Niklas Luhmann (1927 – 1998) galt schon zu seinen Lebzeiten als einer der größten Soziologen des 20.Jahrhunderts, da seine Erkenntnisse im Bereich der Untersuchung der Gesellschaft als ein vielschichtiges System von Kommunikation viele Generationen von Wissenschaftlern geprägt haben und er sich damit als einer der bedeutendsten Sozialtheorethiker der jüngeren Geschichte etablieren konnte.
Im Rahmen dieses Protokolls wird daher versucht, anhand des Einführungstextes von Wolfgang Schneider eine Einführung in die Systemtheorie Luhmanns zu geben und zugleich den inhaltlichen Diskussionsverlauf in seinen Grundzügen und thematischen Schwerpunkten zu skizzieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Reduktion von Komplexität
3. Gebrauch von Sinn als Medium zur Komplexitätsreduktion und zwei Systemarten
4. Doppelte Kontingenz & Erwartungserwartungen
5. Institutionalisierung von Erwartungen
6. Schluss
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Niklas Luhmann (1927 - 1998) galt schon zu seinen Lebzeiten als einer der größten Soziologen des 20.Jahrhunderts, da seine Erkenntnisse im Bereich der Untersuchung der Gesellschaft als ein vielschichtiges System von Kommunikation viele Generationen von Wissenschaftlern geprägt haben und er sich damit als einer der bedeutendsten Sozialtheorethiker der jüngeren Geschichte etablieren konnte.
Im Rahmen dieses Protokolls wird daher versucht, anhand des Einführungstextes von Wolfgang Schneider1 eine Einführung in die Systemtheorie Luhmanns zu geben und zugleich den inhaltlichen Diskussionsverlauf der Sitzung vom 14.01.2010 in seinen Grundzügen und thematischen Schwerpunkten zu skizzieren.
Um mit einem kurzen Blick auf den Text des Autors Wolfgang Schneider, einem Schüler Luhmanns, zu beginnen, lässt sich zunächst festhalten, dass sich die Darstellungen der "Luhmannschen" Sachverhalte teilweise als sehr unverständlich und recht ausführlich geschildert präsentieren. Schneider setzt ein enormes Vorwissen voraus, was es dem geneigten Leser sehr schwierig macht, den Gedanken der „Luhmannschen“ Systemtheorie zu folgen. Zudem bemerkt man den stetigen Anspruch des Autors, sich selbst als eigenständigen Systemtheoretiker, „Luhmannianer“ bzw. Systemkritiker zu etablieren.
2. Reduktion von Komplexität
Einen zentralen Stellenwert in der Systemtheorie misst Wolfgang Schneider der Reduktion von Komplexität oder anders formuliert der Reduzierung oder Ausblendung des Überangebots komplexer Möglichkeiten bei. Diese „chaotische Situation“ lässt sich am besten wie folgt beschreiben: der einzelne, subjektiv Denkende (Ego) sieht sich in seiner Umwelt, in seinem täglichen Dasein mit einer Unendlichkeit von „Möglichkeiten des Erlebens und Handelns“ (vgl. Schneider 2005: 251) konfrontiert, die er auf ein handhabbares Format reduzieren muss. Es ist geradezu zwingend notwendig, dass er selektiert. Ein ängstlicher Autofahrer wird auf der Autobahn niemals eine zu hohe Geschwindigkeit aufnehmen, auch wenn ihm dafür unzählige PS zur Verfügung stehen. Er kann in einer für ihn akzeptablen Geschwindigkeit weiter fahren, die Fahrt auf einem Rastplatz kurz unterbrechen, usw.. Durch die Selektion von vorhandenen Möglichkeiten wird die Komplexität, also das Überangebot von Möglichkeiten, reduziert.
Vollzogen wird dieser Prozess in zwei Stufen. Zum einen wird die Überfülle der vorhandenen Möglichkeiten wie geschildert auf ein handhabbares Format reduziert, indem sie ausgeblendet werden und damit nicht in Betracht kommen. In einem zweiten Schritt greifen eigene Erwartungen, welche die Möglichkeiten des Handelns erneut einschränken, da sie helfen, dass wir uns z.B. schnell orientieren und damit entscheiden können. Gleichzeitig stellt sich die Frage warum dieses besagte Überangebot reduziert werden muss. Die Antwort ist einleuchtend, denn ohne diesen Filter würden wir uns mit einer durch Stufe I erzeugten Überflutung von Möglichkeiten konfrontiert sehen, die uns nicht nur verwirren, sondern wahrscheinlich auch verrückt machen würde.
3. Gebrauch von Sinn als Medium zur Komplexitätsreduktion und zwei Systemarten
Damit dieser Prozess der Reduktion von Möglichkeiten gut funktionieren kann, gebraucht der einzelne, subjektiv Denkende seine Sinne, er ist also als sinnverarbeitendes System anzusehen. Bei der Luhmannschen Erklärung von Gesellschaften spielen zwei Arten von Systemen eine zentrale Rolle: soziale Systeme und psychische Systeme. Beide sind als sinnverarbeitende Systeme zu charakterisieren, die sich wiederum zu anderen Systemen abgrenzen, z.B. technische oder biologische Systeme. Der Sinn ist hierbei das entscheidende Medium, da es das Mittel der Wahl ist, um Komplexität zu reduzieren. Das psychische System wird von Niklas Luhmann als das menschliche Bewusstsein skizziert, da es sich stets zu seiner aktuellen Umwelt verhält, welche wiederum unendliche Möglichkeiten des Erlebens und Handelns ermöglicht. Ego mit seinem psychischen System stehen demnach in seiner Umwelt verschiedene, wenn nicht unzählige Mög- lichkeiten offen, sein Handeln zu lenken oder zu steuern. Mittels aktiver Wahrnehmungen, Ego ist wie geschildert als sinnverarbeitendes System zu sehen, und begleitet von bestimmten Erwartungen, gelingt es ihm, die ihm offen stehenden Wege und Möglichkeiten derart einzuschränken, dass ein Handeln nebst Erleben ohne eine weitere Möglichkeitsreduktion realisierbar ist.
Elementar bleibt jedoch die Differenz bzw. die Unterscheidung zwischen eingeschlossenen, d.h. in Betrachtung gezogene, und ausgeblendeten, d.h. nicht in Betrachtung gezogene, Möglichkeiten. Dies bedeutet, dass Ego in jedem Verhaltensmoment eine bestimmte Anzahl von Möglichkeiten selegiert, doch bei Luhmann geht es nicht nur um diese explizit in die Betrachtung einbezogene Verhaltensmöglichkeit, sondern vielmehr um das Vorhandensein weiterer, jedoch ausgeblendeter Möglichkeiten. Als Beispiel kann man hier die Situation anführen, in der sich Ego aufgrund mehrerer Stufen zu einer expliziten Möglichkeit des Handelns entschlossen hat. Im nächsten Moment seines Verhaltens könnte auch eine vorher ausgeblendete Möglichkeit in die weitere Planung seines Folgeverhaltens oder zukünftigen Verhaltens miteinbezogen werden.Diese jeweils aktuell vollzogene Unterscheidung zwischen den für Ego relevanten Verhaltensmöglichkeiten und den im ersten Schritt ausgeblendeten Möglichkeiten können nur mit dem Bezug auf den Sinn realisiert werden. Ein potentielles Beispiel hierfür wäre die Wahl des Fortkommens in einem Hochhaus. Es besteht die Möglichkeit der Treppe oder des Fahrstuhls. Damit eng verbunden sind Überlegungen, wie ich es z.B. schneller in den vierten Stock schaffe oder ob ich lieber ausgeruht und ohne Hast den Fahrstuhl benutze, um nach oben zu kommen. Was ich aber nun anhand des Sinnes ausblenden könnte, wäre die Überlegung, dass beim Benutzen des Aufzugs die Seile reißen könnten und mir damit unweigerlich den Tag verderben. Diesen Angstzustand vermeide ich, indem ich vielleicht die Treppe nehme. Die Wiederbelebung der vorher ausgeblendeten Möglichkeit, nämlich das Benutzen des Aufzugs, ist ein Kennzeichen psychischer Systeme, das es von anderen Systemen abgrenzt. „Technische […] Systeme lösen das Problem der Reduktion von Umweltkomplexität mit Hilfe von […] Komplexitätsvernichtung“ (Schneider 2005: 256).
Im Gegensatz dazu operieren psychische Systeme mit dem Sinn und sind daher in der Lage, auch Möglichkeiten wieder in Betracht zu ziehen, die durch die systemeigenen Strukturen aktuell ausgeblendet sind. Damit hebt sich das psychische (soziale) System eindeutig von anderen Systemen ab, da es sinnverarbeitend ist und dadurch eine Fülle von Möglichkeiten des Fortführens von Handeln und Erleben entsteht.
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1 Der hier zugrunde liegende Text findet sich in: Schneider, Wolfgang: Grundlagen der Soziologischen Theorie, Bd.2, Wiesbaden 22005, S.250 - 273.
- Arbeit zitieren
- Roman Behrens (Autor:in), 2009, Niklas Luhmann und die Systemtheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156582
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