Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1. Zur Wortbedeutung der Kultur
2. ZUR GESCHICHTE DES KULTURBEGRIFFS
2.1. Antike Kultur
2.2. Moderne Kultur
2.3. Kulturentwicklung in der Aufklärung
3. KULTURBEGRIFF NACH ELIAS UND GEERTZ
3.1. Der Kulturbegriff in Anlehnung an die Theorie Norbert Elias´
3.2. Der Kulturbegriff in Anlehnung an die Theorie Clifford Geertz
3.2. Kultur und soziale Struktur
4. KULTUR UND IHR WANDEL
5. ZUSAMMENFASSENDE ERKENNTNISSE
1. Einleitung
- Was ist Kultur? Eine Annäherung an den Kulturbegriff unter der Bezugnahme auf die Theorien von Clifford Geertz und Norbert Elias.
1.1 Zur Wortbedeutung der Kultur
Der Begriff Kultur entstammt dem lateinischen Wort „cultura"1. „Cultura" ist von „colere" entlehnt, dessen Wortfamilie weit reichend ist und beispielsweise „praecolere" (vorarbeiten), „recolere" (wiederherstellen) oder „agri culta" (bestellte Äcker) umfasst. „Cultura" an sich bezieht sich auf die Agrartätigkeit und die dafür notwendige Basis, das Ackerland. Die lateinische Bedeutung, wie pflegen oder anbauen, impliziert, dass „Kultur" als Gegensatz zur Natur bis ins 19. Jahrhundert gebraucht wurde. In Begriffen wie Obst-, Misch- oder Monokultur erkennt man heute noch den agrarischen Ursprung der Kultur2. Allerdings wird heute mit Kultur vornehmlich die Kunst in all ihren Facetten in Verbindung gebracht. Grundlegend für das Entstehen einer „höheren" Kultur ist die menschliche Begabung zu sinnhaftem und nicht allein triebgesteuertem Verhalten.3 Dies ist der bedeutende Unterschied zur Tierwelt und macht den Menschen somit zu einem Kulturwesen, dessen Verhalten sich an Bedeutungen orientiert und welche darüber hinaus auch erst durch sein Verhalten generiert werden. In der Anthropologie entspricht Kultur den verschiedenen Werten, Normen, Bräuchen und Riten, die sich in den unterschiedlichen Gesellschaften entwickelt haben. Nach Sackmann (2002) lässt sich Kultur definieren als die von einer Gruppe gemeinsam gehaltenen grundlegenden Überzeugungen, die für eine Gruppe insgesamt typisch sind.4 Die Kultur einer Einheit beeinflusst Wahrnehmung, Denken, Handeln und Fühlen der Gruppenmitglieder und kann sich in ihren Handlungen und Artefakten manifestieren. Die Überzeugungen der Individuen einer Kultur sind nicht bewusst gehalten, sondern haben sich aus der Erfahrung der Gruppe entwickelt, was impliziert, dass sie gelernt sind und an neue Gruppenmitglieder weitergegeben werden. Somit kommt es sukzessive zu Strukturwandlungen interdependenter Individuen in einer Gesellschaft.5 Dabei existiert generell keine „richtige" oder „eindeutige" Kultur, sondern es gibt nur eine, die zur Umwelt am besten passt.
2. Zur Geschichte des Kulturbegriffs
Kultur wurde erst mit Beginn der Aufklärung als eine eigene Domäne betrachtet. Im heutigen Alltagsgebrauch versteht der Bürger unter Kultur Musik, Theater und Schauspiel, Malerei und alle die verschiedenen Künste. Kultur gilt ebenso als Sammelbegriff für typische Rituale, Werte, Verhalten und Normvorstellungen von Personengruppen. Vornehmlich ging es um den Zugang und die Verbreitung von (politischer)- Bildung und Wissen. Durch die Industrialisierung und die einhergehende Maschinisierung der menschlichen Dienstleistungen Anfang des 18. Jahrhunderts wurde Kultur in diesem Sinne auch für das Proletariat zugänglich. Gestiegene freie Zeit bot nun mehr Raum für die persönliche Entfaltung, auch für die Arbeiterklasse.
2.1 Antike Kultur
Der Kulturbegriff war in seiner Bedeutung zu Beginn der Antike noch sehr verwurzelt bei seinem lateinischen Ursprung. Es ging hauptsächlich um die Kultur von verschiedenen Dingen, d.h. der antike Kulturbegriff trat nur in Verbindung mit dem Genitiv auf. Die Agrikultur z.B. beinhaltete den systematischen Anbau von Nutzpflanzen zur weiteren Verwertung, „cultura dolorum" die Kultur der Schmerzen und „Cultus animi" (Pflege des Geistes) waren schon vor Cicero geläufig. Aber der Ausdruck „cultura animi" soll im antiklateinischen Schrifttum nur an dieser Stelle zu finden sein6.
2.2 Moderne Kultur
Generell vermag man erkennen, dass allgemein eine Unschärfe im Kulturbegriff besteht. Die Vielfältigkeit der Erklärungen des Kulturbegriffes ist schwer zu überschauen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde von Ethnologen, Philosophen und Soziologen Kultur mit Zivilisation gleichgesetzt und als gegen die Natur laufend betrachtet. Durch den Naturwissenschaftler Samuel von Pufendorf wurde in der Moderne der Kulturbegriff zu einem Phänomen eigenen Rechts. Es ging nicht mehr nur allein um die Tätigkeit des Kultivierens. Pufendorf spricht von Kultur als Zivilisation des Menschen ohne Unterscheidung der beiden Begriffe. Die Zivilisation wird im Gegensatz zum natürlichen Zustand als „Glückszustand" des Menschen betrachtet.7
Ein auffälliges Korrelat in der Verschiebung des Kulturbegriffes von der Antike zur Moderne war, dass Stämme und Gesellschaften als „primitiv" und unzivilisiert betrachtet wurden und ihnen keine eigene Kultur eingeräumt wurde - Kultur nämlich unterbinde die menschliche Natur und ihre Triebe. Nach modernem Verständnis aber kann man unabhängig jeglicher Kultur bzw. jeglicher Verhaltensgewohnheiten Mensch sein.8
Jean Jacques Rousseau (1750) vertrat genau die gegensätzliche Meinung. Er sprach von der Dekadenz der menschlichen Kultur und berief sich auf den Naturzustand als den glücklicheren zurück.9
2.3 Kulturentwicklung in der Aufklärung
Kultur wurde, wie bereits erwähnt, erst mit Beginn der Aufklärung als eigene Domäne betrachtet. Kultur im Sinne von Bildung und Kunst wurde durch das Aufbrechen der Stände im Laufe der Zeit auch den niedrigeren Schichten zugänglich gemacht. Durch die Verbreitung von „Coffehouses" in England und „Salons" in Frankreich Ende des 16. Jahrhunderts entwickelten sich Zentren literarischer und politischer Kritik, in denen Aristokratie auf Großbürgertum traf.10 Der Zutritt zum englischen Coffehouse war lediglich Männern gestattet, im Gegensatz zu den französischen Salons. Allerdings wurden in den englischen Kaffeehäusern auch breiteren Schichten des Mittelstandes (sogar Handwerkern und Krämern) der Zugang gewährt.11 Dementsprechend gab es in Deutschland die gelehrten Tischgesellschaften, in welchen, wie in den englischen Coffehouses, viel Wert auf die Gleichbehandlung von ungleichen Standespersonen gelegt wurde. Allerdings wurde dieser Zusammenschluss der verschiedenen Stände zunächst noch im Geheimen gehalten. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich aus den Salons, Kaffeehäusern und Tischgesellschaften Institutionen, die freien Zugang bewilligten und in denen politische Gleichheit öffentlich stattfinden konnte. Drei typische Merkmale konnten alle drei Einrichtungen aufweisen. Die „Autorität des Arguments" war wichtiger als die soziale Schicht und die Deszendenz einer Person, wobei absolute Status-Gleichstellung noch nicht erreicht wurde. Das Interpretationsmodell auf Gegenstände und Gegebenheiten der Literatur, Kunst oder Politik lag nicht mehr allein bei den kirchlichen und staatlichen Würdenträgern. Kultur konnte dadurch nun als Ware betrachtet werden, die der skeptischen und kennerhaften Gesellschaft grundsätzlich zur Verfügung stand. Allerdings musste dabei beachtet werden, dass ein Großteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebte und in erster Linie damit beschäftigt war ihr Existenzminimum zu sichern, anstatt ihr Geld auf dem Kulturgütermarkt zu investieren.12 Erst nach weiteren 100 Jahren erreichte die Aufklärung auch die niederste Klasse. Bildung, und damit Kultur wurde für alle Klassen erreicht. Rosa Luxemburg (1871-1919), die sich insbesondere für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse einsetzte, erkannte: „Entfremdet und entwürdigt ist nicht nur der, der kein Brot hat, sondern auch der, der keinen Anteil an den großen Gütern der Menschheit hat".13 Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass eine weitere positive Entwicklung der deutschen Nation nur durch die kulturelle Bildung aller Klassen erreicht werden konnte und kann. Das Potential zu Veränderung und Weiterentwicklung lag und liegt in den Köpfen aller Menschen.
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1 vgl. Erdmann Struck (1940) Bedeutungslehre. Grundzüge einer lateinischen und griechischen Semasiologie, Leipzig/Berlin , S. 40ff.
2 vgl. Perpeet, Wilhelm (1984): Zur Wortbedeutung von „Kultur". In: Brackert, Helmut; Fritz
Wefelmeyer (Hg.): Naturplan und Verfallskritik - Zu Begriff und Geschichte der Kultur. Frankfurt/Main. S.67f
3 vgl. Tenbruch, Friedrich H.: Die kulturellen Grundlagen der Gesellschaft. Der Fall der Moderne.
Opladen 1989. S.46
4 vgl. Sackmann, Sonja (1991): Cultural knowledge in organizations, Sage. Publ. Newbury Park. S.23
5 vgl. Elias, Norbert (1976): Über den Prozess der Zivilisation. Bd.I FFM: Suhrkamp. Auflage S. LXVII
6 vgl. Rauhut (1953): Die Herkunft der Worte und Begriffe „Kultur", „Civilisation" und „Bildung" , in: Germanisch-Romanische Monatsschrift XXXIV, S. 81ff.
7 vgl. http://www.gebser.org/publications/pdf/culturalphilosophy.pdf
8 vgl. Köppen, U. (1974): Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Aus dem Französischen von Ulrich Köppen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
9 vgl.Rousseau, Jean-Jacques in Weigand Kurt (1983): Schriften zur Kulturkritik, eingel., Hamburg: Meiner S.89
10 vgl. Habermas, Jürgen (2003): Einführung in die Theorie des Gesellschaft, Campus Verlag, S.96
11 vgl. Hauser, Arnold (1969): Sozialgeschichte der Kunst und Literatur,C.H. Beck Verlag S.94
12 vgl. Watt,J. (1957):„The reading Public", The Rise of the novel, London.
13 vgl. www.praxisphilosophie.de/ luxemburg .htm - 23k