Brecht exponiert den historischen Fortschritt als überpersönlichen Vorgang, der nach den „Gesetzen einer materialistischen Dialektik“ abläuft, und dekonstruiert damit den Mythos des geschichtsmächtigen Subjekts. In der Montage unterschiedlicher Perspektiven ermöglicht Brecht in der Form eines Erkenntnisaktes die Auseinandersetzung mit den herkömmlichen Methoden der Geschichtswissenschaft und offeriert gleichsam fruchtbare Möglichkeiten diese zu revidieren: Das Offenlegen des Erkenntnisaktes ermöglicht den Nachvollzug desselben sowie eine kritische Selbstprüfung des Forschenden. Die Darstellung der Geschichte in der Form eines Forschungsberichtes, der die Quellen herausgibt, verweist auf die Unzulänglichkeit der biographischen Erzählung, die von der Persönlichkeit des Subjekts als Triebfeder historischer Prozesse ausgeht und Sinnstiftung naturgemäß durch „emplotment“ und Narration unternimmt. Darüber hinaus verweist das Scheitern der kohärenten Biographie, der fragmentarische Charakter des dokumentierten Erkenntnisprozesses auf die Unmöglichkeit geschlossene Aussagen über die Vergangenheit zu machen. Die daraus folgende Konsequenz, die Zersplitterung der großen Metaerzählungen in unendliche Diskurse, die „neue Unübersichtlichkeit“, welche Jürgen Habermas bemerkt, bedeutet für Brecht freilich nicht das Ende der Geschichte, das etwa in der postmodernen Debatte der vergangenen Jahrzehnte proklamiert wurde. Es geht Brecht darum, Geschichte als Ideologie zu entlarven, die Voraussetzungen zu ergründen, welche die Forschungsdisziplin bestimmen und zudem die Möglichkeiten und Grenzen historiographischer Erkenntnis auszuloten, etwa hinsichtlich des Mediums der Sprache. „Geschichte gegen den Strich bürsten“ genügt Brecht nicht. Vielmehr fokussiert er die erkenntnistheoretischen Aprioris selbst.
Inhaltsverzeichnis
- Geschichte „gegen den Strich bürsten“?
- Brechts Interesse am Caesar-Stoff.
- Das geschichtsmächtige Subjekt - Ein Mythos des historischen Diskurses..
- Dekonstruktion des Mythos und Kritik der Historiographie.….…….....
- Fiktion des Faktischen? – Im Diskurs mit Hayden White
- Die Ironie des historischen Denkens.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Bertolt Brechts Romanfragment "Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar" im Kontext der historiographischen Debatten des 20. Jahrhunderts. Sie untersucht, wie Brecht den traditionellen Historismus in Frage stellt und die Konstruktion von Geschichte als Ideologie aufdeckt. Das Hauptziel dieser Arbeit besteht darin, die Ironie des historischen Denkens in Brechts Werk zu beleuchten und die Bedeutung von Hayden Whites "Metahistory" für die Interpretation des Romans zu erörtern.
- Kritik am Historismus und der Konstruktion von Geschichte als Ideologie
- Die Dekonstruktion des Mythos des geschichtsmächtigen Subjekts
- Die Rolle der Sprache und der narrativen Strukturen in der Geschichtsschreibung
- Die Unmöglichkeit kohärenter Aussagen über Geschichte
- Der Einfluss von Hayden Whites "Metahistory" auf die Interpretation von Brechts Caesar-Roman
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1 beleuchtet die Kritik an der traditionellen Geschichtsschreibung und stellt die Frage, ob Geschichte "gegen den Strich gebürstet" werden kann, um ihre Ideologie aufzudecken.
- Kapitel 2 untersucht Brechts Interesse am Caesar-Stoff und seine Motivation, einen historischen Roman zu schreiben.
- Kapitel 3 analysiert den Mythos des geschichtsmächtigen Subjekts und zeigt dessen Konstruktion im historischen Diskurs auf.
- Kapitel 4 diskutiert die Dekonstruktion des Mythos und die Kritik an den Methoden der Historiographie in Brechts Roman.
- Kapitel 5 erörtert Brechts Caesar-Roman im Dialog mit Hayden Whites "Metahistory" und betrachtet die Fiktion des Faktischen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf folgende Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen: Historischer Roman, Bertolt Brecht, "Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar", Historismus, Hayden White, "Metahistory", Geschichtsschreibung, Ideologie, Sprache, Narrative Strukturen, Ironie des historischen Denkens.
- Citar trabajo
- Daniel Bohnert (Autor), 2010, Die Ironie des historischen Denkens, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154717