Mädchen in der Sprayerkultur?


Seminararbeit, 2005

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe


1. Vorwort

Graffiti wird grundsätzlich zunächst, aufgrund der Historie, als eine andere Form der Kommunikation, des „Sich-Mitteilens“ interpretiert. Bei der Bezeichnung Graffiti mag wohl kaum noch jemand an die ursprüngliche Mitteilung in Form von Wandmalereien und in Stein geritzte Inschriften denken, die einst den Anfang und Ursprung des Graffitis darstellten. Diese sind bereits aus dem Altertum bekannt und haben dafür gesorgt das Archäologen und Wissenschaftler vieles über unsere Vorfahren in Erfahrung bringen konnten. Ich möchte die Graffiti- Bilder an Häusermauern nun gleichzeitig als Medien und Botschaften interpretieren. Von besonderer Bedeutung bei dieser Art des Mediums ist der öffentliche Raum, in dem die Botschaften angebracht werden. Graffiti- Bilder sind im öffentlichen Raum an sich verboten, illegitim. Dennoch findet man sie immer wieder an Häuserwänden oder anderem öffentlichen Eigentum vor. Vordergründig wird diese Art des Sich- Mitteilens als Vandalismus und lästige Schmiererei abgetan, erscheint als eine Störung des allgemein ästhetischen Empfindens – insbesondere dann, wenn es sich um politische oder gesellschaftliche Meinungsäußerungen in Form von Worten oder Zeichen handelt. Der Frage ob Graffiti Kunst oder Nicht-Kunst ist, möchte ich allerdings in dieser Arbeit nicht nachgehen, feststeht: Graffiti ist Kommunikation. Betrachtet man Vorgänge im öffentlichen Raum, sind besonders geschlechtsspezifische Umstände zu betrachten. Raum und Geschlecht sind zwei Faktoren, die untrennbar miteinander verbunden scheinen. Meine vorläufigen Arbeitshypothesen hierbei sind, dass die Graffiti- Subkultur vor allem männlich dominiert ist, da diese eine geringere Hemmschwelle (trotz Illegalität) haben sich im öffentlichen Raum zu artikulieren. Darüber hinaus werden in den Botschaften selbst häufig sexuelle Inhalte artikuliert. Folglich ist das Medium Graffiti auch Austragungsort geschlechtsspezifischer Konflikte junger Menschen um den öffentlichen Raum. Auf die Idee zu dieser Seminararbeit kam ich durch einen längeren Aufenthalt in Berlin, dem Sprayer- Eldorado im deutschsprachigen Raum.

2. Was ist Graffiti?

Ursprünglich aus dem Griechischem stammend wurde unter dem italienischem „Sgraffito“ eine spezielle Kratzputztechnik zur Fassadengestaltung verstanden. In den meisten Sprachen, auch im Deutschen, werden inzwischen umgangssprachlich einzelne Wandbilder als Graffitis bezeichnet. Durch den allgemeinen Sprachgebrauch ist eine kaum noch zu überschauende Bedeutungsvielfalt des Wortes entstanden. Jeder hat seine Vorstellung davon und fast jeder eine andere.[1] Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es sich um visuell wahrnehmbare Elemente handelt, die ungefragt und meist anonym, von Einzelpersonen oder Kleingruppen auf fremden oder in öffentlicher Verwaltung stehenden Oberflächen angebracht werden. Geht man von der technischen Ausführung aus, gibt es hauptsächlich drei Varianten der Graffitiproduktion. Beimauftragenden Verfahrenwird die Oberflächenmodifikation durch Hinzufügen von Farbe erreicht. Dies ist das häufigste Verfahren, wobei die Hilfsmittel zur Gestaltung von Schreibgeräten wie Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift bis hin zur Spraydose reichen. Dieses Verfahren stellt gleichzeitig den Schwerpunkt dieser Seminararbeit dar. Beimkomprimierenden Verfahrenjedoch bleibt die Substanz gleich, die Oberfläche wird modifiziert, indem Stellen verdichtet oder verdrängt werden. Beispiele hierfür sind Spuren in Sand, Schnee, Beton oder Modifizierung durch Pressen und Stanzen. Beim abtragenden Verfahrenkommt es durch Kratzen, Schnitzen oder Bohren zu einer Veränderung in der Oberflächenstruktur.[2] Die Betonung der verschiedenen Erscheinungsformen ist wichtig, weil oft unterschiedliche Assoziationen mit dem Begriff verbunden sind und eine Vernachlässigung der Differenzierung zu Verständigungsschwierigkeiten führt.

2.1. Unterschiedliche Typen von Wandmalerei

2.1.1. Wandzeichnungen

Wandzeichnungen sind die archaischste Form des Graffitis. Ihr Ursprung geht bis auf die Höhlenmalerei zurück.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wandzeichnung von Axel Mazurka[3]

2.1.2. Kratz- Graffitis

Kratz- Graffti gehören ebenfalls zu den Graffitis mit der längsten Tradition. Sie finden sich bis weit in prähistorische Zeiten zurück. Mit einem harten Gegenstand wird dabei die Zeichnung oder die Schrift in den weichen Stein oder Putz eingekratzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kratz- Graffiti in U- Bahn[4]

2.1.3. Murals

Murals sind alle größerformatigen Wandbilder. Es spiel keine Rolle, ob das Wandbild gemalt oder gesprüht wird. Pieces, Tags und Wandzeichnungen sind keine Murals. Diese Form der Wandkunst fand, oft gebunden an politische Botschaften, insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren Anklang. Diese Künstler verwenden den Pinsel dazu ihre Graffitis anzubringen. Murals gelten als Vorläufer des Writings.

2.1.4. Writing

Der Begriff Writer war zunächst Bezeichnung für die Sprayer, die in New York Ende der sechziger Jahre Signaturengraffiti schrieben. Später wurde er auch für die Urheber größerer Schriftbilder (pieces) übernommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Wild-style Masterpiece[5]

Writing[6] ist eine Richtung, bei der die Gestaltung von Buchstaben im Mittelpunkt steht. Die Bilder werden auf Wände, Züge und Straßenbahnen gemalt. Writer malen unter einem Pseudonym, das Basis ihrer Sprühbilder ist. Ziel ist es, im Laufe einer Sprüherkarriere den Namen zu verbreiten und so bekannt wie möglich zu machen (getting up). Writer stehen weltweit in enger Kommunikation und bilden eine relativ homogene Gruppe, die so genannte Writer- Szene. Die Writer haben im Laufe der Zeit eine eigene Sprache entwickelt. Die Begriffe stammen größtenteils aus dem Englischen und werden weltweit verstanden. Da das illegale Malen oft gefährlich sein kann, schließen sich Writer in Gruppen (possen, crews) zusammen. Die „Watchmen“ übernehmen bei einer „Action“ dann das Schmierestehen während die anderen sprühen können. Dabei handelt es sich zumeist um AnfängerInnen (toys), die hierarchisch unter erfahrenen (oldschool-) SprayerInnen stehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Zug-Action[7]

Das so genannte Blackbook- ein Buch, in das sie Vorskizzen (sketches) und Fotos ihrer Graffitis kleben- dient den Writern zur Dokumentation und als Diskussionsgrundlage bei Sprayertreffen.

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Abbildung 5: Sketch von „Farbe“[8]

1972 malte ein Writer namens „Superkool“ das erste Piece in New York. Die Konkurrenz zwischen den Sprayern führte zu immer neuen Ideen und bald waren Graffitis an den ungewöhnlichsten Orten zu sehen. Dabei entstanden unterschiedliche Stile, die sich in zwei Hauptgruppen einteilen lassen: Zum einen der simple-style, bei dem die Buchstaben gerade Formen aufweisen und zum anderen der wild-style, welcher die Buchstaben mit vielen Schnörkeln und Pfeilen ausstattet und oft nur schwer zu entziffern ist.[9]

Verbindungen zwischen der Writerszene und anderen Sprühern und Wandzeichnern bestehen kaum. Die andersartigen Graffitis genießen kaum Wertschätzung in der Writerszene.

2.1.4.1. Taggen

Im Zusammenhang mit Graffiti werden als Tag einfarbige, graphisch gestaltete Signaturen- Graffiti bezeichnet. Das Tag ist aus der Tradition der Erinnerungs- Graffiti entstanden. Es gibt Tags seit Ende der fünfziger Jahre in vielen städtischen Metropolen der Welt. Tags waren nie ein New York spezifisches Phänomen und stammen auch nicht von dort. Um 1968 aber nahm in New York das Taggen Bewegungscharakter an. Der erste bekannte Tagger war „Taki183“, der durch ein Zeitungsinterview zahlreiche Jugendliche dazu animierte es ihm gleichzutun.

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Abbildung 6: Tag von Taki 183[10]

Damals bestanden Tags (oder Hits) meist aus dem Vornamen des Sprayers und dem Namen der Straße, in der der Tagger wohnte. Aus dem Tag entwickelte sich nach und nach durch immer großflächigere und farbigere Ausgestaltung das Piece.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: GOB- Piece auf Zug von BOLT[11]

Tags sind oft stark stilisiert und für den/die ungeübte LeserIn schwer dechiffrierbar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Water Wegs[12]

Sie sind die häufigste Form des Graffitis und aus dem Stadtbild der Metropolen nicht mehr wegzudenken.

2.1.5. Pochoir

Die Schablonentechnik wurde Anfang der 1980er Jahre von dem Franzosen Xavier Prou, alias Blek Le Rat[13] für die Street- Art entdeckt. Seine Schablonen- Graffiti (französisch: Pochoirs) riefen- zunächst in Paris, dann in ganz Frankreich- eine regelrechte Pochoir- Bewegung ins Leben. Sein Pseudonym ist eine Hommage an einen Comic Helden der 1960er Jahre (Blek le Rock). Seine eigentliche Pionierleistung besteht in der Entwicklung des Pochoir. 1981 verwendete er als erster die Schablonentechnik für Kunst im öffentlichen Raum. Seine ersten Motive waren vor allem Ratten, später lebensgroße Figuren als Zitate klassischer Motive berühmter Maler. [14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Pochoir von Blek le Rat[15]

Von Frankreich ausgehend breitete sich das Pochoir in ganz Europa aus. Die wohl bedeutendste Gruppe von PochoiristInnen ist Nice Art. Nice Art leben und arbeiten in Paris. Die ersten Graffitis machten sie 1986 in Paris und erweiterten dann schnell ihren Wirkungskreis. Sie sehen Pochoir als Möglichkeit, sich selbst Ausdruck zu verleihen, sich selbst außerhalb von Normen zu präsentieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Pochoir der Gruppe Nice Art[16]

Der im deutschsprachigen Raum bekannteste Pochoirist ist wohl Thomas Baumgärtel, alias der Bananensprayer. Seine Bananen sind an Stätten zu finden, an denen aktuelle Kunst gezeigt wird, wie zum Beispiel Galerien und Museen. Dies soll der Vernetzung von Kunstorten dienen. Als Material für die Schablonen werden Kartons verschiedener Stärken verwendet. Je dicker der Karton ist, desto öfter kann die Schablone gebraucht werden ohne durchzuweichen, desto schwerer ist sie aber gleichzeitig zu bearbeiten. Für jede einzelne Farbe eines Schablonen- Graffiti muss eine eigene Schablone gemacht werden. Die Stellen, welche beim Bild später farbig sein sollen, werden mit einem Teppichschneider ausgeschnitten.

[...]


[1] Vergleich: J. Stahl, An der Wand- Graffiti zwischen Anarchie und Galerie, Köln, 1989

[2] Vergleich: N., Siegl, Graffiti- Enzyklopädie- Von Kyselak bis HipHop-Jam, Wien, 2000

[3] Bildquelle: B. van Treeck, S. Matze- Prou, Pochoir- Die Kunst des Schablonengraffiti, Köln, 2000, Seite 39

[4] Bildquelle: http://www.aquasun.de/Bilder/Scratch4_1.jpg am 13.12.2004

[5] Bildquelle: http://www.artistz.de/ am 17.12. 2004

[6] Vergleich: B. van Treeck, M. Todt, Hall of Fame, Moers, 1995, Graffiti Live- Die Züge gehören uns, München, 1987 und C. Castleman, Getting up- Subway Graffiti aus New York, Cambridge, 1982

[7] Bildquelle: Blackbook Emas

[8] Bildquelle: Blackbook Farbe

[9] Vergleich: V., Hess, Extrem- Jugend und Schülermagazin, Mannheim, 1998

[10] Bildquelle: http://www.tagpage.com/tag_page/images2/6-14-00_taki.jpg am 17.12.2004

[11] Bildquelle: Blackbook Bolt

[12] Bildquelle: http://www.artistz.de/ am 17.12.2004

[13] Vergleich: http://blekmyvibe.free.fr/pages%20html/manifestinhalt.html am 18.11.2004

[14] Vergleich: E., Gamazo, Graffiti Art-Pochoirs politique, La Tor d’ Aigues, 1992 und B. van Treeck, Street Art Köln- legale und illegale Kunst im Stadtbild, Moers, 1996

[15] Bildquelle: http://images.google.at/imgres?imgurl=http://blekmyvibe.free.fr/Images/librarybynight.jpg&imgrefurl=http://ble kmyvibe.free.fr/pages%2520html/bergerdenuit.html&h=511&w=768&sz=40&tbnid=bup3cwF_PrsJ:&tbnh=93 &tbnw=139&start=2&prev=/images%3Fq%3Dstencil%2Ble%2Brat%26hl%3Dde%26lr%3D am 21.12.2004

[16] Bildquelle: http://decobed.club.fr/Nice-Art1.html am 21.12.2004

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Mädchen in der Sprayerkultur?
Hochschule
Universität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
31
Katalognummer
V153875
ISBN (eBook)
9783640663200
ISBN (Buch)
9783640663125
Dateigröße
1521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Graffiti, Gender, Writer, Sprayen, Abweichendes Verhalten, Randkulturen
Arbeit zitieren
Mag.a Lena Rheindorf (Autor:in), 2005, Mädchen in der Sprayerkultur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153875

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