„Auf! Beginnen wir nun von den Musen, die droben im Himmel
Singend den hehren Sinn des göttlichen Vaters erfreuen;
Künden doch alle Vergangnes, die Gegenwart und auch die Zukunft
Einig im Lied…“
(Hesiod, Theogonie, 36-39)
Die Form, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Einheit bilden, ist das genos. Die Vorstellung, dass die eigene Person in einer Abstammunslinie steht, die auf einen Ahnherrn zurückgeht und die sie selbst fortsetzt, verbindet im Bewusstsein des Individuums Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Alle Zeitstufen sind miteinander verknüpft. Ihren Ausdruck findet diese Vorstellung im Lied der Musen, prosaisch formuliert: in der Genealogie.
Betrachtet man die Grobstruktur des herodoteischen Geschichtswerks, fällt auf, dass es nach lydisch-persischen Herrschern aufgebaut ist. Da in einer Sukzession der Sohn dem Vater auf den Thron folgt, insofern die Herrschaft nicht mit Gewalt von einem fremden Gegner übernommen wird, liegt es nahe zu fragen, welche Rolle die Abstammung in den Historien spielt. Dabei soll nicht aufgeklärt werden, ob die Angaben historisch korrekt sind, sondern analysiert werden, welche Leistung die Genealogien in narrativer Hinsicht
erbringen.
Die Auseinandersetzung mit solchen Abstammungslinien beginnt schon bei Homer: Die homerischen Helden stellen sich vor, indem sie ihre Vorfahren nennen. Exemplarisch sollen hier die Genealogien des Aeneas, des Asteropaios und des Achill untersucht werden. Zudem wird das Blättergleichnis des Glaukos näher besehen. Hesiod wählt sich den Gegenstand zum Hauptthema seines Werks: Er beschreibt die Entstehung der Welt und der drei Göttergenerationen vom Chaos an. Eine zentrale Rolle spielen Genealogien auch bei Hekataios in seinem gleichnamigem Werk. Da diese drei Autoren als literarische Vorläufer Herodots betrachtet werden können, soll in einem ersten Schritt auf Grundlage ihrer Werke ein theoretisches Modell entwickelt werden. Es sollen drei Aspekte untersucht werden: Welche Form haben die Genealogien? Wie sind sie ausgerichtet? Welche narrative Funktion erfüllen sie damit?
In einem zweiten Schritt soll dieses Modell auf die Historien des Herodot angewendet werden. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche etablierten Anwendungsweisen abgerufen werden, auf welche verzichtet wird und welche Aspekte womöglich neu sind. Eine Sonderstellung nimmt die Genealogie des Kandaules ein, die abschließend analysiert wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- I. Theoretische Überlegungen: Form und Funktion von Genealogien in der literarischen Tradition
- 1. Das Epos
- 1.1. Homer, Ilias
- 1.1.1. Aeneas, Asteropaios, Achill...
- 1.1.2. Glaukos: Das Blättergleichnis
- 1.2. Hesiod.
- 1.1. Homer, Ilias
- 2. Hekataios von Milet
- 1. Das Epos
- II. Die Verwendung der Genealogien in den Historien
- 1. Parallelen: Die Griechen. Leonidas, Leutychides, Pausanias....
- 2. Nicht-Griechen
- 2.1. Gyges bis Kroisos: Die Mermnaden...
- 2.2. Kyros und Kambyses......
- 2.3. Dareios und Xerxes.
- 3. Kandaules: Die Herakliden. Die Rolle des Schicksals..
- I. Theoretische Überlegungen: Form und Funktion von Genealogien in der literarischen Tradition
- Fazit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Verwendung von Genealogien in Herodot's "Historien". Ziel ist es, die narrative Funktion dieser Abstammungslinien zu verstehen und zu untersuchen, welche Rolle sie in der erzählerischen Struktur des Werks spielen. Dabei wird nicht die historische Richtigkeit der genealogischen Angaben in den Vordergrund gestellt, sondern der Fokus liegt auf der Analyse der narrativen Leistung dieser Elemente.
- Die Form und Funktion von Genealogien in der literarischen Tradition
- Die Verwendung von Genealogien in Herodot's "Historien"
- Die narrative Rolle von Genealogien in der Darstellung von griechischen und nicht-griechischen Herrschern
- Die Bedeutung von Abstammung und Schicksal in der Darstellung der Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Genealogie als narratives Element in der Antike ein und stellt die Forschungsfrage nach der Rolle der Genealogien in Herodot's "Historien".
Der erste Teil des Hauptteils befasst sich mit der Verwendung von Genealogien in der literarischen Tradition, insbesondere bei Homer, Hesiod und Hekataios von Milet. Dabei werden die Form und Funktion der Genealogien in diesen Werken untersucht und die Grundlage für die spätere Analyse des herodoteischen Textes geschaffen.
Der zweite Teil des Hauptteils widmet sich der Analyse der Genealogien in den "Historien" selbst. Es wird untersucht, wie Herodot die genealogischen Elemente in der Darstellung der Geschichte von Griechen und Nicht-Griechen einsetzt und welche narrative Bedeutung diese Elemente haben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Genealogie, Herodot, Historien, narrative Funktion, literarische Tradition, Epos, Homer, Hesiod, Hekataios von Milet, griechische Geschichte, persische Geschichte, Abstammung, Schicksal, Herrschaft, Schlacht bei Thermopylae.
- Citar trabajo
- Juliane Dienemann (Autor), 2010, Genealogie als Narrativ, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155414