Lisl Schwab. Die erste Kunstfliegerin in Bayern


Fachbuch, 2010

67 Seiten


Leseprobe


V155520

Ernst Probst

Lisl Schwab

Die erste Kunstfliegerin in Bayern

Den Fliegerinnen

in Bayern gewidmet

Eine bekannte deutsche Flugpionierin, Motorfliegerin und Kunstfliegerin war die aus Ingolstadt stammende Lisl Schwab (1900–1967), eigentlich Elisabeth Maria Schwab. Bayerns erste Kunstfliegerin feierte in den 1930-er Jahren ihre größten Triumphe. Später wurde es auffallend still um sie und sie starb arm und unbeachtet.

Elisabeth Maria Schwab kam am 3. September 1900 in Ingolstadt (Bayern) als erstes von sieben Kindern der Eheleute Johann Josef Schwab und Therese Schwab (1878–1968), geborene Wolf, zur Welt. Ihre Eltern hatten am 9. August 1899 in Pegnitz (Mittelfranken) geheiratet, einige Monate lang dort gewohnt und waren im Januar 1900 nach Ingolstadt gezogen.

Der Vater von Lisl war ein Gutsbesitzersohn aus Steinbach im Odenwald und arbeitete zunächst als Rechtsanwalt mit bescheidenen Einkünften und später als Justizrat mit sicheren Einkommen am Amtsgericht Eichstätt. Er war 13 Jahre älter als seine Gattin. Über ihn hieß es später, er sei anständig, geachtet und angesehen gewesen. Man beschrieb ihn als den biedersten Menschen in einer etwas verrückten Familie.

Die Mutter von Lisl Schwab war die Tochter eines Ziegeleibesitzers in Ingolstadt, galt als Schönheit und lebte die meiste Zeit ihres Lebens in ihrem Geburtsort.

Die Familie Schwab wohnte in Ingolstadt im Haus Ludwigstraße 7. Dort wuchsen Lisl und die anderen Kinder auf. Einige der Geschwister von Lisl sind sehr jung gestorben. Ihre Schwester Eleonora starb 1904 bereits zwei Tage nach der Geburt, ihr Bruder Alfred 1905 mit vier Jahren und ihr Bruder Friedrich 1908 zwei Wochen nach der Geburt.

Die katholische Lisl Schwab besuchte die sechsklassige höhere Töchterschule des Klosters Gnadenthal in Ingolstadt. In der Schulkartei ist „Elsa“ als ihr Vorname eingetragen. Von Kindheit an wurde sie aber „Lisl“ gerufen. Ihre Teenagerphase fiel in die Zeit des Ersten Weltkrieges (1914–1918).

Während des Ersten Weltkrieges diente der Vater von Lisl Schwab in der Bürgerwehr. Ihre Mutter Therese begegnete damals in Ingolstadt einem französischen Kriegsgefangenen, der Maler war und sie offenbar für die Malerei begeisterte. Fortan widmete die talentierte Frau einen Großteil ihrer Freizeit dem Malen, sammelte Malerfreunde um sich, die in ihrem Haus in der Ludwigstraße ein- und ausgingen und wollte sogar noch während des Ersten Weltkrieges eine „Künstlerkolonie“ gründen. Sie malte vor allem Stadtansichten, aber auch Blumen und Porträts und hatte damit Erfolg.

Die Mutter von Lisl Schwab bewies bei ihrem Hobby Mut, Willensstärke, Durchsetzungsvermögen und Energie. Diese Wesenszüge besaß offenbar auch ihre älteste Tochter Lisl. „Beide setzen sich in einer Männerwelt durch, beide verfolgen unbeirrt das, was sie begeistert, beiden gelingt die Realisierung ihrer Ziele.“ schrieb Christa Niklas in dem Beitrag „Therese und Lisl Schwab – Die Malerin und die Pilotin“ für das Werk „Zeit der Frauen. Ingolstädterinnen aus drei Jahrtausenden“ (2004).

Vom 3. Januar bis zum 3. Februar 1917 wurde die 16-jährige Lisl Schwab als Helferin des „Roten Kreuzes“ ausgebildet. Weil sie die jüngste Kursteilnehmerin war, hat man sie anschließend 1917/1918 nicht als Helferin eingesetzt, sondern als Bürokraft auf der Telefonstation des „Reserve-Lazaretts II“ in Ingolstadt.

Im Lazarett lernte Lisl Schwab einen jungen Fliegerleutnant namens Klotz kennen, der sie nicht nur persönlich interessierte, sondern auch ihre Begeisterung für die Fliegerei weckte. Über ihn hat sie sich später nie öffentlich geäußert. Deshalb weiß man nicht, wie dieser Fliegerleutnant aussah und wie alt er war. In ihrem Kopf setzte sich der Gedanke fest: „Wetten, dass ich das auch könnte“.

Ob Lisl Schwab nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch briefliche Kontakte oder sogar persönliche Treffen mit dem Fliegerleutnant Klotz hatte, ist nicht bekannt. Fest steht, dass sie im Alter von 19 Jahren, was damals als noch nicht volljährig galt, ihr Elternhaus verließ und nach München zog. Im Januar 1921 kehrte sie für ein halbes Jahr in die Wohnung ihrer Eltern in der Ludwigstraße nach Ingolstadt zurück. Im Juli 1921 zog sie nach Bamberg und im November jenes Jahres nach Neu-Ulm.

Im Frühsommer 1926 fand Lisl Schwab in Ulm einen Lehrer namens Stautner, der ihr für gutes Geld mit „Trockenübungen“ das Fallschirmspringen beibrachte. Am 26. Juni 1926 wagte die 26-jährige Lisl bei einem Flugtag in Bad Oeynhausen ihren ersten Sprung mit dem Fallschirm. Dabei saß sie erstmals in einem Flugzeug und hatte mehr Angst vor dem Fliegen als vor dem Fallschirmabsprung. Doch der Absprung glückte. Die Erde flog ihr entgegen, sie landete butterweich und es war so windstill, dass sich der Fallschirm geräuschlos auf den Rasen legte und zu einem Tuch zusammensank.

In der Folgezeit bestritt Lisl Schwab ihren Lebensunterhalt mit Fallschirmabsprüngen bei Flugtagen. Von Januar 1927 bis Oktober 1928 gab sie noch ihr Elternhaus in Ingolstadt als ihre Anschrift an, kam aber nur noch besuchsweise dorthin. Das Geld, das sie als Fallschirmspringerin verdiente, verwendete sie nicht nur für ihren Lebensunterhalt, sondern auch zur Finanzierung des Pilotenscheins für Leichtflugzeuge, den sie vermutlich Ende der 1920-er oder Anfang der 1930-er Jahre erwarb.

Häufig wechselte Lisl Schwab ihren Wohnort. Sie lebte zeitweise in Neuburg, Hohenwart, Böblingen und 1931 wieder einmal in der Ludwigstraße 7 in Ingolstadt.

Anfang der 1930-er Jahre kaufte Lisl Schwab ihr eigenes Flugzeug. Dabei handelte es sich um eine zweisitzige Maschine des Typs „Messerschmitt“, die sie auf den flotten Namen „Schnattergans“ taufte. Bei Flugtagen trat sie unter wechselnden Künstlernamen wie „Elfriede Corring“, „Elfriede Corriny“ oder „Filmdiva Elila Corinny“ auf.

Ende Januar 1932 fragte Lisl Schwab bei Rudolf Heß (1894–1987), der 1933 „Stellvertreter des Führers“ wurde, wegen Propaganda-Aufträgen für die „Nazis“ an. Heß antwortete ihr, wenn der Wahlkampf einsetze, werde er sich ihrer erinnern. Auf alle Fälle gebe er ihre Zeilen befürwortend an die Propagandaabteilung weiter und empfehle ihr, dieser ihre Bedingungen zu übermitteln.

Bald konnte Lisl Schwab von den Honoraren für Fallschirmabsprünge und Schauflüge bei Flugtagen sowie mit Reklameflügen – beispielsweise für die Webwaren-Firma Witt in Weiden, für die Zigarettenfabrik Sturm in Dresden und für die Parteizeitung der „Nazis“ in Franken während der so genannten „Kampfzeit“ vor 1933 – leben. Für die „Nazis“ zog sie Transparente oder warf sie Propagandamaterial ab.

Am 25. Mai 1932 war Lisl Schwab die große Attraktion beim Flugtag in ihrem Geburtsort Ingolstadt. Bei diesem Auftritt wagte sie einen Fallschirmabsprung aus rund 800 Metern Höhe, der problemlos gelang und von mehreren Tausend Zuschauern bejubelt wurde. Anfang Juni 1932 trat sie beim Nürnberger Großflugtag auf.

Während des „Dritten Reiches“ arbeitete Lisl Schwab weiter als Berufspilotin. In der Ingolstädter Zeitung „Donau-Kurier“ hieß es über sie, sie habe zwar nicht die Nähe zu den Machthabern gesucht wie viele andere, sei aber auch nicht auf Distanz gegangen, weil sie ihren Lebensunterhalt verdienen musste.

Mitte der 1920-er Jahre hatte sich Lisl Schwab noch nicht für Politik interessiert. Doch bald bekannte sie sich aktiv zu den Zielen der „NSDAP“ („Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei“) – und zwar schon, bevor sie in diese Partei eintrat.

Im August 1932 trat sie der „NSDAP“ bei. In dem Buch „Schneidige deutsche Mädel. Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945“ (2007) von Evelyn Zegenhagen heißt es, Lisl Schwab sei keine Opportunistin gewesen, die der „NSDAP“ lediglich aus Gründen des Karriereerhalts und der Karriereförderung beigetreten sei. Sie sei eine motivierte und engagierte Nationalsozialistin gewesen. Auf die Tragflächen ihres Flugzeuges hat sie Anfang der 1930-er Jahre die Werbung „Lest den Stürmer“ lackieren lassen. „Der Stümer“ war eine antisemitische nationalsozialistische Zeitschrift pornographischen Charakters.

Bei einem Flugtag 1933 begegnete Lisl Schwab dem Diktator Adolf Hitler (1889–1945). Mit Hans Schemm (1891–1935), zunächst Gauleiter von Oberfranken und später des „Gau Bayerische Ostmark“, war sie eng befreundet. Oft flog sie Schemm zu Dienstauftritten und Vorträgen. Schemm kam 1935 bei einem Flugzeugabsturz in Bayreuth ums Leben.

Aus Anlass der „Olympischen Spiele 1936“ beteiligte sich Lisl Schwab an Flugveranstaltungen in Berlin. 1937 nahm sie an einem Sternflug nach Paris während der Weltausstellung teil und gewann die Damenkonkurrenz im Kunstflug. In jenem Jahr war Bayreuth ihr Wohnort.

1937 starben der Großvater und der Vater von Lisl Schwab im Abstand von einigen Monaten. Ihr Vater war 38 Jahre lang mit ihrer Mutter verheiratet gewesen. Ihre Mutter blieb auch nach dem Tod ihres Ehemannes in der Ludwigstraße 7 in Ingolstadt.

Ab 1. April 1938 arbeitete Lisl Schwab für den „NS-Lehrerbund e.V.“ als Flugzeugführerin. Diese Anstellung verdankte sie vermutlich ihren früheren Kontakten mit Hans Schemm, der ab 1934 Reichsleiter des „NS-Lehrerbundes“ und Leiter des „Hauptamtes für Erzieher“ in der Reichsleitung der „NSDAP“ gewesen war.

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) erwarb Lisl Schwab bei einem Kurs des „NSFK“ in Berlin-Rangsdorf den B1/B2-Schein als Vorbereitung für einen eventuellen Einsatz als Überführungs- und Nachschubfliegerin. In der Folgezeit war sie durch
das Reichsluftfahrtministerium in verschiedenen Positionen beschäftigt.

Von Oktober bis Dezember 1941 arbeitete Lisl Schwab bei der Firma „Letov“ in Ölmütz (Mähren) und von Januar 1942 bis Juni 1943 bei der böhmisch-mährischen Maschinenfabrik in Prag jeweils als Einfliegerin. Dort unternahm sie Überführungsflüge bis zum Baumuster „Junkers W 34“. Im Januar 1943 verlieh ihr Adolf Hitler für ihren Einsatz als Werkspilotin das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. Zwischen Juli 1943 und Juni 1944 war sie Chefpilotin bei der „Leichtbau GmbH“ in Budweis auf dem dortigen Fliegerhorst, wo sie Maschinen des Typs „Fieseler Fi 156“ einflog und monatlich 1.200 Reichsmark verdiente.

Von Juli 1944 bis zum 15. September 1944 setzte man Lisl Schwab beim Überführungsgeschwader der Fliegerhorstkommandantur A (o) 18/III, Platz-Kommando Berlin-Tempelhof ein und vom 16. September 1944 bis zum 7. Mai 1945 beim Überführungsgeschwader I, Süd-Ost, in Prag-Gbell, Bad Vöslau, Linz-Pöstlingberg, Hörsching und Klagenfurt.

Während ihrer Anfangszeit als Überführungspilotin soll Lisl Schwab eine enge persönliche Beziehung mit dem Fliegeridol Ernst Udet (1896–1941) gepflegt haben. Udet wurde wegen seiner Auszeichnungen als Jagdpilot im Ersten Weltkrieg von Hermann Göring (1893–1945), dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe, als Luftwaffenstratege geholt und verübte 1941 nach der verlorenen Luftschlacht um England Selbstmord.

In den letzten Kriegsmonaten transportierte Lisl Schwab vor allem verwundete deutsche Soldaten von ihren Einsätzen aus Ungarn zurück. „Dass ich mithelfen konnte, so vielen Frauen den Mann, vielen Eltern den Sohn und vielen Kindern den Vater zu erhalten, war mir eine große Genugtuung.“ sagte sie später im privaten Kreis hierzu.

Insgesamt führte Lisl Schwab während des Zweiten Weltkrieges mehr als 3.000 militärische Flüge in allen Flugzeugtypen von der „Bf 109“ und „Fw 1902 bis hin zu Transportflugzeugen. Damit sammelte sie große fliegerische Erfahrung. Im Mai 1945 geriet sie in amerikanische Kriegsgefangenschaft, konnte aber am 14. Juni 1945 fliehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Lisl Schwab als ehemalige „Nazifliegerin“ im Zuge der Entnazifizierung ihre Pilotenlizenz. Über ihre fliegerischen Aktivitäten bis 1945 äußerte sie sich fortan sehr selten. Zunächst kehrte sie nach Bayreuth zurück und wohnte dort mit dem Künstler Hans Ott zusammen, den sie bereits in den 1920-er Jahren kennen gelernt hatte. Damals hatte Otto einen Artikel von ihr mit seinen Zeichnungen illustriert. Zeitweise betrieb sie das „Goldberg-Café“ in Goldkronach im Fichtelgebirge, in dem gerne ihre Fliegerkameraden/innen einkehrten. Doch die Einnahmen reichten nicht zum Leben aus. Nachdem diese Unternehmen gescheitert war, hielt sich Lisl kurze Zeit bei ihrer Mutter in Ingolstadt auf.

Im August 1945 zog die Mutter von Lisl Schwab aus der Ludwigstraße 7 in Ingolstadt, wo sie viereinhalb Jahrzehnte lang gewohnt hatte, weg. Ihr neues Zuhause lag nun im Mühlweg 3 (später umbenannt in Brodmühlweg 13).

Von 1954 bis 1957 lebte Lisl Schwab in Ebenhausen-Werk und arbeitete im „Café an der Paar“. Dank der Vermittlung des ehemaligen Fliegergenerals im Zweiten Weltkrieg, Josef Kammhuber (1896–1986), erhielt sie eine Arbeit in einer Fallschirmfabrik nahe des Bodensees. Ihre Aufgabe war es, die fertig gestellten Fallschirme zu überprüfen.

Die Beschäftigung mit der Fallschirmseide weckte bei Lisl Schwab erneut ihre alte Leidenschaft für Fallschirmabsprünge und für das Fliegen. Zunächst trat sie als Fallschirmspringerin bei Luftfahrt-Veranstaltungen auf. 1956 absolvierte sie, obwohl sie wenig Geld hatte, in München-Riem ein zweites Mal die Pilotenprüfung für Privatflugzeuge. „Lisl Schwab fliegt immer noch wie eine Eins“, konnte man am 1. Juni 1966 in der Zeitschrift „Der Flieger“ über sie lesen.

In der Folgezeit reiste Lisl Schwab, um Hotelkosten zu sparen, in einem Wohnwagen und in Begleitung ihres Boxerhundes an Wochenenden zu Flugtagen. Wochentags arbeitete sie weiterhin in der Fallschirmfabrik. Außerhalb der „Saison“ stand der Wohnwagen auf dem Grundstück ihrer Mutter am Brodmühlweg in Ingolstadt.

Mutter Therese und Tochter Lisl verstanden sich, obwohl sie sich zeitweise nicht oft sahen, sehr gut. Lisl nahm ihre Mutter, so oft es ging, zu Flugveranstaltungen mit. Sie fuhren zusammen im Auto oder flogen zusammen im Flugzeug.

Ende der 1950-er Jahre hatte Lisl Schwab ihre letzten Auftritte als Fallschirmspringerin und Pilotin. Einst bewunderte man sie als die erste Fallspringerin in Bayern, jetzt als die älteste Springerin. Auf Fotos wirkt sie immer freundlich, glücklich und selbstbewusst, stellte die Autorin Christa Niklas fest und fügte hinzu, in ihrem Blick sei immer Zielstrebigkeit zu erkennen, Arroganz dagegen nicht.

Von August 1961 bis September 1966 wohnte Lisl Schwab in Weingarten nördlich von Ravensburg, nicht sehr weit vom Bodensee entfernt. Weil sie wusste, dass ihre zu erwartende Rente gering ausfallen würde, arbeitete sie über die Altersgrenze hinaus in der Fallschirmfabrik nahe des Bodensees.

Im Herbst 1966 ließ der gesundheitliche Zustand von Lisl Schwab deren weitere Berufstätigkeit nicht mehr zu. Bereits vom Lungenkrebs gekennzeichnet kehrte Lisl im September 1966 aus Weingarten in ihren Geburtsort Ingolstadt zurück. Ihre Mutter hatte eine Hälfte des großen Gartengrundstücks, das zu dem Anwesen im Brodmühlweg in Ingolstadt gehörte, verkauft und vom Erlös eine Eigentumswohnung in der Gutenbergstraße in Ingolstadt für ihre Tochter Lisl erworben.

Lisl Schwab befand sich damals in einer prekären finanziellen Situation. Sie war Sozialhilfeempfängerin und hatte weder genügend Einkommen noch Rente, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können. Mit der Überlassung der kleinen Eigentumswohnung wollte ihr die Mutter zumindest die Sorge um Mietzahlungen nehmen.

In dieser Ingolstädter Eigentumswohnung lebte Lisl Schwab nur einige Monate lang. Um ihre spärliche Rente von 250 Mark aufzubessern, nahm sie dort noch einen Untermieter auf. Jener Untermieter fand Lisl nach einem körperlichen Zusammenbruch in der Eigentumswohnung und kümmerte sich um ihre ärztliche Versorgung. Auf ausdrücklichen Wunsch brachte man sie nicht in ein Ingolstädter Krankenhaus, sondern in eine Klinik nach München.

Offenbar ahnte Lisl Schwab, dass ihr Leben zu Ende ging. Sie sagte nämlich zu ihrer Schwägerin Marianne Schwab: „Ich sterb’ nicht in Ingolstadt, dass die Leut da noch was zu reden hätten.“ Da sie ihren Geburtsort schon als sehr junge Frau verlassen hatte, hatte sie keine sehr große emotionale Bindung an Ingolstadt und seine Einwohner. Am 19. Januar 1967 starb Lisl Schwab in einer Münchner Klinik im Alter von 66 Jahren an Lungenkrebs.

Am 16. September 1967 berichtete die in Ingolstadt erscheinende Zeitung „Donau-Kurier“ unter der Überschrift „Therese Schwab nimmt Abschied“, die Malerin habe in der „Neuen Galerie“ ihre letzte Ausstellung eröffnet und wolle in absehbarer Zeit in die USA übersiedeln. Dort wollte die 89-Jährige ihrer Tochter Hilde, die seit 1949 in den USA lebte, und ihrem Sohn Theo, der schon in den 1930-er Jahren ausgewandert war, nahe zu sein. Doch es kam ganz anders ...

Therese Schwab starb am 31. Januar 1968 – rund ein Jahr später als ihre Tochter Lisel – im Alter von 90 Jahren ebenfalls in München. Sie war von ihrem Sohn Hermann und seiner Familie, die seit mehr als 30 Jahren in München lebten, über Weihnachten und Neujahr 1967/1968 eingeladen worden. Man überredete sie dazu, auch im Januar über in München zu bleiben, um sie am ersten Jahrestag des Todes von Lisl nicht allein zu lassen.

Die Fliegerin Lisl Schwab ist in ihrem Geburtsort nicht vergessen worden. Der Zeitung „Donau-Kurier“ zufolge plant man in Ingolstadt, eine Straße im Fliegerviertel nach Lisl Schwab zu benennen.

Der Autor Ernst Probst

Ernst Probst, geboren am 20. Januar 1946 in Neunburg vorm Wald im bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz, ist Journalist und Buchautor. Er arbeitete von 1968 bis 1971 als Redakteur bei den „Nürnberger Nachrichten“, von 1971 bis 1973 in der Zentralredaktion des „Ring Nordbayerischer Tageszeitungen“ in Bayreuth und von 1973 bis 2001 bei der „Allgemeinen Zeitung“, Mainz. In seiner Freizeit schrieb er Artikel für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“, „Frankfurter Rundschau“, „Neue Zürcher Zeitung“, „Tages-Anzeiger“, Zürich, „Salzburger Nachrichten“, „Die Zeit“, „Rheinischer Merkur“, „Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt“, „bild der wissenschaft“, „kosmos“, „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa), „Associated Press“ (AP) und den „Deutschen Forschungsdienst“ (df). Aus seiner Feder stammen die Bücher „Deutschland in der Urzeit“ (1986), „Deutschland in der Steinzeit“ (1991), „Rekorde der Urzeit“ (1992), „Dinosaurier in Deutschland“ (1993 zusammen mit Raymund Windolf) und „Deutschland in der Bronzezeit“ (1996). Ab 2000 veröffentlichte er eine 14-bändige Taschenbuchreihe über berühmte Frauen. Von 2001 bis 2006 betätigte sich Ernst Probst als Buchverleger. Insgesamt schrieb er rund 300 Bücher, Taschenbücher, Broschüren und E-Books.

Literatur

NIKLAS, Christa: Therese und Lisl Schwab. Die Malerin und die Pilotin. Aus: Zeit der Frauen. Ingolstädterinnen aus drei Jahrtausenden. Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, Jahrgang 113, S. 289– 333, Ingolstadt 2004

PROBST, Ernst: Königinnen der Lüfte in Deutschland, München 2010

PROBST, Ernst: Königinnen der Lüfte in Europa, München 2010

PROBST, Ernst: Königinnen der Lüfte von A bis Z, München 2010

PROBST, Ernst / EIMANNSBERGER, Josef: Drei Königinnen der Lüfte aus Bayern, München 2010

ZEGENHAGEN, Evelyn: Schneidige deutsche Mädel. Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945, Göttingen 2007

[...]

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Lisl Schwab. Die erste Kunstfliegerin in Bayern
Autor
Jahr
2010
Seiten
67
Katalognummer
V155520
ISBN (eBook)
9783640680559
ISBN (Buch)
9783640679324
Dateigröße
3069 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Lisl Schwab, Ingolstadt, Kunstffliegerinnen, Fliegerinnen, Luftfahrt, Fliegerei
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2010, Lisl Schwab. Die erste Kunstfliegerin in Bayern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155520

Kommentare

  • Karl W. Schwab Karl am 16.11.2010

    I can not read or speak German but I am interested in this article/book as it is about my Aunt Lisl. My father had left Germany in about 1925 for Canada. He married my mother, Francis Forsey. We children, came to the United States shortly after he joined the American Navy in 1943. We settled in Chicago, Ill. but were never allowed to learn and/or speak German. As a result, we never learned much about our relatives who were from the Munich-Ingolstadt area. I would like to know if there is an English translation of this book. I would love to buy it and learn more about my relatives in Germany and what they were involved in during WWII.

    Sincerely,
    Karl W. Schwab
    1718 Triway Ln.
    Houston, Texas 77043
    karlwschwab@sbcglobal.net

Blick ins Buch
Titel: Lisl Schwab. Die erste Kunstfliegerin in Bayern



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