Leseprobe
Index
1 Prolog
2 Beschreibung der Einrichtung
2.1 Leitbild und Organisation des Krankenhauses
2.2 Palliativmedizinische Betreuung am Krankenhaus
2.3 KlientInnen - Wünsche & Wirklichkeit - Eindrücke aus der Palliativabteilung
2.4 Reflexion zur Situation sterbender PatientInnen
2.5 Aufgaben & Projekte im Rahmen des Praktikums
2.5.1 A - Administrative Tätigkeiten
2.5.2 S - Stationstätigkeiten
2.5.3 B - Beratungsgespräche
2.5.4 P - Projekttätigkeiten
3 Fallanalyse im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
3.1 Zentrale Aufgaben, Methoden und Zugänge der Sozialen Arbeit
3.1.1.1 Das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit im Palliativbereich
3.1.1.2 Herausforderungen für die Soziale Arbeit
3.1.1.3 Psychosoziale Begleitung von Patientinnen
3.1.1.4 Psychosoziale Begleitung von Angehörigen
3.1.1.5 Trauerbegleitung
3.1.1.6 Qualitätskriterien im Begleit- und Beratungsprozess
3.1.2 Methoden Sozialer Arbeit im Palliativkontext
3.1.3 Fachliche Voraussetzungen für Sozialarbeiterinnen
3.1.4 Soziale Arbeit im Krankenhaus versus Klinische Sozialarbeit
3.1.5 Berufliche Positionsbestimmung der Sozialen Arbeit im Krankenhaus
3.2 Falldarstellung des Herrn B. im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder ..
3.2.1 Anamnese - Sammlung an Vorinformationen
3.2.2 Diagnose - Problemdefinition
3.2.3 Intervention - Handlungsstrategien und Methoden
3.2.4 Evaluation - sozialarbeiterische Bewertung des Falls
3.3 Beantwortung der Fragestellung
4 Reflexion & Epilog
4.1 Mehrdimensionale Betrachtung des Todes und Reflexivität
4.2 Epilog
5 Literaturverzeichnis
5.1 Abbildungsverzeichnis
1 Prolog
Gegenstand dieser Arbeit ist die Situation krebskranker bzw. sterbenskranker Menschen, welche institutionell also in einem Krankenhaus betreut werden und zum Großteil auch dort versterben. Anknüpfend an dieses Thema möchte ich meine Erfahrungen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, im Umgang mit sterbenskranken Menschen festhalten und die Frage reflektieren, was Soziale Arbeit im Palliativkontext für einen professionellen Beitrag leisten kann? Der überwiegende Teil meines Praktikums bestand darin, betroffene PatientInnen als auch deren Angehörigen durch Beratung und Begleitung zu unterstützen. Meine gesammelten Eindrücke vom Leiden und Sterben betroffener Menschen lassen auf eine eher tabuisierende, verheimlichende oder sogar unerwünschte Umgangsweise zu diesem Thema schließen. Angesichts der Tatsache, dass alle Menschen einmal sterben müssen, spiegelt dieses Feld sozialarbeiterischer Aufgaben eine gewisse Problematik wider. Einerseits ist es die Problematik des Todes und der daraus resultierenden Endgültigkeit und andererseits, die professionelle Ausführung Sozialer Arbeit als Bindeglied zu anderen Disziplinen, mit dem Weitblick einer entsprechenden Aufgabenabgrenzung. Nachgehend, mit der Intention konkrete Aufgaben und Umgangsformen der Sozialen Arbeit im mobilen und stationären Palliativbereich zu verorten, entstand die Motivation mich im Rahmen dieser Arbeit auf wissenschaftlicher Basis intensiver mit diesem relativ jungen Handlungsfeld Sozialer Arbeit zu beschäftigen. Mit diesem Hintergrund als Basis formten sich zum Palliativkontext folgende Fragestellungen, welche punktuell diskutiert werden:
- Wie ist das Krankenhaus organisatorisch aufgestellt? Welche Rückmeldungen gab es von PatientInnen? Welche sozialarbeiterischen Aufgaben im Umgang mit sterbenskranken Menschen wurden im Praktikum institutionell vorgegeben (Punkt 2)?
- Welche Aufgaben hat die Soziale Arbeit im Palliativkontext wahrzunehmen? Welchen theoretischen Bezugsrahmen zur Sozialen Arbeit gibt es und wie kann dieser in der Praxis genutzt bzw. umgesetzt werden, um für PatientInnen und Angehörige eine bestmögliche Effizienz zu erzielen (Punkt 3.1 & 3.2)?
- Wie gestalteten sich sozialarbeiterische Handlungen im Praktikum? Konnten im praktischen Rahmen zufrieden stellende Leistungen und Hilfestellungen für PatientInnen erbracht werden und wie wurden diese umgesetzt (Punkt 3.2 & 3.3)?
Wenn man sich mit der Situation sterbenskranker Menschen auseinandersetzt, erfordert dies auch die Bestimmung, ab wann ein Mensch als sterbend betrachtet wird. Eine eindeutige und generelle Abgrenzung ist aufgrund der Komplexität sowie der Literaturquellen nicht möglich gewesen. Deshalb beziehe ich mich nicht auf den gesamten Verlauf einer eventuell tödlichen Erkrankung, sondern auf die letzen Monate, Wochen oder Tage im Leben sterbenskranker Menschen. Mit meiner Arbeit möchte ich die Vielfalt der Thematik des Sterbens aufzeigen, mit welcher die Soziale Arbeit in der Praxis konfrontiert wird. Aber auch die Tatsache, dass der Fokus nicht ausschließlich auf dem Sterbenden bzw. auf dem Tod ruht, sondern auch das konstruktive Zusammenwirken von Angehörigen, ÄrztInnen, PflegerInnen und Institutionen beinhaltet. Die Soziale Arbeit verknüpft somit auf interdisziplinäre Weise den PatientInnen mit seiner Umwelt, um so eine ganzheitliche und umfassende Hilfestellung gewährleisten zu können. Mit dieser Arbeit möchte ich einen Beitrag leisten um aufzuzeigen, wie komplex sich die Thematik rund um das Sterben gestaltet und mit welcher Sensibilität und Professionalität sozialarbeiterische Begleitung stattfinden muss, damit ein entsprechendes Qualitätsniveau auch erreicht, bzw. gehalten werden kann. Sehr oft ist die Sterbesituation eines krebskranken Menschen mit physischen und psychischen Leiden verbunden. Auf dieses Leiden müssen SozialarbeiterInnen vorbereitet sein. Der Mensch bleibt ein Mysterium welches nicht eindimensional aufgelöst werden kann. Diese Thematik der Mehrdimensionalität möchte ich im Punkt 4.1 ausführlicher diskutieren. Es gibt sehr viele Interpretationsmöglichkeiten, was das Leben des Menschen sei. Jedenfalls ist das Sterben, sofern es nicht absichtlich herbeigeführt wird, ein natürlicher Vorgang des menschlichen Lebens, welcher nicht verdrängt oder tabuisiert werden sollte. Professionelles sozialarbeiterisches Handeln sollte seinen eigenen fachlichen Beitrag im Kontext verschiedenster Disziplinen leisten, um die letzten Monate, Wochen oder auch Tage schwerstkranker Personen so erträglich und angenehm wie möglich zu gestalten. Mit dieser Arbeit möchte ich aufzeigen, dass die Soziale Arbeit im Palliativkontext ihre eigene begründete Fachlichkeit besitzt und durchaus in der Lage ist, einen eigenständigen professionellen Beitrag zu leisten.
„Die Zeit, da es ans Sterben geht, ist nicht die Zeit der Einübung ins Sterben. Die eigentliche Lehrzeit der Kunst des Sterbens ist nicht die Stunde des Todes. Die eigentliche Lehrzeit der Kunst des Sterbens, ist das Leben."
(Sill 2002, S.53)
2 Beschreibung der Einrichtung
Die Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder sind eine modernst eingerichtete Institution der österreichischen Gesundheitsversorgung. Es befinden sich im Hause viele hochspezialisierte Abteilungen, welche trotz der täglichen Routine ein ganz besonderer Geist durchströmt: „Die Menschlichkeit, mit denen man den PatientInnen hier begegnet" (vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.5). Das besondere Verständnis für erkrankte Menschen ist ein spezielles Kennzeichen dieser Institution. Diese Informationen erhielt man aufgrund regelmäßiger Patientenbefragungen. In den Ordenswerken der Barmherzigen Brüder herrscht eine familiäre Atmosphäre. Größter Wert wird darauf gelegt, dass PatientInnen nicht als anonyme Fälle, sondern als Menschen aufgenommen werden. Die Barmherzigen Brüder leben nach dem Vorbild des Heiligen Johannes von Gott, dem Ordensgründer dieser Einrichtung. Alle Brüder üben Berufe in Gesundheits- und Sozialbereichen aus. Ständige Weiterbildung gehört zum gelebten Ordensauftrag, um mit modernsten Wissen und Mitteln die Bedürfnisse der kranken Menschen bestmöglich erfüllen zu können. Ein gutes Betriebsklima, die Wertschätzung der MitarbeiterInnen, sowie der Vorsatz ständiger Weiterbildung kennzeichnen das hohe pflegerische Niveau. (Vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.lff
2.1 Leitbild und Organisation des Krankenhauses
Die Würde des Menschen steht im Mittelpunkt allen Handelns. Sie muss auch in Zeiten der Not erhalten bleiben, weil jeder Mensch ein Geschöpf und Ebenbild Gottes ist. Somit bleibt auch gesichert, dass einzelne PatientInnen in allen Krankheitsphasen ganz als Mensch geachtet, respektiert und betreut werden, um nicht zum anonymen Fall herab zu sinken (vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.5). In der Organisation des Konvents arbeiten und leben weltweit derzeit um die 1.362 Barmherzige Brüder, davon 45 in der österreichischen Provinz. Es bestehen kleine Brudergemeinschaften um einen geregelten Tagesablauf nachgehen zu können. Die Ordensmänner widmen ihre ganze Kraft dem Dienst an Kranken und Not leidenden Menschen. Neben der alltäglichen Arbeit stehen das Gebet, (Stundengebet in der Früh, zu Mittag und am Abend) sowie die heilige Messe im Mittelpunkt ihrer brüderlichen Handlungen (vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.5). Das Krankenhaus bearbeitet jährlich etwa 15.000 stationäre und ca. 20.000 ambulante Fälle. Bei dieser Fülle an Aufgaben ist es notwendig, eine hohe Dienstleistungsqualität anzubieten. (Vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.lff)
2.2 Palliativmedizinische Betreuung am Krankenhaus
Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder definiert die Charakteristika einer palliativmedizinischen Versorgung wie folgt: „Im palliativen Kontext werden PatientInnen mit einer weit fortgeschrittenen bzw. fortschreitenden, nach menschlichem Ermessen unheilbaren Erkrankung und begrenzter Lebensdauer behandelt. Ziel dieser Behandlung und Betreuung ist die Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität von PatientInnen und deren Angehörigen. Der Fokus liegt auf einer Schmerzbehandlung und Symptomkontrolle mit der Intention einer bestmöglichen Linderung. Nach Besserung oder Stabilisierung wird eine Entlassung der PatientInnen angestrebt“ (vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.10). Im Jahre 2004 wurde im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder die erste Palliativstation Kärntens eröffnet. Seitdem können Menschen aus St. Veit und Umgebung welche an einer unheilbaren Krankheit leiden, ganzheitlich betreut werden. Lebensbedrohlich erkrankte PatientInnen sollen durch eine palliative Versorgung, Vorbeugung und Linderung ihrer physischen als auch psychischen Schmerzen erhalten. Dies erfordert eine gut organisierte interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedenster Abteilungen, welche 24 Stunden erreichbar sein müssen. Dazu wurde ein palliativmedizinisch gut ausgebildetes 14-köpfiges Team aufgestellt, welches aus ÄrztInnen, Dipl.- Gesundheits- und Krankenschwestern, ErgotherapeutInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und SeelsorgerInnen besteht (vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.10). Ein weiteres Betreuungsangebot gibt es auch für PatientInnen welche zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung optimal versorgt werden möchten, wenn es aus medizinischer Sicht vertretbar ist. Hier steht ein speziell ausgebildetes mobiles Palliativteam zur Verfügung, welches aus ÄrztInnen, Krankenschwestern und zwei SozialarbeiterInnen besteht. Ein zusätzliches Ziel der mobilen Palliativbetreuung ist, dass PatientInnen möglichst viel Zeit im Kreise ihrer Familie verbringen können, was in enger Zusammenarbeit mit Angehörigen vielfach erreicht wird. Darüber hinaus, gibt es im stationären Bereich flexible Besuchszeiten als auch Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige, sowie ein Wohnzimmer mit einem Trauerkaffee. Die Tätigkeit der Palliativbetreuung endet nicht mit dem Tod des Patienten. Sie inkludiert je nach Bedarf, Hilfestellungen für Angehörige im organisatorischen Sinne, als auch eine sozialpsychologisch gestützte Trauerbegleitung. In regelmäßigen Abständen werden für Angehörige im Trauerkaffee Sitzungen organisiert, welche von der Seelsorge des Hauses begleitet werden. Großer Wert wird auch auf die Atmosphäre gelegt was bedeutet, dass die Räumlichkeiten auf der Station sehr persönlich gestaltet wurden und kaum an ein Krankenhaus erinnern. (Vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.1ff) Die stationäre Palliativeinrichtung im Krankenhaus bietet folgende Betreuungsmöglichkeiten an:
- Akupunktur
- Aromapflege und Aromamassage
- Schmerztherapie und medizinische Behandlung
- Interdisziplinäre Therapie, Lichttherapie
- Soziale Beratung
- Begleitung in der Sterbephase, Trauerbegleitung, Spirituelle Begleitung
- Beratung, Begleitung sowie Unterstützung von Angehörigen
- Engagement von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen etc.
Das mobile Palliativteam bietet folgende Betreuungs- und Versorgungsleistungen an:
- Beratung und Unterstützung im Psychosozialbereich (Pflegegeld, Hospizkarenz, Pflegebett etc.)
- Einsatz in palliativmedizinischen und pflegerischen Notfällen (als Erstversorgung z. B. bei Schmerzattacken)
- Durchführung von Schulungen außerhalb des Krankenhauses
- Kontakt zu anderen betreuenden Einrichtungen etc. (Vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.1ff)
Die MitarbeiterInnen des Krankenhauses sorgen während der gesamten Betreuungszeit dafür, dass die Angehörigen durch ständigen Informationstausch in die Pflege einbezogen werden. Speziell in der Sterbephase und nach dem Tod benötigen die Familienmitglieder eine gute und professionelle Begleitung. Dabei können offene Gespräche helfen, um mit Sorgen und Ängsten besser umzugehen. Ist eine PatientIn verstorben, gibt es strenge Richtlinien für alle beteiligten MitarbeiterInnen des Krankenhauses, welche ausnahmslos einzuhalten sind. Auch wird auf die jeweilige Religion des Verstorbenen Rücksicht genommen, um so einen würdigen und respektvollen Abschied zu ermöglichen. An dieser Stelle ist die Soziale Arbeit gefordert, durch Echtheit, Empathie, Offenheit, gegenseitiger Wertschätzung und Anteilnahme einen bedeutenden Teil der Trauerphase durch professionelle Kommunikation zu begleiten. Zusammengefasst lässt sich ableiten, dass neben der Anerkennung und Anteilnahme sowie Wertschätzung der religiösen Riten, diese Handlungen eine psychosoziale Bewältigungsstrategie beschreiben, um die Todestatsache besser verarbeiten zu können. (Vgl. Student/Mühlum 2007, S.68ff)
Laut Student & Mühlum 2007 kommen dabei kommen noch zwei weitere wichtige Elemente hinzu, nämlich:
1. Um den Tod herum wird Gemeinschaft und Öffentlichkeit erzeugt
2. Dabei kommt auch der Umgang mit dem eigenen Sterben zum Tragen
Dies bedeutet, dass sich die Betroffenen nicht alleine gelassen fühlen und durch das Ritual einen Zugang zum Tod des Verstorbenen und für sich selbst schaffen können (vgl. Student/Mühlum 2007, S.68f). Leider kam es in den städtischen Gebieten des 20. Jahrhunderts zu einer Vernachlässigung solch hilfreicher Formen, da einerseits der Glaube immer mehr in den Hintergrund rückte und andererseits Tod und Sterben in unserer Gesellschaft gerne tabuisiert bzw. verheimlicht werden. Für Student und Mühlum 2007 bestehen keine Zweifel: „Wenn der vorherrschende Bewältigungsmechanismus ausschließlich in der Verdrängung oder Verheimlichung liegt, darf die daraus außer Kontrolle geratene Angst vor dem Tode nicht verwundern. Das heißt, der Mensch von heute braucht wieder Rituale bzw. neue Formen der Hilfe, um wieder besser zurechtzukommen“ (Student/Mühlum 2007, S.69). Auch hier wäre die Soziale Arbeit wieder gefordert neue Konzepte zu unterbreiten, da Sterben und Tod soziale Themen sind und die gesamte Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder wird schon im Vorfeld mit Betroffenen und Angehörigen über diese schwierige Thematik ausführlich gesprochen und auch gehandelt. Auf Wunsch steht ein interdisziplinäres Team zur Verfügung, welches auch auf transzendente Fragen eingeht, um so eine umfassende Beratung zu gewähren. Als Rituale vor dem Tod sind durchaus Gespräche und Therapien mit Betroffenen und Angehörigen zu benennen, damit wird eine gewisse Gemeinschaftlichkeit um das Sterben geschaffen (vgl. Student/Mühlum 2007, S.68f). Es gibt eine Fülle an Therapieformen, welche zur Auswahl stehen. Ein wesentlicher Punkt ist die Schmerzregulierung bei PatientInnen. Ist der Schmerz bei einem Patienten einmal reguliert und erste Linderungen festzustellen, tritt auch bei den Angehörigen eine entsprechende Stressminderung ein. SozialarbeiterInnen sind in dieser Phase der Begleitung ständige AnsprechpartnerInnen bei psychosozialen Fragen. Als Rituale nach dem Tod, sind im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, psychologische Gespräche für Angehörige anzuführen. Aber auch ein Trauercafe, als Raum der Begegnung steht zur Verfügung, wo über den schmerzhaften Verlust, unter professioneller Begleitung reflektiert werden kann. Weiters gibt es spirituelle Unterstützungen, welche das sehr umfangreiche Angebot der Barmherzigen Brüder professionell abrunden (vgl. Imagebroschüre der Barmherzigen Brüder 2005, S.10).
2.3 Klientinnen - Wünsche & Wirklichkeit - Eindrücke aus der Palliativabteilung
So manchen Patienten, welchen ich in meiner Praktikumszeit begleiten durfte, ist es nicht leicht gefallen, Ängste und Sorgen zum Thema Tod und Sterben mitzuteilen. Es gab jedoch Momente, wo der Zugang zu Gesprächen gelang und so durfte ich einige Erlebnisse von Leid und Schicksal, aber auch von Dankbarkeit und Hoffnung in mein Praktikumstagebuch aufnehmen, wie z. B. folgende drei Kurzeindrücke schwer erkrankter Menschen:
Patientin 69 Jahre, Diagnose - fortgeschrittenes Pankreaskarzinom, Prognose - unheilbar; Eine Dame welche als Pensionistin verwitwet war und ihr ganzes Leben sich stets bester Gesundheit erfreuen konnte, musste sich vor kurzem einer Operation unterziehen, um einen Krebstumor entfernen zu lassen. Die anschließenden Chemotherapien waren leider erfolglos und so erhielt sie die traurige Nachricht vom Oberarzt, dass sie nur noch wenige Monate zu leben habe, da alle Versuche den Tumor zu bekämpfen erfolglos blieben. in diesem Zusammenhang kamen ihr sehr rasch Gedanken zum Thema Sterben und Tod. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es nach dem körperlichen Tod noch etwas geben sollte, obwohl sie es sich wünschte. Am Anfang war eine gewisse Auflehnung, man könnte fast sagen Aggression zu spüren, wobei sich diese Auflehnung in langsamen Schritten zu einem Lernprozess und Gesinnungswandel veränderte. Ich besuchte sie fast täglich, um mit ihr über ihre Gedanken und Ängste zu sprechen. Nach ca. einem Monat verschlechterte sich ihre gesundheitliche Situation, trotzdem merkte ich, wie sie immer gelassener wurde. Als ich sie darauf ansprach, wie sie sich fühle, sagte sie mit leiser Stimme: „Wissen sie, ich spüre, dass mein Mann auf mich wartet. Ich habe ja hier nichts mehr zu erledigen. Meine zwei Töchter leben schon seit Jahren in England und haben dort ein schönes zu Hause. Ich habe hier, soweit ich konnte, immer versucht mich einzusetzen. Ich glaube, es ist mir soweit gelungen. Ich habe auch nicht mehr die Kraft, mich gegen diese Krankheit zu wehren. Ich kann nicht mehr." Nach diesen Worten merkte ich, dass sie dem Abschied zustimmte. Nach ca. zwei weiteren Monaten verstarb die Patientin in einem Pflegeheim bei Klagenfurt, wie ich durch den Sozialdienst nachträglich erfahren durfte.
Patient 57 Jahre, Diagnose - Lungenkrebs, Prognose - unheilbar;
Der Patient hatte, als ich das erste Mal bei ihm war, sehr starke Atemnot. Damit verbunden gab es immer wieder Panikattacken, weil der Patient glaubte ersticken zu müssen. Herr H. wurde palliativmedizinisch bestens versorgt, dennoch waren Atemnot und Angst verständlicherweise stark ausgeprägt. Als ich einmal an einem Freitag zu Hr. H. ins Zimmer kam, waren seine Frau und sein kleiner Sohn auf Besuch. Er machte einen erstaunlich gelassenen Eindruck. Als ich ihn fragte wie es ihm ginge sagte er: „Ich muss wieder nach Hause. Ich habe ein Unternehmen und kann hier nicht so herumliegen. Ich denke, dass ich in zwei bis drei Wochen wieder arbeiten kann." Ich antwortete mit munterer Stimme: „Das sind aber erfreuliche Nachrichten Herr H. Sie machen ja richtig Fortschritte.“ Dieser Optimismus übertrug sich auch auf seine Familie. Als ich das Krankenzimmer verließ, sprach mich am Gang seine Gattin an und fragte, wie ich die Situation einschätzen würde. Ich antwortete Ihr: „Sie wissen ja was ihnen der Arzt mitgeteilt hat. Ich habe nicht die Kompetenz medizinische Prognosen oder Einschätzungen abzugeben. Ich würde sie bitten, diesbezüglich mit dem Arzt Kontakt aufzunehmen, um mit ihm über dieses Thema zu sprechen.“ Die Dame nahm meinen Vorschlag an und kontaktierte noch am selben Tag den Oberarzt. Ich erfuhr später von ihrem Gespräch und den Wunsch ihren Gatten nach Hause zu nehmen, da es ihm damalig scheinbar besser ging. Ich persönlich war sehr erstaunt über den schnellen Genesungsprozess von Hr. H. Der Oberarzt stimmte dem Vorschlag nicht zu, da ja der Patient zeitweise unter sehr starker Atemnot zu leiden hatte. Nur einen Tag darauf, also am Samstag, so konnte ich es in der PatientInnendokumentation nachlesen, verstarb der Patient in sehr kurzer Zeit aufgrund einer extremen Zustandsverschlechterung. Die Familie musste im Anschluss psychologisch betreut werden. Ich hatte leider keinen weiteren Kontakt, da die psychologische Betreuung von einer externen Stelle übernommen wurde. Eine Stationsschwester mit welcher ich sehr oft kooperierte, sagte mir, dass Angehörige welche eine todkranke PatientIn nicht loslassen, diese am Sterben hindern könnten. Manchmal stirbt so eine PatientIn in relativ kurzer Zeit, wo niemand zugegen ist. Solche Situationen habe sie schon einige Male miterleben können, erzählte sie.
Patientin 45 Jahre, Diagnose - Mammakarzinom, Prognose - unheilbar (durch Metastasen im gesamten Körper); Diese Dame hatte bereits vor vier Jahren ihren ersten Kontakt zum Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, weil ihr damals die linke Brust, wegen eines bösartigen Tumors, entfernt werden musste. Für die Patientin brach zu jener Zeit eine Welt zusammen, da für sie Schönheit und Makellosigkeit über alles bedeutend waren. Sie erzählte mir, dass ihre Verzweiflung so groß war, dass sie sich das Leben nehmen wollte denn sie konnte es nicht ertragen, fortan mit solch einem gezeichneten Körper zu leben. Als sie dann nach vier Jahren wieder stationär aufgenommen wurde, sozusagen im Endstadium ihrer Krankheit, buchstäblich zerfressen von Metastasen und völlig abgemagert, hatte sie ihre geistige Umkehr bereits hinter sich gebracht. Sie berichtete mir wie sie durch die Krankheit ein anderer Mensch geworden sei. So wurde sie von der Schönheit der Äußerlichkeit hin zur innerlichen Fixierung, zum Sinn des Daseins geführt. Erstaunt war ich über ihre Augen, die trotz der Krankheit, einen Glanz ausstrahlten, welcher an Dankbarkeit und Sinnerfüllung erinnerten. Man könnte fast sagen, dass die Schönheit der ehemals bedeutungsvollen Körperlichkeit geopfert werden musste, zur Heilung und Verschönerung der Innerlichkeit. Sie hatte durch ihre Krankheit den Weg zum Glauben gefunden. Ich reflektierte dieses Gespräch mit einem Seelsorger noch weiter. Er erzählte mir, dass wirklich gläubige Menschen meist leichter sterben, weil sie sich weniger gegen den Prozess des Todes wehren und so auch Schmerzen leichter ertragen können. Dazu benötigen sie weniger Psychopharmaka zur Bewältigung ihrer Angstzustände. Sich geborgen zu fühlen, in der Hand einer höheren Macht, wird zur trostspendenden Quelle für Kraft und Frieden. Das Leben, welches im Sterben zu Ende geht, ist ein Geheimnis. Obwohl man weiß, dass man sterben muss, bleibt die Grenze jenseits des Lebens eine unerfahrbare Wirklichkeit, welche über die Struktur der Elemente hinausgeht (vgl. Frankl 2008, S.18).
2.4 Reflexion zur Situation sterbender PatientInnen
Aufgrund dieser Erfahrungen würde ich sagen, dass sich im Sterben das Leben verdichtet und darin kann man die individuell vollzogene Lebensführung eines Menschen erkennen. Dies bedeutet für mich vorrangig, im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit im Umgang mit Sterbenden Personen, vor allem den leidenden Menschen zu erkennen. In der Sozialen Arbeit spricht man primär von KlientInnen, KundInnen oder AdressatInnen. Nicht mehr leidende Menschen stehen im Zentrum, sondern Systeme, Prozesse oder Strukturen. (Vgl. Engelke 2006, S.72)
Hier sollten vor allem Sozialarbeiter! nnen eine professionelle Feinfühligkeit beherrschen, um nicht nur organisierend, sondern auch reflektiert begleitend, die Menschen in ihrem individuellen Leidensweg unterstützen. Ernst Engelke 2006 beschreibt die Problematik wie folgt: „Wenn jemand leidet, dann stört ihn jeder, der mit ihm diskutieren will, Ratschläge erteilt und sich so über ihn stellt. Leidende brauchen BegleiterInnen und ihre Resonanz, um nicht im Leid zu versinken" (Engelke 2006, S.76). Diese BegleiterInnen (SozialarbeiterInnen) können dem Leidenden zwar „nichts" abnehmen, dennoch gibt es viele Möglichkeiten um es zu lindern, mitunter durch Organisation sogar leichter zu gestalten (vgl. Engelke 2006, S.76). Unsere Erfahrung sagt uns, dass jeder Mensch bedürftig zur Welt kommt und sein Leben lang bedürftig bleibt. Engelke 2006 sagt weiters: „Der perfekte Mensch, ohne Bedürfnisse, ist ein Wunschtraum. Der imperfekte Mensch, der auf Hilfe und Unterstützung angewiesen ist, um seine Bedürfnisse im Sterbeprozess erfüllt zu sehen, ist die alltägliche Realität" (Engelke 2006, S.69f).
2.5 Aufgaben & Projekte im Rahmen des Praktikums
In Gesprächen mit Patientinnen gab es immer wieder Lob und Anerkennung für den Sozialdienst. Sei es aufgrund einer sozialen Leistung, welche zugesprochen wurde oder sonstiger organisatorischer Ausführungen. Die Institution der Barmherzigen Brüder hat allgemein einen sehr guten Ruf. Dies hörte ich immer wieder aus den verschiedensten Konversationen heraus. Viele Menschen kamen und kommen wegen der fachlich kompetenten und freundlichen Umgangsweise, welche sie vor Ort erfahren haben oder auch nur gehört hatten. Dies bestärkte unsere Motivation sowie unseren Einsatz. Im Rahmen meines Praktikums durfte ich einige Bereiche kennen lernen. Um eine leichtere Übersicht und Struktur zu gewähren, sind die einzelnen Aufgabenfelder in fett gedruckten Buchstaben gekennzeichnet. In der Klammer kann man das Ausmaß des Arbeitsaufwandes entnehmen, der sich auf die Summe der jeweiligen Aufgabenfelder pro Monat bezieht. Aufgrund der vielfältigen Aufträge, welche täglich zu erledigen waren, wurden von mir folgende Rubriken definiert:
1. A - Administrative Tätigkeiten im Büro (45%)
2. S - Stationstätigkeiten mit Abklärungen (35%)
3. B - Beratungsgespräche mobil oder stationär (10%)
4. P - Zusätzliche Projekttätigkeiten (10%)
2.5.1 A - Administrative Tätigkeiten
Den Schwerpunkt bildeten die organisatorischen Aufgaben, welche im Rahmen von Anträgen für PatientInnen, etwa durch Pflegegelderhöhungen oder sonstigen Gesuchen und Abklärungen mit Behörden und Institutionen zu erledigen waren. Zudem waren immer wieder Recherchetätigkeiten für KollegInnen oder PatientInnen durchzuführen. Beispiele solcher Recherchen waren etwa Informationseinholungen über diverse Anbieter von Dienstleistungen im Pflegebereich. Primär ging es darum, für die PatientInnen DienstleistungsanbieterInnen zu finden, welche beispielsweise Sauerstoffversorgungen, Krankenbetten und weitere Pflegeleistungen kostengünstig offerieren konnten. Weiters musste man sich auf Patientinnengespräche entsprechend vorbereiten. Dabei konnte man das Datenbanksystem nutzen, um so anamnestische Informationen einzuholen, welche für das Gespräch sehr wichtig waren. Auch gab es im System Informationen, wenn z. B. PatientInnen eine ansteckende Krankheit hatten. Es gab in meiner Zeit einige Fälle von Noroviren, welche zu heftigen Magen-Darm Beschwerden (Brechdurchfall) führen konnten, wenn man nicht vorsichtig war und den Besuch auf einen späteren Zeitpunkt verschob. Auch gab es immer wieder Situationen, wo für PatientInnen ein Pflegeplatz gefunden werden musste, was nicht immer leicht war, zudem einerseits KlientInnenwünsche und andererseits Pflegeplatzbelegungen in Kärnten zu berücksichtigen waren. Vereinzelt gab es auch Fälle, wo Krankentransporte organisiert werden mussten. Dies erforderte eine enge Kooperation mit Institutionen wie dem Roten Kreuz oder anderen Leistungsanbietern. Diese genannten Tätigkeiten beschränkten sich in meinem Fall auf die Onkologie- und Palliativstation.
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