Altruistic Punishment

Zwischen Rational Choice und dem normativen Ansatz


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
I.1. Das Problem öffentlicher Güter nach Hartmut Esser
I.2. und nach Thomas Hobbes

II. Konflikt oder Kooperation – die Spieltheorie
II.1. Robert Axelrod und der Schatten der Zukunft
Exkurs: Das Gefangenendilemma
II.1.1. Das Tournier
II.1.2 TIT FOR TAT
II.1.3. Kritik an Axelrods Modell
II.2 Kooperation durch Kultur – Schellings Fokalpunkte

III. Der normative Ansatz
III.1 Jon Elster und die Autonomie einer Norm
III.2 Normen versus Rationalität
III.3. Normen und Eigeninteresse

IV. Das Verhältnis von Normen und Eigeninteresse
IV.1. Altruistisches Bestrafen
IV.1.1. Das Experiment
IV.1.2 Das Ergebnis

V. Fazit

VI. Literatur

I. Einleitung

In der Abschlusskonferenz der zweiten Weltmenschenrechtskonvention im Juni 1993 in Wien bekannten sich die versammelten 171 Staaten einmütig zu ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen. Dies ist in den meisten Fällen leider ein Lippenbekenntnis geblieben.

Wieso? Weil man einen potenten Weltgerichtshof benötigt, der die Staaten gegebenenfalls zu ihrem „Glück“ zwingen kann? Die Etablierung eines derart machtvollen Apparates halte ich für utopisch um nicht zu sagen gefährlich.

Meines Erachtens könnte er sich aber als unnötig erweisen, da die Staaten selbst sich – unter bestimmten Voraussetzungen – zur Durchsetzung der von ihnen ratifizierten Menschenrechte anspornen können. Es handelt sich dabei um ein Grundproblem, das in der soziologischen Theorie schon vielfach behandelt wurde: Das Problem öffentlicher Güter erster Ordnung. Es bedeutet, dass alle davon profitieren, wenn alle sich für ein überindividuelles Gut engagieren. Das Problem ist: Derjenige profitiert am meisten, der sich nicht für das gemeinschaftliche Gut engagiert, obgleich alle anderen es tun. Wie ist dieses Problem zu lösen?

Verschiedene Soziologen haben verschiedene Wege betreten um dieser Frage nachzugehen. Exemplarisch werden für diese Arbeit die Ansätze von Robert Axelrod, Thomas C. Schelling und Jon Elster und ein von Ernst Fehr und Simon Gächter beschriebenes und durchgeführtes Experiment herangezogen und diskutiert.

Die vorliegende Arbeit soll anhand soziologischer Überlegungen nachzuvollziehen versuchen, weshalb es an der Umsetzung der Menschenrechte, zu der sich immerhin 89% der heute von der UN vollständig anerkannten souveränen Staaten bekannt hapert, ob es für ihre Umsetzung wirklich einer übergeordneten Zentralmacht bedarf, oder ob es nicht auch einen anderen Weg geben könnte, wie sie ihre „Güte“ nicht nur bekennen, sondern auch realisieren könnten. Dafür wird das Verhältnis von strategischem und normengeleitetem Handeln individueller Akteure anhand verschiedener Ansätze diskutiert und schließlich das Ergebnis auf die Ausgangsfrage übertragen.

I.1. Das Problem öffentlicher Güter nach Hartmut Esser…

Spielfigur meiner Überlegungen ist zunächst der homo oeconomicu s, ein fiktiver Typ, der vorwiegend in der ökonomischen Handlungstheorie zur Geltung gelangt. Er weiß über seine Interessen und seine Ressourcen genau bescheid, und auch darüber, wie er seine Ressourcen am besten einsetzen kann, um seine Interessen zu befriedigen. Thomas Hobbes (1588-1679) hat den Naturzustand des Menschen als „Krieg aller gegen alle“ bezeichnet. Er malte damit als Ausgangsszenario den worst case: Jeder versucht sich jedem zu bemächtigen, jeder hindert jeden daran. Wir stehen vor einem Problem öffentlicher Ordnung höchster Güte.[1]

Und auch heute noch wird die selbe Kerbe gern genutzt. Hartmut Esser, Soziologieprofessor an der Uni Mannheim schreibt in seinem Buch Soziologie. Band 3. Soziales Handeln: „Beziehungen zwischen den Menschen entstehen [...] nur indirekt – über die Ressourcen in der Situation. Für den Menschen „an sich“ interessiert sich kein Schwein. Glauben Sie das ruhig! Es ist, leider, so. Auch die Liebe richtet sich ja nicht auf jedermann oder jedefrau und ist [...] nicht bedingungslos. Das schon gar nicht.“[2]

I.2. ...und nach Thomas Hobbes

Thomas Hobbes (1588-1679) hat den Naturzustand des Menschen als Krieg aller gegen alle definiert. Seine Konfliktlösungsstrategie bestand darin, einen allmächtigen Staat, den Leviathan, zu etablieren, dem die Bürger die totale Herrschaft übertragen, und der das Leben der Menschen miteinander koordiniert, indem er diese ganzen egoistischen Kriegstreiber zur Kooperation zwingt.

Das Problem ist: ein rein aus Eigeninteresse handelnder Akteur wird sich nie irgendeiner Autorität unterwerfen. Wie kann es also unter einer derartig unkooperativen Ausgangssituation wie dem von Hobbes beschriebenen Naturzustand des Menschen zu einem Miteinander kommen? Wie kann das Problem öffentlicher Güter gelöst werden?

II. Konflikt oder Kooperation – die Spieltheorie

II.1. Robert Axelrod und der Schatten der Zukunft

Der Frage nach Kooperation unter schwierigen Bedingungen, i.e. zwischen lauter selbstsüchtigen, strategisch denkenden, über Leichen gehenden Egoisten ohne übergeordneten Leviathan ist auch Robert Axelrod in seinem Buch „Die Evolution der Kooperation“ nachgegangen. Axelrod ist US-amerikanischer Politologe und Vertreter der rational choice Theorie.

Er hat das Hobbessche Problem für moderne Verhältnisse neu, d.h. ohne zentralen Herrschaftsstab als Lösungsmodell, formuliert, mit der Begründung, dass die Staaten heute ohne eine zentrale Kontrollinstanz miteinander umgehen.[3] „Deshalb sind die Bedingungen für die Entsteheung von Kooperation bedeutsam für viele zentrale Fragen internationaler Politik.“[4]

Grundproblem ist dabei, wie oben erwähnt, das Problem öffentlicher Güter, wenn also derjenige am meisten profitiert, wenn er sich nicht für die Gemeinschaft engagiert, obgleich alle anderen es tun. In einer Welt voller Egoisten wird sich daher niemand für die Gemeinschaft engagieren. Daraus ergibt sich ein weiteres Grundproblem - nämlich wenn die Verfolgung eigener Interessen durch jeden einzelnen zu einem schlechteren Ergebnis für alle zusammen führt. Ein berühmt gewordenes, anschauliches Modell für dieses Problem ist das Gefangenendilemma, das in den Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Merril Flood und Melvin Dresher entwickelt wurde.

Exkurs: Das Gefangenendilemma

Das Gefangenendilemma dient als Beispiel um das oben angesprochene Grundproblem zu veranschaulichen.

Zwei Menschen geraten in Gefangenschaft. Ihnen wird freigestellt, ob sie aussagen oder die Aussage verweigern. Wenn beide aussagen, müssen beide eine mittlere Haftstrafe verbüßen. Verweigern beide die Aussage, müssen sie immerhin noch eine kurze Zeit in Haft absitzen. Sagt einer aus, der andere aber nicht, so wird der Singvogel freigelassen, der andere bleibt dafür für lange Zeit hinter Gittern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A: Aussagen

V: Aussage verweigern

0: Freiheit

1: kurze Haftstrafe
2: mittlere Haftstrafe
3: lange Haftstrafe

Der Gefangene a wird vor die Entscheidung gestellt auszusagen oder die Aussage zu verweigern. Er überlegt. Falls b aussagt, lohnt es sich für a ebenfalls auszusagen, um sich die lange Haftstrafe zu ersparen. Falls b aber die Aussage verweigert, lohnt sich für a noch viel mehr auszusagen, denn er wird freigelassen. Rein aus Eigeninteresse handelnde Akteure werden also in jedem Fall aussagen. Also werden wohl beide gestehen und beide zu einer mittleren Haftstrafe verdonnert werden, obgleich es für beide sinnvoller wäre, die Aussage zu verweigern und nur für kurze Zeit hinter Gitter zu kommen.

[...]


[1] Das klingt nicht sehr romantisch, hat aber seine Vorteile. Wer nämlich diese derartig kompromisslos gedachten Egoschweine dazu bringt zu kooperieren, der hat die Lösung wohl gefunden.

[2] Hartmut Esser: Soziologie, Band 3, Soziales Handeln. Frankfurt am Main 2000. S. 4.

[3] Robert Axelrod: Die Evolution der Kooperation. München 1991. S. 3.

[4] ebd.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Altruistic Punishment
Untertitel
Zwischen Rational Choice und dem normativen Ansatz
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Kultur, Handeln, Interaktionen
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V153391
ISBN (eBook)
9783640655762
ISBN (Buch)
9783640655984
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Altruistic Punishment, rational choice, Handlungstheorien, normativer Ansatz
Arbeit zitieren
Marion Lichti (Autor:in), 2008, Altruistic Punishment, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153391

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