... In der vorliegenden Arbeit geht es um Lernprozesse in Jugendstrafanstalten. Lernen verstehe ich hier als einen Prozess, an dem Individuen beteiligt sind und in Beziehung zueinander treten. Ich werde diskutieren, in welchem Zusammenhang Lernen, Beziehung, Erziehung und moralische Urteilsfähigkeit stehen. Ein besonderer Fokus dieser Arbeit liegt auch auf den institutionellen Rahmenbedingungen. Hierbei verfolge ich einen systemtheoretischen Ansatz. Allerdings ist die Systemtheorie eine Gesellschaftstheorie, die von einer System/Umwelt-Beziehung ausgeht. Um den Prozess des Lernens auf individueller Ebene zu erfassen, nutze ich den Komplementaritätsansatz von Hans-Carl Jongebloed (vgl. Spieß 2009:200ff). ...
Meine Arbeitsthese ist, dass Lernprozesse in Anstalten unter komplexen sozialen und systemischen Bedingungen stattfinden und das dabei die Anstaltsbediensteten und insbesondere die Anstaltsleitungen Schlüsselpersonen für das Ermöglichen von Lernprozessen in dem System Jugendstrafanstalt darstellen. Dabei gehe ich von dem Axiom aus; dass man nicht, nicht erziehen und nicht, nicht lernen, kann in Anlehnung an Watzlawicks (1969) metakommunikatives Axiom, welches besagt, dass man nicht, nicht kommunizieren kann (vgl. Walter/Waschek 2002:192, Koesling 2007:333). ...
Die Leitfragen meiner Arbeit beschäftigen sich mit den ‚Gelingenskriterien’ für Lernprozesse in Jugendanstalten:
-Wie können Lernprozesse in Jugendanstalten nachhaltig ermöglicht werden?
-Welche Rolle spielen dabei die beteiligten Individuen und Gruppen, wie Inhaftierte, Bedienstete z. B. des allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD), Peergroups, Anstaltsleitungen?
-Welchen Einfluss haben die institutionellen Rahmenbedingungen auf Lernprozesse, Individuen und Gruppen?
Meine Annäherung an die Fragestellungen beginne ich mit einer Auseinandersetzung mit Lernprozessen. Der gesetzliche Erziehungsauftrag der Anstalten wird dargestellt und in Zusammenhang gesetzt mit Beziehung, lernender Tätigkeit und moralischem Urteilsvermögen bei Heranwachsenden in Haft. Schließlich werden die Akteure der Anstalten, wie Bedienstete, Anstaltsleitungen und Inhaftierte im Rahmen ihrer Institution betrachtet. Ich zeige, wie Lernprozesse in Systemen stattfinden, und steige in die systemische Organisationsentwicklung ein und diskutiere, welche Rolle der Führung zukommt. Abschließend ziehe ich ein kritisches Resümee, zur Ermöglichung von Lernprozessen in Jugendstrafanstalten und gebe eine Auswahl von ‚Gelingenskriterien’.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Lernen und Lernprozesse
- 2.1. Erziehungsauftrag in Jugendanstalten und Lernprozesse
- 2.2. Erziehung zur moralischen Urteilsfähigkeit
- 2.3. Beziehung, Biografie und lernende Tätigkeit
- 3. Institutionelle Strukturen und ihre Akteure
- 3.1. Inhaftierte und ihre Peergroups
- 3.2. Bedienstete (AVD)
- 3.3. Anstaltsleitungen
- 4. Organisation und systemtheoretische Organisationsentwicklung
- 4.1. Wissen und Lernen aus systemorientierter Sicht
- 4.2. Komplementaritätstheorie und Jugendanstalt
- 4.3. Führung und Organisationsentwicklung
- 5. Kritisches Resümee zur Ermöglichung von Lernprozessen in Jugendanstalten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit untersucht Lernprozesse in Jugendstrafanstalten und betrachtet diese aus einer systemorientierten Perspektive, wobei der Fokus auf der Rolle der Anstaltsleitungen liegt. Die Arbeit reflektiert den Prozess des Lernens innerhalb von Jugendanstalten und analysiert den Zusammenhang von Lernen, Beziehung und Erziehung. Dabei wird die Bedeutung der moralischen Urteilsfähigkeit als Lernprozess hervorgehoben.
- Die Bedeutung von Lernprozessen in Jugendstrafanstalten
- Die Rolle der Anstaltsleitungen bei der Ermöglichung von Lernprozessen
- Der Zusammenhang zwischen Lernen, Beziehung und Erziehung
- Die Bedeutung der moralischen Urteilsfähigkeit als Lernprozess
- Die systemischen Bedingungen, die Lernprozesse in Jugendstrafanstalten beeinflussen
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 bietet eine Einleitung in das Thema der Arbeit und stellt die Forschungsfragen und den systemtheoretischen Ansatz vor. Kapitel 2 beleuchtet den Begriff des Lernens und setzt ihn in Beziehung zu den Begriffen Beziehung, Erziehung und moralischer Urteilsfähigkeit. Kapitel 3 analysiert die institutionellen Strukturen in Jugendstrafanstalten und betrachtet die Rollen der Inhaftierten, Bediensteten und Anstaltsleitungen. Kapitel 4 untersucht die systemtheoretische Organisationsentwicklung in Jugendstrafanstalten, wobei Wissen und Lernen aus systemischer Sicht betrachtet werden, und die Komplementaritätstheorie sowie Führung in Organisationen diskutiert werden.
Schlüsselwörter
Die Masterarbeit befasst sich mit den Themen Lernen, Jugendstrafanstalten, Systemtheorie, Organisationsentwicklung, Führung, Beziehung, Erziehung, moralische Urteilsfähigkeit, Anstaltsleitung, Inhaftierte, Bedienstete, Komplementaritätstheorie.
- Citation du texte
- Sabine Teichreb (Auteur), 2010, Lernprozesse in Jugendstrafanstalten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155503