Mobbing - Eine moderne Art von Macht und Herrschaft in Organisationen


Dossier / Travail, 2000

30 Pages, Note: 1,25


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mobbing - ein alter Hut oder ein modernes Phänomen?

3 Mobbing - mehr als nur ein sozialer Konflikt
3.1 Divergente Definitionen von Mobbing
3.2 Ursachen des Mobbing
3.3 Die verschiedenen Phasen eines Mobbingverlaufes

4 Das Verhältnis von Macht in Organisationen
4.1 Mobbing - ein Machtinstrument für den Mobber mit Nutzen?
4.2 Die Situation von Mobbing in der betrieblichen Hierarchie einer Organisation

5 Schlussbetrachtung

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang
I. VW-Betriebsvereinbarung
II. Verlaufsähnlichkeit Mobbing / Wettbewerb
III. Die 45 Mobbinghandlungen nach Leymann

1 Einleitung

Mobbing ist mittlerweile auch in Deutschland zu einem festen und bekannten Begriff geworden. Es ist ein Problem, das nahezu in jedem Betrieb anzutreffen ist. Die Ausfallkosten, die durch Mobbing entstehen, werden jährlich allein in Deutschland auf 30 Mrd. DM geschätzt. Es wird davon ausgegangen, dass es rund 1,27 Millionen Mobbingopfer in Deutschland gibt.[1]

Einen Großteil ihres Lebens verbringen die Menschen in der Arbeitswelt. Die meisten dieser Menschen arbeiten nicht allein, sondern eher in einer Gemeinschaft von Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten innerhalb einer Organisation. Wie in jeder Gemeinschaft oder auch Gesellschaft läuft das Miteinander nicht immer ohne Probleme ab. Es kommt zu Spannungen und damit auch zu Reibungsverlusten zwischen den Akteuren.

Es geht beim Mobbing aber nicht um die alltäglichen Konflikte am Arbeitsplatz. Diese wird es wohl immer geben. Sie können ein wichtiger Bestandteil von Veränderungen und Weiterentwicklungen sein. Es geht also nicht um den Konflikt an sich, sondern vielmehr um einen zermürbenden Handlungs ablauf. Einzelne Handlungen werden erst dann zum Mobbing, wenn sie sich ständig wiederholen.[2]

Es gibt beim Mobbing eine breite Fächerung verschiedenster Arten der Durchführungen. Auch die Personen und Persongruppen die am Mobbing beteiligt sind, können variieren. Das Ziel von Mobbing ist immer, die Kündigung des Betroffenen zu erreichen. Meistens geht die Kündigung vom Opfer selbst aus, das die psychische Belastung durch das Mobbing nicht mehr erträgt.

Es kommen aber auch ungerechtfertigte Kündigungen durch den Arbeitgeber oder auch Kündigungen aufgrund von durch Mobbing bedingten Leistungsverweigerungen vor, welche ihren Ursprung in einer inneren Kündigung des Opfers haben.

Die Ernsthaftigkeit und Aktualität dieses Themas spiegelt sich auch in der VW-Betriebsvereinbarung vom 20.06.1996 über das partnerschaftliche Verhalten am Arbeitsplatz wider, welches in Anhang I zu finden ist.

Diese Abhandlung soll sich nicht, wie in eher vielen populärwissenschaftlichen Werken, mit Ursachen, Folgen und Gegenmaßnahmen für Opfer auseinander setzen. Vielmehr sollen die Fragen geklärt werden, ob es sich um ein modernes Phänomen handelt, ob Mobbing in

Organisationen als ein bewusstes Instrument der Macht und Herrschaft eingesetzt wird, und wer es einsetzt.

Im Vorwege bleibt aber eine Betrachtung der Ursachen und Definition von Mobbing nicht aus, vielmehr dient sie als Grundlage zum allgemeinen Verständnis. Desweiteren soll uns auch ein Blick auf die verschiedenen Ausprägungen bzw. »Angriffe des Mobbing« den weiteren Einstieg in das Thema erleichtern.

Um dann in einem letzten Schritt zu betrachten, wie sich das Verhältnis von Macht in einer Organisation widerspiegelt und die Situation von Mobbing in der betrieblichen Hierarchie einer Organisation aussieht.

Bei einem so komplexem Thema wie Mobbing kommt es in Form dieser Arbeit zu notwendigen Auslassungen. Hierzu gehören, wie auch schon oben erwähnt, gesundheitliche Folgen und Gegenmaßnahmen für Opfer.

Aber auch auf strafrechtliche, zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen kann hier nicht eingegangen werden. Ebenso wird eine Betrachtung unterschiedlicher Mobbinggruppen, wie z.B. Altersgruppen, Geschlechter und Behinderte, außer acht gelassen. Manche Auslassungen lassen sich aber gegebenenfalls im Ansatz erkennen.

Diese Arbeit soll eine andere Blickrichtung zum Thema Mobbing anbieten und Interesse wecken.

2 Mobbing - ein alter Hut oder ein modernes Phänomen?

Mobbing wurde in Deutschland erst in den neunziger Jahren zu einem Thema. Betriebliche Probleme und Konflikte gab es zwar schon immer, aber erst der Arbeitswissenschaftler und Psychologe Heinz Leymann[3] hat den einschlägigen Begriff des Mobbing geprägt und die theoretischen Überlegungen dazu entwickelt.[4] Im Frühjahr 1990, anlässlich einer internationalen Arbeitsschutzkonferenz in Hamburg, stellte Leymann erstmalig der deutschen Presse seine Forschungen über Mobbing am Arbeitsplatz vor. Diese wurden über einen längeren Zeitraum von ihm in den skandinavischen Ländern durchgeführt.

Seitdem ist die Forschung auch in Deutschland in Bewegung gekommen. In den Massenmedien wurde immer mehr über dieses Problem berichtet.[5]

Wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, handelt es sich aber nicht um ein neues Phänomen. Schon im Jahre 1939 berichteten Roethlisberger / Dickson in ihrer Studie in den amerikanischen Hawthorne-Werken von wiederholten feindseligen Übergriffen gegen Kolleginnen und Kollegen. Diese hatten gegen die Leistungsnormen der Arbeitsgruppe verstoßen und wurden somit als Abweicher wahrgenommen.[6]

Während früher Mobbing zwar als sozialer Konflikt schon bekannt war, fehlte es aber vermutlich an betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen über die Folgen und Kosten von Mobbing. Auch wenn es heute wahrscheinlich noch nicht für jedes Unternehmen ein offizielles Thema ist, so gibt es doch schon viele Unternehmen, die sich mit Mobbing aktiv auseinander setzen. Dieser Wandel ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass zu Beginn des Jahrhunderts der »Produktionsfaktoransatz« dominierte. Neben Werkstoffen und Betriebsmitteln wurde der Mensch als ein Elementarfaktor betrachtet. Der Mensch als »homo oeconomicus«, der nur des Geldes willen arbeitete; individuelle Bedürfnisse wurden vom Unternehmen als nicht relevant betrachtet. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Mobbing fand hier nicht statt.

Erst mit dem Menschenbild des „sozialen Wesens“ kam ein Verständnis für Mobbing auf, in dem die Bedeutung der Gruppe für ein Individuum und dessen Arbeitsleistung betont wird.[7]

Somit kann man sagen, dass der zwischenmenschliche Konflikt am Arbeitsplatz zwar schon immer bestand, aber erst durch das Verständnis, den Beschäftigten als komplexes Individuum mit vielfältigen Bedürfnissen zu begreifen, Mobbing zum Thema wurde. Mobbing ist also kein neues Phänomen, vielmehr ist es ein »alter Hut« im neuen Gewand.

Im nächsten Kapitel ist es wichtig, zunächst eine Abgrenzung zwischen sozialem Konflikt und Mobbing zu finden, um dann eine Definition für Mobbing zu bestimmen.

3 Mobbing - mehr als nur ein sozialer Konflikt

Der Begriff Konflikt erhält in der Literatur eine Vielzahl von unterschiedlichen Definitionen, die sich durch eine Vielfalt von Aspekten unterscheiden. Je nach Bezugspunkt kann der Begriff anders verwendet werden. Solche Bezugspunkte können sein, innere psychische Zustände, individuelle Handlungsorientierungen sowie auch Verhaltens- oder Zieldiskrepanzen zwischen Individuen oder Gruppen. Eine Definition richtet sich je nach Ausgangspunkt oder Untersuchungsgegenstand.[8]

Grundsätzlich wird zwischen intra-individuellen Konflikten - Konflikte innerhalb einer Person - und inter-individuellen Konflikten - Konflikte zwischen Personen oder Persongruppen - unterschieden. Die inter-individuellen Konflikte werden in der Konfliktliteratur als „soziale Konflikte“ bezeichnet.[9] Im Rahmen dieser Arbeit interessieren uns nur die inter-individuellen Konflikte.

Soziale Konflikte können sich zwischen Individuen und den verschiedenen Formen von Gruppierungen ergeben, die in einer Beziehung stehen oder von einander abhängig sind. Gemeinsam haben alle Konfliktsituationen einen Interessen-Gegensatz und in der Regel einen Bezug zum Handeln hergestellt.[10]

Folgend eine Synthese von Definitionen unterschiedlicher Autoren, die die wesentlichen Merkmale des Konfliktbegriffs kennzeichnen:[11]

Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion

–zwischen mindestens zwei Akteuren,

–die voneinander abhängig sind (d.h., die relative Gewinne bzw. Vorteile nur auf Kosten des anderen Akteurs / der anderen Akteure erzielen können),

–in der jeder versucht, scheinbar oder tatsächlich unvereinbare Handlungspläne (Erlangung knapper Ressourcen und/oder Positionen bzw. Lenkung des

Verhaltens in bestimmte Richtungen) zu verwirklichen,

–wobei sich mindestens ein Akteur der Gegnerschaft bewusst sein muss.

Demnach stellt nicht jede Meinungsverschiedenheit oder jedes Missverständnis am Arbeitsplatz gleich einen Konflikt dar.

Desweiteren wird zwischen offenen und verdeckten Konflikten unterschieden.

Bei den offenen Konflikten wird ein offen artikulierter Streit ausgefochten, während bei den verdeckten Konflikten ein offener Streit vermieden wird. Verdeckte Konflikte führen nach Esser und Wolmerath häufig zu Mobbing, weil ohne eine klärende Auseinandersetzung Angriffe verschiedenster Arten auf den Gegner stattfinden. Es werden Bündnisse geschmiedet und Intrigen gesponnen.[12] Während die beiden genannten Autoren nicht glauben, dass der Konflikt im Laufe des Mobbingprozesses in Vergessenheit gerät, ist gerade dies eine Vermutung von Leymann.[13]

Die meisten Autoren und die überwiegende Literatur, die sich mit Mobbing beschäftigt haben, gehen von der Annahme aus, dass jedem Mobbing-Fall ein sozialer Konflikt vorausgeht.[14]

Da Mobbing zwar ein Konflikt vorausgeht, aber nicht als solcher zu verstehen ist, sondern eher als ein Handlungsablauf, sollten wir uns im nächsten Kapitel die wichtigsten Definitionen von Mobbing einmal ansehen.

3.1 Divergente Definitionen von Mobbing

Das Wort Mobbing ist dem englischen Verb to mob (= über jemanden lärmend herfallen, angreifen, anpöbeln, attackieren) entlehnt.

Allgemein versteht man unter Mobbing negative, gegen ein Individuum gerichtete, kommunikative Handlungen einer oder mehrerer Personen, die sehr oft über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen.[15]

[...]


[1] Esser, A. / Wolmerath, M.: Mobbing. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1998. S. 17.

[2] Leymann, H.: Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Hamburg 1993. S. 21.

[3] Vgl. Leymann, H.: Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann, Hamburg 1993.

[4] Esser / Wolmerath, a.a.O., S. 19.

[5] Leymann, a.a.O., S. 16.

[6] Niedl, K.: Wem nützt Mobbing? Psychoterror am Arbeitsplatz und die Personalwirtschaft von Unternehmen. In: Der neue Mobbing-Bericht. Reinbek bei Hamburg 1995. S. 56. Zit. n.: Roethlisberger, F. / Dickson, W.: Management and the worker. An Account of a Research Program Conducted by the Western Electric Company, Hawthorne Works, Chicago. Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1956.

[7] Niedl, a.a.O., S. 57.

[8] Hage, M. / Heilmann, J.: Mobbing – ein modernes betriebliches Konfliktfeld. Betriebs-Berater (BB) (1998) Heft 14, S. 742.

[9] Hage / Heilmann, a.a.O., S. 742.

[10] Hage / Heilmann, a.a.O., S. 742. Zit. n.: Regnet: Konflikte in Organisationen, 1992.

[11] Vgl. Hage / Heilmann, a.a.O., S. 743. Die Definition ist angelehnt an Mack / Snyder, The analysis of social conflict – towards an overview and synthesis, Journal of Conflict Resolution (JCR) 1957, 212-248; Fink, Some conceptual difficulties in the theorie of social conflict, (JCR) 1968, 412-461; Rüttinger, Konflikt und Konfliktlösen, 1997, S. 22; Glasl, Konfliktmanagement, 1997, S. 14 f.

[12] Esser / Wolmerath, a.a.O., S. 77.

[13] Esser / Wolmerath, a.a.O., S. 75.

[14] Hage / Heilmann, a.a.O., S. 743. Vgl. auch Leymann, Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Hamburg 1993. S. 21; Esser, A. / Wolmerath, M.: Mobbing. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1998. S. 75.

[15] Leymann, a.a.O., S. 21.

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Mobbing - Eine moderne Art von Macht und Herrschaft in Organisationen
Université
University of Hamburg
Cours
Industriesoziologie
Note
1,25
Auteur
Année
2000
Pages
30
N° de catalogue
V15431
ISBN (ebook)
9783638205382
Taille d'un fichier
437 KB
Langue
allemand
Mots clés
Mobbing, Eine, Macht, Herrschaft, Organisationen, Industriesoziologie
Citation du texte
Richard-Jörg Angermeyer (Auteur), 2000, Mobbing - Eine moderne Art von Macht und Herrschaft in Organisationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15431

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