war und erst im Laufe der weiteren Entwicklung auf alle StaatsbürgerInnen ausgedehnt wurde.
In Deutschland fanden die Menschenrechte in der Weimarer Verfassung ihren Raum – blieben aber aufgrund des Artikel 48 verletzlich, der es dem Reichspräsidenten ermöglichte, die Menschenrechte im Falle eines Notstandes außer Kraft zu setzen. Diese Verletzlichkeit war es, die schlussendlich mit der Konstruktion eines nationalen Notstandes 1933 den Weg in das nationalsozialistische System der Entrechtung öffnete.[5]
Vor allem dieser Verlauf der Geschichte gab die Intention dafür, dass 1948 mit der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte durch die UN dritte Phase der Entwicklung eingeleitet wurde. Die Menschrechte gelten nun als international und somit für alle Menschen dieser Welt grundlegend. Mithin problematisch bleibt die Durchsetzung dieses Anspruches für alle – auch mit der Gründung internationaler Institutionen wie des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (1954) und des Strafgerichtshofes für Kriegsverbrecher in Den Haag (1993) bleiben die Menschrechte – bzw. deren tatsächliche Durchsetzung und Einklagbarkeit – nur einem kleinen Teil der Weltbevölkerung vorbehalten. Die Menschenrechte als Rechte aller bleibt ein Ziel, das noch längst nicht erreicht ist.
Kennzeichnend für diese (jetzige) dritte Phase bleibt insofern die Weiterentwicklung und die begonnene Differenzierung und Spezifikation (z.B. Rechte des Kindes, der Frauen etc.).[6]
1.2. Menschenwürde – Definitionsversuch
Die Verbindung der Begriffe Menschenrechte und Menschenwürde findet sich bereits im ersten Absatz der Präambel der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“:
„ Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet…“[7]
Grundlegende Funktion der Menschenrechte ist der Schutz der jedem Menschen angeborenen Menschenwürde. Worin eben diese Würde besteht und wodurch sie sich im Menschen ergibt – dazu gibt es verschiedene Anschauungen. Mührel und Röh versuchen dieses Thema zum einen durch die Wortentstehung und zum anderen durch das Betrachten heteoronomischer und autonomischer Konzepte zu erschließen.[8]
Dem Wortsinn nach bezeichnet der Begriff Würde in der lateinischen Form (dignitas) den Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Demnach bezieht sich die Würde dann auf die Wertigkeit des Menschen, die diesem aufgrund seiner Stellung der Gesellschaft von ebenjener zugeschrieben wird. Ähnlich ließe sich dann hier auch die deutsche Ableitung des Begriffes Würde aus den Begriffen wirti bzw. wirde vom Adjektiv Wert verstehen.
Gleichzeitig bezeichnet das lat. dignitas aber auch den inneren Wert eines Menschen – der mit der äußeren Wertzuschreibung in sich nicht zusammenhängt, sondern dem Menschen aufgrund seines Menschseins gegeben ist.
Heteoronomische Konzepte gehen davon aus, dass dem Menschen die Würde durch äußeres gegeben ist – Beispiel hierfür ist das christliche Menschenbild. Dadurch, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf und ihm die Freiheit gab, sein Leben (nach Regeln christlichen Glaubens) zu gestalten, hat Mensch die Fähigkeit – aber auch die Verantwortung – sein Leben im Dialog mit seinen Mitmenschen und Gott verantwortlich zu gestalten.
Autonomische Konzepte gehen davon aus, das dem Menschen aus sich selbst heraus bestimmt ist und somit auch nur aus sich selbst heraus handelt und – so er mit Vernunft handeln will – auch den anderen Menschen als Wesen der eigenen Art ebenbürtig als aus sich selbst heraus handelnd anerkennen muss – und zwar aufgrund seines Menschseins. Die Würde bestimmt sich „…in der Fähigkeit, sich selbst gegebenen und gleichzeitig allgemeinen Gesetzen unterwerfen zu können. Der Mensch kann sich in Freiheit selbst (auto) in das allgemein Gesetzliche (nomos) einbinden.“.[9]
Nimmt man die Entwicklung der Menschenrechte als gesellschaftlichen, diskursiven Prozess, so ergibt sich mithin aus den Menschenrechten selbst, was Menschenwürde ist (und sie – dem Anspruch der Menschenrechte nach - somit auch jedem Menschen aufgrund seines Menscheseins zusteht) und definiert zum anderen auch, wodurch der Mensch in seiner Würde verletzt wird.
[...]
[1] vgl. Staub – Bernasconi (2007), S. 200 f.
[2] vgl. Mührel / Röh (2008), S. 48 f.; ähnlich auch: Fritzsche (2004), S. 26
[3] vgl. Mührel / Röh (2008), S. 48
[4] vgl. Fritzsche (2004), S 29
[5] ebd. S. 36
[6] vgl. Mürel / Röh (2008), S. 49
[7] http://www.unric.org/index.php?option=com_content&task=view&id=105&Itemid=146 Datum Zugriff: 25.07.09, 13:25 Uhr
[8] vgl. Mührel / Röh (2008), S.51 ff.
[9] nach Kant, zit. in: . Mührel / Röh (2008), S. 55