Die allgemeine Definition für Mystik laut dem Duden ist: Eine Form der Religiosität, religiöse Anschauung, bei der durch Versenkung, Hingabe, Askese o.ä. eine persönliche, erfahrbare Verbindung mit der Gottheit, mit dem Göttlichen bis zu einer ekstatischen Vereinigung gesucht wird.
Das Wort Mystik bezeichnet also die unmittelbare Gotteserfahrung und im höchsten Sinne
ein Leben aus solcher Gotteserfahrung. Echte mystische Erfahrung erfasst Gott als den einen Geist und als letzte Wirklichkeit; sie ist also auch metaphysische Erfahrung.
Die Möglichkeit mystischer Erfahrung ist somit in jeder monotheistischen Religion gegeben, aber auch in denen, die über eine Vielzahl von Göttern hinweg den einen Geist oder den Dreieinigen bekennen. Ein Leben aus der Erfahrung des einen Geistes bedeutet eine Vergeistigung des Materiellen, eine Umwandlung, die im Reich der Natur nicht ihresgleichen hat. Umwandlung bedarf einer Kraft und der Sichwandelnde eines Vorbildes. Die seelische Kraft der Umwandlung ist die Liebe; das allein zur Umwandlung verhelfende Vorbild ist Gott der Geist, der Mensch wurde. Das Christentum allein hat beides: den Gott, der zum Menschen wurde, und seine umwandelnde Kraft, die Liebe, die den Menschen zu Gott, in ein „vergottetes“ Leben erhebt.
Christliche Mystik ist somit die vollkommene Mystik. Die Möglichkeit eines mystischen Lebens bis zur Vollkommenheit ist zu jeder Zeit und in jedem Lande innerhalb des Christentums gegeben, die neue Geburt, die Gottwerdung des Menschen mit der Menschwerdung Gottes. Christliche Mystik, bestimmt durch die nachahmende, umwandelnde, gotteigene Kraft der Liebe ist wesentlich Liebesmystik. Im Gegensatz zu ihr steht eine Erkenntnismystik, deren Gotterfahrung vereinzelt und nicht umwandelnd ist und überwiegend das Erkenntnisvermögen berührt, Geist dem Geist. Neuplatonische Überlieferung hat auch in christlichen Zeiten die Bereitschaft für erkenntnismystische Gotteserfahrung geweckt oder verstärkt.
Spanische Mystik ist Liebesmystik reinster Prägung, die zwar eine noëtische Gotteserfahrung keineswegs ausschließt, aber sich niemals zu ihr vereinseitigt. Liebesmystik bedingt den Primat des Ethischen, der für Spanien von je kennzeichnend war.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Spiritualität im Siglo de Oro
- 1. Das Siglo de Oro
- 2. Judentum, Islam und Christentum im Spanien des Siglo de Oro
- 3. Mystisch-asketische Prosa
- 4. Symbolik in der Mystik
- II. Spanische Mystiker des Siglo de Oro
- 1. Santa Teresa de Jesús
- 2. San Juan de la Cruz
- 3. Fray Luis de León
- 4. Fray Luis de Granada
- III. Die Mystik des Judentums
- 1. Die Geschichte der jüdischen Mystik
- 2. Die Mystik im Judentum
- 3. Problem der einheitlichen Definition von Mystik
- 4. Die Kabbala
- 5. Mittelalterliche rabbinische Literatur
- 6. Der Sohar
- 7. San Jan de la Cruz und die Kabbala
- 8. Santa Teresa de Jesús und die Kabbala
- IV. Die Mystik des Islam
- 1. Der Koran
- 2. Islamische Mystik und Sufismus
- 3. Die islamische Literatur im Mittelalter
- 4. San Juan de la Cruz und der Islam
- 5. San Juan de la Cruz und die Shadhilite Schule
- V. Symbolik bei San Juan de la Cruz und Santa Teresa de Jesús
- 1. Das Motiv des Wassers
- 2. Das Motiv der inneren Burg
- 3. Das Motiv des Lichtes
- 4. Das Motiv des Tages und der Nacht
- 5. Das Motiv des Spiegels, der Raupe, der Nuss und des Baumes
- 6. Das Motiv der Braut und des Bräutigams
- 7. Das Motiv der Jagd
- 8. Das Motiv des Knotens
- 9. Das Motiv des Weines
- 10. Das Motiv des Seils
- 11. Das Motiv der Durchbohrung
- 12. Das Motiv der Taube
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Intertextualität zwischen jüdischer und islamischer Mystik in der spanischen Mystik des Siglo de Oro. Sie analysiert die Einflüsse dieser beiden Traditionen auf die Werke von spanischen Mystikern wie Santa Teresa de Jesús und San Juan de la Cruz. Dabei wird untersucht, wie die Mystiker diese Einflüsse in ihren Schriften verarbeitet haben und welche Rolle sie in der Entwicklung der spanischen Mystik spielten.
- Einflüsse jüdischer und islamischer Mystik auf die spanische Mystik
- Bedeutung von Symbolen und Motiven in der spanischen Mystik
- Die Rolle der Liebe in der spanischen Mystik
- Die Gotteserfahrung in der spanischen Mystik
- Intertextuelle Beziehungen zwischen spanischen Mystikern und jüdischen und islamischen Texten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der mystischen Erfahrung und ihrer Bedeutung in monotheistischen Religionen ein. Die ersten Kapitel erläutern den historischen Kontext des Siglo de Oro und die Bedeutung des Judentums, Islams und Christentums in Spanien. Es folgt eine detaillierte Beschreibung der zentralen Werke und Figuren der spanischen Mystik, insbesondere Santa Teresa de Jesús und San Juan de la Cruz.
Anschließend werden die Grundlagen der jüdischen und islamischen Mystik beleuchtet, einschließlich der Kabbala und des Sufismus. Die einzelnen Kapitel untersuchen die Symbolik in der Mystik und beleuchten die wichtigsten Motive, die in den Werken der spanischen Mystiker vorkommen.
Schlüsselwörter
Spanische Mystik, Siglo de Oro, Judentum, Islam, Christentum, Intertextualität, Kabbala, Sufismus, Santa Teresa de Jesús, San Juan de la Cruz, Symbolismus, Gotteserfahrung, Liebe, Erkenntnis, Mystik, Religiosität, Askese, Visionen, Ekstasen, Delirien, unio mystica, Transverberation.
- Citar trabajo
- Oliver Kneip (Autor), 2005, Jüdische und islamische Intertextualität in der spanischen Mystik des Siglo de Oro, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154084