Die Adalet ve Kalkınma Partisi spielt seit ihrem Wahlsieg am 3. November 2002 eine zentrale Rolle, nicht nur in der Parteienlandschaft der Türkei, sondern auch als Regierungspartei, die Motor für die Bestrebungen des EU-Beitritts und der Entwicklung der Türkei zur regionalen Hegemonialmacht ist. Die bisherigen politischen Auseinandersetzungen der Parteien in der Türkei haben sich seit der Regierungsübernahme der AKP zu einem tiefgreifenden, fundamentalen, polarisierenden, die weitere Entwicklung zentral beeinflussenden Machtkampf zwischen zwei Hauptlagern zugespitzt.
Die AKP-Anhänger und Befürworter sehen die Türkei auf dem Weg zur liberal verfassten rechtsstaatlichen Demokratie und die AKP als die treibende Kraft in diesem Prozess.
Für das breit gefächerte Parteienspektrum der AKP-Gegner, das die Interessen der kemalistischen Elite und Staatsbürokratie vertritt, befindet sich die Demokratie, vor allem der Laizismus in der Türkei, in höchster Gefahr. Die AKP wird als eine islamistische Partei begriffen, deren Intention die Einführung der Scharia als Staatsrecht und die Transformation der Türkei in einen islamistischen Staat sei.
Der Ansatz der Arbeit geht davon aus, dass für die Beantwortung der Frage, ob sich die Türkei unter der Regierung der AKP auf dem Weg zur liberalen rechtsstaatlichen Demokratie befindet oder in Richtung eines Scharia-Staates bewegt, eine genaue Bestimmung der Verfassungsrealität der Türkei von Nöten ist.
Den ersten Teil der Arbeit bildet die Vorstellung des Demokratiekonzepts der „defekten Demokratie“ von Wolfgang Merkel, Hans-Jürgen Puhle, Aurel Croissant, Claudia Eicher und Peter Thiery, da dies meiner Ansicht nach geeignet ist, die Türkei in politikwissenschaftliche theoretische Kategorien einzuordnen.
Es folgt die Vorstellung der Verfassung und der Verfassungswirklichkeit der Türkischen Republik.
Eine Analyse der heutigen Parteienlandschaft schließt sich an. Im folgenden Abschnitt der Arbeit wird detailliert auf die Entwicklung der islamischen Bewegung bis hin zur Gründung der AKP eingegangen. Es folgt die Untersuchung der AKP, ihres Programms und ihrer Politik. Die politischen Ereignisse, die zum Verbotsantrag führten, werden konkret referiert und der Verbotsprozess sowie dessen Urteil analysiert. In diesem Kontext erfolgt als Abschluss ein Ausblick auf den anzunehmenden Verlauf der zukünftigen politischen Entwicklungen innerhalb der Türkei.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Methodisches Vorgehen
- 1.2 Forschungsstand
- 2. Theoretisches Kapitel: Defekte Demokratie
- 2.1 „Embedded Democracy“
- 2.2 Teilregime
- 2.2.1 Wahlregime
- 2.2.2 Politische Teilhaberechte
- 2.2.3 Bürgerliche Freiheitsrechte
- 2.2.4 Horizontale Gewaltenkontrolle
- 2.2.5 Effektive Regierungsgewalt
- 2.3 Defekte Demokratie
- 2.3.1 Exklusive Demokratie
- 2.3.2 Illiberale Demokratie
- 2.3.3 Delegative Demokratie
- 2.3.4 Enklavendemokratie
- 3. Politisches System der Türkei
- 3.1 Verfassung der Türkei
- 3.2 Teilregime
- 3.2.1 Wahlregime
- 3.2.2 Politische Teilhaberechte
- 3.2.3 Bürgerliche Freiheitsrechte
- 3.2.4 Horizontale Gewaltenkontrolle
- 3.2.5 Effektive Regierungsgewalt
- 4. Heutige Parteienlandschaft
- 5. Islamische Bewegung: Entwicklung vom Außenseiter zur Gegenelite
- 5.1 Vorrepublikanische Zeit
- 5.2 1923-1950 Alleinherrschaft der CHP
- 5.3 DP Regierung - Putsch 1960 - AP Regierung
- 5.4 Milli Görüş Hareketi - Milli Nizam Partisi
- 5.5 Milli Selamet Partisi
- 5.6 Refah Partisi
- 5.7 Fazilet Partisi
- 6. AKP
- 6.1 Gründung der AKP
- 6.2 Programm der AKP
- 6.2.1 Politische Teilhaberechte
- 6.2.1.1 Kommunikations- und Pressefreiheit
- 6.2.1.2 Meinungs- und Überzeugungsfreiheit
- 6.2.1.3 Assoziations-, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit
- 6.2.2 Bürgerliche Freiheitsrechte
- 6.2.2.1 Folter und extralegale Aktionen
- 6.2.2.2 Minderheitenrechte
- 6.2.2.3 Religions- und Gewissensfreiheit
- 6.2.3 Horizontale Gewaltenkontrolle
- 6.2.4 Effektive Regierungsgewalt
- 6.3 Gegenelite auf dem Weg an die Macht
- 6.3.1 Triumph der AKP bei den Wahlen 2002
- 6.4 AKP in der Regierungsverantwortung
- 6.4.1 Weg von Recep Tayyip Erdoğan zur Ministerpräsidentschaft
- 6.4.2 Politik der neuen Elite (2003-2007)
- 6.4.3 AKP als Vermittler zwischen den Kulturen
- 6.4.4 Reformen und Umsetzung des AKP Regierungsprogramms
- 6.4.4.1 Politische Teilhaberechte
- 6.4.4.1.1 Kommunikations- und Pressefreiheit
- 6.4.4.1.2 Meinungs- und Überzeugungsfreiheit
- 6.4.4.1.3 Assoziations-, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit
- 6.4.4.2 Bürgerliche Freiheitsrechte
- 6.4.4.2.1 Folter und extralegale Aktionen
- 6.4.4.2.2 Minderheitenrechte
- 6.4.4.2.3 Religions- und Gewissensfreiheit
- 6.4.4.3 Horizontale Gewaltenkontrolle
- 6.4.4.4 Effektive Regierungsgewalt
- 6.5 Auseinandersetzung zwischen alter und neuer Elite
- 6.5.1 Erster Kopftuchstreit
- 6.5.2 Widerstände der Staatselite gegen die AKP-Regierung
- 6.5.3 Sieg der AKP bei den Regionalwahlen 2004
- 6.5.4 Zweiter Kopftuchstreit
- 6.5.5 Differenzen um die Lösung des Kurdenproblems
- 6.5.6 Fall Şemdinli
- 6.5.7 Dritter Kopftuchstreit
- 6.5.8 Verschärfung der Auseinandersetzungen
- 6.5.8.1 Bombenanschläge und bewaffnete Überfälle
- 6.5.8.2 Ermordung von Hrant Dink
- 6.5.9 Kampf um das Staatspräsidentenamt
- 6.5.9.1 Eskalation des Streits
- 6.5.9.2 Verfassungsgerichtsentscheid und Neuwahlbeschluss des Parlaments
- 6.5.9.3 Parlamentswahl und die Wahl von Abdullah Gül
- 6.5.10 Streit um die neue Verfassung
- 6.5.11 Ergenekon Operation
- 6.5.12 Vierter Kopftuchstreit und Verfassungsänderung
- 6.5.13 Verbotsantrag und Urteil zur Verfassungsänderung
- 7. Verbotsverfahren
- 7.1 Urteil im Verbotsverfahren
- 8. Resümee und Ausblick
- Die Entwicklung der AKP als politische Kraft in der Türkei
- Die politische Programmatik der AKP im Vergleich zur türkischen Verfassung
- Der Machtkampf zwischen AKP und ihren politischen Gegnern
- Die Rolle des Islams in der türkischen Politik und die AKP-Politik im Kontext des islamischen Einflusses
- Die Bedeutung der AKP für die Demokratie und die säkulare Ordnung in der Türkei
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP) in der Türkei und untersucht deren Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes. Im Fokus steht dabei die Frage, ob die AKP eine Chance für die Demokratisierung der Türkei darstellt oder ob sie eine Gefahr für die säkulare Ordnung und die Demokratie birgt.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und beschreibt die methodische Vorgehensweise und den Forschungsstand. Im zweiten Kapitel wird das Konzept der „defekten Demokratie“ analysiert, das als theoretischer Rahmen für die Untersuchung der politischen Situation in der Türkei dient. Das dritte Kapitel widmet sich dem politischen System der Türkei, einschließlich der Verfassung und der verschiedenen Teilregime. Das vierte Kapitel beleuchtet die heutige Parteienlandschaft in der Türkei. Das fünfte Kapitel beschreibt die Entwicklung der islamischen Bewegung in der Türkei vom Außenseiter zur Gegenelite. Das sechste Kapitel behandelt die AKP im Detail, einschließlich ihrer Gründung, ihres Programms, ihrer Politik und ihrer Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern. Das siebte Kapitel fokussiert auf das Verbotsverfahren gegen die AKP. Das achte Kapitel bietet ein Resümee und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Türkei.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit sind die Demokratisierung der Türkei, die AKP, Islamismus, säkulare Ordnung, politische Teilhaberechte, bürgerliche Freiheitsrechte, horizontale Gewaltenkontrolle, effektive Regierungsgewalt, Verfassungsrecht, Parteiensystem, Wahlsystem und die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU.
- Citar trabajo
- Deniz Kauffmann (Autor), 2009, Die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP). Chance für eine Demokratisierung oder Gefahr der Islamisierung der Türkei?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156194