Der Zugang von Frauen zum Heer aus innerstaatlicher und europarechtlicher Sicht


Diplomarbeit, 2001

154 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Teil A: Allgemeines zum Thema Frauen in den Streitkräften
I. Ein kurzer historischer Rückblick
II. Soziologische Hintergründe zum Verhältnis von Militär und Geschlecht
III. Die gegenwärtige Situation

Teil B: Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen
I. Die CEDAW
II. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Gleichheit
1. Der Gleichheitssatz
1.1 Historische Entwicklung
1.2 Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz
2. Gleichheitssatz und Gleichbehandlung der Geschlechter
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Die Judikatur des VfGH
2.3 Kritik an der Judikatur des VfGH
2.4 Die Änderung des Art 7 B-VG 1998

Teil C: Der Zugang von Frauen zum Heer aus innerstaatlicher Sicht
I. Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer (GAFB) 1998
1. Rechtsquellen zum Ausschluß von Frauen vom Wehrdienst
Art 9a B-VG
Das Wehrgesetz 1990
2. Rechtsprechung: Das Erkenntnis des VfGH vom 10.2.1991, B 365/89
2.1 Sachverhalt
2.2 Die Entscheidung des VfGH
2.3 Die Bedeutung dieses Erkenntnisses
II. Das Gesetz über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer (GAFB) BGBl 30/
1. Die Entstehungsgeschichte des GAFB
2. Beweggründe und Ziele des Gesetzgebers
3. Die Änderung des Art 9a B-VG
4. DieÄnderung des Wehrgesetzes 1990
4.1 Der 6. Abschnitt („Wehrdienst für Frauen“)
4.1.1 Regelungen zum Ausbildungsdienst
4.1.2 Ermöglichung einer Nachhollaufbahn
5. Sonstige Änderungen im Wehrrecht
6. Weitere Novellierungen
III. Die Ermöglichung eines Milizdienstes für Frauen durch die Novelle zum Wehrgesetz 2000, BGBl I 140/2000
1. Schaffung einer Milizdienstlaufbahn für Frauen
2. Weitere Modifizierungen im 6. Abschnitt des WG 1990
IV. Die erste Evaluierung der Dienstleistungen von Frauen im Heer
1. Die jährlichen Berichte des Bundesministers für Landesverteidigung über die Dienstleistungen der Frauen im Bundesheer
1.1 Der Bericht über die Dienstleistungen der Frauen im Bundesheer 1998
1.2 Der Bericht über die Dienstleistungen der Frauen im Bundesheer 1999
1.3 Der Bericht über die Dienstleistungen der Frauen im Bundesheer 2000
2. Zwischenbilanz

Teil D: Der Zugang von Frauen zum Heer aus europarechtlicher Sicht
I. Die Rechtsordnung der EG und ihr Einfluß auf innerstaatliches Recht
1. Die Rechtsnatur von EU und EG
2. Das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht
3. Quellen des Gemeinschaftsrechts und ihre Anwendung im nationalen Recht
3.1 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
3.2 Primäres Gemeinschaftsrecht
3.3 Sekundäres Gemeinschaftsrecht
3.3.1 Verordnungen
3.3.2 Richtlinien
3.3.3 Sonstige Rechtsakte
4. Grundrechte im Gemeinschaftsrecht
4.1 Grundrechte in den Gemeinschaftsverträgen
4.2 Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundrechten
4.3 Die EU-Charta der Grundrechte
II. Relevante Rechtsquellen im Gemeinschaftsrecht
1. Primärrecht
1.1 Art 141 (ex Art 119) EGV
2. Sekundärrecht
2.1 Die RL 76/207/EWG
2.2 Art 2 Abs 1: Der Grundsatz der Gleichbehandlung
2.3 Der Anwendungsbereich der Richtlinie
2.4 Die Ausnahmen des Art 2 Abs 2 bis 4 und ihr Verhältnis zum Gleichbehandlungsgrundsatz
2.5 Die Auslegung des Art 2 Abs 2
2.5.1 Das Urteil Johnston
2.5.2 Weitere Judikatur zu Art 2 Abs 2
2.6 Die Auslegung des Art 2 Abs 3
III. Die Urteile Sirdar und Kreil
1. Das Urteil des EuGH vom 26.10.1999, Rs C-273/97 (Sirdar)
1.1 Sachverhalt und nationale Rechtsgrundlagen
1.2 Die Schlußanträge des Generalanwaltes La Pergola
1.3 Die Entscheidung des EuGH
2. Das Urteil des EuGH vom 11.1.2000, Rs C-285/98 (Kreil)
2.1 Sachverhalt und nationale Rechtsgrundlagen
2.2 Die Schlußanträge des Generalanwaltes La Pergola
2.3 Die Entscheidung des EuGH
3. Anmerkungen zu den Urteilen Sirdar und Kreil
Vor allem das Urteil Kreil, nach dem der Ausschluß von Frauen vom Waffendienst in der deutschen Bundeswehr dem Gemeinschaftsrecht widersprach, rief zahlreiche Reaktionen – zum Großteil positiver Natur – hervor
3.1. Die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf Verteidigungsfragen
3.2 Zur Auslegung von Art 297 EGV
3.3 Die Anwendbarkeit der Gleichbehandlungsrichtlinie auf die beiden Sachverhalte
3.4 Die Möglichkeit der Rechtfertigung des Ausschlusses von Frauen vom Wehrdienst
3.4.1 Rechtfertigung gem Art 2 Abs 2
3.4.2 Rechtfertigung gem Art 2 Abs 3
3.4.3 Analyse einiger zur Rechtfertigung vorgebrachter Argumente

Teil E: Auswirkungen und Zukunftsaspekte
I. Bedeutung der Rechtsprechung des EuGH
II. Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH auf das Recht der Mitgliedstaaten
III. Das Problem der Wehrgerechtigkeit: Werden nun die Männer durch die allgemeine Wehrpflicht diskriminiert?

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Bereits in meiner Kindheit begann ich zu erkennen, dass ich als Frau in manchen Bereichen gegenüber Männern benachteiligt war. Daher begann ich mich schon früh für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu interessieren und einzusetzen.

Nicht als Nachteil empfand ich allerdings die Tatsache, dass ich nicht zum Ableisten des Wehrdienstes beim Bundesheer verpflichtet war. Die Argumente, mit denen ihnen der Dienst in den Streitkräften verwehrt wurden, basierten meiner Ansicht nach nämlich durchwegs auf patriarchalisch geprägten Rollenstereotypen und entbehrten jeglicher objektiver Begründung. Das Heer schien – durchaus nicht nur für Männer, sondern auch für den Großteil der Frauen – eine Männerdomäne zu sein, in der Frauen einfach nichts zu suchen hatten.

Die in großen Teilen der Bevölkerung herrschende ablehnende Haltung gegenüber einem Zugang von Frauen zum Heer bestätigt das Ergebnis einer im Juli 1997 (also unmittelbar vor der Öffnung des österreichischen Bundesheeres für Frauen, Anm d. Verf) in Deutschland durchgeführten Meinungsumfrage. Damals antworteten auf die Frage „sollen Frauen in der Bundeswehr Dienst an der Waffe leisten?“ 5 % der Befragten mit „Nein“ und nur 4 % mit „Ja“.

Generell ist dabei zu bemerken, dass die höchste Zustimmung bei Frauen unter 30 Jahren vorhanden ist, während va. Männer im mittleren Alter und darüber einer Öffnung der Streitkräfte für Frauen ablehnend gegenüber stehen.[1]

Fasziniert am Thema „Zugang von Frauen zum Heer“ hat mich vor allem die Möglichkeit, das Thema Gleichberechtigung von Männern und Frauen einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu untersuchen. Über „herkömmliche“ Gleichbehandlungsthemen wurde ja schon sehr viel geschrieben, und gerade auch die Tatsache, dass dieser Aspekt der Gleichbehandlung der Geschlechter sehr umstritten war, hat mich dazu bewogen, mich in meiner Diplomarbeit diesem Thema zu widmen.

Nach einer Einführung in den Themenbereich „Frauen in den Streitkräften“ ist die Arbeit in ihrem Hauptbereich in einen innerstaatlichen und einen europarechtlichen Teil gegliedert. Durch diese Aufspaltung möchte ich die unterschiedliche Entwicklung auf innerstaatlicher und europarechtlicher Ebene verdeutlichen. In Österreich erfolgte die Öffnung des Heeres durch den Gesetzgeber, während auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene der EuGH durch seine beiden richtungsweisenden Urteile Sirdar und Kreil als Motor der die Integration von Frauen in die nationalen Streitkräfte wirkte.

Abschließend sollen noch die Auswirkungen dieser Entwicklung dargestellt werden. Interessant ist dabei die Frage, ob als nächster Schritt die durchwegs (mit Ausnahme Israels) auf Männer beschränkte allgemeine Wehrpflicht als gleichheitswidrig angesehen werden kann.

Teil A: Allgemeines zum Thema Frauen in den Streitkräften

I. Ein kurzer historischer Rückblick

Europa ist weiblich, doch durch Jahrhunderte hindurch wurde die Geschichte Europas – von wenigen Ausnahmen abgesehen[2] – ausschließlich von Männern geschrieben.[3] Niemand dachte daran, auch Frauen am politischen Entscheidungsprozeß teilnehmen zu lassen und ihnen Gleichbehandlung einzuräumen.

Man übersieht bis heute gerne, dass auch große Philosophen wie Kant oder Rousseau unter den Begriff Staatsbürger ausschließlich Männer subsumierten.[4]

Besonders deutlich geprägt durch den Ausschluss von Frauen ist die Militärgeschichte, denn das Militär war und ist eine Herrschafts institution, die von Männern dominiert wird.[5]

Die Rolle der Frau im Krieg beschränkte sich auf Tätigkeiten als Helferin, Pflegerin oder als Rüstungsarbeiterin. Ansonsten traten Frauen in ihrer Funktion als Soldatenmutter oder Kriegerwitwe in Erscheinung. Die wenigen Frauen, die durch ihre Verdienste im Krieg Berühmtheit erlangten, verdankten diese meist keinem Kampfeinsatz, sondern einer traditionellen „Frauentätigkeit“, wie zB Florence Nightingale als Krankenschwester. Eine Ausnahme stellt die berühmte Jeanne d’Arc dar. Sie brach das Tabu des Dienstes an der Waffe. Allerdings galten für sie als Jungfrau weniger strenge Regeln, und schließlich endete sie trotz ihrer militärischen Erfolge auf dem Scheiterhaufen.[6]

Die weit verbreitete Annahme, Frauen seien von Natur aus friedfertiger[7], wurde durch ihre Tätigkeit in den Friedensbewegungen untermauert. Zahlreiche Frauen waren in den pazifistischen Bewegungen, die im 19. Jahrhundert als Ausdruck eines vermehrten Wunsches nach Frieden gegründet wurden, vertreten. So war zB die Friedenskämpferin Bertha von Suttner, die für ihr Buch „Die Waffen nieder“ 1905 als erste Frau den Nobelpreis erhielt, die Präsidentin der 1891 gegründeten „Österreichischen Gesellschaft für Friedensfreunde“. Sie versuchte allerdings nicht, die Rolle der Frau als Friedenskämpferin hervorzuheben, da sich ihrer Meinung nach beide Geschlechter gleichermaßen für den Krieg begeisterten.[8]

Obwohl Frauen um die Jahrhundertwende in den Friedensbewegungen sehr aktiv waren, durften sie an der politischen Entscheidungsfindung weiterhin keinen Anteil nehmen.

Als im Zuge der Demokratisierung der europäischen Staaten das allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde, blieb dieses den Männern vorbehalten. Man verstand das Recht zur Wahlbeteiligung nämlich als Pendant zur Pflicht, das Vaterland im Krieg zu verteidigen. Kampfeinsätze von Frauen waren jedoch weiterhin unvorstellbar. Frauen, die dieses Tabu brachen und in Kriegen kämpften, erhielten keinen Kombattantenstatus und mussten im Falle einer Gefangennahme mit ihrer sofortigen Erschießung rechnen.

Als einige Staaten nach dem Ersten Weltkrieg auch Frauen das Wahlrecht gewährten, geschah dies gewissermaßen als Abgeltung für ihre Dienste, die sie dem Vaterland im Krieg geleistet hatten. Diese Dienste hatten sich natürlich nicht auf Kampfeinsätze erstreckt, sondern sie waren in kriegsunterstützenden Bereichen wie im Sanitätsdienst - in Frankreich waren Frauen zB als Krankenschwestern und Ärztinnen im Kriegseinsatz gewesen[9] - oder in der Rüstungsindustrie erfolgt.[10]

Im Zweiten Weltkrieg kamen Frauen schließlich teilweise auch in den Kampftruppen zum Einsatz. Dies war allerdings nicht auf Kämpfe der Frauenbewegung, sondern auf den Mangel an männlichen Soldaten zurückzuführen. In der sowjetischen Roten Armee dienten im Zweiten Weltkrieg 800.000 Frauen, wobei einige von ihnen in drei Frauen-Luftwaffenregimentern extremen Gefahren ausgesetzt waren. Diese sowjetischen Soldatinnen wurden vom Nazi-Regime verächtlich als „Flintenweiber“ bezeichnet.[11].

In der deutschen Wehrmacht waren Frauen zuerst hauptsächlich im Sanitätsdienst sowie im Büro- und Verwaltungsdienst tätig. Im Laufe des Krieges wurden sie aber zunehmend auch in anderen Funktionen wie zB als „Wehrmachtshelferinnen“ im Nachrichtendienst eingesetzt. Obwohl sie dabei Uniformen trugen, galten sie – der Ideologie des Dritten Reiches entsprechend – als zivile Angestellte und hatten keinen militärischen Statuts. Auch bei den westlichen Alliierten verrichteten Frauen nicht als kämpfende Soldaten, sondern va. in sog Frauenberufen wie als Telefonistinnen oder Krankenschwestern Kriegseinsätze.

Nach dem Krieg musste der Großteil der Frauen, die in den Streitkräften gedient hatten, wieder männlichen Soldaten weichen und konnten nur jene Posten einnehmen, für die sich keine Männer fanden.[12]

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte langsam ein Prozess des Umdenkens und eine Abkehr von der traditionellen Rollenverteilung der Geschlechter ein. Zahlreiche Staaten begannen, ihre Streitkräfte für weibliche Soldaten zu öffnen. Teilweise erhielten Frauen unbeschränkten Zugang zu sämtlichen militärischen Positionen inklusive der Kampfaufgaben, teilweise wurden nur bestimmte Bereiche des Heeres für Frauen geöffnet. In Israel wurde sogar die allgemeine Wehrpflicht auch auf Frauen erstreckt.[13]

Die Integration von Frauen in die nationalen Streitkräfte verlief – wohl auch aufgrund der zahlreichen Vorurteile, die sich durch die jahrhundertelang bestehende Rollenverteilung herausgebildet haben – nicht immer friktionsfrei. Frauen und Militär – diese Kombination wird auch noch heute oft als Widerspruch angesehen.

II. Soziologische Hintergründe zum Verhältnis von Militär und Geschlecht

Obwohl in den letzten Jahrzehnten durch die schrittweise Öffnung der Streitkräfte für Frauen bereits große Fortschritte erzielt wurden, erhalten sich geschlechtsspezifische Vorurteile und Stereotypen weiterhin hartnäckig in der öffentlichen Meinung aufrecht.

So warnte der Chef des Heerespsychologischen Dienstes in Österreich, Brigadier Frise, noch im August 2001 davor, Soldatinnen für Kampfeinsätze vorzusehen. Aufgrund gewisser biologischer Voraussetzungen und durch hormonelle Einflüsse bedingt würden männliche Soldaten seiner Ansicht nach nämlich immer den Drang verspüren, Frauen beschützen zu müssen und dadurch den Kampf vergessen. Außerdem würden Männer Frauen in jeder Situation als potentielle Geschlechtspartner ansehen. Schließlich würden Soldatinnen die mystische Rolle der Frau, mit der Männer vor allem Liebe und Mütterlichkeit assoziieren, zerstören.[14]

Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht entwickelte sich das Militär zunehmend zu einer „Schule der Männlichkeit“, die in einem frauenfreien Raum die als typisch männlich angesehenen Eigenschaften wie Disziplin, Kampfgeist sowie die Kameradschaft stäken sollte. Dabei bildete sich die schubladisierende Vorstellung vom Mann als Krieger und Held und von der Frau als „Mutter der Nation“ heraus.[15]

Frauen wurden – in Abgrenzung zum kämpfenden Mann – immer wieder gerne als von Natur aus fürsorgende und friedliebende Mütter dargestellt.

Auch für den Begründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Coudenhove-Kalergi symbolisierte der Mann den Krieg und die Frau den Frieden. Deshalb sollten die Frauen der kriegerischen Dominanz der Männerwelt ihre mütterliche Menschlichkeit, ihre Friedlichkeit und Güte entgegenstellen, um so den Frieden zu gewährleisten.[16]

Bei derartigen Argumentationen spielt auch der biologische Aspekt eine Rolle. Da Frauen Leben schenken und für die Erhaltung der Menschheit zuständig sind, werden sie als friedfertiger angesehen. Bei dieser Verklärung der Frau als Mutter übersieht man gerne, dass Frauen in der Regel gar nicht die Möglichkeit hatten, über Kriege und Aufrüstung zu entscheiden, da sie von jeglicher politischer Einflussnahme ausgeschlossen waren.[17]

Weitere Argumentationen für den Ausschluss von Frauen vom Militärdienst stellen auf psychische und physische Gründe ab, also darauf, dass Frauen für den Dienst in Kampfeinheiten schlichtweg von Natur aus nicht geeignet sind. Diese Vorstellung ist heute wohl ebenso überholt wie der „ritterliche“ Schutzgedanke oder biologische Aspekte.[18]

Im Zuge von Untersuchungen in mehreren Ländern wurde festgestellt, dass bei der Integration von Frauen in die Streitkräfte darauf Bedacht genommen wird, dass sie den „Männerbund“ Militär nicht stören. Deshalb werden Frauen wenn möglich auf Randpositionen versetzt. Die Untersuchungen zeigten auch auf, dass die Einbeziehung von Frauen ins Militär bei den Männern Selbstwertprobleme verursacht. Weibliche Soldaten werden als störende Fremdkörper angesehen, die als Minderheit verstärkte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dadurch wird großer Druck auf sie ausgeübt, und die Angst vor etwaigem Versagen steigt.[19]

Aus all diesen Erfahrungen lässt sich ableiten, dass die Öffnung des Militärs für Frauen allein noch nicht ausreicht, um diesen auch gleichwertige Karrierechancen beim Heer einzuräumen. Um tatsächliche Gleichberechtigung in den Streitkräften zu erreichen, müssen vielmehr auch entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Vor allem muss aber in militärischen Kreisen die Bereitschaft vorhanden sein, von der Vorstellung des „Normalfalles Mann“ abzukehren und weibliche Soldatinnen nicht mehr als Ausnahme zu sehen.[20]

Das nächste Kapitel befasst sich mit dem nunmehrigen Stand der Integration von Frauen in den Streitkräften einiger Länder Europas und Nordamerikas.

III. Die gegenwärtige Situation

Die Integration von Frauen in die nationalen Streitkräfte weist in den einzelnen Ländern einen unterschiedlichen Entwicklungsstand auf. In einigen Staaten Europas sind Frauen bereits seit mehreren Jahrzehnten im Heer vertreten.

So haben zB in Frankreich[21], den Niederlanden oder in Großbritannien Frauen in den Streitkräften bereits eine längere Tradition. Allerdings sind Frauen kaum in höheren Positionen vertreten – eine Tatsache, die übrigens auf fast alle Länder Europas zutrifft.[22]

In Belgien, wo die Öffnung des Heeres für Frauen im Jahre 1975 erfolgte, sind Soldatinnen alle Funktionen zugängig.[23]

Während auch in den Niederlanden Frauen theoretisch alle militärischen Bereiche zugängig sind, hat Frankreich den Frauenanteil für alle Funktionen durch ein Quotensystem beschränkt.[24] In Großbritannien bestehen seit den frühen 90er Jahren nur mehr wenige Beschränkungen.[25]

Innerhalb Europas ist die Einbeziehung von Frauen ins Militär in Norwegen und Dänemark am weitesten fortgeschritten. In Norwegen dürfen Frauen seit 1985 in allen Kampfeinheiten dienen. Hier überlegt man sogar, auch für Frauen einen obligatorischen Wehrdienst einzuführen, um den geringen Frauenanteil von 3 % in den Streitkräften anzuheben. Außerdem glaubt man, durch diese Maßnahme eine „Gleichheit der Geschlechter“ gewährleisten zu können.[26] Dänemark öffnete 1988 alle Bereiche und Einheiten seiner Streitkräfte. Allerdings beträgt der Frauenanteil auch in diesem Land nur 5 %, und wiederum sind in beiden Ländern Frauen in Führungspositionen Mangelware.[27]

Den höchsten Frauenanteil unter den NATO-Mitgliedsstaaten weisen allerdings die USA mit derzeit 14 % und Kanada mit 11,4 % auf.[28] In den USA sind zwar nicht alle militärischen Bereiche für Frauen zugänglich, aber zahlreiche US-Soldatinnen konnten sich bereits in Kampfeinsätzen beweisen. So wurden zB etwa 37.000 Soldatinnen 1991 während des Golfkrieges im Zuge der sogenannten Operation Desert Storm („Operation Wüstensturm“) eingesetzt.[29]

Bis 1999 war Italien der einzige Staat Europas, in dem Frauen vom Dienst im Militär komplett ausgeschlossen waren. Im September 1999 wurde ihnen schließlich auf gesetzlicher Grundlage freiwilliger Zugang zum Heer eingeräumt.[30]

Die restlichen Mittelmeerländer wie Spaniern, Portugal oder Griechenland hatten in den 80er und 90er Jahren begonnen, ihre Streitkräfte für Frauen zu öffnen

Innerhalb der deutschen Bundeswehr durften Frauen bis vor kurzem nur im Sanitäts- und Militärmusikdienst tätig werden.[31]

Diese Beschränkung, die den Ausschluss von Frauen aus sämtlichen Kampfeinheiten bedeutete sowie der wesentlich enger gefasster Ausschluss von Frauen aus bestimmten Kampfeinheiten in Großbritannien wurde vom EuGH auf ihre Konformität mit dem Gemeinschaftsrecht untersucht. Die beiden diesbezüglichen Urteile Sirdar und Kreil und ihre Auswirkungen werden im Zuge dieser Arbeit noch ausführlich erläutert.

In der neutralen Schweiz stehen Frauen alle Bereiche des Heeres offen, ihr Anteil an den Armeeangehörigen ist aber verschwindend gering – er beträgt aber nur 0,4 %.[32] Außerdem dürfen sie nicht in Kampffunktionen tätig werden.[33]

In den osteuropäischen Staaten wurde Frauen bereits von den sozialistischen Regimen - im Sinne des die Ideologie des Sozialismus prägenden Gleichheitsgedankens - durchwegs Zugang zu den Streitkräften eingeräumt. Allerdings verrichten sie großteils administrative Aufgaben und dürfen meist nicht in Kampftruppen Dienst leisten. Ausnahmen bilden lediglich Tschechien und die Slowakische Republik, wo Soldatinnen auch in Kampfeinheiten zu finden sind.[34]

Generell kann man beobachten, dass die Öffnung der Streitkräfte für Frauen sehr oft im Zuge des Übergangs von der Wehrpflicht zur Freiwilligenarmee erfolgte. Dadurch kam es zu einer „Professionalisierung“ der Armee, denn diese wurde fortan durch gewöhnliche berufsbezogene Werte wie Bezahlung, Ausbildung etc geprägt.[35]

Zusammenfassend ist zu bemerken, dass sich Frauen im Heer in Nicht-Kampffunktionen äußerst erfolgreich bewährt und in diesen Positionen bereits hohe gesellschaftliche Akzeptanz erreicht haben. In Hinblick auf Kampfeinsätze, von denen Soldatinnen noch in einigen Ländern zumindest teilweise ausgeschlossen sind, herrschen aber noch immer unterschiedliche Auffassungen.[36]

[...]


[1] Schneider, Politische und gesellschaftliche Aspekte einer generellen Öffnung der deutschen Streitkräfte für weibliche Soldaten in Steinkamm (Hrsg), Frauen im militärischen Waffendienst (2001)340 (370 f).

[2] In seltenen Fällen gab es auch weibliche Herrscherinnen, wie zB die englische Königin Elisabeth I. oder Katharina die Große auf Rußlands Zarenthron – Anmerkung der Verfasserin.

[3] Ziegerhofer, Der Bau eines Frauenzimmers in Europa in Floßmann (Hrsg) , Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit. Linzer Schriften zur Frauenforschung V (1997) 35 (35).

[4] Appelt, Identität, Diversität und Demokratie. Grundsätzliche Überlegungen zu einer feministischen Demokratiepolitik in Wolfgruber/Grabner (Hrsg), Politik und Geschlecht (2000) 11 (18).

[5] Klein, Militär und Geschlecht in Israel (2001) 43.

[6] Kämmerer, Gleichberechtigung am Gewehr. Zugleich eine Anmerkung zu den Urteilen Sirdar und Kreil, EuR 2000, 102 (103).

[7] Zur vermeintlichen Friedfertigkeit der Frauen s. nächstes Kapitel.

[8] Ziegerhofer in Floßmann, Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit 43 f .

[9] Kümmel/Klein/Lohmann, Zwischen Differenz und Gleichheit: Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen in Steinkamm (Hrsg), Frauen im militärischen Waffendienst (2001) 435 (462).

[10] Kämmerer, EuR 2000, 103f.

[11] Ein neuer Marsch durch die Institutionen? Der Standard, 25.10.1996.

[12] Schneider, Politische und gesellschaftliche Aspekte einer generellen Öffnung der deutschen Streitkräfte für weibliche Soldaten in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 340 (347 f).

[13] Kämmerer, EuR 2000, 104.

[14] Warnung vor Frauen: „Männer von sexueller Anziehung beeinflußt“, Die Presse, 04.08.2001

[15] Appelt in Wolfgruber/Grabner, Politik und Geschlecht 20.

[16] Ziegerhofer in Floßmann, Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit 45 f.

[17] Klein, Militär und Geschlecht 44 f.

[18] Vgl. dazu hinsichtlich möglicher Motive des deutschen Gesetzgebers für den Ausschluß von Frauen vom

Dienst an der Waffe Zuleeg, Frauen in die Bundeswehr, DÖV (1997) 1017 (1018).

[19] Klein, Militär und Geschlecht 43 f.

[20] Ein neuer Marsch durch die Institutionen? Der Standard, 25.10.1996.

[21] Dort wurde Frauen bereits 1971 der freiwillige Zugang zum Heer gewährt; Micewski, Frauen als

Soldatinnen: Der Dienst von Frauen als Soldatinnen beim Österreichischen Bundesheer in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 392 (404).

[22] Nielsen, Women in uniform in NATO Review, Vol. 49 – No. 2 (2001) 26, Web edition (06.08.2001), www.nato.int/docu/review/2001/0102-09.htm, 2.

[23] Kümmel/Klein/Lohmann in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 462.

[24] Klein, Militär und Geschlecht 42.

[25] So hatte der EuGH in der Rs Sirdar über die Gemeinschaftsrechtskonformität des Ausschlusses von Frauen aus der britischen Marineinfanterie zu entscheiden hatte; siehe Teil D.

[26] Zum Problem der Wehrgerechtigkeit siehe Teil E. Das einzige Land der Welt, in dem Frauen derzeit einen verpflichtenden Wehrdienst leisten müssen, ist Israel. Dieser beträgt für Frauen 21 Monate, während Männer drei Jahre dienen müssen. Zudem werden Einsätze von Frauen in Kampfhandlungen vermieden ; Schneider in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 352; Kämmerer, EuR 2000, 104.

[27] Nielsen, NATO Review 1.

[28] Nielsen, NATO Review 2.

[29] Nielsen, NATO Review 2.

[30] Kümmel/Klein/Lohmann in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 462.

[31] Nielsen, NATO Review 3 f.

[32] Klein, Militär und Geschlecht 42.

[33] Schneider in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 351.

[34] Schneider in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 352.

[35] Klein, Militär und Geschlecht 40.

[36] Kümmel/Klein/Lohmann in Steinkamm, Frauen im Waffendienst 467.

Ende der Leseprobe aus 154 Seiten

Details

Titel
Der Zugang von Frauen zum Heer aus innerstaatlicher und europarechtlicher Sicht
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz  (Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht)
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
154
Katalognummer
V154313
ISBN (eBook)
9783640668397
ISBN (Buch)
9783640668465
Dateigröße
1012 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zugang, Frauen, Heer, Sicht, Sehr
Arbeit zitieren
Dr. Silke Steiner (Autor:in), 2001, Der Zugang von Frauen zum Heer aus innerstaatlicher und europarechtlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154313

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Titel: Der Zugang von Frauen zum Heer aus innerstaatlicher und europarechtlicher Sicht



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