Ermöglichung einer pro-interventionistischen Berichterstattung während militärischen Interventionen westlicher Eliteländer am Beispiel des Kosovo-Konflikts


Diploma Thesis, 2000

292 Pages, Grade: Sehr gut


Excerpt


Inhalt

I. Einleitung und Standortbestimmung

II. Die politischen Voraussetzungen für die Akzeptanz einer militärischen Intervention
II. 1. Internationale Politik und „ethnischer Konflikt“
II. 2. Krieg als akzeptierte und institutionalisierte Möglichkeit der Konfliktlösung
II. 3. Die „neue Weltordnung“

III. Die Strategien der Clinton-Administration
III. 1. Neoisolationism
III. 2. Selecitve Engagement
III. 3. Cooperativ Security
III. 4. Primacy
III. 5. Der Clinton-Strategiemix

IV. Die Beziehung zwischen Medien und Militär in lokal begrenzten Konflikten
IV. 1. Korea
IV. 2. Vietnam
IV. 3. Falkland
IV. 4. Grenada
IV. 5. Lateinamerika
IV. 6. Irak
IV. 7. Somalia
IV. 8. Ex-Jugoslawien
IV. 8. 1. Die „neue NATO“ und der Krieg in Jugoslawien
IV. 8. 2. Bosnien
IV. 9. Zusammenfassung von Kapitel IV.

V. Der Kosovo-Konflikt, die Propagandalinie der NATO, der Aufbau und die Weiterverbreitung der Kriegs- agenda
V. 1. Vom Berliner Kongreß zur Konferenz von Rambouillet
V. 2. Die NATO-Pressekonferenzen
V. 3. Die Sprachmanipulation während der Konferenzen
V. 4. Der Aufbau einer Kriegsagenda mit Hilfe der journalistischen Elite
V. 4. 1. Instrumentelle Aktualisierung im Kosovo-Konflikt
V. 4. 2. PR im Vorfeld der Nachrichtenselektion
V. 4. 3. Nachrichtenwerte und Relevanzkriterien der Kriegsberichterstattung
V. 4. 4. Die Verbreitungsmechanismen im Nachrichtengeschäft
V. 4. 5. Journalistische Selektivität und ihre Folgen
V. 5. Zusammenfassung von Kapitel V.

VI. Bedingungen für eine pro-interventionistische Bericht- erstattung
VI. 1. Die Konstruktion von Scheinrealität oder „Public opinion wins war“
VI. 2. Beschränkung und Kontrolle der Journalisten
VI. 3. Wahl und Aufrechterhaltung von Bedrohungsszenarien
VI. 4. Massaker und Greueltaten als Anlaßfall zum militärischen Eingreifen
VI. 5. Der Kampf um die höheren Werte: Demokratie und Menschenrechte

VII. Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse

VIII. Verwendete Literatur

IX. Anhang

Für D., S., J., I., und M.

I. Einleitung und Standortbestimmung der Diplomarbeit

Berichterstattung in Kriegs- und Krisenzeiten stellt die Presse vor eine besondere Herausforderung. Journalisten haben die Macht, eine Realität zu konstruieren, die von den Rezipienten hingenommen werden muß, da ihnen meist die Möglichkeit fehlt, das von der Presse postulierte Geschehen anhand eigener Erfahrungen zu überprüfen. Dies gilt nicht zuletzt in der Kriegsberichterstattung. Die Gefahr, die von dem Kriegsgebiet ausgeht, die Bedrohung des eigenen Lebens läßt vor dem Krisengebiet zurückschrecken und weckt in den Rezipienten nicht unbedingt den Wunsch, sich an Ort und Stelle von dem Geschehen zu überzeugen. Auch für Kriegsberichterstatter ist es schwierig, sich im Kriegsgebiet frei zu bewegen und adäquate Informationen zu sammeln und zu überprüfen. Alle Kriegsparteien versuchen, ein möglichst vorteilhaftes Bild von sich selbst zu zeichnen und es der Öffentlichkeit zu präsentieren. Als Vermittler dienen dazu Kriegsberichterstatter, die sich im Geflecht von Zensur und Manipulationsversuchen von militärischer Seite her zurechtfinden müssen. Kriegsberichterstatter und ihre Berichte sind deshalb so wichtig, weil ein Krieg oder ein militärischer Eingriff in eine Krise, wie z. B. die Einmischung der USA und ihrer Alliierten in den Kosovo-Konflikt, publizistisch legitimiert oder entlegitimiert wird.

Es stellt sich die Frage, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit Journalisten für eine Seite Partei ergreifen und pro oder kontra eines militärischen Angriffs publizistisch Stellung beziehen. Es greift zu kurz, nur den einzelnen Journalisten für seine Berichterstattung verantwortlich zu machen. So wie schon Winfried B. Lerg feststellte, ist es mit der Untersuchung der Rolle des Kommunikators nicht abgetan, denn ebenso müssen die publizistischen Rahmenbedingungen, unter denen Journalisten ihrer Arbeit nachgehen im Rahmen der Medienforschung mitberücksichtigt werden.[1] Der Einfluß der Nachrichtenagenturen auf die globale Nachrichtenagenda ist ebenso mit zu sehen, um einheitliche Tendenzen in der Kriegsberichterstattung erklären zu können, wie die Bedeutung von US-amerikanischen Elitemedien hinsichtlich der Prägung und Aufbereitung eines Themas in europäischen Redaktionen. Es sind also zwei Problemfelder, innerhalb deren Spannungskreis sich diese Diplomarbeit bewegt: a) die Rahmenbedingungen und Strukturen, die für eine pro-interventionistische Berichterstattung verantwortlich sind, und b) jene Faktoren, die Einheitlichkeit, Konvergenz und Konsonanz in der Kriegsberichterstattung provozieren.

Besonders wichtig für diese Arbeit ist die Aufarbeitung der Beziehung zwischen Medien und Militär, da in wissenschaftlichen Untersuchungen dieses Thema zugunsten der singulären Erforschung der Rolle des Kriegsberichterstatters als Individuum meist vernachlässigt wird. Das Forschungsgebiet „Massenmedien und militärische Konflikte“ leidet, wie Bernhard Rosenberger[2] konstatierte, an einem Mangel an theoretischer Fundierung, ja sogar an einem generellen Problemaufriß. Einen wichtigen Beitrag hierzu leisteten die skandinavischen Kommunikationswissenschaftler Heikki Luostarinen und Rune Ottosen, die in ihrem Beitrag zu einem Sammelband von Wilhelm Kempf und Irene Schmidt-Regener die Herausbildung eines professionellen Nachrichtenmanagements der Militärs in geographisch begrenzten Konflikten herausarbeiteten. Der Konflikt, zu dem die meiste Literatur hinsichtlich der Beziehung zwischen Medien und Militär existiert, ist zweifelsohne der Golfkrieg. Hier versuchte auch Philip Taylor anzusetzen, der in seinem Werk über den Golfkrieg die Beziehung zwischen Militärs und Journalisten zu rekonstruieren versuchte.[3] Seine Ansätze hinsichtlich der Kontrolle und Beschränkung von Journalisten seitens des Militärs fanden auch Niederschlag in der Arbeit von Luostarinen und Ottosen.

Ausführlich beschrieben hingegen findet man die Arbeit von Kriegsberichterstattern als Individuum, die persönliche Erlebnisse verarbeiten oder beinhalten und Arbeitsweisen von Kriegsberichterstattern behandeln. Werke dazu finden sich vorwiegend aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und schwanken zwischen Selbstberichten mit abenteuerlichen Anstrich wie Peter Arnetts Autobiographie „Live from the Battlefield“ oder Richard Beeston’s „Looking for trouble: the life and times of a foreign correspondent“. Ein neuerer Ansatz wie z. B. die Arbeit von Mark Pedelty „War stories: the culture of foreign correspondents“[4] versucht eine soziologisch-ethnologische innere Betrachtung von Journalistenteams während ihrer Arbeit im Krieg in Nicaragua. Winfried B. Lerg stellte 1992 eine Literatursammlung über deutschsprachige Werke in der Kriegsberichterstatttung zusammen, und bemerkte, daß gerade im deutschen Sprachraum die Kommunikatorforschung wenig ausgereift sei, und dies treffe auch auf die Erforschung der Rolle des Kriegsberichterstatters zu. Dieser Mangel sei in der journalistischen Auffassung zu finden, da im deutschen Sprachraum das Problem der Kriegsberichterstattung dadurch versucht wird zu lösen, indem die Journalisten die affirmative und patriotische Anpassung an die vorgegebene Linie von Regierung und Militärs mit vollziehen. Wie die Literaturauswahl zeigt, stammen die meisten Werke zur Rolle des Kommunikators in seiner Funktion als Kriegsberichterstatter aus den USA oder aus Großbritannien. Doch ist dies eine Garantie dafür, daß amerikanische oder britische Reporter die vorgegebene Linie ihrer Militärs nicht mittragen? Ist das Problem Kriegsberichterstattung nicht auch immer ein Problem darüber, auf wessen Seite der Korrespondent steht, daß sich der Reporter einer Parteiergreifung vielleicht gar nicht bewußt ist? Die Herausbildung jener Strukturen, die es den Militärs erlaubten, Einfluß auf die Arbeit von Journalisten zu nehmen, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit, denn in der historischen Beziehung zwischen Medien und Militär sind jene Strukturen für eine Akzeptanz bzw. Nichtakzeptanz des Krieges von Journalisten angelegt, und auch dafür, mit welcher Kriegspartei sich Journalisten identifizieren können. Moderne militärische Interventionen stellen Journalisten vor neue (alte) Probleme, nämlich Zugang zu jenen Gebieten zu erhalten, in denen militärische Kampfhandlungen abgehalten werden, um sich selbst ein Bild vom Kampfgeschehen zu machen. Militärisch aktive Staaten wie z. B. die USA haben durch Interventionen in Ländern, die zu ihrer unmittelbaren Einflußzone gehören, ausreichend Gelegenheit gehabt, Strategien im Umgang mit Medienvertretern zu testen.

Viele Autoren bezeichneten den Krimkrieg als den „ersten Pressekrieg“ der Geschichte. Kriegsberichterstattung in irgendeiner Form hat es seit der Antike gegeben, man denke an den Läufer, der den Sieg von Marathon verkünden sollte, oder an Julius Cäsar, der sich selber als Kriegsgeschichtsschreiber während des gallischen Krieges betätigte. Die Notwendigkeit eines Militär-Medienmanagements ergab sich in jenem Moment, als ein Reporter die Front aufsuchte und auf eigene Faust über das Kriegsgeschehen zu berichten versuchte, wie es im Krimkrieg geschah. William Howard Russell folgte 1854 für die Londoner Times den englischen Truppen auf die Krimhalbinsel und schuf für die Militärs eine neue Situation: die Anwesenheit eines Reporters auf dem Schlachtfeld. Dies war für die Generäle eine neue Erfahrung, vielleicht ein „clash of cultures“ im übertragenen Sinn zwischen dem Anspruch einer offenen Berichterstattung und der traditionellen Geheimhaltungspolitik der Militärs. Resultat dieses Zusammenstoßes zwischen Kriegsberichterstattern und Vertretern des Militärs war die Einführung der Zensur noch während des Krimkrieges 1856. Philip Knightley schuf 1975 ein oft zitiertes Werk über Kriegsberichterstatter und ihre Arbeit mit seinem Buch „The first casualty: From the Crimea to Vietnam: The War Correspondent as Hero, Propagandist and Myth Maker“. Knightley analysierte darin die Arbeit der Korrespondenten und die jeweiligen zeitgeistigen journalistischen Strömungen innerhalb ihrer Berichterstattung, und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Charakterisierung der jeweiligen behandelten Kriege. In den meisten jüngeren Werken zum Thema Kriegsberichterstattung findet man Ansätze, die auf Knightley zurückgehen.

Was aber weiterhin ein weitgehend theoretisch unbehandeltes Feld in der Literatur blieb, war die Aufarbeitung der Beziehung und gegenseitigen Beeinflussung von Medien und Militär in kriegerischen Konflikten, sowie die Herausarbeitung jener Strukturen, die für eine pro-interventionistische Berichterstattung gegeben sein müssen. Zensur kann als klassische Form der Informationsbeschränkung und als wichtiges Detail innerhalb dieser Beziehung gesehen werden, die Militärs seit dem Krimkrieg beinahe ununterbrochen praktiziert haben. War es zu Beginn der Frontberichterstattung die „Zensur mit dem Holzhammer“, so haben sich im Laufe der Kriegsgeschichte diffizile Beschränkungs- und Manipulationsmechanismen in Form von Öffentlichkeitsarbeit, Lobbying und Propaganda zur Verschleierung von Zensurmaßnahmen und zur Beeinflussung der journalistischen Berichterstattung entwickelt. Die Beziehung zwischen Medien und Militärs kann als historischer Entwicklungsprozeß gesehen werden, in dem die Militärs Strategien zum Umgang mit den Medienvertretern ausarbeiteten und in den verschiedensten Kriegen verbesserten, und der jeweiligen aktuellen Kriegssituation anpaßten.

Hier positioniert sich auch diese Diplomarbeit, in der versucht wird, diesen Anpassungsprozeß der Militärs an die Bedürfnisse der Korrespondenten unter Wahrung militärischer Geheimnisse und des eigenen positiven Images nachzuzeichnen. Nicht der Kriegsberichterstatter als Individuum steht im Mittelpunkt des Untersuchungsprozesses, sondern jene strukturellen Bemühungen der Militärs, ihre Sicht der Dinge erfolgreich für das eigene Image den Journalisten und damit der Öffentlichkeit zu verkaufen. Die Abhängigkeit der Journalisten von dem militärischen Informationsmanagement ist geprägt von den Möglichkeiten des Zuganges zu den Kriegsschauplätzen und neuesten Informationen über das Kampfgeschehen. Hier liegt auch die Macht des Militärs, ein Abhängigkeitsverhältnis aufrecht zu erhalten, in dem die militärischen Propagandisten militärische Nachrichten selektieren und jene Plätze bestimmen, die für Journalisten zugänglich sind und welche nicht.

Militärische Interventionen von Elitestaaten wie den USA oder Großbritannien in souveränen Staaten, wie z. B. im Golfkrieg und im Bosnienkrieg schufen neue Fragen bezüglich von Völkerrecht und moralischer Legitimation des Angriffes. Diese Fragen nach Moral und Werten waren auch dazu geeignet, strategische Machtinteressen von Regierungen und ihrer Militärs hinter einer schönen neuen Rhetorik von Frieden und Sicherheit für alle Menschen zu verbergen. Gerade dieser Moralisierung im Kriegsdiskurs ist es auch zu verdanken, warum Journalisten für eine Kriegspartei eintreten und eine militärische Intervention bejahen. Militärische Interventionen, die von NATO-Staaten wie z. B. der USA durchgeführt wurden und werden, haben eine Entwicklungsgeschichte, die die Kommunikationswissenschaftler Heikki Luostarinen und Rune Ottosen in der Herausbildung der Beziehung zwischen Medien und Militär während des kalten Krieges verorteten. Das Propagandamodell, daß von modernen westlichen Staaten während des kalten Krieges zur Beeinflussung der Presseberichterstattung ausgearbeitet und von militärisch aktiven Staaten wie z. B. den USA oder Großbritannien direkt oder indirekt erprobt wurde, hatte auch weiterhin Bestand nach seinem offiziell erklärten Ende, in dem sich die USA als Sieger deklarierten.

Diese Diplomarbeit beschränkt sich auf die beziehungsgeschichtliche Aufarbeitung von Medien und Militärs in militärischen Interventionen der USA und Großbritannien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Ausgehend vom Koreakrieg werden alle jene Zäsuren in der Kriegsgeschichte näher beschrieben, wie sie z. B. der Vietnamkrieg und der Golfkrieg darstellten, um dadurch die wichtigsten Entwicklungen und Veränderungen in der Beziehungsgeschichte zwischen Medien und Militärs nachzuzeichnen. Ein Buch, das viele Denkanstöße zu diesem Problem geliefert hat, ist das Werk von Mira Beham: „Kriegstrommeln: Medien, Krieg und Politik“, eines jener seltenen Werke, das den Zusammenhang von Politik, Militär und Imagepropaganda thematisiert. Denn eines darf nicht vergessen werden: Es bedarf einer langfristigen Strategie und einer Strategie, die erprobt, verbessert und der jeweiligen Kriegssituation angepaßt wird, soll die Propaganda erfolgreich sein. Imagepropaganda und die dadurch geschaffenen und transportierten Stereotypen, Mythen und Klischees haben einen entscheidenden Einfluß auf die Realpolitik und die Medienberichterstattung, wie Michael Kunczik in seinem Buch „Die manipulierte Meinung: nationale Image-Politik und internationale PR“ feststellte. Die NATO-Propaganda im Kosovo-Konflikt war daher das Produkt einer langen Reihe von bereits ausgefochtenen Kriegen. Die Erforschung der militärischen Propaganda ist wichtig, um Tendenzen innerhalb der Kriegsberichterstattung erklären zu können, nicht zuletzt, um wie im Kosovo-Krieg einheitliche Thematisierungen und den einheitlichen Beziehungsrahmen der Berichterstattung in den alliierten Ländern erklären zu können.

In dieser Arbeit wird von den Thesen ausgegangen, daß es für die Erregung öffentlichen Zorns und einer möglichen Legitimation eines militärischen Angriffs besonders wichtig ist, die Berichterstattung auf Massaker, Greueltaten und Bedrohungsszenarien zu konzentrieren, inklusive der dazu passenden Bilder. Es sind die Opfer, die im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen. Es ergibt sich nur die Frage, wer zur Seite der Opfer gerechnet wird, und wer nicht. Konzentriert sich die globale Journalistenelite auf diese Themen, dann erklären sich möglicherweise Übereinstimmungen in der Themenauswahl und Aufbereitung in den meinungsbildenden nordamerikanischen und europäischen Elitemedien. Es gibt aber noch andere Faktoren, die das Zustandekommen einer tendenziösen und einheitlichen Berichterstattung erklären.

Ausgehend von der These der Bedeutung der Nachrichtenwerte für die Aufbereitung eines Ereignisses als Nachricht sind kriegerische Ereignisse Top-Nachrichten an sich, die sich aus ihrer Struktur ergeben, die aus Negativismus, Konflikt und einer „win/loose“ Situation geprägt werden. Johan Galtung meinte, die Berichterstattung über Kriege sieht so aus, wie sie aussieht, weil Journalisten eben Kriegsberichterstattung betreiben und nicht Friedensberichterstattung. Gewalt, Konflikt und Schaden geben die Norm vor, an denen sich Reporter orientieren, und die es den kriegsführenden Eliten erleichtert, ihre Sicht der Dinge publizistisch zu verbreiten, da ihnen diese Art der Berichterstattung entgegen kommt. Die Kriegsberichterstattung ist in der Regel konflikteskalierend, zwei-Parteien-orientiert, eliteorientiert und damit auch personalisierend. Eine tendenziöse Kriegsberichterstattung braucht also keine Verschwörungstheorie, um ihr Zustande kommen zu erklären, wie Galtung es genannt hat, sondern nur einen genauen Blick auf Strukturen und Filter innerhalb des Nachrichtengeschäftes und auf die Arbeitsbedingungen von Journalisten. Diese Strukturen und der bevorzugte kurzfristige Aspekt in der journalistischen Arbeit erklären auch, warum Journalisten auf militärische Propaganda und Beeinflussungen nicht professioneller und vorbereiteter reagieren, denn nach vielen Konflikten kommt die große Klage der Journalisten, von den Militärs für ihre Zwecke mißbraucht worden zu sein. Diese Klage kann sich auch gegen Militärs richten, die der „eigenen“ Seite zugerechnet werden, wie der Golfkrieg zeigte.

Eine neue Tendenz innerhalb der Kriegsberichterstattung ist die Moralisierung. Da moderne Interventionen gerechtfertigt werden müssen, muß es einen moralischen Auftrag geben, der sie legitimiert. Der Kosovo-Konflikt, der in einem eigenen Kapitel hinsichtlich der Taktik des Militärs gegenüber den Journalisten bearbeitet wird, widmet sich unter anderem auch der Herausarbeitung der historischen Bedeutung von Konferenzen für den Balkanraum, ausgehend vom Berliner Kongreß 1878 bis zu Rambouillet 1999. Gerade jene historischen und aktuellen Konferenzen trugen stets den Keim zu neuer Unzufriedenheit und Konflikten zwischen den einzelnen Balkanvölkern in sich, und die jeweiligen an den Konferenzen beteiligten Großmächte wußten diesen Keim zur Ausnützung eigener Interessen geschickt einzupflanzen.

Das erste Kapitel der Diplomarbeit versucht einen historischen und kritischen Blick auf die Ausbildung jener neuen Weltordnung und ihrer Rhetorik zu werfen, in der es vordergründig zu den höchsten Werten zählt, die Menschenrechte zu verteidigen und mögliche Aggressoren von vornherein in ihre Schranken zu weisen. Die moralische Rechtfertigung ist dabei die als überlegen geltende Kultur des Westens, die sich auf der Spitze der Zivilisation befindet und daher sich auch leisten kann, moralische Ansprüche mit Hilfe von Waffen zur Wahrung der humanitären Interessen durchzusetzen. Die Diplomarbeit versucht aufzuzeigen, daß sich hinter diesem Anspruch meist eine andere Realität verbirgt: Die Tatsachen der Realpolitik, der es nicht um Menschenwürde und Menschenrechte geht, sondern um machtpolitische Eigeninteressen. Krieg als historisches Spiel der mächtigen Herren und wenigen Frauen, die ihn als Mittel des Friedens zu verkaufen versuchen, zwar mit Hilfe einer anderen Rhetorik als vor 100 Jahren, aber immer in Hinblick auf die Wahrung der eigenen Interessen. Im Kosovo-Konflikt wurde die Propagandalinie der NATO-Staaten von sogenannten „Spin-doctors“ vorgegeben, die hauptberuflich als Redenschreiber und Presseberater für die Präsidenten der USA und Großbritannien arbeiten. Der Balkan und das Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens sind Zonen, die immer im Spannungsbogen von verschiedenen Großmächten lagen, und auch der Kosovo-Konflikt kann nicht ohne jene historischen Hintergründe gesehen werden, die zur Schaffung des „Kosovo-Problems“ geführt haben.

Eine tendenziöse Berichterstattung kann verstärkt werden durch eine Fokussierung auf gewisse Phänomene des Krieges, im Falle des Kosovo-Konfliktes auf das menschliche Leid der flüchtenden Kosovo-Albaner, oder auf eine publizistische Begründung der unbedingten Notwendigkeit der Bombardierung, um dieses Leid zu beenden. Doch auch hier spielen wieder PR-Bemühungen, Stereotypen und Klischees hinein, wie das Bild der Kosovo-Albaner und der Serben schon vor Ausbruch des Krieges wahrgenommen wurde. Diese Fokussierung kann Effekte wie Konsonanzen in der Berichterstattung diverser Medien und Kumulationseffekte bestimmter Themen innerhalb der Berichterstattung auslösen. Vorbildwirkung hierbei haben vor allem anglo-amerikanische Elitemedien wie die New York Times oder die Washington Post. Solche Elitemedien haben die Möglichkeit, die globale Nachrichtenagenda durch ihre Themenauswahl zu beeinflussen. Diese Art der Berichterstattung kann den Eindruck erwecken, nur durch Bomben kann das Problem gelöst werden.

Die Konsonanz-Hypothese[5] versucht eine einheitliche Berichterstattung durch eine einheitliche Bewertung von Vorgängen zu erklären, denn Krieg wird in Zeitungen und Nachrichtensendungen entweder legitimiert oder entlegitimiert. Welche Faktoren hinter Legitimationsversuchen stehen, kann aber nicht ohne Berücksichtigung der Beeinflussungsstrategien der Militärs gesehen werden. Auch Militärpropagandisten haben gelernt, ihre Informationen an die Vorgaben der Nachrichtenselektion anzupassen um damit die Chance zu erhöhen, damit ihr „Ereignis“ zur Nachricht wird. Den Journalisten wird es zunehmend schwerer gemacht, hinter Klischees und Stereotypen zu schauen. Professionelle Öffentlichkeitsarbeiter wie PR-Agenturen tragen durch ihre Arbeit für eine Kriegspartei dazu bei, das aufgrund von Images und oft schwer zu überprüfenden Behauptungen agiert wird. Oft sind Journalisten aber selbst mit Schuld an der Verbreitung von unüberprüften Geschichten, da sie sich nicht mehr die Zeit nehmen wollen, vermittels Recherche hinter die Kulissen zu schauen, weil Vergangenes im Nachrichtengeschäft nicht mehr interessiert, und weil dank neuer Technologien wie der Satellitentechnik scheinbar jederzeit aus der Gegenwart berichtet werden kann. Die unfriedlichen Strukturen sind laut Johan Galtung aber auch in der Art und Weise angelegt, wie Journalisten über einen Krieg berichten, nämlich mit der Betonung auf Gewalt, Aggression, dem Beharren auf Sieg oder Niederlage einer Partei. Reporter berichten nicht über Frieden, sondern über Krieg. Das Ergebnis ist nach Galtung: „Wer Krieg berichtet, wird Krieg ernten, wer über Frieden berichtet, wird vielleicht Frieden ernten“.[6]

II. Die politischen Rahmenbedingungen für die Akzeptanz einer militärischen Intervention

II.1. Internationale Politik und „ethnischer Konflikt“

Wie stellten sich die nationalstaatlichen und globalen Ansprüche der sogenannten Elitestaaten innerhalb des Kosovo-Konfliktes wie z.B. den USA, Deutschland und anderen reichen westlichen Ländern dar? Welche politischen theoretischen Konzepte für ein Agieren in einem bewaffneten Konflikt lagen dem Pentagon vor? Welche Rolle spielte die NATO bei der Lösung der sogenannten „ethnischen Konflikte“? Ist die „Krieg für Frieden“- Politik der USA das Kennzeichen einer neuen Ära, der sogenannten „neuen Weltordnung“, in der die USA tatsächlich die Rolle der Weltpolizei übernommen haben? Ging es bei den Kriegsvorbereitungen für einen Luftangriff tatsächlich nur um die Rettung der Menschenwürde und der Menschenrechte der Kosovo-Albaner? Günther Böchler und Catherine Schiemann Rittri[7] vom Züricher Friedensforschungsbüro meinten, daß Kriege durch die Medien bis in die 80er Jahre im Spannungsfeld von östlicher und westlicher Interessensphäre thematisiert wurden. Diese Auseinandersetzungen wurden als „Stellvertreterkriege“ im Hinblick auf die hinter den eigentlichen Kriegsparteien stehenden Supermächte bezeichnet. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems änderte sich dies. In den 90er Jahren schien ein Paradigmenwechsel stattgefunden zu haben, und zwar vom „Stellvertreterkrieg“ hin zum „ethnischen Konflikt“. Jede Krise innerhalb eines Staates oder zweier Staaten wurde nun mehr auf ausschließlich „ethnische“ Ursachen zurückgeführt, also auf Spannungen, deren Zustandekommen auf eine scheinbare Unverträglichkeit des Zusammenlebens zweier Volksgruppen auf dem selben Territorium zurückzuführen war. Der „ethnische Konflikt“ hat es durch den Zerfall des früheren Jugoslawiens auch geschafft, den Krieg nach Europa zurückzubringen. Die Stellvertreterkriege fanden in der Peripherie, wie Staaten in Afrika oder Lateinamerika gern bezeichnet werden, statt. Die sogenannten „ethnischen Konflikte“ haben es mit dem Jugoslawienkrieg 1991 geschafft, nach Europa zurückzukehren. Schon aus diesem Grund sollten sie genau untersucht werden.

Wenn die USA nach dem Verschwinden der ehemaligen Sowjetunion tatsächlich die einzige verbliebene Supermacht sind, wie gehen dann die führenden Staaten Europas damit um? Ist die Zustimmung der Europäischen Union zur Vorgehensweise der USA im Kosovo-Konflikt ein Hinweis darauf, daß wir uns bereits in einem entscheidenden Stadium der „neuen Weltordnung“ befinden? Die „Lösung“ des Kosovo-Konfliktes mit militärischen Mitteln durch einen Angriff auf ein souveränes Staatsgebiet in Europa könnte als Testballon betrachtet werden, als letzter Schritt in der Vollendung der von George Bush proklamierten „neuen Weltordnung“, in der die USA ihren Führungsanspruch auch in Europa behaupten unter dem Deckmantel einer unerläßlichen Friedenssicherungspolitik. Die sogenannte „humanitäre Intervention“ wäre dann die militärische Komponente dieser Politik.

Dies sind die politischen Vorüberlegungen die untersucht werden sollen, bevor die Rolle der Medien näher beleuchtet wird. Der Kosovo-Konflikt soll aus seiner scheinbaren Anarchie und lokalen Begrenztheit durch die Betrachtung weltpolitischer Machtpolitik herausgeholt werden, die sich seit der Ausbildung des modernen Nationalstaates an der herrschenden Staatsräson orientiert. Im Gegenteil, die weltpolitischen Überlegungen sollen zeigen, daß der Kosovo-Konflikt nicht nur ein innerstaatliches Problem Ex-Jugoslawiens ist, sondern zum Spielball der Machtpolitik geworden ist. Diese Politik wurde vornehmlich von der letzten verbliebenen Weltmacht, den USA, bestimmt. Die Präsenz der USA auf dem Balkan begann schon im ersten Jugoslawienkrieg von 1991 bis 1995. Durch die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas und dem Vertragsabschluß von Dayton wurde ihre „friedenserhaltende“ Rolle auf dem Balkan maßgeblich.

II. 2.: Krieg als akzeptierte und institutionalisierte Möglichkeit zur Konfliktlösung

Warum wird der Krieg als eine Möglichkeit zur Konfliktlösung überhaupt akzeptiert? Eine mögliche Erklärungsvariante ist die Beleuchtung des Zusammenhanges zwischen der Nation als staatstragendem Volk, seiner „Pflicht“, dem Staat zu dienen und der Logik der Staatsräson. Aufgrund dieser Logik wird es plausibel, warum die Eliten eines Staates Krieg führen können und es der Großteil der Menschen, die in diesem Land wohnen, oder auch nur aus der Ferne diesen Krieg beobachten, kriegerische Gewalt akzeptieren.

Konflikte und Kriege stehen nicht für sich alleine. Sie fallen unter die Kategorie „Politik“ und stellen die Ausnahme und den Krisenfall der Politik dar. Die großen Weltkriege sind aus dem tagespolitischen Geschehen verschwunden, dafür stehen im Blickfeld der Öffentlichkeit umsomehr lokal begrenzte Auseinandersetzungen. Gerade diese lokal begrenzten Auseinandersetzungen werden von westlichen politischen Vertretern oft als Zeichen gewertet, daß es manche Völker einfach nicht schaffen, durch ihre Wildheit und Unzivilisiertheit, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rückständigkeit vermutet werden, miteinander in Frieden zu leben. Diese Auseinandersetzungen zweier kleiner Nationen oder Gemeinschaften, die auf dem gleichen Territorium leben oder dieses ganz bzw. in Teilen für sich beanspruchen wird heute gerne unter dem Schlagwort „ethnischer Konflikt“ subsumiert.[8] Diese „ethnischen Konflikte“ bringen es mit sich, daß sich Elitenationen berufen fühlen, in die Krise einzugreifen. Die Motive dafür scheinen edel und gut zu sein. „Humanitäre Hilfe“ und ein „Stop des Flüchtlingselends“[9] sind die vordergründigen Begründungen dafür, warum sich Elitenationen, also Nationen, die glauben, aufgrund ihres wirtschaftlichen, politischen und militärischen Einflußvermögens dazu verpflichtet zu sein, bei der Lösung des Konfliktes ein oder mehrere Wörter mitzusprechen. Die Argumentationslinien für die Begründung eines Krieges als absolut notwendig und gerechtfertigt ziehen sich mit folgenden Begriffen durch die Geschichte: „heiliger Krieg“, „Kreuzzug“, „Freiheits- und Befreiungskrieg“[10], heute werden die Begriffe „humanitäre Intervention“ oder „militärischer Humanismus“[11] verwendet. Diese Begriffe sind gut für die Imagepflege, für das Aufrechterhalten der eigenen Reputation, sie suggerieren die edlen Beweggründe für das Eingreifen in einen Konflikt und verdecken die unedlen Motive. Der Kosovo-Konflikt ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die internationale Politik der Mächtigen und Reichen versuchte, einen „ethnischen Konflikt“ zu befrieden. Die Konfliktursachen fallen bei der Verwendung der Begriffe „ethnischer Konflikt“, „neuer Tribalismus“ oder gar „Kampf der Kulturen“ unter den Tisch. Diese Begriffe scheinen eher untaugliche intellektuelle Versuche zu sein, die dahinterstehenden Konfliktursachen zu beschreiben und zu erklären.[12] Catherine Schirmann-Rittri und Günter Böchler begründeten das Entstehen von ethnischen Konflikten damit, daß die politischen Eliten zweier Gruppen versuchen, ihre Macht und ihren Einfluß aufrecht zu erhalten, oder für einen bestimmten Zweck zu instrumentalisieren, egal was mit den ihnen anvertrauten Menschen geschieht. Die eigenen Interessen der Elitenationen und ihre Möglichkeiten, in einen Konflikt einzugreifen, gehören zu den politischen Rahmenbedingungen, die zusätzlich zu den eigentlichen Spannungen der unmittelbaren Konfliktparteien berücksichtigt werden müssen. In einer Welt, wo „Friedenssicherung“ so groß auf den Fahnen der mächtigen westlichen Demokratien steht, ist es unerläßlich, sich mit den internen und externen geopolitischen Machtstrukturen auseinanderzusetzen, die diese Nationen dazu bemächtigen scheinen, in den Konflikt wie auch immer militärisch einzugreifen.

Die historische Seite läßt sich von der politischen Dimension nicht ablösen, weil Geschichte und Politik die Kehrseite ein und derselben Medaille sind. Das, was in der Politik heute beschlossen wird, ist morgen schon wieder Geschichte. Die historischen Interessen einstiger Großmächte wie auch die Österreichische Donaumonarchie eine war, sollen kurz beleuchtet werden, damit der Leser sieht, daß das „Pulverfaß Balkan“ zu einem solchen geworden ist, weil schon viele Großmächte dort ihr Spiel mit dem Feuer getrieben haben.

Krieg erscheint als etwas ewiges und zugleich ewig gestriges zugleich. Doch Krieg verknüpft die Gegenwart mit der Vergangenheit und bestimmt die Modalitäten, mit denen die kriegführenden Völker in Zukunft leben müssen – je nach Gewinn oder Verlust im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzung. Untrennbar verbunden mit dem Krieg ist auch der Staat. Der Staat wird als jene souveräne Einheit betrachtet, um deren Gebiet der Krieg entflammt. Doch bilden der Staat und die Nation unbedingt eine Einheit? Wie kamen die einzelnen Nationen zu ihrem Staat und wie erfolgte die Ausbildung der Staatsräson? Es ist uns heute so geläufig, Staat und Nation in einem Atemzug zu nennen, daß wir den langen Weg schon vergessen haben, der mit dieser Synthese verbunden ist. Der Begriff der Nation war lange Zeit nur auf die adelige und intellektuelle Elite beschränkt. Es war ein langwieriger historischer Prozeß, der eine Volksnation entstehen ließ, also ein politisches und wirtschaftliches Gebilde in dem sich die Einwohner eines bestimmten Gebietes für eben jenes verantwortlich fühlten.[13] Begünstigt wurde diese Entwicklung durch Kriege, denn die Konfrontation mit dem Fremden führte zur Erkennung und Abgrenzung des Eigenen. Weitere Faktoren waren die Bildung einer literalen Hochsprache, die eine Verständigung über die verschiedenen Dialekte hinweg ermöglichte und die Ausbildung eines gemeinsamen Geschichtsbewußtseins. Die gemeinsame Religion war ein weiterer einheitsstiftender Faktor, um den jahrhundertelang blutig gekämpft wurde und in manchen Teilen der Welt immer noch gekämpft wird. In Deutschland z. B. kamen die romantischen Ansichten eines Herders hinzu, der der Nation den Volksgeist einhauchte und die Einheit von Kultur, Sprache und Rasse betonte. Der Gedanke der gleichen „Rasse“ geisterte schon lange durch die Geschichte und die davon abgeleiteten rassistischen Theorien erfuhren während des Nationalsozialismus ihre furchtbarste Ausprägung. Doch erst als der Nationalismus die Bedeutung des Staates als geschlossenes Siedlungsgebiet für ein Volk erkannte und sich der integrale Nationalstaat etablierte, verschmolzen die Begriffe „Nation“ und „Staat“ miteinander. Unter „integral“ versteht Schulze, der mit dem Begriff „integraler Nationalismus“ Charles Maurras[14] zitiert, eben die Integration von Staat und Nation als eine Form des totalen Nationalismus:

„(...) Staat und Nation bedingten sich zunehmend gegenseitig, und die Staatsraison verbündete sich nunmehr mit dem nationalen Egoismus, eine Verbindung, die sich um die Jahrhundertmitte bei allen europäischen Nationalstaaten zu zeigen begann und gegen Ende des 19. Jahrhunderts die europäische Politik immer ausschließlicher beherrschte.“[15]

Der integrale Nationalismus benötigte den bereits verwirklichten Nationalstaat als Entfaltungsraum.

Ein Faktum kristallisierte sich im Laufe der Staaten- und Nationenbildung heraus, nämlich daß die politische Gewichtung der einzelnen Nationen von ihrer Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat abhängig war[16].

Ernest Renan, ein französischer Religionswissenschaftler, ging nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 aufgrund der nationalen Zerrissenheit von Elsaß-Lothringen der Frage nach, was denn eine Nation sei. Er definierte Nation als Seele, als geistiges Prinzip. Eine Nation gedenkt der gemeinsamen Vergangenheit und überlegt die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft. Eine Nation ist also eine Gemeinschaft, die existiert, weil die Menschen daran glauben und an der gemeinsamen Verwirklichung ihrer Ideen arbeiten, und die erlöscht, wenn sie nicht mehr gedacht und gewollt wird. Die Nation besteht aus einer „Wir“-Gruppe, die ihre gemeinsamen Gefühle dadurch ausdrückt, in dem sie Identifikationssymbole wie Wappen, Fahnen, Embleme etc. verwendet. Und sie kennt eine Fremdgruppe, gegen die sie sich eindeutig abgrenzen will. Dieses „Wir-Gefühl bezeichnet Renan als „geistiges Prinzip“. Nur durch dieses „Wir-Gefühl kann es zu einer Abgrenzung zu Fremdgruppen kommen.[17] Schulze argumentiert, daß der Krieg zwar nicht der Ursprung der Nation sei, wohl aber die treibende Kraft, die eine Nation entstehen läßt.

„Wo Krone, Nation und Konfession eins waren, folgte ein beträchtlicher Schub nationaler Empfindungen, der die Integration des Staatswesen erleichterte und beschleunigte, war diese Einheit nicht gegeben, drohte der Bürgerkrieg.“[18]

Dort, wo ein Staat nicht mehr gewünscht und gewollt wird, zerbricht er auch. Eine Nation die als Volk verstanden wird, muß also nicht mit einem Staat identisch sein, dies zeigt sich auch daran, das in den meisten Staaten sogenannte Minderheiten leben. Ein Volk braucht aber ein eigenes Staatsgebiet, will es einen eigenen Staat gründen und seine Souveränität dadurch politisch ausdrücken. Minderheiten waren in der Vergangenheit so wie heute von der Unterstützung der führenden politischen Eliten abhängig, wollten sie einen eigenen Staat gründen und auf längere Zeit politisch bestehen. Heute brauchen Minderheiten nicht nur ein eigenes Staatsgebiet, sondern auch die offizielle Legitimation der UNO, um als anerkannte Mitglieder der Staatengemeinschaft zu gelten. Doch hinter den Kulissen wird deutlich, daß die heutigen Großmächte bei den Unabhängigkeitsbestrebungen diverser Völkerschaften ebenfalls ein Wort mitsprechen.[19] Auch die Kosovo-Albaner bemühten sich schon sehr früh um eine Internationalisierung ihres Problems, um ihren Wunsch, die Sezession des Kosovo aus dem jugoslawischen Staatenverband plausibel erscheinen zu lassen[20]. Wenn man die Definition von Nation im Sinne Renans versteht, dann scheinen viele Völker erst dann glücklich werden zu können, wenn sie sich im Besitz eines eigenen Nationalstaats befinden. Man könnte den Begriff des „integralen Nationalismus“ auch auf die Bemühungen vieler Minderheiten anwenden, in den Besitz eines eigenen Staatsgebietes zu kommen oder gewisse Teile von Nachbarländer dem eigenen Staat einzuverleiben.[21]

Viele Völker der Erde leben verteilt auf mehreren Ländern oder in einem Gebiet, das sich über mehrere Ländergrenzen erstreckt. Der Gedanke des integralen Nationalismus ist nicht tot. Der Versuch, Gebiete zu „integrieren“ wird nach wie vor gemacht und endet meist in blutigen Kriegen. Der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens hat einen seiner Gründe sicher auch in dieser Bestrebung. Der Prozeß des integralen Nationalismus wird solange fortschreiten, bis die Menschen nicht gelernt haben, ihre Ideen, ihre „geistigen Prinzipien“ nebeneinander zu leben und zu verwirklichen. Dies setzt voraus, daß es eine Idee gibt, die das Land zusammenhält und ihm eine Identität verleiht. Ist diese Idee erloschen, wie es sich auch im Zerfall der alten politischen Ordnung Jugoslawiens nach dem Tode Titos, oder nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in der ehemaligen Sowjetunion zeigte, dann wird unter den Menschen der Wunsch geweckt, sich in einem eigenen Staat mit eigenen Ideen und Identitäten zu verwirklichen. Auf der anderen Seite scheint dieser Prozeß längst überholt zu sein, das Phänomen des „universalen Nationalismus“ wie Hans Morgenthau[22] es nannte, charakterisiert unsere moderne, westliche Informationsgesellschaft. Während Nationalismus eine Nation in einem Staat will, so wollen Vertreter des nationalistischen Universalismus für sich beanspruchen, daß eine Nation und ein Staat das Recht haben, ihre eigenen Wertvorstellungen und Standards bezüglich ihrer Handlungen und Ansprüche über alle anderen Nationen zu stellen. Unsere Welt soll nach bestimmten Gesichtspunkten einheitlich werden, sie soll nach der Fasson der westlichen Staaten unter der Führung der USA globalisiert und glücklich werden.

Je mehr Staat und Nation eins wurden, desto stärker wurde auch die unsichtbare Kraft der Staatsräson. Staatsräson bezeichnet den Egoismus der Herrschenden, die Verwirklichung ihrer politischen Ziele um jeden Preis. Offiziell geschieht alles zum Wohle des Volkes, darum haben sich die Menschen der vorgegebenen Linie ihrer Regierungen zu unterwerfen. Ekkehart Krippendorff identifiziert die Pathologie der Staatsräson, der es ausschließlich zu verdanken ist, daß Kriege geführt, geschürt, unterstützt und hingenommen werden[23]. Staatsräson ist Machtstaatsräson, die Räson der Vernunft der Herrschenden und ihrer historischen Projekte. Staatsräson bedeutet nicht Bildung und Erziehung der verstaatlichten Bevölkerungen und Beförderung ihrer Emanzipation zur vernünftigen Mündigkeit im Staat. Sie bedeutet vielmehr das genaue Gegenteil, nämlich die Einübung der Untertanenrolle und im Extremfall wiederum die Verteidigung der eigenen herrschenden Klasse nach außen. Der Staatsbürger hat die Pflicht, sich dem Staat unterzuordnen und ihm zu dienen. Die Betonung der Staatsräson ist so wichtig, weil auch die Bürger von Demokratien westlichen Zuschnitts davon betroffen sind, auch wenn sie sich als frei und unabhängig von staatlichen Zwängen wähnen. Krieg auf der Ebene der Staatsräson erklärt bedeutet, daß er ein Instrument der Staatsräson ist, deren Vertreter ihr eigenes Spiel spielen und ihre eigenen Ziele verfolgen. Das „Überleben der Welt“ stellt sich so aus der Sicht der Staatsräson als das Jonglieren mit Gleichgewichten dar, als globales Spiel mit kleinen und größeren Machtblöcken, und wer versucht, als Sachkenner oder als Laie die Ursachen zu ergründen, „die zur Krise geführt hatten“, (...) der hat den „weltpolitischen Gesichtspunkt“ nicht begriffen[24]. Der „weltpolitische Gesichtspunkt“ besteht darin, sein Spiel zu machen, seine Interessen zu verteidigen, wobei Menschenleben schon immer eine geringe Rolle gespielt haben. Ein eherner Vertreter dieses Standpunktes war und ist Henry Kissinger, der in seinen Memoiren auch beschreibt, welche Pläne er für die Supermacht USA zu verwirklichen versucht hat. Das langfristige Ziel sei eine „vernünftige Weltstaatenordnung“ deren realistisches Optimum darin besteht:

„Bis heute ist es die schwierigste Aufgabe geblieben, eine vernünftige Nuklearstrategie zu entwickeln, die es erlaubt, wenigstens einen Teil des zivilisierten (!) Lebens zu erhalten (...)“.[25]

Das sich die USA als federführende Kraft der NATO bis heute nicht von dem Gedanken des Einsatzes von Nuklearwaffen verabschiedet haben, hat sich wieder im Kosovo-Krieg gezeigt, wo viele Bomben mit abgereichertem Uranium bestückt worden waren[26]. Der Begriff „weltpolitischer Gesichtspunkt“ wurde von Kissinger geprägt und ins Treffen geführt, als es um die außenpolitische Stellungnahme der USA zum Problem Bangla Desh/Pakistan ging. Für ihn stellt sich dieses Problem weniger als ein Problem der Menschen dar, die in diesen Ländern leben müssen. Es ging nur um die Erhaltung der Machtgeometrie, die sich damals darin äußerte, daß die USA Pakistan unterstützten, obwohl Kissinger in seinen Memoiren zugegeben hat, daß Pakistan „fraglos unklug, brutal, und sogar amoralisch gehandelt hat“[27]. Eine Weltstaatenordnung herzustellen, in der es sich für den Ordnenden gut leben läßt, bezieht sich nicht nur auf die Großen, den „global players“, sonder auch auf die Komplizenschaft der Kleinen. Weltkriege gibt es nicht mehr. Es gibt heute vor allem die „ethnischen Konflikte“, welche die Großen und Mächtigen - vor allem die mächtigste Supermacht USA – in Atem halten, um die sie sich kümmern müssen, notfalls eben auch mit einem „gerechten Krieg“.

Der Balkan war immer ein Gebiet, daß im Spannungsfeld zwischen Ost und West lag und von verschiedenen Großmächten als mögliche Beute zur Vergrößerung des eigenen Imperiums beäugt wurde. Der englische Historiker und Schriftsteller R. W. Seton-Watson stellte seinem 1911 erschienen Buch „Die Südslawische[28] Frage“ etwas sehr bemerkenswertes voran, nämlich daß dieses Werk jenem (noch) unbekannten österreichischen Staatsmann gewidmet sei, „der das Genie und den Mut besitzen wird, die südslawische Frage zu lösen“[29]. In dem aktuellen Kosovo-Konflikt von heute versuchte der ehemalige österreichische Botschafter in Jugoslawien, Wolfgang Petritsch, zu vermitteln. Diese Vermittlungsinitiative wurde von diversen Medien begeistert begrüßt.[30] Österreich-Ungarn versuchte sich vor dem Ersten Weltkrieg ebenfalls als Großmacht zu etablieren und wurde durch die Inbesitznahme von Bosnien und der Herzegowina 1908/09 zum „Balkanstaat“.

„Infolge der Annexion Bosniens und der Herzegowina wurde Österreich-Ungarn, wie gesagt, auch zu einem Balkanstaate. Vermöge seiner Lage bildet dieser Staat heute die Brücke, welche Zentraleuropa mit dem Balkan und dadurch mit dem großen weiten Orient verbindet und für die Stellung Zentraleuropas im Mittelmeere von Bedeutung ist.“[31]

Die Befürchtungen des Herrn Hofrat von Unkwicz gingen dahin, daß Österreich es verabsäumen würde, eine Rolle bei der Aufteilung der Welt zu spielen. Österreich-Ungarn solle seine Chance wahrnehmen, sich „historisch zu gebärden“, wenn es nicht am Schluß alleine dastehen wolle, ohne einen neuen Machtbereich hinzugewonnen zu haben. Denn es sei das Schicksal Österreichs, immer zuletzt zu kommen und dann eben nichts mehr abzubekommen.

„Dieses „Sich historisch Gebärden“ ist gerade für uns in Österreich sehr schwer. Wir sollen uns auf einmal in großen Weltfragen auskennen, wir sollen, da wir uns auf einem exponierten Punkte befinden, historisch handeln, wir, die wir seit Jahrzehnten gewähnt sind, uns in dem engen Kreise einer kleinen bureaukratischen Welt und der nationalen Kirchturmpolitik zu bewegen, und selbst jetzt noch die wichtige Zeit mit parlamentarischen Obstruktionsversuchen, Dauerreden und dergleichen Spielereien vertrödeln. Die große weite Welt pocht aber an unsere Tür, wir müssen hinaus und wir müssen – Weltgeschichte machen.“[32]

Die Politik der Monarchie Österreichs-Ungarns war darauf ausgerichtet gewesen, das Osmanische Reich und dessen Einfluß auf dem Balkan zu erhalten um selbst einen direkten Zugang zur Adria zu erhalten. Um so größer war der Schock der Politiker, als nach den Balkankriegen 1912/13 der Untergang des Osmanenreiches endgültig nicht mehr aufzuhalten war. Die Balkanpolitik Österreich-Ungarns war darauf ausgerichtet gewesen, Serbien den Zugang zur Adria zu versperren, was vorerst auch gelungen war. Deutschland unterstützte die österreichische Politik auf dem Balkan, Rußland hatte sich bereits nach der bosnischen Annexionskrise hinter Serbien gestellt. Österreich-Ungarn und Deutschland hatten ihre Balkanpolitik darauf ausgerichtet, die Herrschaft der Osmanen auf dem Balkan zu erhalten. Die politischen Vertreter der Monarchie fühlten sich daher um so mehr berufen, bei der Grenzziehung des neuen Staates Albanien ein gewichtiges Wort mitzureden, da Albanien bis 1912 Teil des Osmanischen Reiches gewesen war. Durch die Gründung Albaniens wurde den Serben schließlich der Zugang zur Adria versperrt. Nach Ansicht der österreichischen Politiker sollte der Kosovo den Albanern zugesprochen werden, die Serben sollten sich dafür aber in Richtung der griechischen Stadt Saloniki ausdehnen dürfen. Das Ziel der österreichischen Außenpolitik auf dem Balkan war es, ein Gegengewicht zu einem „größeren Serbien“ zu finden, denn Serbien wurde als der gefährlichste Aktivposten bewertet, der die Pläne der Monarchie auf dem Balkan zunichte machen konnte.

„Vielleicht ist es noch nicht zu spät, um uns in einer gewissen Beziehung noch jetzt diese Erfahrung zunutze zu machen: hinsichtlich der Schaffung und der Grenzbestimmung Albaniens.“[33]

Albanien hatte groß und mächtig zu sein, um als Bollwerk gegen das Vordringen des Panslawismus an der Adria zu dienen.

(...) „es muß zu einem Gegengewicht gegen das größere Serbien werden und schließlich stellt Albanien die letzte Brücke dar, auf welcher Mitteleuropa ziemlich unbehindert seinen Einfluß nach dem westlichen Balkan tragen kann.“[34]

Bereits auf dem Berliner Kongreß von 1878 wurden jene Weichen gestellt, die die politische Ordnung des Balkan bis heute bestimmen.[35] Im Mittelpunkt der Lösung der „Orientalischen Frage“, stand die Neuordnung des Balkans nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches, dessen Ende sich immer deutlicher abzuzeichnen begann.[36] Die Neubestimmung des Balkan im Einflußgebiet von Deutschland, Großbritannien, Österreich-Ungarn und Rußland bestimmte das Schicksal jener Region bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges. Der Berliner Kongreß von 1878 und die darauffolgenden Balkankriege dürfen zu den Wegbereitern des Kosovo-Krieges gezählt werden. Die jeweiligen politischen imperialen Interessen der oben erwähnten Großmächte waren wichtiger als die Vorstellungen der Balkanvölker. Die Völker des Balkans wurden wie Objekte und nicht wie Subjekte behandelt, was eine Tendenz darstellte, die sich im Jugoslawienkrieg von 1991-1995 und schließlich im Kosovo-Krieg von 1998 wieder zeigte.

Albanien wurden nach dem ersten Balkankrieg mit mehr oder weniger klaren Grenzen auf der Botschafterkonferenz von London 1913 aus der Taufe gehoben und das Gebiet des Kosovo auf Druck Rußlands den Serben zugesprochen.[37] Ein Zeitungsbonmot von 1912 lautete: „Albanien ist das uneheliche Kind der österreichisch-ungarischen Monarchie mit Italien als Hebamme.“[38] Damit hatte Wien zumindest ein Ziel erreicht: Serbien wurde der direkte Weg zur Adria versperrt und Rom betrachtete Albanien als neues Kolonialgebiet. Österreich-Ungarn blieb das annektierte Bosnien-Herzegowina als Trostpflaster und als Faustpfand, um seine Vorstellungen und Ansprüche in den Balkan hineinzutragen.

Der gegenwärtige Kosovo-Konflikt hat die Welt so beunruhigt, weil ein grausamer Krieg plötzlich in einem zivilisierten Europa zu toben begann. Die tiefen historischen Strukturen, die mit diesem Konflikt verbunden waren, blieben weitgehend ausgeblendet. Die Menschlichkeit schien es zu gebieten, einzugreifen und etwas zu tun. Die Fernsehbilder über diesen Konflikt haben den Kosovo-Krieg aus seiner scheinbaren Anarchie und lokalen Begrenztheit herausgeholt und somit zu einem „globalen“ Problem unserer Welt gemacht. Hinter den Fernsehbildern, die das Leid der Zivilbevölkerung des Kosovo zeigen, verschwinden jedoch die Ambitionen und militärischen Wunschvorstellungen derer, die angetreten sind, den Konflikt wenn nötig auch mit Waffengewalt zu lösen.

Damals wie heute kann Politik unter den Prämissen der Spieltheorie betrachtet und analysiert werden. Das Drama besteht aber darin, daß Politik kein harmloses Gesellschaftsspiel ist, sondern ein Pokerspiel um Macht, Prestige, Ehre, Glaubwürdigkeit, Bündnistreue, Vertrauen, „Partnerschaft für den Frieden“ – oder wie immer die Vokabeln lauten, die die Einsätze bezeichnen, um die gespielt wird. Der Historiker Huizinga bestimmte in seinem sozialanthropologischen Entwurf vom Homo-Ludens den Krieg als ein Spiel der Herren untereinander[39].

Frei nach dieser Spieltheorie stelle man sich folgendes Szenario vor:

Für alle kleineren Staaten ist es wichtig, im Konzert der mächtigen Großen mitspielen zu dürfen. Die geopolitischen Machtzentren haben sich indes aber verschoben. Die Rolle der Sowjetunion besteht in ihrer früheren Form nicht mehr. Das verbliebene Rußland muß seine Rolle neu definieren und hat Angst, bald überhaupt keine Rolle mehr zu spielen und bemüht sich daher umsomehr, im Spiel zu bleiben. Deutschland wächst zusammen, ebenso wächst seine wirtschaftliche Größe. Daher betrachtet es als legitim, wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung seinen Einfluß auf die Politik umgemünzt zu sehen. Europa differenziert sich in die Europäische Union und die Länder, die dieser nicht angehören. Die Nicht-EU-Staaten spielen im europäischen Konzert keine bedeutende Rolle. Sie müssen ihre Melodie an den Takt anpassen, den die EU vorgibt, da sonst die Chance schwindet, jemals in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Die einzige verbliebene Supermacht USA hat ein leichtes Spiel, da sie jetzt die Spielregeln endgültig vorgeben kann. Das ideologische Feindbild der kommunistischen Sowjetunion ist zwar abhanden gekommen, doch neue zu kreieren ist nicht so schwer. Die Staaten, die sich nicht an die vorgegebenen Regeln halten, fallen aus dem Spiel heraus und werden disqualifiziert. Um sie wieder dazu zu bringen, sich an die Regeln zu halten und in dem vorgegebenen Rahmen mitzuspielen, werden sie mit Embargo belegt oder es wird versucht, sie mittels Strafandrohungen und Sanktionen zur Räson zu bringen. Womit wir mit dem Begriff „Räson“ wieder am Anfang wären.

Disraeli pflegte die Weltpolitik das „grand game“ zu nennen. Der französische General Beaufre, dessen Einführung in die Strategie laut Urteil der Experten den Autor zum „Clausewitz des 20. Jahrhunderts“ machte, definierte das „Wesen der Strategie“, d.h. die Gesamtheit dessen, was allgemein unter Außenpolitik eines Staates verstanden wird, als bestehend aus „dem abstrakten Spiel, das sich (...) aus dem Gegensatz zweier Willen ergibt. Es ist die Kunst, unabhängig von jeder Technik die Probleme zu meistern, die sich in jedem Zweikampf stellen, um dadurch den technischen Mitteln ein Höchstmaß an Wirkung zu verleihen“[40].

Betrachtet man den Kosovo-Konflikt als Untersuchungsfall, und beurteilt man ihn nach den Bedingungen der Spieltheorie, dann waren die Serben aus dem Spiel herausgefallen, sie waren bereits disqualifiziert. Die USA hatten die Regeln aufgestellt, nach denen gespielt wurde, da sie als einzige das Machtvakuum füllen konnten, das nach dem Zerfall der Sowjetunion entstand. Genauso ist der Irak disqualifiziert worden, und wird weiterhin bestraft, da selbst Bomben den Diktator Saddam Hussein nicht dazu bewegen konnten, ordnungsgemäß wieder mitzuspielen. Die Kosovo-Albaner durften streng genommen gar nicht mitspielen, da nach der Logik der Staatsräson nur diejenigen mitspielen dürfen, die über einen eigenen Staat verfügen. Alle jene, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, müssen sich Vertreter eines Staates suchen, die bereit sind, für ihre Sache einzutreten und sie mitspielen zu lassen. Daher klopften die Kosovo-Albaner auch an die Tür der EU und der USA – NATO inklusive – um Unterstützung zu erhalten und „richtig“ mitspielen zu dürfen.[41]

Eine Weltstaatenordnung ist geprägt von einer bestimmten Hierarchie, die unbedingt eingehalten werden muß. Henry Kissinger hat in seinen Erinnerungen die Welt bereits in eine „zivilisierte“ und „unzivilisierte“ aufgeteilt.

Einer seiner Nachfolger, der US-Sondergesandte Richard Holbrooke bestätigte 1995 seine These, in dem er meinte:

„Der Westen hatte während der letzten Jahre den Fehler gemacht, die Serben so zu behandeln, als seien sie rational denkende Menschen, mit denen man ernsthaft diskutieren, vernünftig verhandeln und zu einer bindenden Übereinkunft gelangen könnte. Tatsächlich aber reagierten sie nur auf Gewalt oder zumindest die unmißverständliche und glaubhafte Androhung, daß man davon Gebrauch machen würde.“[42]

Aus dieser Bewertung durch Holbrooke ergab sich eine ganze Reihe von Folgen, die sich wie ein roter Faden durch die Bewertung der Serben im Rahmen des Kosovo-Konfliktes zogen. Die Begriffe, die von der Sprache der Politik und der Diplomatie verwendet werden, geben ihr eigenes Bild von den Verhältnissen wider, die sie beschreiben.

„Da ist die eine Regierung „verstimmt“, die andere „ermutigt“, einer „zeigt die kalte Schulter“, ein anderer „spielt die Chinakarte aus“, einer versucht zu „vermitteln“, jemand fordert den anderen zur „Einsicht“ auf, der eine „warnt“, der andere „mahnt“, ein dritter „beschuldigt“ oder „klagt an“ (...).“[43]

Im Kosovo-Konflikt war der Ton schon schärfer, es wurde die „letzte Warnung an Belgrad“ ausgesprochen, oder die „letzte Möglichkeit zum Frieden“ wurde optioniert.[44]

Henry Kissinger hatte in seiner politisch aktiven Zeit schon Wunschvorstellungen, eine Weltordnung durchzusetzen, die seinen und damit den Vorstellungen der USA entsprach. Nur hatte er damals mit einem potenten Mitbewerber zu rechnen, der kommunistischen Sowjetunion, die mitbestimmen konnte, wie sich das Machtgefüge auf der Landkarte hin- und herschob. Spätestens seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und dem Verschwinden des Ostblocks in seiner gewohnten Form ist für die Welt eine neue Ära angebrochen. Das Schlagwort von der neuen Weltordnung von Präsident George Bush[45] 1991 medienwirksam verlautbart, wurde mit dem Angriff der USA auf den Irak während der ersten Golfkrise in ihrer militärischen Ausprägung Realität.

II. 3.: Die neue Weltordnung

Die von Bush proklamierte neue Weltordnung kündigte einen Paradigmenwechsel für die internationalen Beziehungen an. Eine neue Gerechtigkeit zwischen den Völkern sollte installiert werden, die eine neue Freiheit und Respektierung der Menschenrechte garantieren sollte. Die Schwachen sollen gegen die Starken geschützt werden, ein neues „fair play“ sollte in der internationalen Politik Einzug halten. Was so schön klangt, hatte allerdings auch einen Pferdefuß. Es blieb die Frage offen, inwieweit es sich bei der Proklamation dieser neuen Weltordnung um eine Rede gehandelt hatte, die in die Kategorie politische Sonntagsreden fiel, oder ob es sich nicht vielmehr um den Versuch gehandelt hatte, eine ideologische Legitimation von Machtausübung zu konstruieren, die auch die militärische Gewaltanwendung beinhaltete. Dieser ideologischen Legitimation zu Hilfe kamen auch Intellektuelle wie der Kulturphilosoph Francis Fukuyama, der nach dem Zusammenbruch des Kommunismus gar ein Ende der Geschichte heraufdämmern sah, oder auch Karl Popper der ähnlich wie Kissinger von einer zivilisierten und einer unzivilisierten Welt spricht, wobei die zivilisierte Welt soweit sei (daher ist sie wohl zivilisiert), mit Massenvernichtungswaffen verantwortungsvoll umgehen zu können (...) „und die „unmündigen“ Länder der Dritten Welt zu disziplinieren das Recht hätte[46].

Das Schlagwort vom „gerechten Krieg“ tauchte durch die Poppersche Argumentationsweise wieder auf. Die höherwertigen Nationen sind höherwertig, weil sie die liberale Demokratie des Westens vertreten, jener höchsten Ausprägung an Demokratie, die sich scheinbar nach einem langen schweren Weg der politischen Evolution[47] herausgebildet hat und den alle anderen Staaten und Nationen erst gehen müssen. Nicht diskutiert werden die Schattenseiten der liberalen Demokratie, die eigentlich gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Es ist jedoch der Repräsentationscharakter, der die liberale Demokratie charakterisiert. Das Parlament fungiert als zwischengeschaltete Instanz, die zwischen Volk und Staat vermittelt. Nicht der Bürger direkt entscheidet, sondern seine gewählten Vertreter, die meistens nur insofern gewählt werden, daß der Bürger einer Partei seine Stimme gibt. Dieses System beinhaltet den Effekt, daß sich Machtoligarchien ergeben, daß pressure groups und Lobbies einen großen Einfluß auf die Arbeit des Parlamentes ausüben und die tatsächlichen Anliegen der Bürger zu kurz kommen. Bei internationalen Affären hat der einfache Staatsbürger überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich zu artikulieren, er muß akzeptieren, was die von ihm gewählten Parteien entscheiden. Diese wiederum orientieren sich bei internationalen Krisenfällen an der vorgegebenen Staatslinie. Von einem freien Mitspracherecht des einzelnen Bürgers kann also nur mehr sehr eingeschränkt die Rede sein. Nichtsdestotrotz wird am Mythos der liberalen Demokratie als einem Garanten des freien Bestimmungsrecht des Staatsbürgers festgehalten, die letztendlich die moralische Legitimationsbasis zur Errichtung einer Neuen Weltordnung von der ordnenden Weltmacht USA herangezogen wurde. Übersehen wurde an der neuen Weltordnung auch, daß sie zwei Standards vertritt: das was für die „moralischen“ Staaten der liberalen westlichen Welt erlaubt ist, gilt noch lange nicht für alle anderen. Diese „policy of double standards“ qualifiziert die eigenen Machtansprüche als moralisch, besonders dann, wenn sie einem „höheren Ziel“ wie der „Sicherung des Friedens“ und der Demokratie dienen. Dies hat weitreichende Folgen.

„Im Rahmen einer Neuen Weltordnung scheint also sogar das in der UNO-Charta verankerte Gewaltverbot umgangen werden zu können, wenn es der jeweiligen federführenden Macht gelingt, ihre Interessen im statutarischen Rahmen des UNO-Sicherheitsrates absegnen zu lassen. Dadurch werden auch Angriffs- (als Koalitionskriege) zu Maßnahmen zur Verteidigung des Völkerrechts.“[48]

„Much good can come from the prudent use of power“[49], verkündete George Bush in seiner State of the Union-Botschaft am 29. Januar 1992. In dieser Rede verkündete Bush den Sieg Amerikas im Kalten Krieg, keine Rede mehr war von dem Schutz der Schwächeren gegenüber den Stärkeren. Nun konnte dazu übergegangen werden, die Macht Amerikas unverbrämt zur Schau zu Stellen. In welche schöne Worte man die Neue Weltordnung auch kleiden mag – der „weltpolitische Gesichtspunkt“ bleibt der gleiche. Die USA begannen mit der politisch-militärischen Instrumentalisierung der Vereinten Nationen für ihre eigenen Interessen, die vom Präsidenten offen machtpolitisch mit folgenden Worten gerechtfertigt wurden: „For the world trusts us with power (...)“[50].

Es kristallisierte sich aber nicht zuletzt im Verlauf des Golfkonflikts heraus, das die Neue Weltordnung nichts anderes als eine euphemistische Umschreibung für eine pax americana nach dem Ende des Kalten Krieges war, eine pax americana die notfalls auch mit Waffengewalt durchgesetzt werden kann. Der neu geprägte Begriff der „humanitären Intervention“ degenerierte in der „Neuen Weltordnung“ in Wahrheit zum machtpolitischen Disziplinierungsmittel, da es keine Konkurrenz zur USA mehr gab, und diese allein bestimmen konnten, wer jetzt bestraft wurde und wer nicht. Die wahren Hintergründe zeigten sich meist anhand von Papieren, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. So auch im Falle der vertraulichen Strategiepapiere des Pentagon, in denen die wahren Kriegsziele der USA in Vietnam beschrieben wurden.[51] Als zentrale Vorstellung für die Ordnung nach dem Kalten Krieg wurde eine „benevolent domination by one power“ formuliert, (...) „wobei es die entscheidende Aufgabe der US-Verteidigungspolitik sein soll, die nötige militärische Macht aufrechtzuerhalten“, „to deter any nation or group of nations from challenging U.S. primacy“[52]. Die „neue Weltordnung“ zeigt in Wahrheit, das schöne Worte die alten machtpolitischen Vorstellungen nicht beseitigen können. Sie beschreiben nur mit neuen Worten die alte Pathologie der Staatsräson. Diese Pathologie geht sogar so weit, daß die Vereinten Nationen den Legitimationsrahmen für die von den USA geleiteten Militäraktionen bieten, oder einfach übergangen werden. Die USA haben es nicht mehr nötig, ein UNO-Mandat einzuholen.

Doch nicht nur die USA spielten ihr Spiel, sondern auch in Europa wurden Überlegungen laut, wie in Europa die Machtverteilung nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Osteuropa aussehen sollte. Es ging um die Grenzen, die gezogen werden sollten, denn in einem vereinigten Europa muß es trotzdem Grenzen geben, sonst könnte man ja keine Freund-Feind Szenarien entwerfen. Georg Dobrovolny, der Direktor der Stiftung für Demokratie in Bern, ließ es sich nicht nehmen, gewisse Szenarien zu entwerfen. Besonders problematisch erscheint ihm die Gestaltung der EU-Ostgrenze. Auf die selbstgestellte Frage „Wie könnte die EU in fünf bis zehn Jahren aussehen?“ gab er unter anderem folgende interessante Antworten:

„Die EU-Grenzen umfassen auch Polen, die Ex-Tschechoslowakei und Ungarn. Die katholischen Länder Slowenien und Kroatien sind dann um so mehr den aggressiven orthodoxen Serben ausgeliefert. (...) Die EU-Grenze umfaßt außer Polen, die Ex-Tschechoslowakei und Ungarn auch Ex-Jugoslawien. Um so härter sind dann die baltischen Staaten ausgegrenzt, und während die serbische EU-Zugehörigkeit inkongruent anmutet, kann man sich Serbien nicht als EU-Mitglied vorstellen. Was ist dann mit Rumänien, Bulgarien und Albanien/Kosovo?“[53]

Der Kosovo wurde hier in der Einschätzung von Dobrovolny bereits zu Albanien gezählt. Es bleibt die Frage offen, wie demokratisch die Beurteilung des Direktors der Stiftung für Demokratie in Bern zur Ziehung der Ostgrenze der EU ist.

III. Die Strategien der Clinton-Administration

Für ein besseres Verständnis der gegenwärtigen politischen Situation und die später zu beleuchtende Agitation in den Medien ist es unvermeidlich, die neuen Strategien der Clinton Administration zu diskutieren. Die heutigen Politiker sprechen weniger von der Politik als Spiel, sondern von Strategien, den „Grand Strategies“ die außenpolitische Wunschvorstellungen verwirklichen sollen. Barry R. Posen und Andrew L. Ross[54] verfaßten einen Beitrag[55], in dem sie sich mit den Strategien der Clinton Administration auseinandersetzten und darin Anwendungsmöglichkeiten der politischen Macht in der Form von vier „Grand Strategies“ skizzierten. Diese Strategien sind nicht nur geeignet, das Verhalten der USA in Konfliktfällen besser zu verstehen, sondern zeigen auch, daß die öffentliche Meinung im eigenen Land positiv auf diese Strategien eingestimmt werden soll. Zur Diskussion standen „Neo-Isolationism“, „Selective Engagement“, „Cooperative Security“ und „Primacy“. Die Clinton-Administration wurde beschuldigt, daß sie keine klaren Grenzen zwischen den einzelnen Strategien zog, sondern sich im Dreieck von „Selective Engagement“, Cooperative Security“ und „Primacy“ bewegte. Die offizielle Strategie der Clinton-Verwaltung basierte auf dem Konzept des „Engagement and Enlargement“, das nach einer Schrift von Anthony Lake[56] im September 1993 entworfen wurde.

III. 1.: Neoisolationism (Neo-Isolationismus)

Was besagen nun die einzelnen Strategien und was bedeuten sie für die zukünftige Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten? Oder anders gefragt: „How much money, and how many lives, are the American people willing to pay for influence in international politics in the absence of a major threat?“[57].

Eine neue Isolationspolitik der USA stand eigentlich gar nicht zur Diskussion, weil kein Vertreter eines politischen Lagers welcher Couleur auch immer diese Strategie vertreten wollte. Das völlige Heraushalten aus der Weltpolitik mit ausschließlicher Konzentration auf eigene Interessen im Inland war ein Konzept, das aufgrund seines mangelnden außenpolitischen Ehrgeizes auf wenig Begeisterung stieß, ja sogar als kontraproduktiv empfunden wurde. Krisengebiete könnten im Krisenfall nicht sich selbst überlassen werden, da die internationalen Organisationen zu schwach seien, Frieden zu schaffen oder zu erhalten.

„International organizations are a place to talk, perhaps to coordinate international efforts to improve the overall global quality of life, but not to make or keep peace“[58].

Auch von der Clinton-Administration wurde das Konzept des Neoisolationismus nicht vertreten.

III. 2.: selective Engagement (Selektives Engagement)

Die Ziele des „selektiven Engagements“ bestehen darin, Frieden zwischen den Staaten zu erhalten, die über wesentliches militärisches und wirtschaftliches Kapital verfügten. Die Vertreter der Strategie des „selektiven Engagements“ betrachten als Großmächte Rußland, die reicheren Staaten der Europäischen Union, die Volksrepublik China und Japan.

Besonders im Blickpunkt des Interesses steht dabei die Eurasische Landmasse, auf der ein Konflikt zwischen zwei starken Mächten um die Vorherrschaft auf diesem Gebiet unbedingt vermieden werden muß. Eurasien ist deshalb so bedeutend für die USA, weil es über die wirtschaftlichen Ressourcen (vor allem Öl) der Zukunft verfügt. Ein starkes Eurasien würde bedeuten, daß die Herrschaft über die Ressourcen dieser Region eher für Europa und Asien gesichert werden würde, und daß die USA dabei leer ausgingen. Vordergründig geht es also um die Sicherung des Weltfriedens und des Gleichgewichtes, hintergründig aber um die Ressourcensicherung in einer Region, die reich an Rohstoffen und Bodenschätzen ist.

„Selective engagement tries to ensure that the great powers understand, that the United States does not wish to find out how a future Eurasian great power war might progress, and that it has sufficient military power to deny victory to the aggressor.“[59]

Die Vertreter dieser Strategie meinen, daß U.S. Kompetenz kostbar und daher knapp sei. Es sei einfach unmöglich für die USA, so viel Einfluß und Kraft aufzubieten, um den nationalen und internationalen Frieden auf der ganzen Welt zu erhalten, oder die Stellung der USA als unangefochtene Führungsmacht in einer unipolaren Welt auf ewig zu verteidigen. Es sei auch zu kostspielig, eine andere Vorgehensweise als die des „Selective Engagement“ auf Dauer durchzuhalten. Deshalb müsse man sich auf jene Gebiete konzentrieren, die für die USA aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen von Bedeutung sind. Ethnische Konflikte werden von Vertretern des „selective Engagement“ nur dann als bedrohlich angesehen, wo sie möglicherweise einen Krieg von Großmächten provozieren könnten. Die Region, wo dies am ehesten geschehen könnte, sei Eurasien, wobei besonders ein Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine möglich sei. Das ehemalige Jugoslawien wird von Vertretern dieser Strategie als nicht sehr interessant angesehen, weil es keine militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen besitzt, die der Sicherheit irgendeiner europäischen Großmacht gefährlich werden könnten. Der Einsatz einer humanitären Intervention könnte im Sinne des „selective Engagement“ nur im Rahmen des normalen Prozesses der US-Innenpolitik entschieden werden. Allerdings liegt kein klares Konzept vor, wann nun interveniert werden soll und wann nicht.

„There is no clear strategic guide that tells which interventions are worth pursuing and which are not.“[60]

Einer der ausschlaggebenden Punkte für Interventionen ist die Frage der Vor- und Nachteile für die US-Politik. Die gescheiterte Intervention in Somalia war für die Vertreter des „selective Engagement“ eine Lehre, und so ein Mißerfolg darf sich nicht noch einmal wiederholen. Es muß immer jene Variante gewählt werden, die eine niedrige Opferrate für die Amerikaner garantieren kann. Ein Einsatz von Bodentruppen bei möglichen militärischen Operationen wird deshalb auch weitestgehend abgelehnt, schon allein um mit Hilfe der Medien ein optisch positives Bild des Militäreinsatzes aufrechtzuerhalten. Deshalb wurde ein Einsatz von Bodentruppen im Bosnienkrieg auch abgelehnt, denn die Zukunft könnte es mit sich bringen, daß ein Konflikt auftaucht, der für die USA wichtiger sein könnte als es der in Ex-Jugoslawien war.:

„As the casualties mount in any intervention, and the bloodshed begins to make the U.S. position more morally ambiguous to the American public, the political will to act in more important regions could erode.“[61]

Vertreter des „selective Engagement“ sprechen sich für eine rasche Osterweiterung der NATO aus, vorsichtshalber, da der Moment jetzt günstig sei, weil Rußland schwach ist und im Moment kein Konflikt zwischen europäischen oder anderen Großmächten zu erwarten sei.

Kritiker werfen dieser Strategie zuwenig Idealismus vor, es fehlten die liberalen Prinzipien der „Cooperative Security“ und die Überhöhung amerikanischer Werte wie bei der Strategie der „Primacy“. Es stellt sich die Frage ob die Strategie des „Selective Engagements“ in einer liberalen Demokratie auf lange Sicht durchgehalten werden kann, wenn internationale Beziehungen als Kampf zwischen Gut und Böse inszeniert werden müssen, damit eine Begründung für eine Intervention gegeben ist. Da Schwierigkeiten eher in peripheren Gebieten als in zentralen auftreten, würde durch die Berichterstattung der Medien die öffentliche Aufmerksamkeit stets auf diese Peripherien gelenkt werden und dadurch jedesmal eine Debatte provozieren, warum sich die USA in Ländern engagieren, die nicht in ihrem unmittelbaren Einflußbereich liegen. Außerdem ist das „selektive Engagement“ gar nicht so selektiv, wie es vorgibt zu sein.

„Europe and Asia matter because that is where the major powers reside; and the Middle East matters because of its oil resources. Much of the world, therefore, matters.“[62]

III. 3.: cooperativ Security (kooperative Sicherheit)

Die Strategie um eine kooperative Sicherheit geht davon aus, daß die USA ein hohes Interesse am Weltfrieden haben. Internationale Institutionen sollen verstärkt zur Friedenssicherung herangezogen werden. Die Großmächte Europas werden nicht als Bedrohung von Frieden und Sicherheit angesehen. Einzig Rußland und China erscheinen problematisch, aber es sei die Pflicht Amerikas, ihnen auf dem Weg zur Demokratie zu helfen, so wie es in der Clinton Administration anhand des „Engagement and Enlargement“-Konzeptes postuliert wurde. „It is to be“ all for one and one for all“[63]. Zwar wird den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle zugestanden, aber eine „umgewandelte“ (transformed) NATO muß ebenfalls in Zukunft eine bedeutende Rolle dort spielen (...) „where international institutions are weak“[64]. Auch anhand des Modells der kooperativen Sicherheit werden Bedrohungsszenarien durch den Einsatz von Nuklearwaffen[65] durchgespielt. Staaten wie Pakistan und Indien werden anhand eines solchen Szenarios natürlich als größere Bedrohung angesehen wie Verbündete, die ebenfalls über Nuklearwaffen verfügen.

Die Kontrolle von atomaren Waffen und die Verhinderung ihrer Herstellung ist das Herzstück der „cooperative Security“. Vertreter der Strategie einer kooperativen Sicherheit setzen voraus, daß die Vereinigten Staaten aufgrund ihres Sieges im Golfkrieg ihre militärische-technologische Überlegenheit beibehalten werden. Diese Überlegenheit wird es ihnen in Zukunft ermöglichen, schnelle Krieg mit einer geringen Opferzahl auf der eigenen Seite zu führen. Eine weitere Maßnahme die von Vertretern der „cooperative Security“ befürwortet wird, sind ökonomische Sanktionen, aber es wird auch daran gezweifelt, ob diese längerfristig wirklich effektiv genug sind. Es wird auch argumentiert, daß Militäraktionen im Vergleich zu früheren Zeiten immer billiger werden, was ja von den Anhängern des „Selective Engagement“ bezweifelt wird. Die ganze Welt muß in den Prozeß der „Cooperative Security“ miteinbezogen werden. An der Verwirklichung des Konzeptes muß allerdings noch gearbeitet werden.

„Military establishments around the world already are entangled in a large web of internationally sanctioned restraints on how they equip themselves and operate in peacetime. Cooperative security means making the effort to thicken and unify this web.“[66]

Auch in Europa hat man damit begonnen, das Konzept der „cooperative Security“ zu verwirklichen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Aufbau eines Netzes von diplomatischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitschen Vereinbarungen. Besonders hervorgehoben hierbei werden eine Offenheit bei der Waffenkontrolle sowie die Schaffung von „vertrauensbildenden Maßnahmen“[67], die mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verbunden sind. Die Ausdehnung der NATO wird von der Clinton Administration als eine Erweiterung des Projektes der „cooperative Security“ gesehen. Konflikte, die innerhalb eines Staates auftreten, werden als neues und ernstes Problem betrachtet. Besonders problematisch erscheinen bestimmte Gruppen zu sein, deren Territorium sich über mehrere Grenzen hinweg erstreckt. Es besteht die Gefahr, daß zwischenethnische Konflikte zu einem zwischenstaatlichen Konflikt ausarten könnten. Zudem ist ein Bürgerkrieg auf den Fernsehbildschirmen nicht schön anzusehen und schafft zusätzliche Anreize für eine militärische Operation.

„The brutal behavior portrayed on the television screens of the world creates a malign precedent.“[68]

Im Falle einer humanitären Intervention liege die Hauptaufgabe der USA innerhalb einer multinationalen Streitmacht auf der Unterstützung des Luftkampfes. Nur durch den Einsatz von Luftstreitkräften kann es zur Aufklärung der feindlichen Gebiete kommen, sowie zur Unterdrückung feindlicher Verteidigung, nicht zuletzt durch den Einsatz von sogenannten „precision-guided munitions“, die durch die Operation „Desert Storm“ ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis gestellt haben. Weiters haben die Erfahrungen der Operationen „Desert Shield“ und „Desert Storm“ gezeigt, daß (...) „U.S. leadership is often the key ingredient for substantial international cooperation“[69].

Kritik: Die Kritiker befürchten vor allem, daß ein möglicher Hauptaggressor (z. B. China) weiterhin ein Problem darstellen würde, so wie zu Zeiten der „collective Security“. Dazu kommt noch die Gefahr der Uneinigkeit unter den teilnehmenden Staaten während einer Militäroperation, besonders dann, wenn der Aggressor weit weg und schwer zu bekämpfen wäre. Es scheint unrealistisch, daß die Alliierten der USA jemals gegen China kämpfen würden, selbst wenn es der Plan der Vereinigten Staaten wäre. Eine weitere Schwierigkeit liege darin begründet, daß Demokratien schwierige Partner im Sinne einer „cooperative Security“ insofern wären, als daß die Öffentlichkeit dieser Staaten von der Notwendigkeit überzeugt werden muß, in einen Krieg zu ziehen.

„Since the publics in modern liberal democracies seem to be quite casualty (Opfer)-sensitive, the case for risking the lives of their troops in distant wars is inherently difficult to make.“[70]

Darum ist es unumgänglich, eine entscheidende militärische Überlegenheit auf der Basis einer technologisch dominierten Koalition von „peace-loving states“ aufzubauen. Dies wiederum ist nicht denkbar ohne die treibende militärische Kraft der Vereinigten Staaten von Amerika.

III. 4. Primacy (Vorherrschaft)

Auch auf der Fahne der „Primacy“ steht groß die Friedenssicherung geschrieben, natürlich mit anderen Vorzeichen. Der USA steht als einziger wirtschaftlicher Großmacht auch das politische und das militärische Recht zu, so zu agieren wie es am Besten für ihre Interessen und Ziele ist. Ein Gleichgewicht der Kräfte wird erst gar nicht angestrebt, sondern soll von vornherein vermieden werden. Es reicht nicht, ein Gleicher unter Gleichen zu sein, sondern (...) „One must be primus solus“[71]. Der weltpolitische Gesichtspunkt ist unter dem Motto der „primacy“ am einfachsten und konsequentesten zu verwirklichen. Die Weltordnung und die nationale Sicherheit erfordern es, daß die USA die Vormachtstellung behalten, die sie aus dem Kalten Krieg gewonnen haben, aus dem sie ja per Eigendefinition als Sieger hervorgegangen sind. „Primacy“ wäre die erklärte Strategie der Dole Administration gewesen. Die Ziele der Vertreter der „Primacy“ ist es nicht vordergründig den Frieden zwischen den Großmächten zu erhalten, sondern die Überlegenheit der USA in Bezug auf Politik, Wirtschaft und Militär gegenüber jedem möglichen globalen Herausforderer zu verteidigen. Auch die Bush-Administration vertrat in ihrem Entwurf für den „Defense Planning Guidance“ (DPG)[72] die Strategie der „Primacy“, die der USA versichern sollte, die einzige Supermacht zu sein und auch zu bleiben.

Ein Auszug aus dem Plan des Pentagon „Prevent the Emergence of a New Rival“[73] besagt:

„Our first objective is to prevent the reemergence of a new rival, either on territory of the former Soviet Union or elsewhere, that poses a threat on order of that posed formerly by the Soviet Union. This is a dominant consideration...and requires that we endeavor to prevent any hostile power for domination a region whose resources would, under consolidatet control sufficient to generate global power. (...) Our strategy must now refocus precluding the emrgence of any potential future global competitor.“[74]

Als potentielle mögliche Mitbewerber werden Deutschland und Japan angesehen, daher muß eine strategische Unabhängigkeit dieser beiden Länder im Interesse der Weltstaatengemeinschaft unterwandert werden. Zalmay Khahilzad, der 1992 Assistent im Team des damaligen US Verteidigungsministers Cheney und mitverantwortlich für die politische Planung war, meinte: „The United States would not want Germany and Japan to be able to conduct expeditonary wars.“[75] In Europa sei es daher auch wichtig, einer Verminderung der Bedeutung der NATO entgegenzuarbeiten, einschließlich der Bekämpfung eines eigenständigen europäischen Verteidigungsbündnisses. Ein Befürworter dieser Strategie ist auch Henry Kissinger, der im Dezember 1994 für die Washington Post den Artikel „Expand NATO Now“ geschrieben hat.

Viele Befürworter der Strategie der „primacy“ meinen sogar, daß die USA mehr als irgend eine andere Nation über „soft power“ verfügten, damit gemeint sind die Beeinflussungsmöglichkeiten bezüglich der Nachrichtenmedien, der Massenkultur, der neuen Medien und der Kontrolle des Flusses der internationalen Kommunikation. Der politische Wille zur Dominanz und Überlegenheit müsse auch dem eigenen Volk nähergebracht werden, damit in heiklen Situationen die öffentliche Meinung den Entscheidungen der Machthaber nicht zum Verhängnis wird. Rußland wird wegen seiner möglichen militärischen Kapazitäten weiterhin mißtrauisch beäugt, wenn auch nicht wirklich gefürchtet. Daher fällt in die Politik der „primacy“ auch die Strategie, Rußland weiterhin in Schach zu halten (containment) und die NATO um die osteuropäischen Mitglieder des ehemaligen Warschauer Paktes zu erweitern.

„Russia brings three dangerous qualities to the table: it possesses tremendous inherent strategic reach, considerable material reserves; and the largest single homogeneous ethnic-cultural population[76] in Europe.“[77]

Die Bedenken Rußlands ob einer NATO-Osterweiterung müßten auf diplomatische Art und Weise zerstreut werden, z. B. durch einen Sicherheitsvertrag mit der NATO (dies ist ja tatsächlich eingetroffen).

Die Vertreter der „primacy“ halten ebenso wie die Vertreter des „Neo-Isolutionism“ und die Befürworter des „selective Engagement“ nicht viel von internationalen Organisationen. Diese werden lediglich als strategische Instrumente betrachtet, die dann instrumentalisiert werden, wenn es für die USA vorteilhaft ist. Die atomare Abrüstung anderer Staaten muß vorangetrieben werden, während die USA aber fähig bleiben müssen, sich gegen nukleare, biologische und chemische Waffen zu verteidigen. Wie verhalten sich die Vertreter der „Primacy“ zu humanitären Interventionen in ethnischen Konflikten?

„Proponents of primacy view regional conflict, ethnic conflict, and humanitarian intervention in much the same light as do the advocates of selective engagement. Regional conflict matters most when it impinges on major power relations and the use of a potential peer competitors and regional hegemons ... There is no obvious security rationale, under primacy, for humanitarian military operations, though some operations (such as Bosnia) may offer opportunities to demonstrate and assert U.S. power and leadership.“[78]

Die Vertreter der „primacy“ wissen selbst am besten, wann, wie, wo und in welchem Ausmaß militärische Operationen durchgeführt werden können.

Kritik: Es wird befürchtet, daß die Strategie der „primacy“ als eine offensichtliche Aufforderung zum Kampf gegen eine nicht von allen Staaten akzeptierte Vormachtstellung der USA verstanden werden kann. Zudem wird ein „imperial overstretch“ befürchtet, der einhergeht mit der Entleerung der Staatskasse. „Primacy is little more than a rationale for the continued pursuit of Cold War policy and strategy in the absence of an enemy.“[79]

III. 5.: Der Clinton-Strategiemix

Die einzige offizielle Erklärung in der Cinton-Ära zur Sicherheitspolitik der USA fand im Februar 1996 statt: "A National Security Strategy of Engagement and Enlargement“ (siehe auch weiter oben). Dieses Konzept stimmte weitgehend mit den Zielen der „cooperative Security“, und des „selective Engagement“ überein, gewürzt mit einer Prise „primacy“. Einzig der „Neoisolationism“ wird explizit auch für die Zukunft als möglich Strategie ausgeschlossen. Das Dokument beinhaltet auch „limits to America’s involvement in the world – limits imposed by careful evaluation of our fundamental interests and frank assessment of the costs and benefits of possible actions“, denn es sei unmöglich, daß Amerika in jedes Problem verwickelt wird[80]. Ein grundsätzliches Ziel sei die Verbreitung von Demokratie (implizit auch des „american way of life“). Damit die USA einschätzen können, in welchen Konflikt sie sich einlassen und in welchen nicht, wird die Welt in strategisch wichtige und unwichtige Gebiete unterteilt.

„Democracy must be promoted, but a selective approach prevails: some parts of the world and some countries, particulary the states of the former Soviet Union and Eastern and Central Europe, matter more than others.“[81]

Die Vereinigten Staaten würden sich in ethnische Konflikte nur dann einmischen, wenn es auch wieder eine Möglichkeit zum Rückzug gäbe. Humanitäre Interventionen seien ebenfalls denkbar, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Diese Strategie des „möglicherweise-sich-Einmischens“ entspringt dem Konzept des „selective Engagement“ und dem „primacy“. Es wird also von Fall zu Fall einzeln entschieden, ob interveniert werden soll oder nicht. Die UNO bleibt eine schwache Institution, und die EU sowie die OSZE werden als ebenso schwach betrachtet:

„The European Union and to a lesser extent the Organisation for Security and Cooperation in Europe made attempts to help manage the dissolution of Yugoslavia, but they were unable to produce any results.“[82]

Einzig und allein die NATO wird von den USA als einzige multilaterale Macht geschätzt, deren vorrangige Stellung auch in Europa erhalten werden muß. Darin sind sich alle amerikanischen politischen Gruppierungen einig. Der Grund dafür ist, daß die NATO als einzig wirksames Instrument der US-Außenpolitik angesehen wird, die politische Entscheidungen auch militärisch durchsetzen kann.

Die Clinton-Administration hat jedoch erkennen müssen, daß eine internationale Kooperation mit möglichen Verbündeten einer Allianz nicht immer problemlos zu bewerkstelligen ist. Auch Demokratien können sich unkooperativ verhalten. Dies trifft jedoch auch auf die USA selbst zu, die in den Jahren 1993-96 eine offizielle nicht-koooperative Wirtschaftspolitik gegenüber Japan verfolgt haben (ähnliches könnte man heute über den „Bananenkrieg“ mit der EU sagen). Probleme hatten die USA mit ihren Verbündeten auch nach dem Bosnienkrieg in der Frage der Aufteilung des Landes.

Die US-Vertreter verfolgten eine Politik die ein einheitliches, pluralistisches Bosnien zum Ziel hatte. Die Briten und die Franzosen glaubten, daß nur eine Aufteilung des Landes in drei autonome Gebiete mit einer eigenständigen Verwaltung erfolgreich sein könnte. Am Ende kam es zu einem Kompromiß: Die USA unterstützten den Vertrag von Dayton mit der Entsendung von Bodentruppen, während die Alliierten dem Vertrag dann zustimmten, als den drei in Bosnien lebenden Volksgruppen ein (angeblich) hoher Grad an Autonomie zugestanden wurde. Die Clinton Administration gab sich sehr optimistisch darüber, daß Rußland für die Idee der NATO-Osterweiterung gewonnen werden könnte. Mit China verfolgt Amerika eine energische Politik des „engagement“ bezüglich der chinesischen Innen-Außen-, und Wirtschaftspolitik.

Engagement usually took the form of the United States explaining to Chinese officials how they should change their behavior, and ignoring Chinese sensitivities about interference in their internal affairs, and the status of Taiwan. The result was a generally non-cooperative China.“[83]

Da internationale und regionale Sicherheitsinstitutionen schwach sind, ist die Führungsrolle der USA um so mehr gefordert Dinge zu bewegen, jedenfalls mehr, als es sich Vertreter der „cooperative Security“ vorgestellt haben. Teuer kommt das Bemühen der USA, immer auf dem neuesten militärisch-technologischen Entwicklungsstand zu bleiben. Die hohen Militärausgaben werden zudem noch bedingt durch die „Major“ und „Minor“ „Regional Contingencies“, also jene großen und kleineren Truppenverbände, die in diverse Militäroperationen rund auf der ganzen Welt verwickelt sind oder in diversen Ländern stationiert wurden, wie zuletzt in Bosnien. Diese Auslandseinsätze sind schwer wieder zu beenden. Zudem kommt die Gefahr, daß ein „Minor Regional Contingent“ aufgrund unvorhergesehener politischer Veränderungen in der betreffenden Region in ein „Major Regional Contingent“ mutiert und die Kosten dadurch noch mehr erhöht werden. Quintessenz ist, daß die aktuellen politischen Bedingungen jedoch so sind, daß auf die Hilfe der USA zur Lösung von Problemen nicht verzichtet werden kann. Trotzdem stößt der Strategiemix der Clinton-Administration auf Kritik. Die gegenwärtige Vorgehensweise, drei Strategien je nach Lust und Laune zu kombinieren sei zu inkohärent, sie erfordere zu viele Kompromisse, weil zu viele Hindernisse sich ihr in den Weg gestellt hätten. Es bleibt die Frage offen, wie die Clinton-Politik in Zukunft angelegt werden muß, um Fehler zu vermeiden und langfristig planen zu können.

„Ironically, the Clinton administration grand strategy has already evolved to a point where it has many of the trappings of primacy. Indeed, Clinton’s foreign and defense policy team has discovered that considerable U.S. leadership and major commitments of U.S. power are necessary for the pursuit of the transformed world order they seek.“[84]

Es liegt nun an den Sicherheitsplanern zu entscheiden, in welche Richtung sich die Außen- und Verteidigungspolitik entwickeln soll ausgehend vom ursprünglichen Plan des „Engagement and Enlargement“. Eines ist für Posen und Ross jedenfalls klar: Einige Strategien lassen sich nicht miteinander kombinieren, ohne sich dabei in Schwierigkeiten zu bringen. Man könnte nicht erwarten, die Früchte einer Isolierungspolitik zu ernten und auf der anderen Seite Freunde wie Israel zu unterstützen. Oder man könne nicht Krieg im Namen der kooperativen Sicherheit wie in Bosnien-Herzegowina führen und jede Intervention unterlassen, falls Rußland Georgien bedrohen würde, aber gleichzeitig dem Glauben anhängen, daß die USA jeden möglichen Aggressor – egal wo auf der Welt - dadurch abschrecken könnte. Selektives Engagement könnte die USA in jeden strategisch unbedeutenden Konflikt hineinziehen, auch dann wenn die politisch Verantwortlichen ihre militärischen Aktionen rhetorisch verhüllen würden mit der Begründung, dies sei eine Intervention getragen durch die Institutionen der kooperativen Sicherheit (UNO, OSZE). Jene, die den Traum der kooperativen Sicherheit träumen aber in Wahrheit Strategien der „primacy“ praktizieren, müssen erkennen, daß sich damit schrittweise jene internationalen Institutionen aushöhlen, die für die Ausübung der „cooperative Security“ von Bedeutung sind. Die Rhetorik und die Diplomatie einer neuen „containment“[85] Strategie, selbst wenn diese nur eine bequeme Vorgehensweise ist um in Wahrheit „primacy“ anwenden zu können, führe nicht zu dem angestrebten Effekt, der erreicht werden sollte. Diejenigen Völker, die sich dieser Strategie ausgesetzt sehen, werden nicht verstehen, daß militärische Interventionen angeblich zu ihrem Schutz geschehen (vgl. Clinton’s Beschwörungen, die Bombardements Serbiens würde sich nicht gegen das serbische Volk richten). Posen und Ross plädieren dafür, daß es das beste wäre, sich für eine der beschriebenen Strategien zu entscheiden., um eine mögliche Krise in der US-Außenpolitik zu vermeiden. Was bedeuten diese Strategien für den Kosovo-Krieg?

Im Kosovo-Krieg konnte dieser Strategiemix wieder beobachtet werden. Die Luftangriffe wurden unter der Vorherrschaft der amerikanischen Streitkräfte durchgeführt. Die USA waren jene Supermacht, die den Luftkrieg gegen Ex-Jugoslawien ermöglichten. Die Einheit der Alliierten wurde auf den Pressekonferenzen der NATO regelmäßig betont.[86] Die Einrichtungen der „soft power“, also elektronische Medien und Printmedien sollten auf den Kurs der NATO gebracht werden. Die NATO war die einzige Macht, der zugetraut wurde, den Konflikt zu lösen. Die UNO wurde von den USA wieder einmal für ihre Zwecke instrumentalisiert. Die Vormachtstellung der USA gegenüber der Europäischen Union in Krisenfällen hat sich bestätigt. Die Rolle der NATO im Kosovo-Konflikt entwickelte sich aus der Beziehungsgeschichte zwischen Medien und Militär in lokal begrenzten Konflikten. Auf diese Beziehungsgeschichte und die Bedeutung der Rolle der USA in lokal begrenzten Konflikten wird im nächsten Kapitel eingegangen.

IV. Die Beziehung zwischen Medien und Militär in lokal

begrenzten Konflikten

Die Beziehung zwischen Journalisten und Militärs kann unter dem Aspekt der Erfahrungsverwertung gesehen werden. Die Militärs erkannten anhand von bereits geführten Kriegen, wo die Schwachstellen in der Beziehung zwischen ihnen und den Journalisten lagen. Die Militärs lernten, sich die Strukturen des Nachrichtengeschäftes zunutze zu machen.[87] Vertreter der Militärs entwickelten im Laufe der Kriegsgeschichte verschiedene Strategien, um Journalisten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Zu diesen Strategien gehören die Beschränkung von Journalisten in ihrer räumlichen Mobilität, die Konstruktion und Aufrechterhaltung einer Scheinrealität, die Aufrechterhaltung von Bedrohungsszenarien und die Verbreitung von Greuelgeschichten über die gegnerische Seite sowie die Aufrechterhaltung der Überzeugung, für eine gerechte Sache zu kämpfen. Diese gerechte Sache beinhaltet heute den Kampf um die höheren Werte, Demokratie und Menschenrechte.

Nach dem Ende des „Kalten Krieges“ traten an die Stelle des ersten und des zweiten Weltkrieges geographisch enger begrenzte Konflikte. Diese begrenzten Konflikte äußerten sich meist in Ausschreitungen unter den Bewohnern eines Staates, die verschiedenen Volksgruppen angehörten oder zwischen den Angehörigen von Nachbarstaaten. Neu an diesen regionalen Konflikten, die meist unter das Paradigma des „ethnischen Konflikts“ subsumiert werden, ist die Forderung nach einer offenen militärischen Intervention einer Elitenation. Umberto Eco hält Krieg zur Lösung von Konflikten für eine Unmöglichkeit aufgrund der Tatsache, daß der Krieg von heute nicht mehr zwischen zwei klar getrennten Fronten verläuft.[88]

Die Natur des multinationalen Kapitalismus bringt es mit sich, daß Macht heutzutage nicht mehr monolithisch und monokratisch, sondern diffus und parzelliert ist, sie ist ein Ergebnis permanenter Zusammenballungen und Zersetzungen von Konsensprozessen. Der regional begrenzte „ethnische Konflikt“ bringt es nicht mit sich, daß sich zwei Vaterländer direkt gegenüberstehen. Vielmehr bringt er unendlich viele Mächte in Konkurrenz zueinander, die eine Eigendynamik entwickeln können, die nur schwer vorauszusehen ist. Über den Golfkonflikt meint er:

„Daß der Irak von den westlichen Industrien bewaffnet wurde, ist kein Zufall. Es entspricht der Logik des reifen Kapitalismus, der sich der Kontrolle der Einzelstaaten entzieht.“[89]

Global betroffen von den Auswirkungen des modernen Krieges sind daher auch alle, die nicht direkt am Kampf beteiligt sind, sei es durch Umweltzerstörung oder Umweltbedrohung (Atomwaffen), Überflugsgenehmigungen, Start- und Landeerlaubnisse, Waffenexporte, etc.

Es sind die Journalisten, die für Berichte und Bilder vom Krieg sorgen sollen, sie geben dem Krieg ein Gesicht, doch es bleibt die Frage offen, wer die Züge dieses Antlitzes prägt: die Journalisten selbst durch Eigenrecherche und eigenverantwortliche Arbeit oder die Militärs und ihre Regierungen mit Hilfe von Public Relations und Propaganda.

Eco warnt die Medien von der Vorstellung, aufgrund ihrer Möglichkeiten zur Darstellung des Krieges wie in einem Western zu agieren, und daß es in ihrer Hand liege, über Gut und Böse zu entscheiden.

„Wenn die amerikanische Regierung findet, daß die Fernsehgesellschaften das Spiel des Feindes spielen, glaubt sie noch, sie habe es mit einem Komplott prokommunistischer Eierköpfe zu tun; in symmetrischer Entsprechung bilden die Fernsehgesellschaften sich ein, sie verkörperten die heroische Figur Humphrey Bogarts, der den Gangster am Telefon das Rattern der Rotationspressen hören läßt und dazu sagt: „Das ist die Presse mein Guter, die kannst du nicht stoppen.“[90]

Die Rolle der Medien differiert von Krisentyp zu Krisentyp. Je nach Art des Konfliktes und nach Interessen der daran Beteiligten müssen Strategien entwickelt werden, um für den Krieg oder für eine militärische Intervention Akzeptanz zu schaffen. Eco meinte über die Medien im Krieg sogar: „Sie sind bloß einfach ein Rollenklavier, das eine Musik abspielt, die ihm vorher auf die Rolle gespielt worden ist.“ Ob es wirklich so einfach ist, soll diese Arbeit versuchen herauszufinden.

Heikki Luostarinen und Rune Ottosen meinten, daß begrenzte Konflikte und damit mögliche militärische Interventionen, die während des „Kalten Krieges“ meist in der „Dritten Welt“ stattfanden, sich als Hauptproblem in der Beziehung zwischen Medien und Militärs in den modernen westlichen Gesellschaften erwiesen haben. Militärische Interventionen haben sich seit dem Zerfall der alten politischen Ordnung Jugoslawiens und dem Ende des „Kalten Krieges“ nach Europa verlagert, ein Grund mehr, sie genau zu untersuchen. Während des „Kalten Krieges“ wurde von den US-Militärs ein Propagandamodell erprobt, das auch nach dem offiziellen Ende des Ost-West Gegensatzes im wesentlichen unverändert fortgeführt wurde.

Die Erfahrungen, die das US-amerikanische Militär stetig mit den Medien und ihren Journalisten machte, wurden gespeichert und für den nächsten Krisenfall wieder aktualisiert und analysiert. Die Kriegsszenarien waren zwar nicht immer die gleichen, so wurden die kriegerischen Auseinandersetzungen der USA in Lateinamerika von der Weltöffentlichkeit mit einer anderen Aufmerksamkeit und Anteilnahme verfolgt als z. B. der Krieg gegen den Irak. Aber es handelte sich um militärische Einsätze außerhalb Nordamerikas, entweder um einen begrenzten innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in dem die USA offen operierten, oder in dem sie die Kriegspartei eines befreundeten Landes mit militärischem Know-how unterstützten. Das eigene Land war in solche Aktionen nicht offiziell mit einbezogen.[91] „Indirekte“ Kriege haben die USA und die ehemalige Sowjetunion beide ausgetragen. Das Ziel der Propaganda bei einer offenen und offensichtlichen Einmischung, bei der nicht einmal eine Kriegserklärung gemacht werden mußte, war es sicherzustellen, daß keine brauchbaren Informationen an den Feind weitergegeben wurden, daß das Image des Militärs unangetastet blieb und daß kein Widerstand in der Öffentlichkeit gegen die militärische Aktion entstand. Propaganda bei verdeckten Operationen hatte die Aufgabe, einerseits die militärische Verwicklung zu verschleiern und andererseits Sympathien für die unterstützte Partei einzuwerben.[92] Im Laufe der amerikanischen Kriegsgeschichte entwickelte sich ein Grundmodell der Propaganda heraus, das in begrenzten Konflikten instrumentalisiert werden konnte. Krisen in geographisch begrenzten Konflikten forderten die Vertreter der Propaganda und die Vertreter des Staates nicht mehr dazu heraus, ein Volk auf den totalen Krieg einzuschwören oder das Volk auf entbehrungsreiche Monate oder Jahre einzustellen.[93] Der Erste und der Zweite Weltkrieg waren solche Kriege, die die Charakteristik des Krieges veränderten. Es gab nicht mehr nur ausgebildete Soldaten, für die der Krieg ihr Handwerk war, sondern auch die Zivilbevölkerung wurde direkt vom Krieg betroffen und mehr und mehr in die Logik des Krieges miteinbezogen.

„Ordinary men and woman who had previously been largely unaffected by the impact of wars fought by professional soldiers in far-off lands now found themselves became the new front line; men, women, and children formed the new armies and their morale, their will to fight and resist on a mass scale, accordingly became a significant military asset.“[94]

Die eigene Sache, das Eintreten in den Krieg war gerechtfertigt, es gab ein klares Feindbild, das vermittels Propaganda dem eigenen Volk näher gebracht wurde. Bei den modernen Interventionen nach 1945 ergaben sich jetzt Grauzonen und Rechtsunsicherheiten. Es mußten öffentlichkeitswirksame Erklärungsmodelle erarbeitet werden, wie die Einmischung in die Angelegenheiten eines souveränen Staates begründet werden konnte.[95]

Den Paradigmenwechsel des Krieges kann man zusammenfassen als:

1. globale Auseinandersetzungen wie der Erste und der Zweite Weltkrieg; „Totale Kriege“, in denen die Zivilbevölkerung mehr und mehr involviert wurde.
2. der „Kalte Krieg“: Ost-West Gegensatz, oft in der „Dritten Welt“ als „Stellvertreterkriege“ zwischen der USA und der ehemaligen UdSSR ausgefochten.
3. eine verdeckte oder offene Einmischung der ehemaligen Supermacht UdSSR und der verbliebenen Supermacht USA in einem Land innerhalb ihrer Einflußzonen; Etablierung eines Propagandamodells der US-Strategen zur Begründung einer offenen Intervention, z.B. während der Einsätze in Lateinamerika.
4. nach Beendigung des „Kalten Krieges“: begrenzte regionale „ethnische“ Konflikte, bei denen die Spannungen zwischen zwei Volksgruppen im Mittelpunkt stehen, die scheinbar nicht miteinander leben können. Der Ruf nach einer militärischen Friedenserzwingung wird laut, oft bezeichnet als humanitäre Intervention, Peace Enforcement, etc.

Das Propagandamodell, das während des „Kalten Krieges“ ausgearbeitet wurde, wurde von den USA beinahe nahtlos zur Begründung einer militärischen Interventionspolitik in den sogenannten ethnischen regionalen Konflikten übernommen und weitergeführt.

Während des „Kalten Krieges“ wurden in militärisch aktiven Ländern wie z. B. den USA Strategien ausgearbeitet, unter welchen Gesichtspunkten die Einmischung in die Angelegenheiten eines fremden Landes begründet werden konnte.

Dieses komplexe Propagandamodell wurde von Luostarinen und Ottosen rekonstruiert. Die Kommunikationswissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, daß Propaganda das Produkt einer langwierigen Strategie sein muß, denn „Propaganda kann man nicht wie eine Lampe an- oder ausknipsen“ [96] .

Die Implementierung erfolge stufenweise, nicht immer linear, aber folgende Schritte waren charakteristisch:

a) Vorstufe:

- das Zielland kommt in die Nachrichten durch Revolution, Chaos, Armut, Diktatur
- Im Falle des Kosovo durch Aufbegehren der albanischen Bevölkerungsmehrheit gegen die als erwiesen geltende Unterdrückung durch die serbische Bevölkerungsminderheit, Repressionen werden durchgeführt vor allem von der serbischen Polizei. Pressekonferenzen sollen die Betroffenheit der verfolgten Partei aufzeigen und gleichzeitig die Betroffenheit in der Weltöffentlichkeit über das Zielland steigern. Vertreter der verfolgten Minderheit erhalten erleichterten Zugang zur Presse und sind so in der Lage, die Weltöffentlichkeit über ihre Lage zu informieren.

b) Rechtfertigung:

- Hauptnachrichten werden produziert; die Geschichte schafft den relevanten Sprung in der Themenhierarchie der Medien auf Platz eins.
- Dringlichkeit sei geboten, es drohe unmittelbare Gefahr für die Nachbarn, im Falle Kosovo waren dies Makedonien, Albanien, Griechenland. Durch diese Instabilität der Lage sei auch der Westen bedroht, die alte bekannte Ordnung auf dem Balkan könnte total zerfallen.[97]
- Die Behauptung wird aufgestellt, es drohe Genozid im Zielland: Im Falle des Kosovo-Konflikt war diese Behauptung sehr vorrangig, es wurde behauptet, ethnische Säuberungen seien bereits im Gange, systematische Vertreibungen und Unterdrückung der Kosovo-Albaner würden stattfinden. Hinweise auf das despotische Regime Milosevic durften nicht fehlen, ebenso wenig Anspielungen auf Ereignisse im Jugoslawienkrieg von 1991-1995.[98]
- Als Ziele werden gesetzt: Frieden, Freiheit, Demokratie, neuerdings sehr evident: die Verteidigung der Menschenrechte.

c) Implementation durch:

- Nachrichtenmanagement durch das Militär in Form von Zugangskontrollen, Zensur, etc.

d) Nachträgliche Legitimierung

- Spezielle Reisen für Journalisten in das Zielland werden organisiert um zu beweisen, daß nach der erfolgten Intervention Frieden, Ordnung, Wohlstand und Demokratie herrschen würden. Da dieser Prozeß im Kosovo äußerst schleppend vor sich geht, wird vor allem nur die bessere Lage jener gezeigt, die vorher als Opfer der Gewalt gelten durften: die der Kosovo-Albaner. Entschuldigungsgründe werden angeführt, die KFOR sei überfordert, mehr Leute würden benötigt, die unangenehmen Seiten der Wahrheit, die Gewalt an Serben wird wenn möglich ausgeblendet, um das vorherrschende Bild zu erhalten.[99]
- das Zielland verschwindet allmählich aus den Nachrichten, andere Topthemen etablieren sich in der Nachrichtenhierarchie

Noam Chomsky und Edward S. Herman entwarfen ebenfalls eine Theorie über die Beziehung zwischen Medien und Militär. Sie orteten die vorrangigste Aufgabe der Presse darin, Zustimmung zu der militärischen Einmischung in der eigenen Öffentlichkeit zu konstruieren, einen Prozeß, den sie „manufacturing consent“ nannten, und der den Massenmedien obliege.[100]

Das ideologische Feindbild während des kalten Krieges war der Kommunismus. Der Kommunismus und der Faschismus kamen in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu den „völkischen Feindbildern“ hinzu.[101]

Es wurde zwar im Kosovo-Konflikt von niemanden offen angesprochen, doch ein solches nach wie vor kommunistisches Feindbild könnte durchaus auch das Milosevic-Regime gewesen sein. Nicht nur allein deswegen, weil es brutal war und Menschenrechtsverletzungen beging, sondern weil es offiziell kommunistisch war und der Kommunismus nach wie vor zu den Feindbildern der USA zählte.

Mira Beham meinte, daß während des „Kalten Krieges“ trotzdem die kommunikationspolitische Logik eines heißen Krieges befolgt werden mußte. Denn nur durch eine Polarisierung der Welt in Gut und Böse kann die Loyalität der Bevölkerung zu ihren Politikern und der von ihnen gestalteten Politik aufrecht erhalten werden. Deshalb müssen ein klares Bild vom Feind und dessen Diskreditierung, ein Bedrohungsszenario, ein Bewußtsein von der Tugendhaftigkeit und Moralität der eigenen Ziele der sogenannten freien westlichen Welt nach wie vor fest in den Köpfen der Menschen verankert werden.[102]

Der „Kalte Krieg“ ist zwar vorbei, doch auch bei der heutigen Interventionspolitik der USA und anderer westlichen Staaten, betrachtet man den Golfkrieg oder den ersten Jugoslawienkrieg, setzen sich diese Strukturen der Logik des „Gut-Böse“ Schemas, vor allem das Bewußtsein von der eigenen Moral, in der Berichterstattung der Medien und in der Überzeugung der Militärs fort.[103]

Der Golfkrieg war jener Krieg, in dem technologische Neuerungen auf militärischer Seite und auf journalistischer Seite zu einer Art Revolution in der Berichterstattung führten. Erstmals schien eine reale Echtzeitberichterstattung möglich zu sein. Satellite News Gathering und tragbare Satellitenübertragungssysteme machten es möglich, von überall auf der Welt aus zu senden.[104] So wurde der Krieg gegen den Irak mit Hilfe des Fernsehsenders CNN zu einem öffentlich vorgeführten Krieg.[105] Auf der militärischen Seite ermöglichten „smart bombs“ einen High-Tech Krieg, ein Krieg der scheinbar nur auf den Monitoren der Militärs stattfand, ohne leibhaftige Opfer. Luostarinen und Ottosen bestimmen die Beziehung zwischen Medien und Militär auf Grundlage des Zusammenspiels von technologischen Neuerungen und historischen Erfahrungen. Dazu kommt die politische Agenda der beteiligten Staaten und die jeweiligen vorherrschenden professionelle Ideologie im Journalismus. Ziel ist es nicht, die Journalisten als Opfer in einem Machtkampf mit dem Militär darzustellen, denn auch Journalisten haben Mittel, um sich der Logik des Militärs zu verweigern. Welche Agenda die vorherrschende ist, wird durch einen Prozeß definiert, in einer wechselnden Interaktion zwischen Politik, Journalismus, soziokultureller Strömung, der technologischen Entwicklung und dem Militär. Es könnte sein, daß am Beginn eines Konfliktes die politische Agenda vorherrschend ist, während im nächsten Stadium die Agenda durch die Entwicklung der Medientechnologie, wie z. B. im Golfkrieg, verändert und neu definiert wird.[106]

Luostarinen und Ottosen über ihr Modell der Beziehung zwischen Medien und Militär:

„Dieses Modell kann natürlich nicht alle Aspekte der Beziehung zwischen Medien und Militär abdecken, aber es könnte die Bedeutung aufzeigen, die frühere historische Erfahrungen mit Kriegsberichterstattung für die Prioritäten besitzt, welche im Medienmanagement gesetzt werden; und es könnte zeigen, daß diese Prioritäten nicht immer dem Zweck der journalistischen Profession dienlich sind.“[107]

Die Militärs sammelten historische Erfahrungen im Umgang mit den Vertretern der Medien, dies führt zu bestimmten Plänen und Vorbereitungen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen bewertet wurden. Diese Bedingungen bestehen aus der jeweiligen soziokulturellen Situation, der Technologie und der vorherrschenden professionellen Ideologie im Journalismus. Die historischen Erfahrungen wurden dann angewendet unter Einhaltung der jeweiligen Bedingungen als eine bestimmte Form der Informationskontrolle und -bereitstellung. Dieses militärische Informationsmanagement besteht aus Zugangsbeschränkungen zum Kampfschauplatz, durch Zensur im klassischen Sinn, durch Kontrolle der Journalisten, durch bestimmte Formen der Zusammenarbeit mit Journalisten (z. B. Pressekonferenzen) und durch die Unterstützung von PR-Agenturen oder Lobbygruppen. Nach dem Ende des Konfliktes erfolgte eine Evaluation des Erfolges der Kampagne, geprüft wurden Medienecho, politische Reaktionen, etc. Die Kritik wurde überprüft und bewertet, dies führte zu neuen Plänen für die Gestaltung der Militär-Medien-Beziehung in zukünftigen Konflikten.[108]

Die „professionelle Ideologie“ bestimmten Luostarinen und Ottosen, gemessen an der soziokulturellen Situation einer Gesellschaft. Es gibt in beinahe allen liberalen Demokratien mit verfassungsmäßig garantierter Pressefreiheit in Krisenfällen Einschränkungen in Bezug auf Fragen der Staatssicherheit und dem Verlauf der militärischen Vorgehensweise. Doch genau hier liegt die Herausforderung für die Journalisten, mit der jeweiligen Konfliktsituation umzugehen. Lassen sie sich von den Militärs als Werkzeug wissentlich benutzen oder geschieht es eher unbewußt? In welchem Maße werden gesetzliche Möglichkeiten dazu benutzt, um die Pressefreiheit einzuschränken? Wie gehen Presseverbände mit Versuchen um, für die Staatssicherheit verantwortlich gemacht zu werden, weil sie einen aktiven Anteil an der Mobilisierung der Menschen für nationale Sicherheit und militärische Verteidigung haben? Wie gehen Reporter mit Kritik um, die es nach diversen Kriegen und die Berichterstattung darüber immer wieder gibt?[109]

Zur professionellen Ideologie sind auch jene Faktoren zu rechnen, die eine Wertigkeit und Themenhierarchie in der Kriegsberichterstattung ermöglichen. Wer gibt die Themen vor? Aus welchen Quellen schöpfen die Korrespondenten? Wie „funktioniert“ das internationale Mediensystem, welche Eigenschaften muß ein Ereignis haben, um zur weltweiten Nachricht avancieren zu können? Sind die technologischen Neuerungen wirklich so vorteilhaft für Journalisten oder zwingen sie diese nicht in eine noch größere Abhängigkeit von der Illusion, jederzeit aus dem hier und jetzt berichten zu können und das Problem der Zeitspanne zwischen Ereignis und der Veröffentlichung der Nachricht endgültig zu überwinden? Führt dieser Aktualitätsdruck nicht in eine noch größere Abhängigkeit von Informationen, die Vertreter der Militärs liefern, weil für eigene Recherchen buchstäblich keine Zeit mehr bleibt?

Die Kriegsberichterstattung in begrenzten Konflikten beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Koreakrieg. Die USA haben alleine im 20. Jahrhundert bis zum Jahre 1993 140 militärische Aktionen durchgeführt, inklusive des Ersten und des Zweiten Weltkrieges.[110] Von 1993 bis zum Jahr 2000 waren 25 „instances“ zu verzeichnen[111]. Es sollen jene Interventionen besprochen werden, bei denen die Rolle der Presse ausführlicher untersucht und dokumentiert worden ist. Es handelte sich dabei entweder um die schon weiter oben genannten Formen der offenen Intervention oder der verdeckten Operation. Bei der letztgenannten wurde eine Kampfpartei kriegstechnisch von den USA unterstützt, ohne daß die USA offiziell selbst in die Kampfhandlungen involviert waren.

Im folgenden soll ein kurzer Abriß über die wichtigsten Interventionen der USA und der mit ihr befreundeten Großmächte, vor allem Großbritanniens, gegeben werden. Herausgehoben werden die angewandten Taktiken, die vom Militär in Hinsicht auf die Medien verfolgt worden sind. Dabei zeigte sich auch, wie der Umgang des Militärs mit den Medien von Krieg zu Krieg professioneller wurde und sich bestimmte Formen der Kontrolle und der Beschränkung der Presse wie Pooling, Briefing, etc. etablierten. Die Interventionen anderer Großmächte, die nicht der westlichen Hemisphäre angehören, wie z. B. Rußlands oder Chinas können hier nicht besprochen werden, weil dies erstens den Rahmen der Arbeit überschreiten würde und zweitens bei den Luftangriffen auf Ex-Jugoslawien nur westliche Mächte beteiligt waren. In der Beziehungsgeschichte zwischen Medien und Militär sind auch jene Thesen angelegt, die in Kapitel VI. ausformuliert werden: die Beschränkung und Kontrolle von Journalisten, die Wahrung und Konstruktion einer Scheinrealität durch den Einsatz von Propaganda, die Verbreitung von Bedrohungsszenarien und Greuelgeschichten über die gegnerische Seite und die moralische Begründung, einen gerechten Kampf auszufechten.

IV. 1.: Korea 1950 - 1953

Die Sowjets unterstützen das kommunistische Nordkorea, die USA das antikommunistische Südkorea. 1950 kam es zum offenen Ausbruch des Konfliktes, eine offene Operation der USA wurde von der UNO abgesegnet, um auf Seiten Südkoreas militärisch intervenieren zu können.[112]

Das Feindbild und die offizielle Begründung der Intervention bildete die Ideologie des Kommunismus.

„The United States responded to North Korean invasion of South Korea by going to it´s assistance, pursuant to United Nations Security Council resolutions.“[113]

Taktik bezüglich der Presse: Nach anfänglichen „Unregelmäßigkeiten“ Einführung einer Zensur, jegliche Kritik oder gar ein Infragestellen des Krieges wurden verboten. Die Propagandastrategie der USA ging auf, schon ein Jahr nach seinem Beginn war es der Koreakrieg den amerikanischen Medien nicht mehr wert, über ihn zu berichten. Der Koreakrieg dauerte noch bis 1953, zerstörte das Land und kostete zwei Millionen Zivilisten das Leben.[114] Nach der Skala von Luostarinen und Ottosen hatten es die Militärs in diesem Konflikt rasch geschafft, ihn aus den Medien verschwinden zu lassen. Auf nachträgliche Legitimierung wurde weitgehend verzichtet.

Zu den verschwiegenen Tatsachen zählten, daß Südkorea nach wie vor ein korrupter Staat war, der massive Menschenrechtsverletzungen beging. Er wurde dafür aber nicht öffentlich angeprangert, weil er den USA als südostasiatischer Militärstützpunkt diente. 1994 erfolgte offiziell die „vollständige Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen“ zwischen den USA und Nordkorea.[115]

Wieweit die Beziehungen tatsächlich normalisiert wurden, bleibt fraglich. Nordkorea wurde von Regierungsvertretern der USA lange als Paradebeispiel eines „rouge state“ zitiert.

Der Koreakrieg war ein Krieg, der von den USA offiziell nicht erklärt wurde.[116]

[...]


[1] Vgl. Winfried B. Lerg: „Geschichte der Kriegsberichterstattung – Ein Literaturbericht“, in: Publizistik,

Heft 3, Juli-September 1992, S. 405.

[2] Vgl. Bernhard Rosenberger: Zeitungen als Kriegstreiber? Die Rolle der Presse im Vorfeld des Ersten

Weltkrieges, Böhlau Verlag, Köln; Weimar; Wien: Böhlau 1998, S. 79.

[3] Vgl. Philip Taylor: War and the media: Propaganda and Persuasion in the Gulf War, Manchester

University Press, Manchaster, New York 1992.

[4] Vgl. Mark Pedelty: War stories: the culture of foreign correspondents, Routledge, New York, London 1995.

[5] Vgl. Bernhard Rosenberger: Schreiben für Kaiser und Vaterland? Die Rolle der Presse beim Ausbruch des

Ersten Weltkrieges, in: Quand, Siegfried & Schichtel, Horst (Hrsg.): Der erste Weltkrieg als

Kommunikationsereignis, Reihe Fachjournalistik, Justus-Liebig-Universität Gießen 1993.

[6] Johan Galtung: Kriegsbilder und Bilder vom Frieden oder: Wie wirkt diese Berichterstattung auf

Konfliktrealität und Konfliktbearbeitung? in: Jörg Calließ (Hrsg.): Das erste Opfer eines Krieges ist die

Wahrheit, evangelische Akademie Loccum 1997, S. 92.

[7] Vgl. Günther Böchler und Catherine Schiemann Rittri: Eine Welt voll ethnischer Konflikte? Über

die machtpolitische Kanalisierung von Konflikten und wie sie gelöst werden könnten. In: Tod durch

Bomben. Wider dem Mythos vom ethnischen Konflikt, Friedensbericht 1995, Reihe Dialog, Band 28,

Verlag Rüegger, Heft 1-2/1995, S. XI.

[8] Vgl. Günter Böchler & Katharina Schirmann-Rittri, weiter oben

[9] Vgl. die Begründungen der NATO zur Intervention im Kosovo-Konflikt im Kapitel IV.

[10] Vgl. Michael Kunczik: Die manipulierte Meinung : Nationale Image-Politik und internationale Public

Relations, Böhlau Verlag, Köln, Wien 1990, S. 74.

[11] Vgl. Ulrich Beck: „Der militärische Pazifismus: Über den postnationalen Krieg“, in: Süddeutsche

Zeitung, 19.04.1999, S. 15f.

[12] Vgl. Georg Schöfbänker: Vom Cyberwar zum Infowar: Computer und Telekommunikation für den

„realen“ und „virtuellen“ Krieg, in: Gerfried Stocker/ Christine Schöpf (Hrsg.): ARS electronica 98;

Infowar: information.macht.krieg, Springer Verlag, Wien, New York 1998, S. 42.

[13] Vgl. Hagen Schulze: Staat und Nation in der europäischen Geschichte, Beck, Zweite, durchgesehene

Auflage, München 1995, S. 110-126.

[14] Vgl. Schulze, a. a. O., S. 267

[15] Schulze, S. 268

[16] Vgl. Ekkehart Krippendorff: Staat und Krieg: Die historische Logik politischer Unvernunft,

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1985, S. 17.

[17] Vgl. Schulze, a.a.O., S 110f

[18] Schulze, S. 132

[19] Vgl. z. B. Hans-Georg Erhart & Matthias Z. Karadi: „Krieg in Sicht! Die internationale Gemeinschaft und

der Kosovo-Konflikt“, in: Sicherheit und Frieden, Nr. 2, 1998, S.100. Das Argument der Kosovo-Albaner

nach einem unabhängigen Staat basiert nicht zuletzt auch auf dem Vertrag von Dayton: „Als Jugoslawien

zerbrach, habe jeder der sechs Staatsvölker seinen eigenen Staat bekommen, nur die Kosovo-Albaner

nicht. Es sei unnatürlich, daß eine Nation auf so viele Länder verteilt ist, sagen die leidenschaftlichen

Verfechter eines „Großalbaniens“.

[20] Vgl. Kapitel V.4. 2.

[21] Beispiel hierfür sind nicht nur die Kosovo-Albaner, man denke in diesem Zusammenhang auch an die

Kurden, die diversen Unabhängigkeitsbestrebungen in der ehemaligen Sowjetunion oder an das Problem

zwischen Israelis und Palästinenser. Diese Beispiele zeigen, wie schwer es für Menschen ist, in einem

Staat verschiedene Identitäten und die damit verbundenen Ideen nebeneinander zu leben, zu

verwirklichen und sich gegenseitig zu respektieren.

[22] Vgl. Mark D. Alleyne: News Revolution: Political and Economic Decisions about Global Information, St.

Martin’s Press, New York 1997, S. 50.

[23] Krippendorff, a. a. O., S. 16ff

[24] Vgl. a. a. O., S. 149

[25] Ebd.

[26] Vgl. Kapitel V.4.1.

[27] Vgl. a. a. O., S. 148

[28] Mit südslawisch ist hier „jugoslawisch“ gemeint, „jug“ bedeutet im serbischen „Süden“, also jene Völker,

die auf dem Staatsgebiet des späteren Jugoslawiens lebten.

[29] Wolf In der Maur: Balkan, „kurz & bündig“, hpt-Verlagsgesellschaft, Wien 1993, S. 38.

[30] Vgl. z.B. Georg Hoffmann-Ostenhof: „Unser Mann auf dem Balkan“ in: profil Nr. 6/ 1999 vom

07.02.1999: „In Rambouillet wird Weltgeschichte gemacht. Und Wolfgang Petritsch spielt in dieser

Geschichte eine Hauptrolle.“

[31] Vgl. Johann von Unkwicz: „Das Wesen der auswärtigen Krise“, in: Österreichische Rundschau, Band

XXXIV, Januar-März 1913, S. 20.

[32] Unkwicz, a. a. O., S. 22

[33] Leopold Freiherr von Chlumecky: „Österreich-Ungarns und Deutschlands Interesse an einem starken

Albanien“, Österreichische Rundschau, Band XXXIV, Januar-März 1913, S. 255.

[34] Chlumecky, a. a. O., S. 256

[35] Vgl. auch Kapitel V.

[36] Vgl. Michael W. Weithmann: Balkan Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, Verl. Styria,

Verl. Pustet, Graz; Wien; Köln; 1995, S. 297-314.

[37] Vgl. a. a. O., S. 323

[38] Vgl. a. a. O., S. 322

[39] Vgl. Krippendorff, a. a. O., S. 54

[40] Vgl. ebd.

[41] Vgl. Kapitel V.4. 2

[42] Holbrooke zit. bei Markus Bickel: „Schnelle Truppe“, Jungle World Online, 10. Februar 1999.

http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_99/07/04a.htm, S. 1

[43] Krippendorff, a. a .O., S. 55

[44] Vgl. Die Presse, S. 4, 23.03.1999: „Nato-Intervention im Kosovo: Drohungen, aber Frist für Belgrad“,

oder das Magazin Format: „Bomben auf Belgrad: Dilemma im Kosovo. Die späte Entschlossenheit der

Nato in Ehren, aber auch Luftangriffe werden die Serben nicht zur Räson bringen“, Joachim Riedel in

Format vom 12.10.1998, S. 17.

[45] Am 16. Januar 1991 beschwor George Bush in seiner Rede Address to the Nation eine „neue

Weltordnung“, die gekennzeichnet sei durch die Herrschaft des Rechts („where the rule of law, not the law

of the jungle, governs the conduct of nations“), zit. bei Köchler 1992, S. 7.

[46] Hans Köchler: Demokratie und neue Weltordnung: ideologischer Anspruch und machtpolitische Realität

eines ordnungspolitischen Diskurses, Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaft und Politik, Innsbruck 1992,

S. 9.

[47] Die politische Evolution ist eng verbunden mit der Aufteilung der Welt in „zivilisiert“ und „unzivilisiert“.

Die Vorstellung einer solchen politischen Evolution ist wiederum verbunden mit einem Modell der

Entwicklungstheorie, und zwar der Modernisierungstheorie (vgl. dazu Daniel Lerner oder Wilbur

Schramm). Die Anhänger der Modernisierungstheorie erwarten, daß jedes Volk der Welt den gleichen

Entwicklungsprozeß durchlaufen muß, um sich so auf die gleiche Kulturstufe wie der Westen zu begeben.

Dieses Modell der Entwicklungstheorie wurde vielfach kritisiert und für obsolet erklärt, nichtsdestotrotz

spukt es weiterhin in den Köpfen der führenden westlichen Politiker umher.

[48] Köchler, a. a. O., S. 10

[49] Ebd. S. 10

[50] Vgl. a. a. O., S. 11

[51] „Pentagon Papers (as published by the New York Times), New York: Bantam Books, 1971, zitiert bei

Krippendorff 1985, S. 420.

[52] Vgl. Köchler, a. a. O., S. 13f

[53] Georg Dobrovolny: Wende in Osteuropa: Chancen und Gefahren, in: Kirt, Romain; Meisch, Adrien

(Hrsg.): Der entwurzelte Kontinent: Europa und die neue Weltordnung, Econ Verlag, Wien, New York,

Moskau 1994, S. 113.

[54] Barry R. Posen ist Professor für Politikwissenschaft und Mitarbeiter des Programmes für Verteidigungs-

und Waffenkontrolle des Massachusetts Institutes für Technologie; Andrew Ross ist Professor für

Angelegenheiten der nationalen Sicherheit am U.S. Naval War College.

[55] Barry R. Posen; Andrew L. Ross: „Competing Visions for U.S. Grand Strategy“, International Security,

Winter 1996/97, Vol. 21., S. 5 Dieser Artikel wurde erstmals verfaßt als Report für das House Armed

Service Committee im Jahre 1993.

[56] Anthony Lake war 1993 Direktor für Nationale Sicherheit und verfaßte die Schrift „From

Containment to Enlargement“. 1994 wurde dieses Konzept verankert in der „National Security Strategy of

Engagement and Enlargement“. Die darin ausgearbeiteten Ideen waren die gleichen auch im Jahre 1996,

als dem weißen Haus eine neue Version vorgelegt wurde. Anthony Lake übte sein Amt von 1993 bis 1997

aus.

[57] Posen & Ross a. a. O., S. 8

[58] Posen & Ross, a. a. O., S. 14

[59] Posen & Ross, a. a. O., S. 18

[60] Posen & Ross, a. a. O., S. 20

[61] Posen & Ross, a. a. O., S. 21

[62] Posen & Ross, a. a. O., S. 22

[63] Posen & Ross, a. a. O., S. 24

[64] Posen & Ross, a. a. O., S. 25

[65] Jede der vier Strategien beschäftigt sich mit dem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen. Es würde aber

den Rahmen dieser Arbeit sprengen, detailliert bei jeder der vier Strategien darauf einzugehen.

[66] Posen & Ross a. a. O., S. 27

[67] Vertrauensbildende Maßnahmen auf englisch CSBM bedeuten: „control agreements, transparency and

confidence-and-security-building measures“. Mit der Schaffung dieser Maßnahmen ist die OSZE beauf-

tragt.

[68] Posen & Ross, a. a. O., S. 28

[69] Posen & Ross, a. a. O., S. 30

[70] Posen & Ross, a. a. O., S. 31

[71] Posen & Ross, a. a. O., S. 32

[72] Aufgrund des DPG wird entschieden, welche finanziellen Mittel für das jährliche Budget des Pentagon

bereitgestellt werden.

[73] „Excerpts from Pentagons’s Plan: „Prevent the Emergence of a New Rival“, New York, March 8, 1992,

p.14, zit. bei Posen & Ross 1996/97, S. 34.

[74] Posen & Ross 1996/97, a. a. O., S. 33

[75] Posen & Ross, a. a. O., S. 34

[76] Für die Balkan Politik würde eine solche Strategie bedeuten, daß geschlossene ethnisch-kulturelle

Siedlungsräume zu verhindern sind, da ein geeintes Volk größere Gefahrenpotentiale für die USA mit sich

bringen könnte als zwei kleine rivalisierende Gruppen, in deren Konflikt man ja intervenieren kann.

[77] Posen & Ross, a. a. O., S. 37

[78] Posen & Ross, a. a. O., S. 40

[79] Posen & Ross, a. a. O., S. 43

[80] Posen & Ross, a. a. O., S. 44-45

[81] Ebd.

[82] Posen & Ross, S. 46

[83] Posen & Ross, a .a. O., S. 48

[84] Posen & Ross, a. a. O., S. 50

[85] Die Politik des „Containment“ bedeutet Eindämmung, den politischen und militärischen Gegner in Schach

halten.

[86] Vgl. Kapitel V.2.

[87] Vgl. dazu Heikki Luostarinen & Rune Ottosen: Militär-Medien-Management und Kriegsberichterstattung:

Herausforderungen für den Journalismus in begrenzten Konflikten nach dem 2. Weltkrieg. in: Wilhelm

Kempf; Irena Schmidt-Regener (Hrsg.): Krieg, Nationalismus, Rassismus und die Medien, Lit Verlag,

Münster 1998, S. 21ff.

[88] Vgl. Umberto Eco: Vier moralische Schriften, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, S. 26.

[89] Umberto Eco, a. a. O., S. 24

[90] Ebd.

[91] Vgl. Luostarinen & Ottosen, S. 22f

[92] Vgl. ebd.

[93] Vgl. Philip M. Taylor: Munitions of the Mind: War propaganda from the ancient world to the nuclear age,

Patrick Stephens Limited, Wellingborough, 1990, S. 161f.

[94] Philip M. Taylor, ebd.

[95] Vgl. Luostarinen & Ottosen, S. 21ff

[96] Luostarinen & Ottosen, a. a. O., S. 23

[97] Vgl. Kapitel VI.3.

[98] Vgl. Kapitel V.4.

[99] Vgl. Kapitel VI.

[100] Vgl. dazu ihr gleichnamiges Buch „Manufacturing Consent: The Political Economy of the mass media“ ,

Pantheon Books, New York 1988.

[101] Vgl. Mira Beham, a. a. O., S. 41

[102] Vgl. Beham, a. a. O., S. 77

[103] Siehe Kapitel VI.5.

[104] Vgl. Luostarinen & Ottosen, a. a. O., S. 26

[105] Vgl. Frank Unger: Die USA unter Clinton, in: Dialog, Beiträge zur Friedensforschung, Band 34, Heft 1-2

1998, Verlag Rüegger, Chur/Zürich 1998, S. 29.

[106] Vgl. a. a. O., S. 21

[107] Luostarinen & Ottosen, a. a. O., S. 27

[108] Vgl. ebd.

[109] Vgl. Luostarinen & Ottosen, a. a. O., S. 28

[110] Einen guten Überblick hierzu bietet Ellen C. Collier: „Instances of Use of United States Force Abroad“,

1798 bis 1993, zit. bei www.fas.org/man/crs/crs_931007.html. Von 1798 bis 1993 sind 243 „instances“

verzeichnet. Collier ist Expertin der „U.S. Foreign Policy and National Defense Division“. Einen

Überblick über die neueren Interventionen oder „current operations“ bietet die Webseite

www.fas.org./man/dod-101/ops/index.html. Fas bedeutet „Federation of American Scientists“, die ein

Military Analysis Network anbieten, daß ihre Sicht der amerikanischen Interventionspolitik

dokumentiert. Als Leitspruch gilt: „Then conquer we must, when our cause is just, And this be our

motto: „In God is our trust“, And the star- spangled banner in triumph shall wave o’er the land of the

free and the home of the brave“, zit. ebd.

[111] Vgl. Collier: Military Analysis Network: United States Military Operations, Current Operations, zit. bei

http/www.fas.org/man/dod-101/ops/index.html#post

[112] Vgl. Mira Beham, a. a. O., S. 78

[113] Vgl. Collier, „Instances of Use of United States Force Abroad“, a. a. O., S. 14

[114] Vgl. Beham, a. a. O., S. 78

[115] Vgl. ebd.

[116] Vgl. Collier, a. a. O., S. 1

Excerpt out of 292 pages

Details

Title
Ermöglichung einer pro-interventionistischen Berichterstattung während militärischen Interventionen westlicher Eliteländer am Beispiel des Kosovo-Konflikts
College
University of Vienna  (Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften)
Grade
Sehr gut
Author
Year
2000
Pages
292
Catalog Number
V154
ISBN (eBook)
9783638101134
File size
1226 KB
Language
German
Notes
Der Anhang ist hier nicht enthalten. Er enthielt folgende Dokumente: 1. Flugzettel, der während der Bombardierung von der NATO über Belgrad abgeworfen wurde, 2. Balkan Institute press release vom 05. März 1998, 3. The Balkan Institute Press Release, 4. Bild aus der Chicago Tribune, zit. bei Boro Miseljic
Keywords
Ethnische, Säuberung, Rahmenbed, Ermöglichung, Berichterstattung, Interventionen, Eliteländer, Weiterverbreitung, Kriegsagenda, Kosovo-Konflikts
Quote paper
Judith Pillitsch (Author), 2000, Ermöglichung einer pro-interventionistischen Berichterstattung während militärischen Interventionen westlicher Eliteländer am Beispiel des Kosovo-Konflikts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154

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Title: Ermöglichung einer pro-interventionistischen Berichterstattung während militärischen Interventionen westlicher Eliteländer am Beispiel des Kosovo-Konflikts



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