Die kriminalpräventive Wirkung ambulanter Maßnahmen bei jungen Straftätern


Mémoire (de fin d'études), 2010

89 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Junge Straftäter
2.1 Der Begriff „Jugendkriminalität“
2.2 Die Kriminalitätsbelastung durch junge Straftäter
2.2.1 Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
2.2.2 Das Problem des „Dunkelfeldes“
2.2.3 Relevante Daten zu den tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden
2.3 Ursachen der Jugendkriminalität

3. Ambulanten Maßnahmen
3.1 Der Begriff „Sanktion“
3.2 Die Besonderheiten des Jugendstrafrechtes
3.2.1 Das Subsidaritätsprinzip im Jugendgerichtsgesetz
3.4.2 Das Prinzip der Flexibilität und der Beschleunigung
3.3 Die Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes
3.3.1 Die Erziehungsmaßregeln gem. §§ 9-12 JGG
3.3.2 Die Zuchtmittel gem. §§ 13-16 JGG
3.3.3 Die Jugendstrafe zur Bewährung gem. §§ 21 ff. JGG
3.4 Die informelle Verfahrenseinstellung (Diversion)
3.4.1 Die Diversion durch die Staatsanwaltschaft gem. § 45 JGG
3.4.2 Die Diversion ohne Auflagen gem. § 45 Abs. 1 JGG
3.4.3 Die Diversion mit Auflagen gem. § 45 Abs. 2 JGG
3.4.4 Das formlose Erziehungsverfahren gem. § 45 Abs. 3 JGG
3.4.5 Die Diversion durch den Jugendrichter gem. § 47 JGG
3.5 Der Begriff „ambulante Maßnahmen“ und ihre Funktion
3.6 Die neuen ambulanten Maßnahmen
3.6.1 Der Soziale Trainingskurs
3.6.2 Der Täter-Opfer-Ausgleich
3.6.3 Die Betreuungsweisung
3.6.4 Die Arbeitsleistungen

4.Die kriminalpräventive Wirkung
4.1 Der Begriff „Kriminalprävention“ und ihre Funktion
4.1.1 Die tertiäre Kriminalprävention
4.1.2 Die Spezialprävention im Jugendstrafrecht
4.2.1 Der Periodische Sicherheitsbericht (PSB)
4.3 Der Gebrauch der informellen und formellen Sanktionen in der Rechtsprechungspraxis
4.4 Die neue Rückfallstatistik
4.4.1 Die Legalbewährungsrate nach informellen und formellen Sanktionen
4.5 Die kriminalpräventive Wirkung ambulanter Maßnahmen
4.5.1 Die kriminalpräventive Wirkung des Täter-Opfer-Ausgleiches
4.5.2 Die kriminalpräventive Wirkung des Sozialen Trainingkurses
4.6 Der Begriff „Evaluation“
4.6.1 Evaluation der kriminalpräventiven Maßnahmen

5. Gesamtresümee
5.1 Vorteile der Diversion und der ambulanten Maßnahmen
5.2 Aufgaben und Anforderungen an den Staat und dieGesellschaft
5.3 Aufgaben und Anforderungen an die Medien
5.4 Aufgaben und Anforderungen an die kriminologische Forschung
5.5 Aufgaben und Anforderungen für die Sozialarbeit
5.6 Reformvorschläge für das Jugendstrafrecht
5.7 Schlussfolgerungen

Tabellenanhang

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Polizeiliche Kriminalstatistik 2008

http://www.bka.de/pks/pks2008/download/pks2008_imk_kurzbericht.pdf

Abb. 2: Polizeiliche Kriminalstatistik, 2006, Altersgruppen

http://www.bka.de/pks/pks2006/download/pks-jb_2006_bka.pdf

Abb. 3: Landeskriminalamt NRW, 2008, jugendtypische Deliktsbereiche

http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/51/01/00/lagebild-jukrim-2008.pdf

Abb. 4: Statistisches Bundesamt, 2008, Tatverdächtige und Verurteilte

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Grafiken/Publikationen/STATmagazin/Rechtspflege/Jugendkriminalitaet,templateId=renderLarge.psml

Abb. 5: Riekenbrauk, Klaus, 2008, Strafrecht und Soziale Arbeit, s. Literaturverzeichnis

Abb. 6: Beck, Cornelia, 2008, Dimensionen der Kriminalprävention, Seminar an der FH-Düsseldorf

Abb. 7: Uni Konstanz, 2002, Jugendkriminalität in Deutschland

http://www.uni-konstanz.de/rtf/ki/Jugendkriminalitaet-2002-9.pdf

Abb. 8: Uni Konstanz, 2006, Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 – 2006, Tabellen

http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/Sanktionierungspraxis-in-Deutschland-Tabellen-Stand-2006.pdf

Abb. 9: Uni Konstanz, 2006, Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 – 2006, Tabellen

http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/Sanktionierungspraxis-in-Deutschland-Tabellen-Stand-2006.pdf

Abb. 10: Uni Konstanz, 2006, Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 – 2006, Tabellen

http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/Sanktionierungspraxis-in-Deutschland-Tabellen-Stand-2006.pdf

Abb. 11: Periodischer Sicherheitsbericht, 2006, s. Literaturverzeichnis

Abb. 12: Polizeiliche Kriminalstatistik 2007

http://www.bka.de/pks/pks2007/download/pks2007_imk_kurzbericht.pdf

Abb. 13: Polizeiliche Kriminalstatistik 2006

http://www.bka.de/pks/pks2006/download/pks-jb_2006_bka.pdf

Abb. 14: Polizeiliche Kriminalstatistik 2005

http://www.bka.de/pks/pks2005/download/pks-jb_2005_bka.pdf

Abb. 15: Polizeiliche Kriminalstatistik 2004

http://www.bka.de/pks/pks2004/index2.html

Abb. 16: Polizeiliche Kriminalstatistik 2003

http://www.bka.de/pks/pks2003/index2.html

Abb. 17: Polizeiliche Kriminalstatistik 2002

http://www.bka.de/pks/pks2002/index2.html

Abb. 18: Polizeiliche Kriminalstatistik 2001

http://www.bka.de/pks/pks2001/index2.html

Abb. 19: Polizeiliche Kriminalstatistik 2000

http://www.bka.de/pks/pks2000/index2.html

1. Einleitung

Diese heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie

ist böse, gottlos und faul. Sie wird nie wieder so sein wie

die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen,

unsere Kultur zu erhalten.

(Babylonischer Kulturkritiker vor 5000 Jahren)

Anhand dieses Zitates des babylonischen Kulturkritikers wird deutlich, dass die Jugend und auch ihre Kriminalität nicht nur heutzutage im kritischen Blick der Öffentlichkeit steht.

Die aktuell in den Medien und in der Politik geführten Diskussionen tragen dazu bei, dass die Furcht der Gesellschaft vor der Kriminalität junger Menschen immer mehr zunimmt. Kaum jemand ist bereit, Zivilcourage zu leisten, wenn eine Situation es erfordert. Die Furcht selbst Opfer zu werden, hindert sie daran.

Angesichts dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Bürger und Bürgerinnen schärfere und härtere Reaktionen und Strafen für die jungen Straftäter fordern, weil sie das gegenwärtige Sanktionssystem für unwirksam und zu milde halten.

Diese Ausgangslage brachte mir die grundlegende Fragestellung meiner Diplomarbeit.

Sind die Forderungen einer Sanktionenverschärfung berechtigt? Ist das gegenwärtige Sanktionssystem des Jugendgerichtsgesetzes, speziell die eingriffsmilderen Reaktionsmöglichkeiten, wirklich für das Phänomen Jugendkriminalität ungeeignet und somit novellierungsbedürftig?

Der Fokus dieser Arbeit liegt bei diesen eingriffsmilderen Interventionen und deren kriminalpräventive Wirkung bei jungen Straftätern.

Ich entschied mich für die ambulanten Maßnahmen, da sie zuletzt durch das

1. JGGÄndG signifikant gestärkt wurden und seitdem- zumindest in der Theorie- die häufigst verhängte Sanktion bei Delikten aus dem Bereich der Jugendkriminalität, darstellt.

Die wichtigsten Fragestellungen zu meinem Thema waren:

- Wie intensiv ist die Kriminalitätsbelastung durch junge Straftäter?
- Welche Ursachen und Gründe sprechen für die hohe Kriminalitätsbelastung durch Jugendliche und Heranwachsende?
- Welche ambulanten Reaktionen bietet die heutige Rechtsprechung?
- Stellen die ambulanten Maßnahmen eine adäquate Intervention auf das Phänomen Jugendkriminalität dar?
- Was ist eine angemessene Sanktion, die die Möglichkeiten und Perspektiven der jungen Straffälligen nicht beeinträchtigt?

Diese Fragestellungen veranlassten mich dazu die Diplomarbeit in drei Hauptkapitel und ein Gesamtresümee zu unterteilen.

Die Hauptkapitel beginnen stets mit einer Begriffsklärung. Dieses geschieht aus zwei Gründen, der Erste, die Gewährleistung eines leichteren Einstiegs in die Thematik und der Zweite, die Vorbeugung vor Missverständnissen.

Das erste Kapitel betrachtet die Kriminalität der jungen Straftäter.

Dabei wird speziell auf die Kriminalitätsbelastung durch Jugendliche und Heranwachsende und ihre Erscheinungsform Bezug genommen. Vorab wird jedoch auf Besonderheiten der Quellen verwiesen.

Anschließend werden die Ursachen der Kriminalität junger Menschen zusammengestellt.

Das darauf folgende Kapitel handelt von den ambulanten Maßnahmen.

Nach der Begriffsfestlegung werden zuerst die Besonderheiten des Jugendgerichtsgesetzes, indem die ambulanten Reaktionen verankert sind, genannt.

Im Anschluss werden die relevanten Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes eingehend erläutert.

Abschließend gehe ich detailliert auf die ambulanten Maßnahmen ein. Dabei betrachte ich besonders die neuen ambulanten Maßnahmen.

Der letzte Hauptteil ist gleichzeitig der spannendste und der schwierigste.

Er ist auf die kriminalpräventive Wirkung der ambulanten Maßnahmen bei dieser speziellen Tätergruppe fokussiert.

Doch genau darin bestand auch die Schwierigkeit, denn bislang gibt es zu diesem Themenbereich nur sehr vereinzelt empirisch nachgewiesene Erkenntnisse.

Um dennoch eine abgesicherte Tendenz für die Wirksamkeit zu ermöglichen, bezog ich die neue Rückfallstatistik und deren Ergebnisse zu der Legalbewährung der jungen Menschen, sowie einzelne Untersuchungen zum Täter-Opfer-Ausgleich und zum Sozialen Training ein.

Im letzten Teil dieses Kapitels fasse ich die Problematiken und Erkenntnisse zu der Evaluation zusammen.

Das Gesamtresümee schließt meine Diplomarbeit ab. Es ist auf die Aufgaben und Anforderungen der einzelnen Akteure dieses Bereiches ausgerichtet.

Aus gegebenen Anlass folgt im Anschluss ein Text zu den Reformvorschlägen für das vorhandene System.

Zum Abschluss nehme ich persönlich Stellung.

Nach einiger Zeit der Bearbeitung kristallisiert sich immer mehr das Problem heraus, dass derzeit zu den einzelnen Themenbereichen wenig aktuelle Forschungsergebnisse vorhanden sind. Zu der kriminalpräventiven Wirkung einzelner ambulanter Maßnahmen existieren zum Großteil überhaupt keine empirischen Befunde.

Um dennoch eine Tendenz über die kriminalpräventive Wirkung der ambulanten Maßnahmen bei jungen Straftätern treffen zu können, bezieht meine Diplomarbeit auch ältere Daten ein.

Im Laufe der Bearbeitung dieses Themas entwickelte ich eine neue Zielsetzung für meine Diplomarbeit.

Es war mein Ziel, eine Arbeit zu verfassen, die einen Überblick über die effektiven Instrumente der Rechtsprechung auf das Phänomen Jugendkriminalität zusammenzustellen und somit zu dem Abbau der Vorurteile gegenüber diesem Themenbereich beizutragen.

2. Junge Straftäter

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Phänomen Jugendkriminalität und die Notwendigkeit für eine intensive Bearbeitung dieser Problematik. Es wird anhand offizieller Statistiken belegt, dass der Umfang und die Ursachen dieser speziellen Art der Kriminalität ausreichen, um besondere Beachtung zu bekommen.

Doch zu Beginn wird die Begrifflichkeit präzise definiert, um eine gemeinsame Grundlage zu schaffen und Missverständnisse zu vermeiden.

2.1 Der Begriff „Jugendkriminalität“

Um den Begriff „Jugendkriminalität“ präzise definieren zu können, ist es notwendig, vorab festzulegen, welche Altersbereiche von diesem Begriff erfasst werden.

Es ist daher so entscheidend, da je nach wissenschaftlicher Position und Ausgangslage unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.[1]

Diese Arbeit orientiert sich an den deutschen Rechtsvorschriften, um das Jugendalter zu bestimmen.

So besagt der § 1 Abs. 2 JGG, dass ein Jugendlicher eine Person ist, die zur Tatzeit 14, aber noch keine 18 Jahre alt ist. Als Heranwachsende werden Personen angesehen, die zurzeit der Tat 18, aber noch keine 21 Jahre alt sind.

Bei ihnen ist nach einer Straftat in jedem Fall gem. § 105 JGG zu prüfen, ob sie nach der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit noch einem Jugendlichen gleichstanden oder ob es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen noch um eine Jugendverfehlung handelt, denn dann werden sie genau wie die Jugendlichen nach dem Jugendstrafrecht verhandelt.[2]

Da nun das Jugendalter genau festgelegt ist, sollte das auch für den Begriff „Kriminalität“ geschehen.

Northoff formuliert es wie folgt:

„Der Begriff Kriminalität stammt vom lateinischen crimen ab und steht für Verbrechen, Vergehen, Vorwurf, Schuld.

Kriminalität i.e.S. kennzeichnet menschliches Verhalten, welches gegen strafrechtliche Normen verstößt (vgl. Kaiser 1996, 400f; Schwind 1997, 2). Unter dem Begriff i.w.S. wird zumeist das Unrecht als Sozialerscheinung, also einschließlich seiner gesellschaftlichen Ursachen und Wirkung verstanden.“[3]

Koetzsche benutzte in diesem Zusammenhang diese Formulierung:

„Straftaten stellen Verstöße gegen bestehende gesellschaftliche Normen, die durch Rechtsvorschriften jedermann zugänglich sind, und individuelle Ergebnisse dar, an denen eine oder mehrere Personen beteiligt sind. Die Gesamtheit der Straftaten sind als Kriminalität ein gesellschaftliches Phänomen, das so alt ist wie die Menschheit.“[4]

Abschließend wird die Definition von Heinz zitiert:

„››Kriminalität‹‹ meint in diesem Bezugsrahmen die Summe der strafrechtlich missbilligten Handlungen. Das Strafrecht bestimmt also, was als Rechtsbruch zu gelten hat, d.h. es legt Umfang und Inhalt der als Rechtsbruch anzusehenden Teilmenge des abweichenden Verhaltens fest.“[5]

Da vorab die beiden Begriffe unabhängig voneinander bestimmt wurden, ist es jetzt an der Zeit sie zusammenzufügen. Dazu dienen die Definitionen von Weyel, Kerner und des Statistischem Bundesamtes.

Unter Jugendkriminalität verstehen wir die Gesamtheit aller von jungen Menschen begangenen Handlungen, die gegen Strafgesetze verstoßen.“[6]

„Jugendkriminalität ist danach im engeren Sinne die Kriminalität der 14- bis 17jährigen Jugendlichen. Rechnet man die Heranwachsenden noch dazu, dann besteht Jugendkriminalität aus der Summe der Straftaten der 14- bis 20jährigen. […]“[7]

„Als Jugendkriminalität werden im Allgemeinen strafrechtlich relevante Verstöße junger Menschen im Alter von 14 Jahren bis unter 21 Jahren bezeichnet. Die herrschende Definition richtet sich nach dem Altersrahmen des Jugendstrafrechts, das auf Jugendliche ab 14 bis unter 18 Jahren sowie – unter bestimmten Voraussetzungen – auch auf Heranwachsende ab 18 bis unter 21 Jahren angewendet werden kann.“[8]

2.2 Die Kriminalitätsbelastung durch junge Straftäter

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit den Daten und Fakten zu der Kriminalitätsbelastung durch junge Straftäter. Diese dienen zur Verdeutlichung für die Notwendigkeit geeigneter Hilfsangebote für diese Tätergruppe.

Es werden u.a. Statistiken der Polizeilichen Kriminalstatistik und der Strafverfolgungsstatistik aufgeführt, zu denen vorab einige Besonderheiten genannt werden müssen, um die Zahlen interpretieren zu können.

2.2.1 Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)

Die PKS ist eine jährlich erscheinende Statistik der Polizei. Sie erfasst alle Personen und Delikte, die in Verbindung mit einer kriminellen Handlung stehen und der Polizei bekannt werden.

Sie bezieht sich ausschließlich auf Tatverdächtige.

Tatverdächtige sind alle Personen, die nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen aufgrund ausreichender Anhaltspunkte verdächtig sind, eine rechtswidrige (Straf-) Tat begangen zu haben.[9]

Erst ein Gericht kann und darf verbindlich klären, ob ein Tatverdächtiger, gegen den die Polizei ermittelt oder der von Bürgern angezeigt wird, wirklich eine Straftat begangen hat.[10]

Durch die PKS soll ein überschaubares und möglichst verzerrungsfreies Bild der aufgezeigten Kriminalität entstehen.

Weiter dient die Polizeiliche Kriminalstatistik zur Beobachtung der Kriminalität und einzelner Deliktarten, des Umfangs und der Zusammensetzung des Tatverdächtigenkreises. Zudem eignet sie sich zur Erlangung von Erkenntnissen für vorbeugende und strafverfolgende Verbrechensbekämpfung, für kriminologische-soziologische Forschungen und für kriminalpolitische Maßnahmen.[11]

In der Gesellschaft bestimmt die Polizeiliche Kriminalstatistik das Bild der Öffentlichkeit, denn sie genießt die größte Publizität von allen Statistiken.

Drewniak formuliert es in diesem Zusammenhang wie folgt:

„Die noch immer verbreiteste und übliche Informationsquelle zum Phänomen Jugendkriminalität stellt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) dar, der Informationen etwa zu Kriminalitätsaufkommen und –entwicklung, Deliktverteilung sowie Tätermerkmale zu entnehmen sind. Öffentliche bzw. massenmedial veröffentlichte bis hin zu kriminalpolitischen Aktivitäten zugrunde liegende Darstellungen beschränken sich überwiegend auf diese Datenquelle, häufig begründet mit deren Aktualität und Exklusivität.“[12]

Doch vor allem ist sie ein Tätigkeitsnachweis der Polizeibehörde.[13]

2.2.2 Das Problem des „Dunkelfeldes“

Um anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik Aussagen über das Phänomen Jugendkriminalität treffen zu können, ist es unumgänglich das Dunkelfeld mit einzubeziehen.

Zu Beginn werden zwei Definitionen aufgeführt, um die Begrifflichkeit genau festzulegen. Sie stammen von Schmitt und Northoff.

„Unter dem Begriff Dunkelfeld versteht man die Summe jener Delikte, die den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt werden und deshalb auch nicht in der PKS, dem sog. „Hellfeld“ auftauchen. (...)“[14]

Eine weitere Definition liefert Northoff:

„Als Dunkelfeld bezeichnet man die Differenz zwischen der Anzahl ″tatsächlicher″ vorgefallener Fälle von Kriminalität und der in die Polizeiliche Kriminalstatistik auf Grund amtlicher Kenntnisnahme aufgenommener Fälle (vgl. Sack, 1993, 101f). Das Dunkelfeld ist damit vereinfacht ausgedrückt der Teil der tatsächlichen Kriminalität, der der Polizei verborgen und daher im Dunkeln bleibt.“[15]

Das Dunkelfeld stellt eines der Hauptprobleme der Kriminologie dar, weil es der bedeutsamste Unsicherheitsfaktor der Kriminalstatistik ist.[16]

Ob das Kriminalitätsaufkommen bekannt wird, hängt im Wesentlichen von der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung ab. Ein weiterer Faktor ist die Verfolgungsintensität der Polizei.[17]

Um die Kriminalstatistik dennoch im Wesentlichen interpretieren zu können, werden Forschungsmethoden benötigt, um Einblicke in das Dunkelfeld zu bekommen.[18]

Die gebräuchlichste Form der Dunkelfeldforschung ist die Befragung. Dabei werden standardisierte Interviews durchgeführt. Dieses geschieht telefonisch oder durch das Ausfüllen von Fragebögen.[19]

Diese Methode erfolgt auf dreierlei Weise. Es werden Befragungen am Täter zur selbstberichteten Delinquenz, am Opfer und an Informanten durchgeführt.[20]

Zu der Gruppe der Informanten zählen Personen, die unmittelbaren Zugang zu der Tätergruppe haben. Ein Beispiel hierfür sind die Streetworker.[21]

Doch ist hier abschließend zu betonen, dass bislang in Deutschland keine repräsentativen, periodisch durchgeführten Dunkelfeldstudien durchgeführt werden. Derzeit sind die Aussagen über die Kriminalitätsentwicklung empirisch nicht hinreichend abgesichert.

Eine regelmäßige und qualitative Dunkelfelduntersuchung würde eine präzisere Analyse der Kriminalitätsbelastung darstellen, worauf wiederum die Ursache für die Entwicklung genauer erforscht werden kann, um im Anschluss eine kriminalpräventive geeignete Maßnahme anwenden zu können.

2.2.3 Relevante Daten zu den tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden

Tabelle 1: Alters- und Geschlechtsstruktur der Tatverdächtigen insgesamt im Jahr 2008

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Polizeiliche Kriminalstatistik, 2008, S. 31

Diese Statistik der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigt, dass im Jahr 2008 502961 Jugendliche und Heranwachsende als tatverdächtig aufgeführt worden sind.

Der Anteil der Jugendlichen, im Alter von 14 bis unter 18 Jahren, ist mit 265771 höher als bei den Heranwachsenden bis unter 21 Jahren. In dieser Altersgruppe waren es 237190 Tatverdächtige.

In beiden Altersgruppen sind die Veränderungen zum Vorjahr rückläufig. Denn 2007 waren es 277447 tatverdächtige Jugendliche und 242878 Heranwachsende.

Prozentual ausgedrückt, sind die Tatverdächtigen bei den Jugendlichen um 4,2% und bei den Heranwachsenden um 2,3% zurückgegangen.

Betrachtet man nun das Geschlecht der tatverdächtigen jungen Menschen, so ist zu erkennen, dass männliche Jugendliche und Heranwachsende überproportional häufig auffälliger werden als weibliche.

So waren es im Jahr 2008 71,8% männliche Tatverdächtige und 28,2% weibliche bei den Jugendlichen. Bei den Heranwachsenden waren es 78,9% männliche und 21,1% weibliche. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich diese Zahlen nicht allzu deutlich verändert.

Sieht man sich diese beiden Altersgruppen im Hinblick auf alle Altersgruppen an, so stellt man fest, dass sie 22,3% aller Tatverdächtigen ausmachen. Das ist ein Rückgang um 0,5% im Vergleich zum Jahr 2007.

Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Kriminalstatistiken der Jahre 2000-2007.[22]

Anhand dieser Statistiken lässt sich erkennen, dass die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen ab dem Jahr 2005 kontinuierlich abnahm. So waren es im Jahr 2004 297087 Tatverdächtige und 2008 „nur noch“ 265771.

Bei den Heranwachsenden sieht das ähnlich aus. Hier kam es auch ab dem Jahr 2005 zu einem Rückgang, doch stieg die Zahl im Jahr 2007 noch einmal um 0,4% an. Doch, genau wie bei den Jugendlichen, haben die Heranwachsenden im Jahr 2008 die niedrigste Tatverdächtigenrate seit 8 Jahren.

Durchaus beständig zeigen sich die Zahlen der beiden Altersgruppen im Hinblick auf die Gesamttatverdächtigen.

So lag der Anteil der beiden Altersgruppen im Durchschnitt bei 23,1%. Davon 12,5% bei den Jugendlichen und 10,6% bei den Heranwachsenden.

Auffällig ist der Anstieg der weiblichen Tatverdächtigen.

Ab dem Jahr 2003 kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg der weiblichen jugendlichen Tatverdächtigen. Bei der Altersgruppe der Heranwachsenden ist der Anstieg schon ab dem Jahr 2000 zu verzeichnen. Im Jahr 2000 waren es 18,9% und acht Jahre später bereits 21,1%.

Jedoch sind die männlichen Tatverdächtigen den weiblichen immer noch klar überlegen.

Die folgende Tabelle stellt das Verhältnis der männlichen und weiblichen Tatverdächtigen in den verschiedenen Altersgruppen dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Polizeiliche Kriminalstatistik, 2006, Altersgruppen, S. 98

Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Tabelle sind, dass die Tätergruppe der jungen männlichen Straffälligen den größten Anteil der Kriminalitätsbelastung ausmacht, und dass die Jungen- und Männerkriminalität dominierend im Vergleich zur Mädchen- und Frauenkriminalität ist.

Diese Zahlen der beiden Tabellen führen zu dem Ergebnis, dass eine intensive Bearbeitung des Phänomens Jugendkriminalität unerlässlich ist. Insbesondere die jungen männlichen Straftäter brauchen eine adäquate Hilfe für ihre verschiedenen Problemlagen, um sie von der Begehung von weiteren Straftaten abzuhalten.

Um die jugendtypischen Deliktbereiche darzustellen, bedient sich diese Arbeit der Tatverdächtigenzahlen des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Diese Zahlen lassen sich mit geringen Abweichungen auf die gesamte Bundesrepublik übertragen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Landeskriminalamt NRW, 2008, jugendtypische Deliktbereiche, S. 2

Deutlich zu betonen ist, dass die meisten Straftaten im Bereich der Diebstahlsdelikte lagen. In Nordrhein- Westfalen waren es im Jahr 2008 53687 Tatverdächtige in diesem Delikts-bereich.

35636 Tatverdächtige zählte man in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Körperver-letzung, gefolgt von 20408 Tatverdächtigen bei der Sachbeschädigung.

Weiterhin werden Raubdelikte, Straftaten nach dem BtmG und das Erschleichen von Leistungen überproportional häufig von jungen Straftätern begangen.

Auch Northoff zählt diese Delikte zu den jugendtypischen Straftaten. Doch benennt er die Sachbeschädigungen näher. Demnach sind die häufigsten Sachbeschädigungen Delikte des Vandalimuses und Delikte, bei denen Graffiti gesprayt wird.[23]

Der Großteil der Jugendkriminalität bewegt sich in dem Bereich der Bagatellkriminalität.

Darunter fällt unter anderem Ladendiebstahl, Schwarzfahren, Fahren ohne Fahrerlaubnis, leichte Körperverletzung und Sachbeschädigung. Im Bereich der Bagatellkriminalität ist es extrem unwahrscheinlich entdeckt, strafrechtlich verfolgt und sanktioniert zu werden.

Es scheint nur sehr wenige Jugendliche oder Heranwachsende zu geben, die nicht einige dieser Delikte gelegentlich begangen haben. Bei einer Delinquenzbefragung gaben 80% der jungen Männer an, schon einmal kriminell geworden zu sein. Die häufigsten begangenen Delikte bei dieser Umfrage waren das Hinterziehen von Fahr- oder Eintritts-geldern und Schlägereien.[24]

Nur eine kleine Gruppe, vorwiegend männliche junge Straffällige, gehören zu den Straffälligen, die mehrfach und auch schwere Delikte begehen.

Die beiden Erscheinungsformen (jugendtypische Normaldelinquenz und Mehrfach-auffälligkeit) müssen klar von einander getrennt und differenziert behandelt werden.[25]

Nicht jeder Tatverdächtige wird anschließend von einem Gericht verurteilt.

Die nachfolgende Statistik des Statistischen Bundesamtes belegt, dass etwa nur jeder vierte jugendliche und heranwachsende Tätverdächtige in den letzten Jahren verurteilt worden ist. Zu beachten ist allerdings, dass bei dieser Statistik keine Straßenverkehrsdelikte mit einbezogen wurden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Statistisches Bundesamt, 2008, Tatverdächtige und Verurteilte

Diese Tatsache ist in Bezug auf die Sanktionierungsmöglichkeiten und deren Wirkung äußerst relevant. Im Verlauf der Diplomarbeit wird dieser Zusammenhang noch näher erläutert.

2.3 Ursachen der Jugendkriminalität

Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass mehrere Faktoren zusammen die Ursache von Jugendkriminalität darstellen. Diese nennt man Mehrfaktorenansatz.

Bei der Jugendkriminalität muss von Anfang an zwischen einer entwicklungsbedingten, vorübergehenden Kriminalität und einer verfestigenden, in eine kriminelle Karriere einmündende Kriminalität differenziert werden.[26]

Die höhere Gewalt- und Kriminalitätsbelastung bei Jugendlichen und Heranwachsenden erweisen sich in fast allen Fällen als ein auf diesen Entwicklungsabschnitt zeitlich befristetes, passageres Phänomen. Die Kriminalität ist also zum größten Teil episoden-haft.[27]

Mit zunehmendem Alter legt der Großteil der jungen Menschen dieses präferierte Verhaltensmuster ab.[28]

Nur ein kleiner Teil der straffälligen Jugendlichen und Heranwachsenden wird der Tätergruppe der Mehrfach- oder Intensivtäter zugeordnet. Dies bedeutet, dass sie 3-5 Straftaten innerhalb eines Jahres begangen haben.[29]

Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für die Verhaltensauffälligkeiten, Belastungen und Probleme der jungen Menschen.[30]

Das Bundesverfassungsgericht formulierte es in seiner Entscheidung über den Jugendstrafvollzug vom 31.05.2006 zutreffend: „Jugendliche befinden sich biologisch, psychisch und sozial in einem Stadium des Übergangs, das typischerweise mit Spannungen, Unsicherheiten und Anpassungsschwierigkeiten verbunden ist.“[31]

Damit ist gemeint, dass junge Menschen vor viele Herausforderungen gestellt werden, die sie zu bewältigen haben.

So kommt es zu den pubertären Spannungen, die sich in bedeutsamen Ausdrucksformen, wie beispielsweise eine Statusunsicherheit, übersteigerte Ich-Betonung oder Risikobereitschaft äußern.

Northoff betont in diesem Zusammenhang, dass Untersuchungen und Praxisberichte belegen, dass etwa 10-30% der Jugendlichen in der Pubertät behandlungsbedürftige psychische Probleme, wie übermäßige Aggressionen, Drogenkonsum oder Hyperaktivität, haben dürften (vgl. die im Auftrag des Bundesministerium für Familien durchgeführte und im Mai 2004 veröffentlichte Untersuchung von Lösel u.a., zur Sozialen Kompetenz für Kinder und Jugendliche).[32]

Radtke und Schröter nennen das geringe Selbstwertgefühl und das Nicht-an-sich-Glauben Gründe für das abweichende Verhalten der Jugendlichen und der Heranwachsenden.

Außerdem entwickeln sie Rechtfertigungsmechanismen für das eigene unzulängliche Verhalten.[33]

Weitere Gründe für ein kriminelles Verhalten sind die Herausbildung einer eigenen Identität, der Wechsel von Bezugspersonen und –gruppen, das Austesten von Grenzen, die Bildung einer eigenen Wertevorstellung und Normen, die kritische Auseinandersetzung mit den vorgegebenen Lebensbedingungen und der Resignation bestimmter Handlungen gegenüber gesellschaftlicher Ausgrenzung.[34]

Radtke und Schröter formulieren es wie folgt:

„Abweichendes Verhalten beruht demnach vorwiegend auf Unerfahrenheit bzw. Ungeübtheit, mit Problemen adäquat umzugehen.“[35]

Northoff fasst die wichtigsten Ursachen der Jugendkriminalität wie folgt zusammen:

„Entfremdende Hochhausblöcke und Sanierungsviertel, die zunehmende, Technisierung, stundenlanger individueller Medienkonsum und der Stress einer vor allem auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft haben eine Vereinsamung des jungen Menschen in der modernen Gesellschaft herbeigeführt. Die Zunahme individueller Handlungs- und Wahlfreiheiten, die Abnahme sozialer Kontrollen und die immer komplexer werdenden Lebensaufgaben haben eine bisher kaum gekannte Individualisierung nach sich gezogen, die vor allem drei Desintegrationspotentiale enthält: (1) unvollständige Familien, inkonsistente Erziehungsstile, Auflösung von Beziehungen, (2) Auflösung alter Werte und kollektive Verständigungsverluste, (3) Desinteresse an Jugendverbänden und politischen Sachverhalten (Heitmeyer & Sander 1992; vgl. auch Beck 1986).“[36]

Um zu erkennen, ob ein Jugendlicher oder vor allem auch ein Heranwachsender sich in der Entwicklung seiner Persönlichkeit befindet, gibt es verschiedene Hinweise.

So fehlt ihnen häufig die Zielstrebigkeit und sie handeln planlos und situationsbedingt impulsiv. Zudem haben junge Menschen einen Nachahmungstrieb, ein Geltungsbedürfnis, Erlebnishunger und einen Geschwindigkeitsrausch. Des öfteren stellt man fest, dass Jugendliche und Heranwachsende leichtsinnig und unbekümmert sind. Außerdem sind Indizien, dass sie eine spielerische Einstellung zur Arbeit haben, ein Ablehnungsbedürfnis und ein naiv-vertrauensseliges Verhalten.[37]

Um adäquat auf das Verhalten der jungen Straftäter reagieren zu können, ist es unumgänglich das Entwicklungsstadium besonders zu berücksichtigen und die daraus folgenden Problematiken gezielt zu behandeln.

3. Ambulanten Maßnahmen

Nachdem die Notwendigkeit für eine intensive Bearbeitung des Phänomens Jugendkriminalität verdeutlicht wurde, widmet sich das nachstehende Kapitel einer speziellen Reaktionsmöglichkeit, die das deutsche Strafrecht bei jungen Straftätern anwendet. Die ambulanten Maßnahmen werden im Anschluss eingehend erläutert, um ein Grundlagenwissen für das nächste Kapitel zu sichern.

3.1 Der Begriff „Sanktion“

Um die Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes zu verstehen, ist es notwendig den Begriff „Sanktion“ näher zu definieren und den Unterschied zu dem Begriff „Strafe“ zu erläutern.

Hoyer erklärt es wie folgt:

„Der Begriff »Strafe« ist von deren Oberbegriff »Sanktion« zu unterscheiden. Der Oberbegriff »Sanktion« umfasst neben der Strafe auch noch die Maßregel. Unter einer Sanktion ist der staatliche Zwangsakt auf ein rechtlich unerwünschtes menschliches Verhalten zu verstehen. Speziell um eine Strafe handelt es sich, wenn die Sanktion sich gegen eine Person richtet, die für ihr Verhalten auch rechtlich verantwortlich ist. Im Unterschied dazu können sich Maßregeln auch gegen Personen richten, die für ihr Verhalten nicht rechtlich verantwortlich sind, von denen aber auch zukünftig ähnliches Verhalten zu erwarten ist. (…)

Als »Strafe« wird damit der staatliche Zwangsakt auf ein rechtlich unerwünschtes menschliches Verhalten bezeichnet, für das der Täter verantwortlich ist.[38]

3.2 Die Besonderheiten des Jugendstrafrechtes

Die Interventionsmöglichkeiten auf delinquentes Verhalten von Jugendlichen und Heranwachsenden sind in einem speziellen Strafrecht verankert.

Das Jugendstrafrecht ist ein Sonderstrafrecht für junge Täter, die sich zur Zeit der Straftat in dem kritischen Übergangsstadium zwischen Kindheit und Erwachsenenalter befinden.[39]

Allerdings ist es nicht vom Allgemeinen Strafrecht losgelöst, sondern ein in den Grundlagen und Strafbarkeitsvoraussetzung auf dem Strafgesetzbuch (StGB) aufbauendes Kontrollrecht (§10 StGB, §§ 1, 2 JGG).[40]

Das Jugendstrafrecht hat Besonderheiten im Hinblick auf das Strafverfahren und die Rechtsfolgen.[41]

Bei der Auswahl der Sanktionen und bei der speziellen Ausgestaltung des Verfahrens steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund.[42]

Aus diesem Grund wird es auch häufig als „Erziehungsstrafrecht“ bezeichnet.

Die Begründung, die Dauer und der Inhalt der Sanktion werden viel stärker als im Allgemeinen Strafrecht auf den jeweiligen Täter und die erzieherische Einwirkung auf ihn ausgerichtet. Dieses gilt auch in besonderem Maße für den Freiheitsstrafvollzug.[43]

Ostendorf bezeichnet es aus diesem Grund als „Tat-Täter-Strafrecht“.[44]

Eine sehr ähnliche Bezeichnung verwenden Schaffstein und Beulke. Sie nennen es „>> Täterstrafrecht <<[45].

Das Jugendstrafverfahren erfordert eine „jugendspezifische Kommunikation“ und eine „sozialkompensatorische Verhandlungsführung[46].

Dieses regelt das Gesetz mit den §§ 48-51 JGG. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass das Jugendstrafverfahren nicht öffentlich ist und die Anwesenheit der Erziehungsberechtigten und der Jugendgerichtshilfe gefordert wird.[47]

Am 1.12.1990 trat das erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes in Kraft.[48]

Die Bedeutung der jugendhilfeorientierten Handlungsalternativen wurden bei der Novellierung des Jugendgerichtsgesetzes durch die Hervorhebung informeller und ambulanter Reaktionsmöglichkeiten und der Einschränkung repressiver Eingriffsinstru-mente unterstrichen.[49]

Laut Heinz war ein Ziel des 1. JGGÄnderG von 1990, „das spezialpräventive Potential des Jugendstrafrechts zu stärken, indem repressive und stationäre Maßnahmen zurückgedrängt und ersetzt werden sollten durch Diversion und durch ambulante Reaktionsformen, insbesondere durch solche mehr helfender, stützender und chancenverbessernder Art.“[50]

Sonnen spricht von dem gemeinsamen Ziel, dass die Integration und die Förderung junger Menschen umfasst. Zudem betont er, dass das gesicherte Wissen um Normalität, Ubiquität und Episodenhaftigkeit Eingang in die Gesetzgebung gefunden hat.[51]

3.2.1 Das Subsidaritätsprinzip im Jugendgerichtsgesetz

Klar ist, dass der „Erziehungsgedanke“ der Leitgedanke der jugendstrafrechtlichen Regelungen ist. Doch wird der Begriff „Erziehung“ im Jugendgerichtsgesetz nicht näher erläutert.

So kam es, dass dieser Begriff in der Vergangenheit heftig umstritten war und auch vielfach zu Missverständnissen und Verwirrung führte. Nicht zuletzt dadurch, dass er, historisch betrachtet, für repressive Zucht- und Ordnungsvorstellungen stand.[52]

Aktuell findet der „Erziehungsgedanke“ seine rechtsstaatliche Konkretisierung im Subsidaritätsprinzip als Teil des materiellen Verhältnismäßigkeitsgebots („Geeignetheit“, „Erforderlichkeit“, „Angemessenheit“).[53]

[...]


[1] Wollenweber, 1980, S. 49

[2] Northoff, 1997, S. 3 in 3.1.1

[3] zit. Northoff, 1997, S. 1 in 1.1.1

[4] zit. Koetzsche in Kawamura/ Helms, 1998, S. 11

[5] zit. Heinz, 2006, S. 16

[6] zit. Weyel, 1999, S. 23

[7] zit. Kerner, 1980, S. 6 in Steuber, 1988, S. 34

[8] zit. Internetquelle 1: Statistisches Bundesamt

[9] Internetquelle 2: Statistisches Bundesamt, Justiz auf einen Blick, S. 65

[10] Weyel, 1999, S. 7

[11] Schmitt, 2008, S. 5

[12] zit. Drewniak in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 234

[13] Weyel, 1999, S. 7-8; vgl. Drewniak in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 234

[14] zit. Schmitt, 2008, S. 9

[15] zit. Northoff, 1997, S. 9 in 1.1.1

[16] Schmitt, 2008, S. 9

[17] Pfeiffer/Brettfeld/Delzer, 1997 in Drewniak in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 234

[18] Schmitt, 2008, S. 12

[19] Schmitt, 2008, S. 10-11

[20] Drewniak in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 235

[21] Northoff, 1997, 9 in 1.1.1

[22] Die Tabellen hierzu befinden sich im Tabellenanhang.

[23] Northoff, 1997, S. 7 in 3.1.1

[24] Northoff, 1997, S. 10 in 1.1.1

[25] Drewniak in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 236, 238

[26] Ostendorf, 2007, S. 46

[27] Northoff, 1997, S. 10 in 1.1.1

[28] Raithel/ Mansel, 2003, S. 14-15; vgl. Sonnen in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 147-148; vgl. Ostendorf, 2007, S. 46

[29] Ostendorf, 2007, S. 48

[30] vgl. Riekenbrauk, 2008, S. 173

[31] zit. Internetquelle 3: Bundesverfassungsgericht, Altersgruppen, S. 2-3

[32] Northoff, 1997, S. 10 in 3.1.1

[33] Radtke/Schröter in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 336

[34] Riekenbrauk, 2008, S. 173-174; vgl. Raithel/ Mansel, 2003, S. 15

[35] zit. Radtke/Schröter in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 327

[36] zit. Northoff, 1997, S. 12 in 3.1.1

[37] Riekenbrauk, 2008, S. 176; vgl. Schmitt, 2008, S. 115

[38] zit. Internetquelle 4: Hoyer, Sanktion, S. 2

[39] Schaffstein/ Beulke, 2002, S. 1; vgl. Trenczek in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ, 2000, S. 69

[40] Trenczek in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ, 2000, S. 69

[41] Trenczek in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ, 2000, S. 69

[42] Schmitt, 2008, S. 107; vgl. Wollenweber, 1980, S. 79

[43] Schaffstein/ Beulke, 2002, S. 1-2

[44] zit. Ostendorf, 2007, S. 69

[45] zit. Schaffstein/Beulke, 2002, S. 1

[46] zit. Ostendorf, 2007, S. 70

[47] Ostendorf, 2007, S. 70

[48] Caglar, 2005, S. 21

[49] Trenczek in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ, 2000, S. 69-70

[50] zit. Heinz in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ, 2000, S. 160

[51] Sonnen in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht der DVJJ, 2000, S. 146,148

[52] vgl. Trenczek in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ,2000, S. 71

[53] Trenczek in Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ, 2000, S. 75

Fin de l'extrait de 89 pages

Résumé des informations

Titre
Die kriminalpräventive Wirkung ambulanter Maßnahmen bei jungen Straftätern
Université
University of Applied Sciences Düsseldorf
Note
2,3
Auteur
Année
2010
Pages
89
N° de catalogue
V155787
ISBN (ebook)
9783640680719
ISBN (Livre)
9783640679164
Taille d'un fichier
1279 KB
Langue
allemand
Mots clés
Maßnahmen, Straftätern, Kriminalprävention, Jugendstrafrecht, jugendliche Straftäter, ambulante Maßnahmen, Täter-Opfer-Ausgleich, Soziales Training, krimanalpäventive Wirkung, Strafrecht
Citation du texte
Martina Gürster (Auteur), 2010, Die kriminalpräventive Wirkung ambulanter Maßnahmen bei jungen Straftätern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155787

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