Auf ihrem Höhepunkt Anfang der fünfziger Jahre erfuhren die seit Jahren in Osteuropa andauernden stalinistischen Parteisäuberungen eine kaum verhohlene antisemitische Ausrichtung. Auch in der DDR wurden hohe Parteimitglieder öffentlich angeklagt, im Dienste des Zionismus und der USA-Finanzoligarchie die Ausplünderung Deutschlands ins Werk gesetzt zu haben. Zentrales Thema der vorliegenden Ausarbeitung ist die Frage, wie die Vorwürfe dieser Art in dem deutschen Teilstaat, der sich als sozialistischer und antifaschistischer Staat verstand, entstehen konnten.
Der größte Teil der Information zu diesem Thema beruht auf der im Jahr 2002 verfassten Dissertation von Thomas Haury. Er wurde 1959 geboren, studierte Soziologie und Geschichte und ist zur Zeit in verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig.
Im ersten Teil der Ausarbeitung wird die politische Situation in den Staaten Osteuropas in den 40-er und Anfang der 50-er Jahre dargestellt. Einen Brennpunkt bildete die Frage der deutschen Schuld sowie die Wiedergutmachung und Rückerstattung jüdischen Vermögens.
Kapitel zwei behandelt die Umwandlung der SED zur einer „Partei neuen Typs“. Hier werden von der SED propagiertes Weltbild – Nationalismus - und die nationale Befreiungskampf vorgestellt und auf ihre Affinitäten zu antisemitischen Denkmustern untersucht.
Ziel der Säuberungen innerhalb der Parteien besonders durch das Instrument der ZPKK war das sozialistische Regime auf deutschem Boden endgültig zu festigen. Dabei wurden die potentiellen Gegner und Gruppierungen schnell ausgemacht. So führte Anfang der 50-er Jahre ein zuerst aus dem Stalin-Apparat angeleiteter erneuter Antisemitismus zu einer zunehmenden Fluchtbewegung der jüdischen Bevölkerung von Ost- nach Westdeutschland. Auf die Repressalien gegenüber der politischen Gegnern, besonders aber gegen Mitglieder der jüdischen Gemeinden und derjenigen, die diese unterstützten, wird im dritten Teil des Textes genau eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Zur allgemeinen politischen Situation in den Ostblockstaaten kurz vor Kriegsende bis Mitte der 50-er Jahre
- 1.1 Die Politik der KPD/SED zum Völkermord an den Juden, Schuld und Wiedergutmachung
- 1.2 Die politische Stellung der SED zu Israel
- 1.3 Parteisäuberungen und Schauprozesse in den Ostblockstaaten von 1945 bis 1953. Der Prozess gegen R. Slansky
- 2. Nationalismus
- 2.1 Die SED Ideologie der „Säuberungsphase“
- 2.2 Der nationale Befreiungskampf gegen den Imperialismus und die vaterlandlosen Finanzkapitalisten
- 3. Antisemitismus in der DDR am Anfang der 50-er Jahre
- 3.1 Antisemitischer Antizionismus - die Radikalisierung der Säuberungen 1952-1953
- 3.2 Die antisemitisch - antizionistische Welle im Frühjahr 1953. Flucht nach Westdeutschland
- 3.3 Wiedergutmachung - seit 1950 ein Fall für die ZPKK
- 3.4 Antisemitismus ohne Stalin
- 4. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entstehung und Ausprägung von Antisemitismus in der DDR während der frühen 1950er Jahre. Im Fokus steht die Frage, wie antisemitische Vorwürfe in einem Staat, der sich als sozialistisch und antifaschistisch verstand, überhaupt möglich waren.
- Politische Situation in den Ostblockstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg und die Frage der deutschen Schuld und Wiedergutmachung
- Die Entwicklung der SED-Ideologie zur „Partei neuen Typs“ und die Rolle des Nationalismus im antisemitischen Diskurs
- Die Radikalisierung der Säuberungsprozesse durch antisemitische und antizionistische Propaganda
- Die Fluchtbewegung jüdischer Bürger aus der DDR und die Repressalien gegenüber jüdischen Gemeinden und ihren Unterstützern
- Der Einfluss des Stalinismus und der ZPKK (Zentrale Parteikontrollkommission) auf die Entstehung und Verbreitung von Antisemitismus in der DDR
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Darstellung der politischen Situation in den Ostblockstaaten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei wird die Position der KPD/SED zum Völkermord an den Juden und die Frage der Schuld und Wiedergutmachung beleuchtet. Die Rolle der Sowjetunion und der Moskauer KPD wird dabei ebenso untersucht wie die Entwicklung einer abweichenden Position innerhalb der mexikanischen Exilgruppe der KPD unter der Leitung von Paul Merker.
Kapitel zwei beschäftigt sich mit der Umwandlung der SED zur „Partei neuen Typs“. Hier werden die von der SED propagierte Ideologie des Nationalismus und der nationale Befreiungskampf vorgestellt und auf ihre Affinitäten zu antisemitischen Denkmustern untersucht.
Das dritte Kapitel analysiert den Antisemitismus in der DDR am Anfang der 1950er Jahre. Es behandelt die Radikalisierung der Säuberungsprozesse, die antisemitisch-antizionistische Welle im Frühjahr 1953 und die Fluchtbewegung jüdischer Bürger aus der DDR.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, DDR, SED, Stalinismus, Nationalismus, Parteisäuberungen, ZPKK, Wiedergutmachung, Flüchtlinge, Antizionismus, Völkermord an den Juden, politische Situation Ostblockstaaten, Exilgruppe KPD, Paul Merker.
- Citation du texte
- Magistra Anastasia Castillo (Auteur), 2003, Nationalismus und Antisemitismus in der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156568