Die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP). Chance für eine Demokratisierung oder Gefahr der Islamisierung der Türkei?


Tesis, 2009

135 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
1.1 METHODISCHES VORGEHEN
1.2 FORSCHUNGSSTAND

2. THEORETISCHES KAPITEL: DEFEKTE DEMOKRATIE
2.1 „EMBEDDED DEMOCRACY "
2.2 TEILREGIME
2.2.1. Wahlregime
2.2.2. Politische Teilhaberec
2.2.3. Bürgerliche Freiheitsrechte
2.2.4. Horizontale Gewaltenkontrol
2.2.5. Effektive Regierungsgewalt
2.3 DEFEKTE DEMOKRATIE
2.3.1 Exklusive Demokratie
2.3.2 Illiberale Demokratie
2.3.3 Delegative Demokratie
2.3.4 Enklavendemokrati

3. POLITISCHES SYSTEM DER TÜRKEI
3.1 VERFASSUNG DER TÜR
3.2 TEILREGIME
3.2.1 Wahlregime
3.2.2 Politische Teilhaberechte
3.2.3 Bürgerliche Freiheitsrec
3.2.4 Horizontale Gewaltenkontroll
3.2.5 Effektive Regierungsgewalt

4. HEUTIGE PARTEIENLANDSCHAF

5. ISLAMISCHE BEWEGUNG: ENTWICKLUNG VOM AUßENSEITER ZUR GEGENELIT
5.1 VORREPUBLIKANISCHE ZEIT
5.2 1923-1950 ALLEINHERRSCHAFT DER C
5.3 DP R EGIERUNG - PUTSCH 1960 - APREGIERUNG
5.4 MILLI GÖRÜ Ş HAREKETI - MILLINIZAM PARTISI
5.5 MILLI SELAMET PARTISI
5.6 REFAH PARTIS
5.7 FAZILET PARTISI

6. AKP
6.1 GRÜNDUNG DER AKP
6.2 P ROGRAMM DER AKP
6.2.1 Politische Teilhaberechte
6.2.1.1 Kommunikations- und Pressefreih
6.2.1.2 Meinungs- und Überzeugungsfreiheit
6.2.1.3 Assoziations-, Demonstrations- und Versammlungsfreih
6.2.2 Bürgerliche Freiheitsrec
6.2.2.1 Folter und extralegale Aktionen
6.2.2.2 Minderheitenrechte
6.2.2.3 Religions- und Gewissensfreih
6.2.3 Horizontale Gewaltenkontrolle
6.2.4 Effektive Regierungsgewalt
6.3 G EGENELITE AUF DEM W EG AN DIE M ACHT
6.3.1 Triumph der AKP bei den Wah
6.4 AKP IN DER REGIERUNGSVERANTWORT
6.4.1 Weg von Recep Tayyip Erdo ğ an zur Ministerpräsidentscha
6.4.2 Politik der neuen Elite (2003-2007)
6.4.3 AKP als Vermittler zwischen den Kultu
6.4.4 Reformen und Umsetzung des AKP Regierungsprogra
6.4.4.1 Politische Teilhaberechte
6.4.4.1.1 Kommunikations- und Pressefreiheit
6.4.4.1.2 Meinungs- und Überzeugungsfreiheit
6.4.4.1.3 Assoziations-, Demonstrations- und Versammlungsfreih
6.4.4.2 Bürgerliche Freiheitsrechte
6.4.4.2.1 Folter und extralegale Aktione
6.4.4.2.2 Minderheitenrechte
6.4.4.2.3 Religions- und Gewissensfreih
6.4.4.3 Horizontale Gewaltenkontrolle
6.4.4.4 Effektive Regierungsgewalt
6.5 A USEINANDERSETZUNG ZWISCHEN ALTER UND NEUER E LITE .62
6.5.1 Erster Kopftuchstrei
6.5.2 Widerstände der Staatselite gegen die AKP-Regierung
6.5.3 Sieg der AKP bei den Regionalwahlen 2004
6.5.4 Zweiter Kopftuchstreit
6.5.5 Differenzen um die Lösung des Kurdenproblems
6.5.6 Fall Ş emdi
6.5.7 Dritter Kopftuchstre
6.5.8 Verschärfung der Auseinandersetzungen
6.5.8.1 Bombenanschläge und bewaffnete Überfälle
6.5.8.2 Ermordung von Hrant Dink
6.5.9 Kampf um das Staatspräsidentenamt
6.5.9.1 Eskalation des Streits
6.5.9.2 Verfassungsgerichtsentscheid und Neuwahlbeschluss des Parlame
6.5.9.3 Parlamentswahl und die Wahl von Abdullah Gül
6.5.10 Streit um die neue Verfassu
6.5.11 Ergenekon Operation
6.5.12 Vierter Kopftuchstreit und Verfassungsänder
6.5.13 Verbotsantrag und Urteil zur Verfassungsänderung

7. VERBOTSPROZES
7.1 URTEIL IM VERBOTSPROZESS

8. RESÜMEE UND AUSBLICK

9. QUELLENVERZEICHNI
9.1 MONOGRAPHIEN UND AUFSÄ
9.2 DOKUMENTE

10. ANLA
10.1 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
10.2 KURZER GESCHICHTLICHER Ü BERBLICK R EPUBLIK T ÜRKEI
10.2.1 Einparteienherrschaft
10.2.2 Übergang zum Mehrparteiensystem und Herrschaft der DP
10.2.3 Puts
10.2.4 Ära Demirel/Kalter Putsch 1971
10.2.5 Puts
10.2.6 Ära Özal112
10.2.7 Kalter Puts
10.2.8 AKPÄ
10.3 REGIERUNGEN DER REPUBLIK TÜRKEI UND IHRE MINISTERPRÄSIDEN
10.4 PARTEIEN DER REPUBLIK TÜRKEI (2009)
10.5 GRÜNDUNGSMITGLIEDER DER AKP
10.6 SCHAUBILDER ZUDEN WAHLE

1. Einleitung

Die Adalet ve Kalkınma Partisi spielt seit ihrem Wahlsieg am 3. November 2002 eine zentrale Rolle, nicht nur in der Parteienlandschaft der Türkei, sondern auch als Regierungspartei, die Motor für die Bestrebungen des EU-Beitritts und der Entwicklung der Türkei zur regionalen Hegemonialmacht ist.1 Die bisherigen politischen Auseinandersetzungen der Parteien in der Türkei haben sich seit der Regierungsübernahme der AKP zu einem tiefgreifenden, funda- mentalen, polarisierenden, die weitere Entwicklung zentral beeinflussenden Machtkampf zwi- schen zwei Hauptlagern zugespitzt.

Die AKP-Anhänger und Befürworter sehen die Türkei auf dem Weg zur liberal verfassten rechtsstaatlichen Demokratie und die AKP als die treibende Kraft in diesem Prozess.

Die AKP stellt ihr Programm in Bezug zur heute gültigen Verfassung der Republik Türkei aus dem Jahre 1982 als ein Erneuerungs- und Veränderungskonzept vor, das wesentliche Funda- mente derselben in Frage stellt und als Ziel die Demokratisierung der Republik nennt.2

Für das breit gefächerte Parteienspektrum der AKP-Gegner, das die Interessen der kemalistischen Elite und Staatsbürokratie vertritt, befindet sich die Demokratie, vor allem der Laizismus in der Türkei, in höchster Gefahr. Die AKP wird als eine islamistische Partei be- griffen, deren Intention die Einführung der Scharia als Staatsrecht und die Transformation der Türkei in einen islamistischen Staat sei.3

Als exemplarisches Beispiel für die eskalierende politische Auseinandersetzung kann das Ur- teil des Verfassungsgerichtes Nr. 2008/116 vom 05. Juni 2008 gewertet werden.4 Mit diesem annullierte das Verfassungsgericht die durch die Stimmen der AKP und MHP realisierte Ver- fassungsänderung, die die Artikel 10 und 42 dahingehend veränderte, Frauen mit Kopftuch per Gesetz das Studium an den staatlichen Universitäten zu ermöglichen.5 Die Annullierung der Verfassungsänderung wurde mit dem Argument begründet, sie würde die unveränderba- ren Prinzipien des Laizismus, festgeschrieben in Artikel 2 der Verfassung, indirekt angreifen.6 Neun von elf Verfassungsrichtern gaben mit dieser Begründung ihr Votum für die Annullie- rung.7

Den letzten Höhepunkt des Machtkampfes dieser beiden Richtungen markierte der Versuch der AKP-Gegner, ein Verbot der AKP durch ein Urteil des Verfassungsgerichts zu erwirken.8 Diese Vorgehensweise, die AKP auf juristischem Wege auszuschalten, schlug fehl, da die für das Parteiverbot notwendige qualifizierte 3/5 Mehrheit (Artikel 149 der Verfassung) unter den Verfassungsrichtern überraschenderweise nicht erreicht wurde.9 Für das Parteiverbot stimm- ten nur sechs der elf Verfassungsrichter, damit wurde die benötigte Stimmenmehrheit um eine Stimme verfehlt. Die AKP wurde nicht verboten, sondern mit einer Geldstrafe belegt, die vor- sieht, die staatliche Parteienfinanzierung der AKP einzuschränken. In diesem Urteil wird die AKP dennoch von zehn der elf Verfassungsrichter (mit Ausnahme des Vorsitzenden Haşim Kılıç) als das „Zentrum antilaizistischer Bestrebungen (Aktionen)"; eingestuft.10

Das Gerichtsurteil ist keine definitive Niederlage für die AKP-Kontrahenten. Da die AKP explizit durch das Verfassungsgericht als Zentrum der „antilaizistischen Aktionen"; gebrand- markt wurde, kann jederzeit ein erneutes Parteiverbotsverfahren eröffnet werden. Zusätzlich hat das Verfassungsgericht durch die Annullierung der Verfassungsänderung bezüglich des Kopftuchverbotes de facto dem Parlament das Recht auf Verfassungsänderungen aberkannt.11 Dadurch ist die AKP in ihrer politischen Wirkungsmöglichkeit erheblich eingeschränkt.

Um die Fragestellung dieser Diplomarbeit zu beantworten, muss zunächst eine Evaluierung der politischen Grundstruktur der heutigen Republik Türkei erfolgen. Die Kategorisierung des politischen Systems der Türkei in Bezug auf das Verfassungsrecht und die Verfassungsrealität muss klären, ob es sich um einen demokratischen Staat, eine liberale rechtsstaatliche Demo- kratie oder um eine defekte Demokratie handelt.

Auf dieser Grundlage hat die Analyse der AKP zu erfolgen. Nur so sind ihre Zielsetzung, ihr Aktionsrahmen und ihre mögliche Gefahr für das politische System der Türkei zu erfassen.

Laut Artikel 2 der Verfassung der Republik Türkei ist die Türkei ein „demokratischer, laizis- tischer und sozialer Rechtsstaat.";12 Diese drei verfassungsrechtlich festgelegten Eigenrefe- renzen sind in Relation zur Verfassungswirklichkeit in der heutigen Türkei prinzipiell in Fra- ge zu stellen.

Zur Referenz des demokratischen Rechtsstaats lässt sich anmerken, dass die Türkei in den letzten Jahren wiederholt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Versto- ßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt wurde (unter anderem wegen Folter und Verstoßes gegen das Grundrecht auf Schutz des Lebens).13 Hinzu kommt, dass das Konstrukt Milli Güvenlik Konseyi (MGK, Nationaler Sicherheitsrat) de facto noch immer die Politik in entscheidendem Maße bestimmt und so dem Fundament des demokratischen Rechtsstaates, der Volkssouveränität widerspricht.

Inwieweit es sich bei der Türkei tatsächlich um einen sozialen Rechtsstaat handelt, muss an- hand internationaler Standards überprüft werden. Ein Kriterium ist die Rangfolge von Staaten im Human Development Index der Vereinten Nationen. Im Bericht aus dem Jahr 2007/2008 belegt die Türkei nur den 84. Platz.14

Zum Punkt des laizistischen Rechtsstaats ist anzumerken, dass sich der politische Diskurs in den letzten Jahren auf die Interpretation des Laizismus fokussierte. Die Deutungshoheit ideo- logisch kemalistischer Parteien, die durch die Institution des staatlichen Diyanet İşleri Başkanlığı (DIB, Direktorat für Religionsangelegenheiten) durchgesetzt wurde, wurde in den letzten Jahren vehement von der AKP in Frage gestellt.

Die Evaluation der AKP, die Frage nach der Entwicklungsperspektive der Demokratie in der Türkei, ist keineswegs nur als eine ausschließlich die Innenpolitik der Türkei betreffende Fra- ge zu sehen, sondern in Hinblick auf die Demokratisierungsbestrebungen der islamischen Welt als fundamental wichtig einzuschätzen.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat sich der Fokus der USA intensiv auf den geographischen Großraum des Nahen und Mittleren Ostens gerichtet. Eine Neuordnung des ‚Greater Middle East' wurde anvisiert mit der Begründung, eine demokratische und wirt- schaftliche Entwicklung der Region würde effektivere Sicherheit und Stabilität für die Region und für die USA bedeuten.

Spätestens seit im Jahre 2002 auf Vorschlag des damaligen Präsidenten der USA, George W. Bush, die Middle East Partnership Initiative (MEPI) gebildet wurde, gilt die Türkei aufgrund ihrer mehrheitlich islamischen Gesellschaft und ihrer stabilen Demokratie (wenn auch mit eklatanten Defiziten) in den Demokratisierungskonzeptionen der westlichen Welt als stabili- sierender Ordnungsfaktor der Region.15

Als im November 2003 die politische, gesellschaftliche und ökonomische Transformation des gesamten Nahen und Mittleren Ostens zu einer der zentralen Aufgaben der amerikanischen Außenpolitik erklärt wurde, wurde der Türkei im Rahmen der so genannten Greater Middle East Initiative (GEMI) die Rolle eines Modellstaats für die islamische Welt zugedacht. In den Konzeptionen zur Demokratisierung des erweiterten Nahen Ostens soll die Türkei gesell- schaftspolitisch eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie soll als Beispiel dafür dienen, dass Demo- kratie, Rechtsstaatlichkeit und Modernisierung nicht nur genuin westliche Eigenschaften sind. Die Möglichkeit einer Demokratisierung bei gleichzeitiger Wahrung der muslimischen Identi- tät eines Landes soll am Beispiel der Türkei demonstriert werden.

Gerade in Zeiten, in denen sich die die Türkei umgebenden Regionen in einer sehr instabilen Lage befinden (Krieg in Afghanistan mit zunehmender Ausdehnung auf Pakistan, Krieg im Irak, die drohende Auseinandersetzung mit dem Iran, die ungelöste Kurdenfrage im Irak, in Syrien, im Iran und in der Türkei, die unsicheren Verhältnisse in Armenien, Aserbaidschan und Georgien), ist die Rolle der Türkei als Stabilisator, als Machtfaktor im Mittleren und Na- hen Osten und ihre mögliche Vorbildfunktion als Demokratie gemäß westlicher Standards von immenser Bedeutung.

Ob die Türkei diese ihr in der GMEI und anderen Initiativen (Broader Middle East and North Africa Initiative, BMENA) zugedachte Rolle übernehmen kann, hängt im entscheidenden Maße von der künftigen innenpolitischen Entwicklung der Türkei ab.16

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor für die Vorbildfunktion der Türkei ist, dass die Türkei der einzige Mitgliedskandidat der EU mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit ist. Der europäische Umgang mit der Türkei hat erheblichen Einfluss auf die politischen Debatten als auch auf die Entwicklungen in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, besonders aber auf die Nachbarstaaten der Türkei. Die Beantwortung der Frage, ob die Integration eines mus- limischen Landes in den europäischen Verfassungs- und Werteraum akzeptiert oder mit Ver- weis auf die christliche Prägung Europas verweigert wird, kann Auswirkungen auf die inneren Verhältnisse anderer muslimischer Staaten haben. Eine erfolgreiche EU-Integration der Tür- kei würde implizieren, dass der Islam ein Teil europäischer Kultur sein kann und Demokratie und Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und politische Modernität keine ausschließlich westli- chen Errungenschaften sind.

Da das Verhältnis der EU zu den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens auch stark von dem Umgang der EU mit dem Wunsch der Türkei nach der Mitgliedschaft abhängt, würde die Aufnahme der Türkei den EU-Staaten den Zugang zu anderen islamischen Länder erleichtern. Ob die Türkei tatsächlich als erstes ‚islamisches' Vollmitglied der EU der gesamten islami- schen Welt als Beispiel gelten kann, wird die Entwicklung der nächsten Jahre zeigen. Die AKP, so scheint es aber, fokussiert den Beitritt und bietet sich als ein Partner an, der die Rolle des Vermittlers zwischen der westlichen Zivilisation und der islamisch-östlichen Zivilisation übernehmen will. Die UN Initiative Alliance of Civilisations (AoC) vom türkischen Minister- präsidenten und AKP-Vorsitzenden Recep Tayyip Erdoğan und dem spanischen Ministerprä- sidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero kann als ein Beispiel dafür gewertet werden.17

Der Ansatz der Arbeit geht davon aus, dass für die Beantwortung der Frage, ob sich die Tür- kei unter der Regierung der AKP auf dem Weg zur liberalen rechtsstaatlichen Demokratie befindet oder in Richtung eines Scharia-Staates bewegt, eine genaue Bestimmung der Verfas- sungsrealität der Türkei von Nöten ist.

Den ersten Teil der Arbeit bildet die Vorstellung des Demokratiekonzepts der „defekten De- mokratie"; von Wolfgang Merkel, Hans-Jürgen Puhle, Aurel Croissant, Claudia Eicher und Peter Thiery, da dies meiner Ansicht nach geeignet ist, die Türkei in politikwissenschaftliche theoretische Kategorien einzuordnen.

Es folgt die Vorstellung der Verfassung und der Verfassungswirklichkeit der Türkischen Re- publik. Bei der Analyse der Verfassungswirklichkeit konzentriere ich mich auf den Nachweis, dass es sich bei der Türkei um eine defekte Demokratie, genauer um eine Mischung aus einer exklusiven-, illiberalen- und Enklavendemokratie handelt.

Eine Analyse der heutigen Parteienlandschaft schließt sich an. Im folgenden Abschnitt der Arbeit wird detailliert auf die Entwicklung der islamischen Bewegung bis hin zur Gründung der AKP eingegangen. Es folgt die Untersuchung der AKP, ihres Programms und ihrer Poli- tik. Die politischen Ereignisse, die zum Verbotsantrag führten, werden konkret referiert und der Verbotsprozess sowie dessen Urteil analysiert. In diesem Kontext erfolgt als Abschluss ein Ausblick auf den anzunehmenden Verlauf der zukünftigen politischen Entwicklungen innerhalb der Türkei.

1.1 Methodisches Vorgehen

Ich werde, was die Methode betrifft, empirisch-analytisch vorgehen und eine Fallanalyse er- stellen um die Frage „Die AKP - Chance für eine Demokratisierung oder Gefahr einer Isla- misierung der Türkei?"; zu beantworten.

Ziel der Arbeit ist es, die aktuelle Situation in der Türkei auf politischer Ebene (die politi- schen Akteure und ihre Ziele) zu erfassen und zu bewerten. Die Fallanalyse ermöglicht die Untersuchung der aktuellen politischen Lage der Türkei. Eine systematische und nachprüfbare Beschreibung und Erklärung wird hierdurch möglich und schafft die Basis für eine Aussage über die künftige Entwicklung der Türkei.

Arbeitshypothese ist, in der AKP, ihrem Programm und ihrer heutigen Regierungstätigkeit eine Chance zu sehen, den Prozess der Demokratisierung in der Türkei voranzutreiben und damit nachhaltig die Möglichkeit der Aufnahme in die EU zu verbessern. Ein relevanter Fak- tor, der die weitere Implementierung dieses Prozesses in der gesellschaftspolitischen Entwick- lung in der Türkei verhindern kann, ist die verfassungsrechtlich äußerst fragwürdige Interven- tion des Verfassungsgerichtes in diese Transformation. Nach der Annullierung der Verfas- sungsänderung und dem Urteilsspruch zum Verbotsverfahren ist es fraglich, ob die AKP ihr Programm trotz dieser massiven Einschränkungen weiterhin inhaltlich vorfolgen kann.

In der Arbeit wird eine Fallstudie über die AKP, den derzeitigen Machtkampf in der Türkei, (spezifisch am Verbotsantrag gegen die AKP) erstellt, um Verallgemeinerungen zu ermögli- chen, die in nachfolgenden Untersuchungen als Bewertungskriterien angewandt werden kön- nen.

1.2 Forschungsstand

Zur zentralen Fragestellung dieser Arbeit, ist die AKP eine Chance für die Demokratisierung oder eine Gefahr der Islamisierung der Türkei, gibt es bisher keine relevanten, umfassenden, wissenschaftlichen Analysen.

Meiner Recherche nach gibt es auch in türkischer Sprache keine sich dezidiert mit der Pro- grammatik und Politik der AKP im Rahmen meiner Fragestellung befassende wissenschaftli- che Veröffentlichung.

Zu den aktuellsten Entwicklungen, wie dem Urteil im Falle des Verbotsantrages und zu den Ergebnissen der Regionalwahlen 2009, gibt es bisher ebenfalls keine tiefgehenden wissen- schaftlichen Arbeiten.18

Insofern stützt sich meine Arbeit vorwiegend auf Primärliteratur, wie das Partei- und Regie- rungsprogramm, sowie offizielle Publikationen der AKP, Gerichtsurteile und Begründungen, Gesetzesvorhaben, sowie umfangreiches zusammengetragenes Faktenmaterial. Zudem bezieht die Arbeit AKP-kritische, kemalistische Quellen mit ein und der Verbotsantrag wird ebenfalls als Dokument zur empirischen Analyse herangezogen.19 Bezüglich der aktuellen politischen Entwicklungen wird, aufgrund der mangelnden wissenschaftlichen Literatur, in der Arbeit mehrfach auf Zeitungs- beziehungsweise Zeitschriftenartikel zurückgegriffen und verwiesen. Bei diesen handelt es sich zum größten Teil um Agenturberichte, die in verschiedenen Zei- tungen gleichlautend veröffentlicht wurden. Die angeführten Zitate von Politikern sind ent- weder direkt autorisierten Interviews oder Agenturmeldungen entnommen. Als Hauptquelle der Zeitungszitate wurde das Internetarchiv der Zeitung Hürriyet genutzt.20

In türkischer Sprache liegen zur zentralen Fragestellung der Arbeit zwar keine, wie oben be- reits erwähnt, wissenschaftlichen Analysen vor, dafür aber umso mehr journalistische, popu- lär-politische Beiträge (‚Sachbücher'). In dieser Arbeit wird auf einige dieser Bücher bezie- hungsweise Artikel rekurriert, die versuchen den Beweis zu erbringen, dass es sich bei der AKP um eine Scharia-Partei handelt, die sich nach der islamischen Kriegslist (Takiye) verhält und verstellt. Die Bücher des Journalisten Ergün Poyraz, der zurzeit als Beschuldigter im Ergenekon Prozeß vor Gericht steht, sind hierbei besonders hervorzuheben. Sie erzielen in der Türkei die höchsten Auflagen und sind meinungsprägend.21 Die verschiedenen populär- politischen Beiträge werden in die Arbeit einbezogen, da es für die These die ‚AKP ist eine Scharia-Partei', keine sie beweisende wissenschaftliche Forschungsarbeit gibt. Diese Beiträge sind daher zur Beantwortung der Frage nach der ‚Gefahr der Islamisierung der Türkei' durch die AKP, hierbei speziell für die Dimensionen und die politischen Inhalte des Machtkampfes zwischen kemalistischer Staatselite und moderat-islamischer Gegenelite, von besonderer Be- deutung.

Zu den verschiedenen Teilaspekten dieser Arbeit gibt es, im Gegensatz zur zentralen Frage- stellung, zahlreiche wissenschaftliche Beiträge (sowohl in deutscher, türkischer als auch eng- lischer Sprache), die wichtige Grundlagen und Gesichtspunkte enthalten und auf die sich die- se Arbeit stützt.

Das Gros der türkischen wissenschaftlichen Arbeiten befasst sich mit der Entwicklung des politischen Islams und in diesem Zusammenhang als Teilaspekt mit der AKP. In der allge- meinen Einschätzung der AKP, sowohl in ihrer historischen Entwicklung als auch in ihrer aktuellen Bedeutung, sind zwei wissenschaftliche Arbeiten für die vorliegende Arbeit zentral. Diese sind „Türkiye'de Din ve Siyaset"; (Religion und Politik in der Türkei), aus dem Jahre 2007 von dem Soziologen Şerif Mardin und das 2005 erschienene „Modernleşen Müslümanlar"; (Die sich modernisierenden Muslime) von Hakan Yavuz. In beiden Arbeiten wird die moderne islamische Bewegung, inklusive der AKP, als kapitalistisches Modernisie- rungsprojekt, das sich im Wertekanon moderat auf den Islam bezieht, beschrieben und ein historischer Vergleich mit der calvinistisch-reformatorischen Religionsrichtung gezogen.

Studien und Analysen in deutscher Sprache, die sich mit der AKP beschäftigten und auf die sich diese Arbeit stützt, sind unter anderem die Beiträge von Ioannis Grigoriadis und Günter Seufert für die Stiftung Wissenschaft und Politik.

In englischer Sprache existiert in wissenschaftlichen Fachzeitschriften eine Vielzahl von Arti- keln, die sich mit der AKP und vor allem mit der Demokratisierung der Türkei beschäftigen. Für meine Arbeit relevant sind vor allem Artikel der Fachzeitschrift „turkish studies"; und die im „Middle East Report"; von verschiedenen anerkannten Wissenschaftlern, unter anderem von Kerem Öktem, verfassten Beiträge zur politischen Entwicklung innerhalb der Türkei. Zum Teilaspekt - Entstehungsgeschichte der AKP - wurde das Buch „Secular and Islamic Politics in Turkey, The making of the Justice and Development Party";, herausgegeben von Ümit Cizre, mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Beiträge unterschiedlicher Autoren, heran- gezogen.

Zum Teilaspekt - Demokratisierung der Türkei und ihrer Annäherung an die Europäische Union - existiert sowohl in deutscher, englischer sowie türkischer Sprache eine große Anzahl von wissenschaftlicher Literatur. In der Bewertung der EU-Türkei-Beitrittsdebatte, sowie der Funktion der AKP in diesem Prozess, bezieht sich vorliegende Arbeit unter anderem auf die Studien des Türkeiexperten Heinz Kramer für die Stiftung Wissenschaft und Politik.22

Zum Stand der Demokratie in der Türkei sind die Messungen von Freedom House, die ihre Ergebnisse in dem ausführlichen Bericht „Turkey in Transit, Democratization in Turkey"; 2008 veröffentlichte, besonders ergiebig und für die Arbeit ein wichtiger Stützpfeiler.23 Der Fortschrittsbericht der EU „Turkey 2008 Progress Report"; liefert ebenfalls detaillierte Infor- mationen über die Fort- und Rückschritte im Demokratisierungs- und Reformprozess.24 Da- ten, Zahlen und Fakten meiner Arbeit hinsichtlich der Menschenrechte in der Türkei und ihrer Verletzungen sind unter anderem Amnesty International und der türkischen Menschenrechts- organisation İnsan Hakları Derneği (İHD) entnommen.25

Der aktuelle Forschungsstand, in Bezug auf den politischen Charakter der AKP in diesen oben angeführten wissenschaftlichen Arbeiten, sowie in allen weiteren mir bekannten wissen- schaftlichen Studien zum politischen System der Türkei, vertritt allgemein die These, dass es sich bei der AKP nicht um eine islamistische Scharia-Partei, sondern um eine moderat isla- misch-demokratische Partei handelt.26 Den bisherigen Forschungsstand aufgreifend, wird die- se Arbeit versuchen diese These wissenschaftlich, durch die bisher nicht erfolgte, ausführliche Analyse des Programmes und der bisherigen Regierungstätigkeit der AKP zu belegen und den Beweis zu erbringen, dass die AKP keine Gefahr für eine weitere Demokratisierung der Tür- kei darstellt.

2. Theoretisches Kapitel: Defekte Demokratie

Seit Beginn der dritten Demokratisierungswelle in Südeuropa (1974) hat sich die Zahl der Demokratien bis zum Jahre 2001 weltweit vervierfacht.27 In der Demokratieforschung sind sich die Wissenschaftler einig darüber, dass viele dieser Transformationsprozesse nicht in einer konsolidierten, rechtsstaatlichen Demokratie mündeten.28 Der Transformationsprozess blieb oft rudimentär und führte zu „unvollständigen";, „nicht-liberalen";, „hybriden";, „defek- ten"; Demokratien. So kategorisiert Freedom House diese als „elektorale"; und nicht „libera- le"; Demokratien, da diese Regime außer Wahlen kaum Strukturen aufweisen, die liberale Staats- und Demokratietheoretiker unter dem Begriff Demokratie subsumieren.29

Zwischen den Jahren 1980 und 1993 hat sich der Anteil der Länder, die eindeutig einer De- mokratie oder einer Autokratie zugeordnet werden können, deutlich reduziert. In den 1990er Jahren setzte sich dieser Trend fort. „Der Anteil der ‚nicht-liberalen' Demokratien an den ‚elektoralen Demokratien' betrug 1991 etwa 38 Prozent. Bis zum Jahresanfang 2001 stieg er auf 41,6 Prozent.";30

Das Signum der dritten Demokratisierungswelle scheint das Auftreten defekter Demokratien zu sein. Bei diesen defekten Demokratien handelt es sich nicht um einen homogenen Typ. Die unterschiedlichen Demokratiemessungen zeigen deutlich, wie heterogen das Spektrum der „nicht-liberalen"; Demokratien ist.

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass durch die „nicht-liberalen"; Demokratien die Grenze zwischen demokratischen und autoritären Regime zunehmend diffuser wurde. Re- gime, die sich in dieser Grauzone befinden (Grauzonenregime), lassen sich mit der bisherigen Regimetrias: totalitäre, autoritäre, demokratische Regime nicht klassifizieren.

Den unterschiedlichsten Demokratiemessungen zufolge handelt es sich bei der Türkei um solch ein Grauzonenregime.31 Es existiert eine Vielzahl von verschiedenen Demokratietheo- rien, die sich mit dem Problem der Grauzonenregime befassen. Laut Manfred G. Schmidt sind die Studien zur Demokratiemessung von Vanhanen, Freedom House, Jaggers und Gurr weg- weisend.32 Bei allen drei Untersuchungen stimmen die verschiedenen Demokratieskalen in beachtlichem Maße überein. So wird die Türkei in allen drei Skalen als eine Demokratie mit Defekten aufgeführt.

Die Themenstellung der vorliegenden Arbeit beinhaltet auch die Frage nach dem derzeitigen Zustand des politischen Regimes in der Türkei. Die Theorie der defekten Demokratie von Wolfgang Merkel, Hans-Jürgen Puhle, Aurel Croissant, Claudia Eicher und Peter Thiery er- möglicht eine differenzierte Bestimmung des Zustandes der Demokratie in einem Land und zugleich die genaue Verortung der relevanten demokratischen Defizite. Durch dieses Konzept der defekten Demokratie können die hybriden Systeme sowohl theoretisch als auch konzepti- onell erfasst werden. Die Unterscheidung zwischen liberalen Demokratien und defekten De- mokratien wird möglich. Zusätzlich können verschiedene Subtypen defekter Demokratien identifiziert und klassifiziert werden.

Mit diesem methodischen und konzeptionellen Instrumentarium können die Demokratie- defekte der Türkei klar herausgearbeitet und die Politik der AKP dahingehend evaluiert wer- den, inwieweit sie diese Defekte strukturell zu verändern sucht.

Da jede Demokratieanalyse mit dem ihr zugrunde gelegten Demokratiebegriff steht und fällt, entwickeln die Autoren zunächst auf der Grundlage eines dreidimensionalen Demokratiebe- griffs ein Basismodell demokratischer Regime, genannt „embedded democracy";.33 Aus die- sem dreidimensionalen Konzept der liberalen Demokratie wird eine Vierertypologie defekter Demokratien entworfen.34

2.1 „Embedded democracy";

Das Wort Demokratie ist kein Begriff, der beliebig zu definieren ist. Die etymologische Wur- zel des Wortes Demokratie liegt im griechischen demokratia. Demokratia setzt sich aus de- mos (Volk) und kratien (herrschen) zusammen. Dem Wortsinne nach bedeutet Demokratie demnach Volksherrschaft. Demokratie bezeichnet also einen bestimmten Typ der Organisati- onsform eines politischen Gemeinwesens.

Durch die historischen Erfahrungen, die der Begriff Demokratie in sich trägt, hat er sowohl eine logische als auch eine historische Kernbedeutung: das Prinzip der Volkssouveränität, Freiheit der Bürger, Prinzipien der politischen Gleichheit und der Herrschaftskontrolle.

Das Kernprinzip der Demokratie ist die Volkssouveränität und die vertikale Verantwortlich- keit politischer Herrschaftsträger gegenüber den Beherrschten.

Die Autoren definieren Demokratie in ihrem Konzept als eine politische Herrschaftsordnung, die auf den drei Pfeilern der politischen Gleichheit, der politischen Freiheit sowie des Rechts- und Verfassungsstaates ruht. „Demokratie (als Kurzform für liberale rechtsstaatliche Demokratie) soll definiert sein als ein Set institutioneller Minima, das erstens eine vertikale Dimension demokratischer Herr- schaft bezeichnet, nämlich vertikale Machtkontrolle, universelles aktives und passives Wahlrecht und die effekti- ve Gewährleistung der damit verbundenen grundlegenden politischen Partizipationsrechte; zweitens eine hori- zontale Dimension, also Herrschaftskontrolle im Rahmen der gewaltenteiligen Organisation der Staatsgewalt und der rechtsstaatlichen Herrschaftsausübung; drittens eine transversale Dimension, also die effektive Zuord- nung der Regierungsgewalt zu den demokratisch legitimierten Herrschaftsträgern.";35

Dieses Demokratiekonzept beruht (analytisch betrachtet) auf der Annahme, dass die moderne Demokratie ein komplexes Institutionengebilde ist. Die rechtsstaatliche Demokratie ist ein Gefüge aus independenten und interdependenten Teilregimen. Insgesamt existieren fünf Teil- regime. Diese sind „einander so zugeordnet, dass sie die ihnen innewohnenden widerstrei- tenden Machtquellen in demokratischen Herrschaftssystemen mit konsistenten Spielregeln versorgen.";36

Die drei Demokratiedimensionen und die Teilregime ermöglichen neben der Abgrenzung von Autokratie und Demokratie zusätzlich sowohl die begriffliche wie analytische Differenzie- rung zwischen einer liberalen und einer defekten Demokratie, denn selbst wenn nur eines die- ser Teilregime verletzt ist, handelt es sich um eine defekte Demokratie.

2.2 Teilregime

2.2.1. Wahlregime

Das Wahlregime nimmt in den Teilregimen der „embedded democracy"; eine zentrale Rolle ein. Die Aufgabe des Wahlregimes besteht darin, den Zugang zu den zentralen staatlichen Herrschaftspositionen durch offenen Wettbewerb an die Stimmen des Volkes zu binden. Das Wahlregime umfasst vier Kriterien: Das aktive und passive Wahlrecht, das universelle Wahl- recht, freie und faire Wahlen und gewählte Mandatsträger.

2.2.2. Politische Teilhaberechte

Politische Teilhaberechte beziehen sich auf die Assoziationsfreiheit und die Meinungs-, Pres- se- und Informationsfreiheit. Das Kriterium Assoziationsfreiheit umfasst zwei Kriterien: Die ungehinderte Bildung von politischen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen und das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Um den demokratischen Status zu gewährleisten, sind Einschränkungen der Assoziationsfreiheit nur zulässig, solange sie Organisationen be- treffen, die sich eindeutig gegen demokratische Grundsätze aussprechen beziehungsweise dementsprechend handeln.

2.2.3. Bürgerliche Freiheitsrechte

Quintessenz liberaler Rechtsstaatlichkeit sind die verfassungsmäßig verankerten materiellen Grundrechte (civil rights). In das Teilregime der bürgerlichen Freiheitsrechte fallen sowohl die individuellen Schutzrechte (rechtlicher Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum) als auch die bürgerlichen Grundrechte (gleicher Zugang zur Justiz, Gleichbehandlung vor dem Gesetz). „Bürgerliche Freiheitsrechte sind die Kernelemente einer effektiven Staatsbürgerschaft: Individuelle Schutzrechte von Leben, Freiheit und Eigentum schützen den Einzelnen vor willkürlicher Verhaftung, vor Ter- ror, Folter oder sonstigen gravierenden unerlaubten Eingriffen staatlicher wie privater Akteure.";37

2.2.4. Horizontale Gewaltenkontrolle

Sowohl die Gewaltenteilung als auch die Gewaltenkontrolle sind zentrale und unverzichtbare Elemente einer liberalen Demokratie. „Die horizontale Verantwortlichkeit der Gewalten sichert die Rechtmäßigkeit des Regierungshandelns und ermöglicht dessen Überprüfung aufgrund der Gewaltenteilung und -kontrolle im Sinne einer aufeinander bezogenen relativen Autonomie von Legislative, Exekutive und Judikati- ve.";38

Trotz wechselseitiger Kontrolle und Hemmung darf keine der drei Gewalten in den Funkti- onsbereich einer anderen hineinregieren oder diesen dominieren. Die Rückkopplung des poli- tischen Handelns der Regierung an die Interessen der Wähler wird direkt durch Wahlen und indirekt durch Gewaltenverschränkung sichergestellt.

2.2.5. Effektive Regierungsgewalt

Die effektive Regierungsgewalt muss bei den demokratisch gewählten Herrschaftsträgern liegen. Dies ist gegeben, wenn bedeutungsvolle politische Entscheidungen von den dazu auto- risierten, öffentlich kontrollierten Vertretern im Rahmen der dafür ausgewiesenen Institutio- nen und entsprechend der gesetzten normativen Regeln getroffen werden.

Außerkonstitutionelle Akteure (zum Beispiel das Militär) dürfen nicht die Verfügungsgewalt über bestimmte Politikbereiche besitzen. „Dies bezieht sich sowohl auf die Existenz sogenannter reser- vierter Politikdomänen, also politische Materien, über die Legislative und Regierung keine ausreichende Ent- scheidungsbefugnis haben, als auch auf die besondere Problematik einer unzureichenden zivilen Kontrolle über Militär, Polizei oder andere Bürokratien und Gruppen.";39 Das Prinzip ziviler Kontrolle über das Mili- tär muss institutionalisiert sein. Im demokratischen Verfassungsstaat beinhaltet dieses Prinzip der zivilen Kontrolle, dass ausschließlich zivile Autoritäten die politischen Entscheidungen treffen und das Militär diese Entscheidungen implementiert. Das Militär verfügt nur in Zeiten des nationalen Notstands und in Kriegszeiten über Funktionsaufgaben im Inneren. Es hat we- der Justiz- noch politische Entscheidungsfunktionen.

2.3 Defekte Demokratie

Die „embedded democracy"; ist das „root concept"; von Merkel, Puhle, Croissant, Eicher und Thiery, aus dem sie das Konzept der defekten Demokratie bestimmen. Ausgehend von einem Demokratie-Konzept als dezidierter Grundlage zur Erfassung der hybriden Regime werden diese Regime als „diminished subtypes"; von Demokratien definiert. Als Gegenpol zur defek- ten Demokratie wird in dieser Theorie nicht eine irreale ‚perfekte' Demokratie, sondern die liberale Demokratie antizipiert.40 Das bedeutet: Defekte Demokratien sind Demokratien, sie erfüllen nur nicht alle Kriterien der liberalen Demokratie. „Defekte Demokratien können demnach als Herrschaftssysteme charakterisiert werden, die sich durch das Vorhandensein regelmäßiger, hinreichend allgemeiner, freier und fairer sowie effektiver Wahlen auszeichnen, aber durch signifikante Beeinträchtigungen weiterer Prinzipien der liberalen Demokratie jene komplementären Stützen verlieren, die in einer liberalen De- mokratie für die Sicherung von bürgerlicher Freiheit, politischer Gleichheit und rechtsstaatlicher Kontrolle politischen Handelns notwendig sind.";41

Abweichungen von den institutionellen Minima einer Demokratie bedeuten nicht, dass das Regime automatisch autoritär ist. Deshalb werden Kriterien festgelegt, die es ermöglichen zu evaluieren, ob ein Regime noch eine defekte Demokratie oder schon ein autoritäres Regime ist. Als Richtlinie soll den Autoren zufolge gelten: „Defekte der institutionellen Minima der Demokra- tie dürfen das demokratische Spiel nicht so weit pervertieren, dass es nur noch die formal-demokratische Fassa- de für autoritäre Praktiken abgibt. Es muss also auch in defekten Demokratien ein systemerhaltendes Mindest- maß an Freiheit, Gleichheit und Kontrolle für die politische Selbstbestimmung aller Bürger verwirklicht sein.";42 Als defekte Demokratie werden Regime definiert, in denen zentrale demokratische Spielre- geln institutionalisiert, die Wahl der Regierenden durch die Regierten gewährleistet, aber nicht alle konstituierenden und garantierenden Elemente der Volkssouveränität etabliert sind. Sind die Grundbedingungen der elektoralen Demokratie erfüllt, aber andere Kriterien nicht, handelt es sich nach den Autoren um eine defekte Demokratie. Als zentrale Merkmale defek- ter Demokratien werden definiert: Massive Einschränkungen der öffentlichen Arena durch die Regierenden und andere Machtgruppen, Behinderungen der politischen Freiheiten, Ein- schränkungen beziehungsweise Aufhebung der bürgerlichen Freiheitsrechte und der effekti- ven Regierungsgewalt. Ein weiteres signifikantes Merkmal ist die Deaktivierung der horizon- talen Kontrolle zu Gunsten einer der drei Gewalten (meist Exekutive).

Für die Autoren sind defekte Demokratien nicht zwangsläufig Transitionsregime. Sie können relativ stabil sein und über längere Zeiträume existieren.

Da die empirischen Erscheinungsformen demokratischer Defekte ausgesprochen vielfältig sind, ist es zur dezidierteren Klassifizierung und Differenzierung notwendig, verschiedene Subtypen der defekten Demokratie zu unterscheiden. Entscheidend dabei ist, welche der drei fundamentalen Dimensionen und Teilregime der liberalen Demokratie beschädigt sind. Je nachdem handelt es sich um einen bestimmten Typus der defekten Demokratie. Die Autoren haben entsprechend der Defekte vier Subtypen der defekten Demokratie entwickelt: Die ex- klusive Demokratie (die vertikale Legitimation und Herrschaftskontrolle ist beschädigt), die illiberale Demokratie (die Dimension des Rechts- und Verfassungsstaates ist eingeschränkt), die delegative Demokratie (bei ihr ist die horizontale Kontrolldimension lädiert) und die Enklavendemokratie (die Dimension der effektiven Herrschaftsgewalt ist verletzt).

Diese Subtypen sind als Differenztypen konstruiert. Es handelt sich um Idealtypen, das heißt sie dienen als begriffliche Bezugspunkte, zwischen denen die real existierenden Demokratien eingeordnet werden können. Reale Demokratien sind meist Mischformen dieser vier Subty- pen. Nur äußerst selten gibt es Fälle, in denen eine Demokratie einem Typ so nahe ist, dass sie ausschließlich als solcher bezeichnet werden kann. Entscheidendes Kriterium zur Subsumie- rung der Demokratie in einen oder mehrere der Subtypen ist, welche der Dimensionen, bezie- hungsweise welches der Teilregime am stärksten verletzt ist.

2.3.1 Exklusive Demokratie

Das Prinzip der Volkssouveränität, Grundprinzip der liberalen Demokratie, wird bei dem Ty- pus der exklusiven Demokratie verletzt. Wenn die Offenheit des Herrschaftszugangs beein- trächtigt ist, nur eingeschränkte freie, allgemeine und faire Wahlen basierend auf der Grund- lage eines universellen Wahlrechts stattfinden, handelt es sich um eine exklusive Demokratie. Zudem handelt es sich um eine exklusive Demokratie, wenn Beeinträchtigungen beziehungs- weise Beschädigungen der politischen Teilhaberechte vorliegen. So kann zum Beispiel als zentraler Punkt zur Analyse der Demokratiedefekte die Einschränkung der Pressefreiheit her- angezogen werden.43

Damit die Grenze zum Autoritarismus nicht überschritten wird, muss das Wahlregime in einer defekten Demokratie einige Kernkriterien erfüllen. So muss es reelle Wahlalternativen geben und die Regierenden müssen abwählbar sein. Außerdem müssen die Elemente horizontaler und individualrechtlicher Herrschaftskontrolle soweit gesichert sein, „dass die auf Exklusion beru- henden Herrschaftsmandate keine selbstreferentiellen Machtkreisläufe regenerieren können, die diese Exklusion gezielt zu einem Apartheidssyndrom verdichten.";44

2.3.2 Illiberale Demokratie

In illiberalen Demokratien verletzen demokratisch frei, allgemein und fair gewählte Regie- rungen Grund-, Menschen-, liberale Freiheits- und Bürgerrechte. Das Teilregime der bürgerli- chen Freiheitsrechte wird beschädigt. Ein Defekt liegt dann vor, wenn die individuellen Schutzrechte gegen staatliche und private Akteure und der gleiche Zugang zu Recht und die Gleichbehandlung vor Gericht faktisch nicht gesichert oder stark eingeschränkt sind.

Diese Einschränkungen müssen als Einzelfälle erkennbar sein, ansonsten sind es signifikante Defekte. Die Grenze zur autokratischen Herrschaft wird in dem Moment überschritten, in dem systematische oder dauerhafte Verletzungen der Rechte oder massive Eingriffe in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vorliegen.

2.3.3 Delegative Demokratie

In delegativen Demokratien sind die horizontalen rechtsstaatlichen Kontrollen sowie die ‚checks and balances' beeinträchtigt. Die Kontrolle der Exekutive durch die Legislative und die Judikative ist eingeschränkt oder gestört. Regierungen umgehen das Parlament, wirken extrakonstitutionell auf die Justiz ein und verschieben so die Machtbalance zu ihren Gunsten. Eine Beeinträchtigung der wechselseitigen horizontalen Gewaltenkontrolle der Herrschafts- träger reißt die Kontrollkette auseinander, die in repräsentativen Systemen zur Sicherung der Volkssouveränität und Selbstbestimmung nötig ist.

Wenn eine der Gewalten die anderen de facto eliminiert (mit Gewalt oder quasi-legal) oder sich dauerhaft deren Kompetenz bemächtigt und in diesem Sinne die staatliche Herrschaft monopolisiert, handelt es sich nicht mehr um eine delegative Demokratie, sondern um ein autoritäres Regime.

2.3.4 Enklavendemokratie

Ein Regime ist als Enklavendemokratie zu charakterisieren, wenn Vetomächte wie Militär, Guerilla, Miliz, Unternehmen, Großgrundbesitzer oder multilaterale Konzerne bestimmte Po- litikbereiche oder Teile des Staatsterritoriums dem Zugriff der demokratisch gewählten Re- präsentanten entziehen, also die effektive Regierungsgewalt als Teilregime beschädigt ist. Die daraus entstehenden, nicht demokratischen Herrschaftsenklaven können verfassungsrechtlich garantiert sein oder durch Drohung in Anspruch genommen werden. „Die Spannbreite, welche die Ausprägung dieses Defekts annehmen kann, reicht von der generellen Kompetenzarmut eines gewählten Parla- ments bis hin zu politikspezifisch eingeschränkten Kompetenzen von Legislative und Exekutive durch die Mili- tärs, wie in den postdiktatorischen Regimen Chiles, Brasiliens oder der Türkei.";45

Entscheidend für eine Demokratie ist es, die zivile Kontrolle über die Streitkräfte auszuüben. Ein Defekt liegt vor, sobald das Militär aus illegitimen Gründen das Prinzip der zivilen Kon- trolle verletzt, sei es durch die Inanspruchnahme institutionalisierter Vetopositionen oder durch illegale und informelle Intervention.

Es handelt sich um eine Enklavendemokratie und nicht um ein autoritäres Regime, solange die demokratisch gewählte Regierung über eine hinreichend ausgeprägte Kompetenz in sämt- lichen politischen Bereichen verfügt.

Die in diesem Abschnitt vorgestellte Theorie der defekten Demokratie wird nun im folgenden Kapitel auf das politische System der Türkei angewandt.

3. Politisches System der Türkei

3.1 Verfassung der Türkei

Die heute gültige Verfassung ist die dritte Verfassung der Republik Türkei (1924, 1961, 1982). Nach dem Militärputsch 1980 gründete das MGK im Juni 1981 die Kurucu Meclis (Konstituierende Versammlung), die die Verfassung ausarbeitete. Die Kurucu Meclis bestand aus den fünf Mitgliedern des MGK und aus einer 160 köpfigen Danışma Meclisi (Beratende Versammlung).46 Die Kurucu Meclis hatte sowohl die Aufgabe eine neue Verfassung, neue Parteien- und Wahlgesetze auszuarbeiten als auch die Legislative zu übernehmen, bis das neue Türkiye Büyük Millet Meclisi (TBMM, Große Nationalversammlung der Türkei) seine Arbeit aufnahm. Ihre legislative Arbeit war aber auf die Vorbereitung der Gesetzestexte und deren Vorlage bei dem MGK beschränkt. Dieser allein war die tatsächliche gesetzgebende und beschließende Institution.47

Aus den Mitgliedern der Danışma Meclisi wurde ein 15 köpfiger Verfassungsausschuss unter dem Vorsitz des Verfassungsrechtlers Prof. Orhan Aldıkaçtı gebildet. Dieser Ausschuss legte am 17. Juli 1982 einen Verfassungsentwurf vor, welcher am 23. September 1982 von der Danışma Meclisi und dann am 19. Oktober vom MGK angenommen wurde.48

Diese aus einer Präambel und 175 Artikeln bestehende Verfassung verfügt zusätzlich über 15 so genannte provisorische Artikel. In diesen Artikeln war unter anderem vorgesehen, dass mit Annahme der Verfassung per Referendum der Präsident des MGK, der auch Staatspräsident war (Kenan Evren), zugleich für die nächsten sieben Jahre zum Staatspräsidenten gewählt wird.49 Die übrigen vier Mitglieder des MGK wurden im zweiten provisorischen Artikel für die nächsten sechs Jahre zu Mitgliedern des Präsidentenrates ernannt. Ihnen wurden die Rech- te und Privilegien von Parlamentariern zugestanden. Ihre Aufgabe wurde als die Beratung des Präsidenten definiert.50 Den führenden Mitgliedern der nach dem Putsch verbotenen Parteien wurde in Artikel 4 ein 10-jähriges Politikverbot auferlegt.51 Im letzten der provisorischen Ar- tikel wurde den Mitgliedern des MGK und der Danışma Meclisi lebenslang Immunität zuge- sichert.52

Dieser vom MGK in Auftrag gegebene und von ihm verabschiedete Verfassungsentwurf wur- de am 7. November 1982 durch ein Referendum angenommen und trat am 19. November 1982 in Kraft.53 Seit In-Kraft-Treten der 1982er Verfassung wurden bis heute insgesamt 15 Verfassungsänderungen vorgenommen, zuletzt am 9. Februar 2009.54

Trotz dieser Veränderungen ist das Fundament der Verfassung von 1982 unangetastet geblie- ben und bestimmt die Verfassungswirklichkeit der Türkei bis heute.

3.2 Teilregime

Um die Gefahren oder Chancen für die Demokratie, die von der AKP ausgehen, bewerten zu können, muss zunächst geklärt werden, um welches System es sich heutzutage in der Türkei handelt. Im Folgenden werde ich anhand der in der Theorie der defekten Demokratie aufge- stellten fünf Teilregime die Türkei untersuchen.

Bevor auf diese Teilregime eingegangen werden kann, müssen kurz zwei Besonderheiten des türkischen politischen Systems erwähnt werden: Was die Form der Machtausübung und die Funktionen der Institutionen betrifft, versteht sich die Republik Türkei in ihrer Verfassung als eine parlamentarische Demokratie. Allerdings hat in dieser parlamentarischen Demokratie der Staatspräsident sehr weitreichende Vollmachten.55 Die Fülle der Vollmachten des Präsiden- ten, festgeschrieben in der Verfassung, ist ein Indiz für die Existenz einer Mischform von parlamentarischer- und präsidialer Demokratie. Indem der Präsident bei den nächsten Wahlen direkt vom Volk gewählt werden wird, wurde der Aspekt der Präsidialdemokratie zusätzlich gestärkt.

Die zweite Besonderheit ist das in der Verfassung festgeschriebene Laizismus-Prinzip der Republik Türkei.56 In der europäischen Tradition, vor allem in Frankreich, steht Laizismus für die Trennung von Kirche und Staat. Der Laizismus, den der türkische Staat faktisch seit der Gründung praktizierte, aber erst 1937 in die Verfassung aufnahm, wird mittels des staatlichen Organes DIB durchgesetzt.57 Der türkische Laizismus beruht nicht auf der institutionellen Trennung von Kirche und Staat, sondern auf einer staatlich interpretierten, diktierten, verwal- teten und verbreiteten Religionslehre und Religionsausübung durch das DIB. Verbunden da- mit sind Unterdrückung, Benachteiligung und Verbote von nicht staatlichen religiösen Orga- nisierungen. Dieser Laizismus ist mit der Säkularität einer liberalen Demokratie in keiner Weise gleichzusetzen, denn in der Verfassungswirklichkeit sind die Staats- und Religionsan- gelegenheiten eng ineinander verzahnt.

3.2.1 Wahlregime

Artikel 67 der Verfassung lautet: „Die Staatsbürger haben entsprechend den gesetzlich bestimmten Be- dingungen das Recht zu wählen und gewählt zu werden, sowie sich unabhängig oder innerhalb einer politischen Partei politisch zu betätigen und an Volksabstimmungen teilzunehmen. Wahlen und Volksabstimmungen werden nach den Grundsätzen der freien, gleichen, geheimen, einstufigen und allgemeinen Abstimmung, der offenen Auszählung und Stimmenberechnung unter der Leitung und Kontrolle der Gerichtsbarkeit durchgeführt [...] Jeder türkische Staatsbürger, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, hat das Recht zu wählen und an Volksabstimmungen teilzunehmen.";58 Aus diesem Artikel kann entnommen werden, dass es sich bei der Türkei verfassungsrechtlich im aktiven Wahlrecht um ein liberal-demokratisches Regime handelt.

Artikel 76 definiert das passive Wahlrecht. „Jeder Türke kann nach der Vollendung des 25. Lebensjahres zum Abgeordneten gewählt werden.";59 Ausgeschlossen vom passiven Wahl- recht werden unter anderem Staatsbürger, die aufgrund „[...] der Teilnahme an terroristi- schen Taten und der Aufwiegelung und Ermunterung zu solchen Taten verurteilt worden sind [...]";.60 Selbst wenn eine Amnestie erfolgt, können sich diese Personen nicht zu Abgeordne- ten wählen lassen.

Auf den ersten Blick impliziert dieses Kriterium keine Demokratiefeindlichkeit, in der Ver- fassungswirklichkeit wird aber anhand dieses Ausschlusskriteriums vielen Bürgern die Mög- lichkeit genommen sich aktiv am politischen System zu beteiligen. Wird untersucht, wen die türkische Justiz terroristischer Aktivitäten beschuldigt und was sie unter dem Begriff subsu- miert, wird der Missbrauch dieses Kriteriums deutlich. Zum Beispiel wird Bürgern, die die Benachteiligung der kurdischen Bevölkerungsgruppe in der Türkei thematisieren, das politi- sche Gestaltungsrecht entzogen.61

Ein weiteres Ausschlusskriterium wird im Verfassungstext angeführt: „Diejenigen, welche nicht mindestens die Grundschule abgeschlossen haben [...]";, dürfen sich nicht zur Wahl stel- len.62 Für die Türkei bedeutet dies, den Ausschluss von mindestens 20% aller Frauen von dem passiven Wahlrecht.63

Die Tradition, durch Parteienverbote und in dem Zusammenhang Politikverbote für gewählte Parlamentarier die Wählerentscheidung nicht anzuerkennen, ist bis heute gängige politische Praxis, wie der Verbotsversuch der AKP und das laufende Verbotsverfahren gegen die DTP zeigen.

Ein weiteres defizitäres Element enthält Artikel 33 des Wahlgesetzes, der eine 10% Hürde im Landesmaßstab bei Parlamentswahlen festschreibt.64 Durch diese hohe Barriere wird das Prinzip der freien, fairen und allgemeinen Wahl eingeschränkt. So waren zum Beispiel bei den Parlamentswahlen am 3. November 2002, 46,16% aller gültigen Stimmen nicht im Par- lament vertreten, da nur die AKP und CHP die 10% Hürde überwanden.65

Insgesamt bewertet ist im Teilbereich Wahlregime die Türkei den Grundzügen der liberalen Demokratie relativ nahe und die vorhandenen Defizite sind weniger gravierend als in den an- deren Teilregimen. Die Verwirklichung des Kriteriums ‚freie und faire Wahlen' erreicht heute in der Türkei, mit gewissen Einschränkungen, westliche Standards.

3.2.2 Politische Teilhaberechte

Verfassungsrechtlich scheint die Türkei die liberal demokratischen Standards zu erfüllen. In Artikel 22 heißt es: „Jedermann genießt Kommunikationsfreiheit. Das Korrespondenzge- heimnis ist gewährleistet.";66 In Artikel 24 der Verfassung wird ausdrücklich die Religions- freiheit postuliert. In Artikel 25 wird „Jedermann"; Meinungs- und Überzeugungsfreiheit zu- gestanden. Weiter heißt es: „Niemand darf, aus welchem Grund und zu welchem Zweck auch immer, zur Äußerung seiner Meinungen und Überzeugungen gezwungen werden; er darf wegen seiner Meinungen und Überzeugungen nicht gerügt oder einem Schuldvorwurf ausgesetzt werden.";67 Die Pressefreiheit wird in Artikel 28 gewährt, allerdings mit relevanten Einschränkungen, die den Kriterien liberal- demokratischen Verfassungen widersprechen.68 Artikel 33 beschäftigt sich mit der Assoziati- onsfreiheit. „Jedermann"; wird zugestanden Vereine zu gründen und ihnen bei- oder auszutre- ten, doch unter bestimmten Umständen wird die Vereinsfreiheit eingeschränkt. „Die Vereinsfrei- heit kann nur aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, zur Vorbeugung gegen Straftaten, zum Schutze der allgemeinen Moral und allgemeinen Gesundheit sowie zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer durch Gesetz beschränkt werden.";69

In Artikel 34 heißt es bezüglich der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit: „Jedermann hat das Recht, ohne vorherige Erlaubnis unbewaffnete und friedliche Versammlungen und Demonstrationen durchzuführen. Die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit kann nur aus Gründen der nationalen Sicher- heit, öffentlichen Ordnung, zur Vorbeugung gegen Straftaten, zum Schutze der allgemeinen Moral und allgemei- nen Gesundheit sowie zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer durch Gesetz beschränkt werden.";70

In fast allen politischen Teilhaberechten sind Beschränkungen in der Verfassung festgeschrie- ben, die über die üblichen Restriktionen in den Verfassungen der liberalen Demokratien hin- ausgehen.71

Als Verfassungsgrundlagen werden in der Präambel die „geschichtlichen und ideelle Werte des Türkentums";, „die Prinzipen und Reformen sowie der Zivilisationismus Atatürks"; und „das Prinzip des Laizismus"; aufgeführt.72 Diesen diffusen „Prinzipien";, „Werten"; und „Re- formen"; Verfassungsrang einzuräumen, heißt faktisch eine pluralistische, liberale Demokratie verfassungsrechtlich auszuschließen. Jedwede Kritik an diesen kanonisierten Leitsätzen wird als Angriff auf die grundlegenden Verfassungsnormen gewertet und strafrechtlich verfolgt. Der Paragraph 301 des Strafgesetzbuches verdeutlicht, wie diese Verfassungsgrundlagen dazu benutzt werden, Kritiken am kemalistischen Staatssystem zu verbieten und zu bestrafen.73 Hinsichtlich des Kriteriums der Religions- und Gewissensfreiheit, sind die nicht islamischen Religionen und das Alevitentum deutlich benachteiligt.74 Auch die restriktive Politik gegen- über dem nicht-staatlichen Islam ist weiterhin gegeben, so sind zum Beispiel Studentinnen mit Kopftuch vom Studium an den Hochschulen nach wie vor ausgeschlossen.75 In der Aus- übung der Pressefreiheit ist die staatskritische Presse weitreichenden Beschränkungen ausge- setzt, unter anderem wird durch die staatliche Radyo ve Televizyon Üst Kurulu (RTÜK, Oberster Rat für Radio und Fernsehen) Behörde tagtäglich das Prinzip der Pressefreiheit un- terminiert.76 Nicht selten kommt es zu Verurteilungen von Journalisten, hohen Geldstrafen, zeitweiligen (tage-, wochen-, oder monatelangen) Schließungen von Fernsehsendern, Zeitun- gen, Radiostationen, Zugängen zu Internetportalen und zu Beschlagnahmungen von Zeitun- gen, die bereits ausgeliefert wurden.77

In dem Teilregime politische Teilhaberechte weist die Demokratie in der Türkei trotz positi- ver Veränderungen immer noch weit reichende Defizite auf.

3.2.3 Bürgerliche Freiheitsrechte

In der Türkei sind sowohl die individuellen Rechte als auch die bürgerlichen Rechte verfas- sungsrechtlich geschützt.78 Auch ein Folterverbot ist in der Verfassung verankert. So heißt es in Artikel 17 unter anderem: „Niemand darf gefoltert und misshandelt werden; niemand darf einer mit der Menschenwürde unvereinbaren Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt wer- den.";79

Aber auch in diesem Teilregime liegen Recht und Wirklichkeit weit auseinander. Trotz Fol- terverbot werden nach wie vor Menschen in Gefängnissen misshandelt und es kommt zu To- desfällen in Folge von Folterungen, wie zum Beispiel in dem Fall des 29-jährigen Engin Ceper, der auf einer Demonstration am 29. September 2007 verhaftet wurde und 11 Tage spä- ter an den Folgen der Folter starb.80

Im Bereich bürgerliche Freiheitsrechte ist die Demokratie defekt, denn obwohl es Fortschritte gibt, ist die Türkei in diesem Bereich derzeit noch weit davon entfernt die liberal demokrati- schen Standards zu erfüllen, wie unter anderem die Berichte von Amnesty International do- kumentieren.81

3.2.4 Horizontale Gewaltenkontrolle

Verfassungsrechtlich ist in der Türkei die Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle gegeben. Im Artikel 6 der Verfassung wird postuliert, dass die uneingeschränkte, der türkischen Nation gehörende Souveränität „durch die zuständigen Organe"; ausgeübt wird.82 In Artikel 7, 8 und 9 werden die zuständigen Organe konkret benannt. Das Organ der Legislative ist das TBMM, das Organ der Exekutive bilden der Staatspräsident und der Ministerrat. Das Organ der Judi- kative sind unabhängige Gerichte. Verfassungsrechtlich stehen die drei Gewalten in keiner hierarchischen Beziehung zu einander, sondern sind gleichberechtigt.

In der liberalen Demokratie darf, trotz wechselseitiger Kontrolle und Hemmung, keine der drei Gewalten in den Funktionsbereich einer anderen hineinregieren oder diesen dominieren. In der Türkei aber ist auf der Grundlage des andauernden Machtkampfes zwischen der kemalistischen Staatselite und der heutigen Regierung die Balance zwischen den Gewalten gestört. Jedes der drei Gewaltenorgane versucht die anderen zu dominieren. So hat das Ver- fassungsgericht in Form des Verfassungsgerichtsbeschlusses, das Kopftuchverbot betreffend, faktisch die Gesetzgebungskompetenz der TBMM Mehrheit drastisch beschnitten.83

Die Türkei weist in der Verfassungswirklichkeit aktuell einige Defekte im Bereich der hori- zontalen Gewaltenkontrolle auf, diese sind aber nicht so relevant wie die der anderen Berei- che.

3.2.5 Effektive Regierungsgewalt

Bei diesem Teilregime sind die Defizite der Demokratie in der Türkei ausgesprochen evident. In Artikel 7 der Verfassung heißt es: „Die Zuständigkeit der Gesetzgebung steht im Namen des Türkischen Volkes der Großen Nationalversammlung der Türkei zu. Diese Zuständigkeit ist unübertragbar.";84 Dennoch intervenierte das Militär in verschiedenen Militärputschen gegen die gewählten Regierungen und entzog dem Parlament die Gesetzgebungskompetenz.

Die Armee besitzt in der türkischen Gesellschaft eine privilegierte Sonderstellung. Sie defi- niert sich selbst als ‚Gründerin und Wahrerin der Republik Türkei' und wird von der Mehrheit der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen.85

Der Artikel 122 sieht im Falle des Notstands vor: „Die Kommandeure der Ausnahmezu- standsverwaltung versehen ihren Dienst in Anbindung an das Amt des Generalstabschefs.";86 In diesem Falle kann faktisch vom Ministerrat unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten und nach „Einholung der Meinung";, (was de facto Zustimmung bedeutet) des MGK für jeweils maximal sechs Monate der Notstand ausgerufen werden, sowie die zivile Verwaltung und Regierung in dieser Zeit außer Kraft gesetzt werden.87

Wie bereits erwähnt, ist es ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht der Armee, dem Minis- terrat „Empfehlungen"; zu geben.88

Artikel 145, der sich mit der Militärjustiz beschäftigt, entzieht die Militärangehörigen weitge- hend der zivilen Justiz. Im Falle einer Straftatverfolgung durch die zivile Justiz bedarf es da- rüber hinaus bei den Offizieren (da es sich bei ihnen um Beamte handelt) der Erlaubnis der vorgesetzten Behörde (diese Regelung gilt im Übrigen für alle Staatsbeamte).89

In Artikel 146 werden dem Militär verfassungsrechtlich zwei Sitze des elfköpfigen Verfas- sungsgerichts zugesprochen. Ein ordentliches Mitglied soll vom Militärkassationshof und eines vom Hohen Militärverwaltungsgerichtshof gestellt werden.

In Artikel 131 wird bezüglich der Wahl der Mitglieder des Yüksek Öğrenim Kurulu (Hoch- schulrat) auf das Yükseköğretim Kanunu (Hochschulgesetz) verwiesen, das dem Militär das Recht zugesteht ein Mitglied des Yükseköğretim Kurulu (YÖK, Hochschulrat) zu bestim- men.90 Während in der Leitung der zivilen Hochschulen das Militär dadurch direkt vertreten ist, heißt es im Artikel 132 der Verfassung: „Die an die Streitkräfte und an die Polizeiorgani- sation angegliederten Hochschulanstalten sind den Vorschriften besonderer Gesetze unter- worfen.";91

Das Militär hat bis heute in der Türkei eine exklusive, rechtlich garantierte Sonderstellung, die es außerhalb der Kontrolle der zivilen Legislative (siehe Putsche), Exekutive (siehe die Interventionen durch den MGK, Putschdrohungen, YÖK) und Judikative (Sonderrechte für Militärs) stellt. Die praktisch über allen Instanzen und Institutionen verfassungsrechtlich ver- ankerte Machtbefugnis der Streitkräfte macht die Demokratie in der Türkei zu einer defekten, in diesem Fall zu einer Enklavendemokratie.

Es gibt seit der zivilen Machtübernahme der AKP Bestrebungen, diese Sonderstellung des Militärs zurückzudrängen, dabei spielen auch die Demokratisierungsforderungen seitens der EU eine positive Rolle, allerdings ist die uneingeschränkte Macht des Militärs noch nicht ge- brochen. Dies wird auch in der Entschließung des EU-Parlaments zu dem Fortschrittsbericht 2008 bekräftigt: die EU „bedauert, dass keine Fortschritte dabei erzielt wurden, eine uneingeschränkte und systematische zivile Überwachung der Armee zu gewährleisten und die parlamentarische Kontrolle der Militär- und Verteidigungspolitik zu stärken.";92

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Türkei in allen fünf Teilregimen mehr oder min- der schwere Defekte aufweist. Trotzdem handelt es sich bei ihr, nach der Theorie von Merkel, Puhle, Croissant, Eicher und Thiery, keineswegs um eine Autokratie, denn trotz aller Mängel existieren in der Türkei regelmäßige, hinreichend allgemeine, freie, faire und effektive Wah- len. Da die Defekte der Türkei in den Teilregimen Politische Teilhaberechte, Bürgerliche Freiheitsrechte und Effektive Regierungsgewalt am stärksten ausgeprägt sind, handelt es sich bei der Türkei um eine Mischform der exklusiven-, illiberalen- und Enklavendemokratie.

4. Heutige Parteienlandschaft

In der Türkei existieren, nach den Angaben des Innenministeriums vom März 2009, insge- samt 49 zugelassene Parteien.93 Am 29. März 2009 fanden allgemeine Regionalwahlen in der Türkei statt. Zu diesen Wahlen waren insgesamt 21 Parteien angetreten.94 Zwei der zu den Wahlen zugelassenen Parteien zogen ihre Kandidatur zurück: Die SHP, da sie auf den Listen der CHP kandidierte und die Genç Parti, weil sie nicht als „Spalter der Anti AKP Front"; fun- gieren wollte.95

Von den angetretenen 19 Parteien haben nur die AKP, die CHP, die MHP, die DTP und die SP eine ernst zu nehmende Rolle gespielt. Die restlichen Parteien lagen alle bei unter 3% der Stimmen und sind so von keiner großen Bedeutung. Bei den 30 Parteien, die nicht angetreten sind, handelt es sich um Parteien die lediglich ein paar tausend Stimmen erhalten und de facto heute keine Rolle in der Parteienlandschaft spielen. Ich werde im Folgenden aus diesem Grund nur die 19 angetretenen und die zwei zurückgezogen Parteien erwähnen. Um einen besseren Überblick über die heutige Parteienlandschaft zu erhalten, werde ich die Parteien den unterschiedlichen politischen Strömungen zuordnen. Nach ideologischen und politischen Po- sitionen können die Parteien grob in vier Gruppen unterteilt werden: In die Gruppe der Partei- en, die sich primär auf den Islam beziehen (islamische Parteien), in Parteien, die sich vor al- lem auf den Nationalismus und Kemalismus berufen (nationalistisch kemalistische Parteien), in Parteien, die sich vor allem der kurdischen Nationalfrage widmen (kurdische Parteien) und in Parteien, die sich selbst als sozialistisch bezeichnen (sozialistische Parteien).96

Die Aufzählung der Parteien erfolgt der Gewichtung nach von radikal/traditionalistisch zu reformerisch/moderat. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass selbst die SP (die radikalste tra- ditionell-islamische Partei in der heutigen Parteienlandschaft der Türkei) sich nicht für die Einführung der Scharia ausspricht.

http://www.ysk.gov.tr/ysk/index.html , eingesehen am 12.04.2009. Eine kurze Vorstellung und Charakterisierung der 21 zugelassenen Parteien ist im Anhang dieser Arbeit (13.4) nachzulesen. Die AKP wird nicht erwähnt, da die ausführliche Behandlung der AKP in Abschnitt sechs der Arbeit erfolgt.

Da sich fast alle politischen Akteure der Türkei auf den Staatsgründer Mustafa Kemal berufen, findet eine Auseinandersetzung statt, was unter dem Begriff Kemalismus tatsächlich zu subsumieren sei. Der originale, während der Zeit Mustafa Kemals (in den 1930er Jahren) ausformulierte ideologische Kemalismus beruht auf sechs Prinzipien (im türkischen ilkeler): Nationalismus, Populismus, Republikanismus, Laizismus, Etatismus und Revolutionismus. Siehe: Özbek, Sinan/Ohm, Christof: Kemalismus, Seite 554-575, in: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Band 7/I, 2008.

Die heutige politische Hauptrepräsentantin des Kemalismus ist die Cumhuriyet Halk Partisi (CHP), die gegen- über dieser Ursprungsideologie sehr pragmatisch agiert.

Wenn in dieser Arbeit der Begriff Kemalismus/Kemalisten verwendet wird, sind damit vor allem die Staatsbüro- kratie (Offiziersebene der Armee, hohe Beamte im Staatsdienst und in den Staatsbetrieben, höhere Justiz und Staatssekretäre) und die Parteien CHP und Demokratik Sol Parti (DSP) gemeint, die sich als selbstverständliche Eigentümer und Verwalter des Staates verstehen.

[...]


1 Die Adalet ve Kalkınma Partisi nennt sich selbst abgekürzt AK Parti (ak bedeutet weiß, Weiße Partei wird im Sinne von saubere Partei verwendet). Im folgenden wird sie als AKP abgekürzt. Siehe: http://www.akparti.org.tr/program.asp?dizin=51&hangisi=2, eingesehen am 13.07.2008. Übersetzt von der Autorin.
Bei den Parlamentswahlen 2002 erhielt die AKP 34,29% der Stimmen. Damit wurde sie stärkste Partei und erhielt 363 der 550 Sitze im Parlament.
Alle in dieser Arbeit angeführten Wahlergebnisse der Parlamentswahlen von 1950 bis zum heutigen Tag sind der offiziellen Internetseite des Türkiye İstatistik Kurumu entnommen. Siehe: http://www.Tuik.gov.tr/PreTablo.do?tb_id=42&ust_id=12 , eingesehen am 24.03.2009. Ein Schaubild zu der Sitzverteilung im Parlament ist im Anhang unter Punkt 13.6 einzusehen.

2 Siehe: http://www.akparti.org.tr/program.asp?dizin=51&hangisi=2, eingesehen am 13.07.2008.

3 Die Einführung der Scharia als Staatsrecht wird zurecht negativ bewertet, da die bürgerlichen Freiheitsrechte in einem Scharia-Staat (Iran, Saudi-Arabien) nicht gelten und nur die Gesetze des Islam zum Staatsrecht erhoben werden. Jedes Individuum muss sein Leben nach den im Koran festgelegten Regeln führen. Das bedeutet zum Beispiel für alle Frauen die Pflicht den Kopf zu bedecken. Zum anderen sind drakonische Strafen zum Beispiel für Ehebrecher (Steinigung) und Diebe (Handabschlagen) vorgesehen. Siehe: Sure 5/39: „Der Dieb und die Diebin - schneidet ihnen die Hände ab, als Vergeltung für das, was sie begangen, und als abschreckende Strafe von Allah. Und Allah ist allmächtig, allweise."; Ahmad, Hazrat Mirza Masroor (Hrsg.): Koran, Der Heilige Qur- an, 2004, Seite 105. Siehe auch: Annemarie Schimmel: Der Islam, Eine Einführung, 1991, Seite 59.

4 Gegen die am 09.02.2008 verabschiedete Verfassungsänderung der AKP und MHP (411 von 550 Parlamentari- ern stimmten dafür) reichten am 27.02.2008 110 Parlamentarier der CHP und DSP eine Klage zu ihrer Annullie- rung beim Verfassungsgericht ein. Siehe: http://www.nethaber.com/Politika/54689/Anayasa-degisikligi-rekor-oyla-meclisten-gecti-Sira, eingesehen am 28.05.2009.

5 Artikel 10 der Verfassung behandelt die allgemeine Gleichheit vor dem Gesetz. „Jedermann ist ohne Rücksicht auf Unterschiede aufgrund von Sprache, Rasse, Farbe, Geschlecht, politischer Ansicht, Weltanschauung, Religi- on, Bekenntnis und ähnlichem vor dem Gesetz gleich."; Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, http://www.tuerkeirecht.de/Verfassung.pdf, eingesehen am 28.03.2009, Seite 2. In der Verfassungsänderung wurde der Artikel lediglich um den Begriff Kleidung erweitert. Artikel 42 betrifft das Recht die Hochschule zu besuchen. Vgl.: Ebenda, Seite 9-10. Hier wurde ergänzt, dass niemand aufgrund seiner Kleidung von den Hoch- schulen ausgeschlossen werden darf.

6 In Artikel 4 der Verfassung ist ein Veränderungsverbot für die Artikel 1, 2 und 3 festgeschrieben. „Die Vor- schrift des Artikels 1 der Verfassung über die Republik als Staatsform sowie die Vorschriften über die Prinzipien der Republik in Artikel 2 und diejenigen des Artikels 3 sind unabänderlich, das Einbringen eines Änderungsvor- schlages ist unzulässig."; Ebenda, Seite 2.

7 Die Begründung dieses Beschlusses wurde am 22.10.2008, das heißt 4 Monate nach der Verkündung des Ur- teils, veröffentlicht. Dies ist ein klarer Verfassungsbruch. Nach Artikel 153 der Verfassung heißt es: „Die Nicht- igkeitsurteile dürfen erst veröffentlicht werden, wenn die Begründung schriftlich vorliegt."; Ebenda, Seite 37. Des Weiteren handelt es sich um einen Verfassungsbruch, da nach Artikel 148 der Verfassung das Verfassungs- gericht Verfassungsänderungen nicht inhaltlich bewerten und überprüfen darf. „Die Verfassungsänderungen untersucht und überprüft es nur im Hinblick auf die Form."; Ebenda, Seite 36.

8 Der Antrag wurde am 14.03.2008 vom Generalstaatsanwalt des Kassationgerichthofes Abdurrahman Yalcinkaya gestellt.

9 Am 30.07.2008 wurde das Urteil vom Vorsitzenden des Verfassungsgerichts Haşim Kılıç verkündet. Die Begründung des Urteils folgte 3 Monate später am 24.10.2008 und wurde in der Resmi Gazete Nr. 27034 veröffentlicht.
http://rega.basbakanlik.gov.tr/main.aspx?home=http://rega.basbakanlik.gov.tr/eskiler/2008/10/20081022.htm&main=http://rega.basbakanlik.gov.tr/eskiler/2008/10/20081022.htm , eingesehen am 24.10.2008.

10 Resmi Gazete, Sayı: 27034, 24. Ekim 2008, Anayasa Mahkemesi Kararı, Seite 485, übersetzt von der Autorin.

11 Bis in die 1980er Jahre gab es in der Türkei als islamische Kopf- beziehungsweise Körperbedeckung von Frauen das Kopftuch und die Ganzkörperverschleierung (auf türkisch wird diese Verschleierung Çarşaf/Betttuch genannt). Als neue Variante entwickelte sich der so genannte Türban. Dies ist ein kompliziert gebundenes Tuch um den Kopf, das nur das Gesicht offen läßt, Haare, Hals und Nacken komplett verdeckt aber auch als modisches Assecoire vielfältig geschmückt ist. Wenn in dieser Arbeit der Begriff Kopftuch gebraucht wird, ist damit sowohl der Türban als auch das normal locker gebundene Kopftuch gemeint.

12 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 01.03.2008, Seite 1.

13 Siehe:http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch/pressemitteilungen/kammeru rteile/Tuerkei/index.asp, eingesehen am 22.01.2009.

14 Siehe: http://hdrstats.undp.org/countries/country_fact_sheets/cty_fs_TUR.html, eingesehen am 22.01.2009.

15 Ziel der MEPI war es, Reformbewegungen in Ländern des erweiterten Mittleren Ostens voranzutreiben. Als Schwerpunkte der MEPI wurden genannt: Verbesserung der Bildungschancen für Frauen, Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen und des freien Handels in der Region sowie die demokratische Entwicklung. Siehe: http://mepi.state.gov/, eingesehen am 22.01.2009.

16 Im Rahmen des G-8 Treffens 2004 in Sea Island wurde auf Initiative der USA eine abgemilderte Version der GMEI als BMENA von den G-8 Staaten angenommen. BMENA ist eine partnerschaftliche Kooperation zwi- schen den G-8 Staaten und 22 Ländern des Nahen und Mittleren Ostens (arabische Staaten, Afghanistan, Pakis- tan, Iran und Türkei). Ziel ist es, die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklung dieses Groß- raums durch gemeinschaftliche Projekte voranzutreiben. Siehe: http://bmena.state.gov/, eingesehen am 20.01.2009.

17 Die Initiative AoC wurde am 14.07.2005 vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan zur UN Initiative proklamiert. „The Alliance of Civilizations (AoC) aims to improve understanding and cooperative relations among nations and peoples across cultures and religions and, in the process, to help counter the forces that fuel polarization and extremism."; Siehe: http://www.unaoc.org/, eingesehen am 13.07.2008.

18 Eine knappe politische Bewertung des Verbotsverfahrens bietet Dirk Tröndle von der Konrad Adenauer Stif- tung in seinem Artikel: Das Verbotsverfahren gegen die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die türkische Regierungspartei.

19 Da diese Dokumente bisher nur in türkischer Sprache existieren, werden die in dieser Arbeit daraus verwende- ten Zitate von mir ins Deutsche übersetzt.

20 Hürriyet ist eine der größten Zeitungen der Türkei und im Besitz der Dogan Medya Group. Ihr gehört das umfangreichste digitale Zeitungsarchiv der Türkei.

21 Speziell die Veröffentlichungen von Poyraz sind trotz ihrer politisch gefärbten Subjektivität und ihres populis- tischen Inhalts relevant in der Bewertung der politischen Entwicklung. Einige der in seinen Büchern formulierten haltlosen Vorwürfe gegen die AKP wurden von der Staatsanwaltschaft als Beweismaterial im Verbotsantrag hinzugezogen. In der Anklageschrift des Oberstaatsanwalts des Kassationsgerichts wurden (allerdings nicht ausgewiesene aber eindeutige) Zitate, als Beweismaterial aus den Büchern von Poyraz verwendet.

22 In seinem Beitrag „Die Türkei auf dem Weg in die nach-kemalistische Republik"; befasst sich Kramer dezi- diert mit der AKP. Seiner These nach hat sich die AKP unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan ent- schlossen, die demokratische Umgestaltung der Türkei voranzutreiben. Ob die AKP mit ihrer angestrebten Poli- tik tatsächlich erfolgreich sein wird, wird im entscheidenden Maße davon abhängen, ob sie die politischen Wi- derstände der nationalistischen und kemalistischen Kreise durch ihren enormen Rückhalt im Großteil der Bevöl- kerung zurückdrängen kann.

23 Siehe: http://www.freedomhouse.org/uploads/special_report/65.pdf, eingesehen am 06.09.2008.

24 Siehe: http://ec.europa.eu/enlargement/press_corner/key-documents/reports_nov_2007_en.htm, eingesehen am 10.05.2008.

25 Zu İHD siehe: http://www.ihd.org.tr/, eingesehen am 13.07.2008.

26 Da in der wissenschaftlichen Diskussion der Begriff islamistisch unterschiedlich konnotiert ist, wird kurz die Definition, auf die sich diese Arbeit bezieht, vorgestellt: Der Begriffe islamistisch ist deutlich von dem Begriff islamisch zu unterscheiden. Islamistisch wird als religiöser Fundamentalismus definiert. Siehe hierzu: Marty/Appleby (Hrsg.): The Fundamentalism Project, American Academy of Arts and Sciences, 5 Bände, Chicago 1991-1995 und http://www.amacad.org/projects/1990s_hc.aspx, eingesehen am 04.06.2009. Siehe auch die verschiedenen Monografien und Aufsätze von Gilles Kepel, ein renommierter Forscher zum Thema des islamischen Fundamentalismus. http://moyen-orient.sciences-po.fr/fr/cv/GillesKepel.htm, eingesehen am 04.06.2009.

27 Die drei Demokratisierungswellen nach Huntington: Die erste Demokratisierungswelle begann nach dem 1. Weltkrieg, die zweite nach dem 2. Weltkrieg und die 3. Demokratisierungswelle im Jahr 1974. Die meisten Zugewinne fanden zwischen den Jahren 1990-1996 statt.

28 Der Transformationsprozess kann in zwei Sequenzen unterteilt werden: Transition und Konsolidierung. Transition bezeichnet den Prozess der Ablösung nicht demokratischer Institutionen und die Einführung demokratischer Institutionen und Verfahren. In der Phase der Konsolidierung werden die Minimalbedingungen von Demokratie dauerhaft gesichert und dazu gebracht effektiv zu funktionieren.

29 Freedom House ist eine amerikanische Forschungseinrichtung, die seit Beginn der 1970er Jahre versucht, den Stand der Demokratie und Freiheit in allen souveränen Staaten der Gegenwart systematisch und regelmäßig zu erfassen. Meßlatte für Freedom House ist die Bewertung des Standes der politischen Rechte (political rights) und der Bürgerrechte (civil rights). Elektorale Demokratien sind nach Freedom House politische Regime, in denen der Herrschaftszugang über freie und faire Wahlen reguliert wird.

30 Merkel/Puhle/Croissant/Eicher/Thiery: Defekte Demokratie, Band 1: Theorie, 2003, Seite100.

31 In der von der Bertelsmann Stiftung herausgegebenen Studie: Bertelsmann Transformation Index 2008, wird die Türkei ebenfalls eindeutig als defekte Demokratie bewertet (siehe Seite 140).

32 Siehe: Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien, Eine Einführung, 2006, Seite 398.

33 Der Begriff embedded bezieht sich sowohl auf die interne Einbettung und Verschränkung der demokratischen Teilregime, als auch auf das soziale, ökonomische, kulturelle und internationale Umfeld der Gesellschaft.

34 Die drei Demokratiedimensionen sind: Gleichheit, Freiheit und Kontrolle.

35 Merkel/Puhle/Croissant/Eicher/Thiery: Defekte Demokratie, 2003, Seite 47.

36 Ebenda, Seite 290.

38 Ebenda, Seite 54.

39 Ebenda, Seite 55.

40 Liberale Demokratie bezeichnet in diesem Zusammenhang ein System, welches in den drei Demokratiedimensionen die „institutionellen Bedingungen zur Verwirklichung der genannten Prinzipien liberaldemokratischer Herrschaft aufweist."; Aurel Croissant: Von der Transition zur defekten Demokratie, 2002, Seite 33.

41 Ebenda, Seite 32.

42 Merkel/Puhle/Croissant/Eicher/Thiery: Defekte Demokratie, 2003, Seite 65.

43 Unter Einschränkung der Pressefreiheit sind unter anderem Zensur, Einschüchterung, schärfere Pressegesetze, ökonomische Einflussnahme und Selbstzensur zu fassen.

44 Merkel/Puhle/Croissant/Eicher/Thiery: Defekte Demokratie, 2003, Seite 67.

45 Ebenda, Seite 92.

46 40 Mitglieder dieses Gremiums wurden direkt von dem MGK ernannt. Für die restlichen 120 Sitze wurden dem MGK von den Gouverneuren pro Sitz drei Kandidaten vorgeschlagen, von denen einer von dem MGK ausgewählt wurde. Die Danışma Meclis bestand de facto vollständig aus Mitgliedern, die vom MGK eingesetzt waren und so lag die endgültige Entscheidungsgewalt in den Händen des MGK. Siehe: Kenan Evren: Kenan Evren'in Anıları, Band 2, 1990, Seite 358.

47 Siehe: Ebenda, Seite 359.

48 Kenan Evren: Kenan Evren'in Anıları, Band 3, 1990, Seite 199, Seite 261 und 274.

49 Vgl.: Geçici Madde 1, TC Anayasasi 1982, Cark Kitabevi Yayinlari, Ankara 1990, Seite 112.

50 Vgl.: Geçici Madde 2, Ebenda Seite 113.

51 Dieser Artikel wurde mit einem Gesetz vom 17.5.1987, das durch ein Referendum am 6.9.1987 bestätigt wurde, ersatzlos gestrichen.

52 Siehe: T.C. Anayasası 1982, Seite 112-118.

53 Feridun Aksin (Hrsg.): Cumhuriyetin 75 yılı, 1979-1997, 1998, Seite 842.

54 Bei diesen Verfassungsänderungen wurden insgesamt 83 Artikel verändert. Siehe: http://www.anayasa.gen.tr/1982ay.htm, eingesehen am 30.03.2009.

55 So wird in der Verfassung in Artikel 104 unter anderem „die Rücksendung der Gesetze an die Große Natio- nalversammlung der Türkei zur erneuten Verhandlung, die Vorlage von Gesetzen im Zusammenhang mit Verfas- sungsänderungen zur Volksabstimmung, wenn der Staatspräsident dies für erforderlich hält, die Erhebung einer Anfechtungsklage vor dem Verfassungsgericht wegen eines formellen oder materiellen Verstoßes von Gesetzen, Rechtsverordnungen mit Gesetzeskraft, der Geschäftsordnung der Großen Nationalversammlung der Türkei gegen die Verfassung oder bestimmte ihrer Vorschriften, die Entscheidung über die Anberaumung von Neuwah- len zur Großen Nationalversammlung der Türkei, [...] die Ernennung des Generalstabchefs, die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates, der Vorsitz im Nationalen Sicherheitsrat"; zu seinen Aufgaben gezählt. Die Verfas- sung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 24-25, http://www.tuerkeirecht.de/Verfassung.pdf, eingese- hen am 28.03.2009.

56 In Artikel 2 heißt es: „Die Republik Türkei ist ein im Geiste des Friedens, der Gemeinschaft, der nationalen

Solidarität und der Gerechtigkeit die Menschenrechte achtender, dem Nationalismus Atatürks verbundener und auf den in der Präambel verkündeten Grundprinzipien beruhender demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat."; Ebenda: Seite 1.

57 Das DIB ist nach der Verfassung (Artikel 136) Teil der Allgemeinen Verwaltung. Sie untersteht dem Ministerpräsidenten und ist sowohl was das Budget, als auch die Beschäftigtenzahl betrifft eine der größten staatlichen Organisationen der Türkei. Siehe: http://www.diyanet.gov.tr/turkish/default.asp, eingesehen am 31.03.2009.

58 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 14. http://www.tuerkeirecht.de/Verfassung.pdf, eingesehen am 28.03.2009.

59 Ebenda, Seite 16.

60 Ebenda, Seite 16.

61 So wurde zum Beispiel der kurdischen Parlamentsabgeordneten, Aachener Friedenspreisträgerin und Nominierten für den Friedensnobelpreis, Leyla Zana durch ihre Verurteilung wegen „Landesverrats und Unterstützung einer terroristischen Organisation"; zu 15 Jahren Haft, die Möglichkeit sich je wieder zur Wahl zu stellen genommen. Ihr Vergehen lag darin, ihrem Amtseid den kurdischen Satz: „Es lebe die Freundschaft zwischen dem türkischen und dem kurdischen Volk"; hinzuzufügen. Siehe:http://www.aachener-friedenspreis.de/preistraeger/1995.html, eingesehen am 27.03.2009.

62 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 14.

63 Vgl.: http://nkg.tuik.gov.tr/goster.asp?aile=3, eingesehen am 30.03.2009.

64 Siehe: Artikel 33. http://www.anayasa.gen.tr/2839sk.htm, eingesehen am 25.03.2009.

65 Siehe: http://www.belgenet.net/ayrinti.php?yil_id=14, eingesehen am 30.03.2009.

66 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 5.

67 Ebenda: Seite 5-6.

68 Vgl.: Artikel 5 und 18 des „Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland";.

69 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 8.

70 Ebenda, Seite 8.

71 So werden im Grundgesetz Deutschlands zum Beispiel die Freiheitlichen Grundrechte ohne jegliche Einschränkung aufgeführt und die Beschränkungen werden in einem gesonderten Artikel (Nr. 18) einheitlich für alle Artikel geregelt. Einschränkungen der Freiheitsrechte werden nur im Falle des Missbrauchs „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung"; vorgenommen. Siehe: http://www.bundestag.de/parlament/funktion/gesetze/Grundgesetz/gg_01.html,eingesehen am 28.03.2009.

72 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 1.

73 Hinsichtlich der Meinungsfreiheit stellt der Fortschrittsbericht 2007 der EU-Kommission fest: „Die Zahl der strafrechtlich Verfolgten verdoppelte sich 2006 fast gegenüber dem Vorjahr und 2007 nahm die Zahl der Strafverfahren weiter zu. Mehr als die Hälfte dieser Anklagen stützten sich auf das türkische Strafgesetzbuch, insbesondere auf Artikel 301, der die Beleidigung des Türkentums, der türkischen Republik sowie ihrer Organe und Institutionen unter Strafe stellt."; Fortschrittsbericht 2007, Seite 16. Siehe: http://ec.europa.eu/enlargement/press_corner/key-documents/reports_nov_2007_en.htm, eingesehen am 23.11.2008.
Am 30. April 2008 wurden Änderungen an dem Artikel 301 durchgesetzt: Anstelle des Wortes „Türkentum"; wurden die Begriffe „Türkische Nation, Staat Republik Türkei, TBMM, die Regierung und die Justizorgane"; eingesetzt und die Höchststrafe wurde von 3 auf 2 Jahre verkürzt. Ein 4. Artikel wurde hinzugefügt, laut dem, zur Eröffnung einer Untersuchung betreffend dem Paragraphen 301 die Erlaubnis des Justizministers eingeholt werden muss. Trotz der Verbesserungen bemängelt der Fortschrittsbericht 2008 den Paragraphen weiterhin, da die Änderungen nicht ausreichend sind und immer noch Menschen auf Grundlage des Paragraphen verurteilt werden. Vgl: Fortschrittsbericht 2008, Seite 69, http://ec.europa.eu/enlargement/press_corner/key-documents/reports_nov_2008_en.htm, eingesehen am 30.03.2009.

74 Die Aleviten sind eine religiöse Minderheit in der Türkei. „Aleviten: Seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlicher Name für die schiitische Gruppe der Qızılbaş in Anatolien; ursprünglich mit der Zwölfer-Schia verwandt, haben die anatolischen (arabischen, türkischen und kurdischen) Aleviten eine eigenständige kultische Form entwi- ckelt."; Reinhard Schulze: Geschichte der islamischen Welt im 20. Jahrhundert, 2002, Seite 450.

75 Es existiert in der Türkei weder ein Gesetz noch ein Verfassungsartikel, der das Tragen von Kopftüchern von Zivilpersonen verbietet, doch durch das praktizierte Verbot zum Beispiel an Universitäten, durch YÖK- und Rektoren-Beschlüsse ist das Verbot von Kopftüchern de facto zum Gewohnheitsrecht geworden. Für Staatsbedienstete gibt es eine „Richtlinie für die Bekleidung und das Auftreten des Personals, das in öffentlichen Institutionen und Betrieben arbeitet";, dabei handelt es sich um einen Ministerratsbeschluss vom 16. Juli 1982, der Staatsbediensteten unter anderem das Kopftuchtragen verbietet. Siehe: http://mevzuat.meb.gov.tr/html/17849_0.html, eingesehen am 25.05.2009.

76 RTÜK ist in Artikel 133 der Verfassung festgeschrieben. RTÜK ist die staatliche Kontrollinstanz der Radio und Fernsehsender, die sowohl Geldstrafen als auch die Schließung der Anstalten als Sanktionen verhängen kann. Siehe: http://www.rtuk.org.tr/sayfalar/IcerikGoster.aspx?icerik_id=1a6953ec-718e-41ff-9fc7-5ff8156cb56f, eingesehen am 14.04.2009.

77 Auf der Internet Seite von bianet (ein von der EU gefördertes alternatives Mediennetzwerk) sind so genannte Mediya Gözlem Raporu (Medien-Beobachtungs-Berichte) einzusehen, die sämtliche Verurteilungen, Verbote, Anklagen, Gewalt und Drohungen gegen die Medien auflisten. Im Bericht von 2007 wird aufgelistet, dass insgesamt 254 Personen und sechs Medienorgane vor Gericht gestellt wurden. Siehe: http://bianet.org/bianet/kategori/bianet/104186/bia-yillik-medya-gozlem-raporu-2007, eingesehen am 14.04.2009.

78 Zu den individuellen Rechten zählen: Lebensrecht (Artikel 17), Freiheitsrecht (Artikel 19) und Eigentumsrecht (Artikel 35). Zu den bürgerlichen Rechten zählen: Gleicher Zugang zur Justiz und Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 36).

79 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 3.

80 Siehe: http://www.hurriyet.com.tr/gundem/10094339.asp?gid=233&sz=87261, eingesehen am 29.03.2009.

81 http://www.amnesty.org/en/region/turkey/report-2008, eingesehen am 29.03.2009.

82 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 2.

83 Das Verfassungsgerichtsurteil ist einzusehen unter:

http://www.anayasa.gov.tr/eskisite/KARARLAR/IPTALITIRAZ/YD/k-2008-16yd.htm, eingesehen am 26.03.2009.

84 Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 2.

85 Siehe: Die Erklärung des Milli Güvenlik Konseyi Nr.1, am 12.09.1980 in: Kenan Evren'in Anıları, Band 1, 1990, Seite 546-547, übersetzt von der Autorin.

Die türkische Armee ist der Soldatenzahl nach die zweitstärkste Armee in der NATO (nach den USA) und zehntstärkste der Welt (circa 665.000 Soldaten, davon ungefähr 100.000 Berufssoldaten). Siehe dazu: http://www.delinetciler.net/forum/bilgi-merkezi/64325-turk-silahli-kuvvetleri-turkiyenin-askeri-gucu.html, ein- gesehen am 26.05.2009. Die Armeeausgaben sind im jährlichen Staatsetat der größte Posten und umfassen etwa 15 bis 20%. Unter den OECD und NATO Ländern nimmt die türkische Armee in dieser Hinsicht den ersten Rang ein. Im staatskapitalistischen Sektor ist die Armee der bedeutendste Arbeitgeber des Landes. Nach dem Putsch 1960 gründete die Armee eine Wirtschaftsinstitution namens Ordu Yardimlasma Kurumu/OYAK (Insti- tution der Armee für gegenseitige Hilfe). Diese Organisation, die ursprünglich durch Zwangs-Mitgliedsabgaben aller Offiziere als eine Art Konsum-Kooperative gegründet wurde, ist heute eine der größten und profitreichsten Holdings der Türkei, die in fast alle Bereiche der Wirtschaft involviert ist. Siehe: http://www.oyak.com.tr/OyakWEBTR/faaliyet_raporlari.jsp, eingesehen am 26.05.2009.
Armeeangehörige und ihre Familien kommen zudem in den Genuss zahlreicher Privilegien, die dem Zivilbürger verwehrt sind. Die Armee verfügt zum Beispiel über eigene Krankenhäuser, Einkaufszentren, Ferienanlagen und Wohnhäuser.

86 Seihe: Letzter Satz des Artikels 122. Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 29.

87 Siehe: Artikel 120. Ebenda, Seite 28.

88 Siehe: Artikel 118. Ebenda, Seite 28.

89 Siehe: Artikel 129. Ebenda, Seite 31.

90 Siehe: Artikel 6 des Yüksekögretim Kanunu. http://www.yok.gov.tr/mevzuat/kanun/kanun2.html, eingesehen am 28.03.2009.

91 Siehe: Artikel 132. Die Verfassung der Republik Türkei, Stand 06.06.2008, Seite 32.

92 Siehe: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2009 zu dem Fortschrittsbericht 2008 über die Türkei,http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2009-0134+0+DOC+XML+V0//DE, eingesehen am 28.03.2009.

93 Siehe alle Parteien unter: http://www.byegm.gov.tr/on-sayfa/siyasipartiler/siyasi-partiler.html, eingesehen am 12.05.2009. Die am 25. Mai 2009 neu gegründete Türkiye Partisi von Abdüllatif Şener wird in dieser Liste noch nicht aufgeführt.

94 Sosyal Demokrat Halk Partisi (SHP), Anavatan Partisi (ANAP), Milliyetçi Hareket Partisi(MHP), Liberal Demokrat Parti (LDP), Demokratik Sol Parti (DSP), Demokratik Toplum Partisi (DTP), İşçi Partisi (İP),
Cumhuriyet Halk Partisi (CHP), Hak ve Özgürlükler Partisi (HAK-PAR), Büyük Birlik Partisi (BBP), Barış ve Demokrasi Partisi (BDP), Millet Partisi (MP), Özgürlük ve Dayanışma Partisi (ÖDP), Türkiye Komünist Partisi (TKP), Genc Parti (GP), Demokrat Parti (DP), Saadet Partisi (SP), Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP), Bağımsız Türkiye Partisi (BTP), Emek Partisi (EMEP), Halkın Yükselişi Partisi (HYP). Siehe: 29 Mart 2009 Mahalli İdareler Secimlerine Katilacak Siyasi Partilerin Birlesik oy Pusulasindaki Yerleri, http://www.ysk.gov.tr/ysk/index.html , eingesehen am 12.04.2009. Eine kurze Vorstellung und Charakterisierung der 21 zugelassenen Parteien ist im Anhang dieser Arbeit (13.4) nachzulesen. Die AKP wird nicht erwähnt, da die ausführliche Behandlung der AKP in Abschnitt sechs der Arbeit erfolgt.

95 Yerel Seçim Stratejimiz Belirlendi, http://www.gencturkgucu.org/?p=973, eingesehen am 12.04.2009, übersetzt von der Autorin.

Final del extracto de 135 páginas

Detalles

Título
Die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP). Chance für eine Demokratisierung oder Gefahr der Islamisierung der Türkei?
Universidad
Free University of Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Calificación
1,3
Autor
Año
2009
Páginas
135
No. de catálogo
V156194
ISBN (Ebook)
9783640694655
ISBN (Libro)
9783640695713
Tamaño de fichero
1350 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Türkei, AKP, Islamisierung, Demokratisierung, Defekte Demokratie, Kemalismus
Citar trabajo
Deniz Kauffmann (Autor), 2009, Die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP). Chance für eine Demokratisierung oder Gefahr der Islamisierung der Türkei?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156194

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