Im Alter von 29 Jahren schrieb der junge Ludwig Tieck seine Erzählung „Der Runenberg“ in einer Nacht. Die 1802 entstandene Märchen-Novelle, wie sie meist bezeichnet wird, handelt von einem Menschen, der wahnsinnig wird, weil seine Sehnsucht ihn in die phantastische Welt des Gebirges treibt, um dort dämonisch verführt und in den Wahnsinn getrieben zu werden. Ludwig Tieck, der am 31. Mai 1773 in Berlin geboren wurde und seit seiner frühen Jugend das Ziel hatte einmal Schriftsteller zu werden, gehörte der Jenaer Frühromantik an, einem Kreis aus mehreren Schriftstellern (Gebrüder Schlegel, Novalis, Tieck, Schelling u.a.), die sich u.a. für die Förderung der Weltliteratur einsetzten.
„Der Runenberg“ wurde zunächst in dem „Taschenbuch für Kunst und Laue“ (3. Jg., Köln 1804) veröffentlicht, später erschien es nochmal zusammen mit anderen früheren Werken in Tiecks Sammlung „Phantastus“.
Tieck selbst hatte regen Kontakt mit dem norwegischen Naturforscher und Schriftsteller Henrik Steffen, der ihn so weit prägte, dass man behaupten kann, dass Steffen maßgeblich an der Entstehung zu Tiecks „Runenberg“ beteiligt war.
„In seinem Erinnerungsbuch „Was ich erlebte“ (Band 3; Breslau: Josef max u. Co., 1841. S.22f) weist Steffen selbst auf die Wirkung seiner Schriften im Zusammenhang mit der Entstehung von Tiecks „Runenberg“ hin. Über den Eindruck der norwegischen Landschaft sagte er dort: „Der Eindruck war ein durchaus fantastischer, und es mag eine lebhafte Darstellung von diesem Eindruck gewesen sein, welche Tieck veranlasste, seine Novelle, den „Runenberg“, zu schreiben [...].“
Ein weiterer Beweggrund zur Abfassung des „Runenberg“ war Tiecks Gefühlszustand in den Jahren nach 1801, als nicht nur sein enger Dichterfreund Friedrich von Hardenberg sondern auch seine Eltern verstarben. Neben diesen tragischen Verlusten litt Ludwig Tieck an einer schweren Krankheit, die ihn viel Kraft kostete. In einem Bekenntnisbrief an Friedrich Schlegel, den er nach der Veröffentlichung seiner Erzählung schrieb, erklärte er seine Krise. Diese Schicksalsschläge veranlassten ihn eine Erzählung mit solcher Thematik zu schreiben, wie wir sie im „Runenberg“ vorfinden. So verbindet das Kunstmärchen hier Phantastik und Wirklichkeit, „‘mit der strengen Wahrheit des Lebens‘, die Tieck in dem genannten Brief aller bloßen „Poesie“ entgegenstellte.“
Wie wir wissen, hat Tieck seine Erzählung in nur einer Nacht niedergeschrieben...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Romantische Räume
- Horizontale und vertikale Raumachsen
- Die dämonischen Formen der Außenwelt als Stufen der Selbstbewusstwerdung des Geistes
- Das Problem der Gattungsbestimmung
- Die Figurengruppierungen in den beiden Wirklichkeitsbereichen „Ebene“ und „Gebirge“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Ludwig Tiecks Erzählung "Der Runenberg" und untersucht die symbolische Topographie sowie die Verbindung von Raum und seelischen Prozessen des Protagonisten. Ziel ist es, die tieferen Bedeutungen des Textes zu erschließen und ein umfassenderes Verständnis für die Romantische Raumgestaltung zu entwickeln.
- Die symbolische Topographie von "Der Runenberg" als Ausdruck der seelischen Entwicklung des Protagonisten
- Die Rolle der horizontalen und vertikalen Raumachsen in der Gestaltung der Erzählung
- Die Bedeutung der Opposition zwischen Ebene und Gebirge für die Charakterisierung der Hauptfigur
- Die Frage der Gattungsbestimmung und die Einordnung von "Der Runenberg" innerhalb der Literatur der Romantik
- Die Interpretation von Christians Wahnsinn im Kontext seiner seelischen Verfassung und der ihm begegnenden dämonischen Kräfte
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Entstehung von "Der Runenberg" und die Biographie Ludwig Tiecks vor. Es werden wichtige Kontextinformationen zur Entstehung der Novelle gegeben, darunter die Inspiration durch Henrik Steffen, die Rolle der Frühromantik und die persönliche Krise Tiecks in den Jahren nach 1801.
- Romantische Räume: Dieses Kapitel befasst sich mit der Interpretation von Räumen in der Literatur und legt dabei den Fokus auf die romantische Raumgestaltung. Es wird erläutert, wie der Raum als Symbol für die seelische Verfassung des Protagonisten fungiert und wie die Raumdarstellung die Überwirklichkeit der Romantik widerspiegelt.
- Horizontale und vertikale Raumachsen: Hier werden die Raumachsen in "Der Runenberg" analysiert. Es wird die Verbindung von horizontalen und vertikalen Elementen des Raums zu den seelischen Prozessen des Protagonisten dargestellt, um das Zusammenspiel von Psyche und Topographie zu verdeutlichen.
- Die dämonischen Formen der Außenwelt als Stufen der Selbstbewusstwerdung des Geistes: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Rolle der dämonischen Formen der Außenwelt in der Entwicklung des Protagonisten. Es wird untersucht, wie die Begegnung mit den unheimlichen Geistern des Gebirges Christians Psyche beeinflusst und ihn zu einer neuen Form des Selbstbewusstseins führt.
- Das Problem der Gattungsbestimmung: Der Fokus dieses Kapitels liegt auf der Frage, ob "Der Runenberg" als Märchen, Novelle oder andere Gattung bezeichnet werden kann. Die Merkmale des Werks werden in Hinblick auf die verschiedenen Gattungsmerkmale diskutiert.
- Die Figurengruppierungen in den beiden Wirklichkeitsbereichen „Ebene“ und „Gebirge“: Hier werden die Figurengruppierungen in den verschiedenen Wirklichkeitsbereichen der Novelle untersucht. Es wird gezeigt, wie die Charaktere in ihrer jeweiligen Umgebung und ihrem Handeln von der Ebene und dem Gebirge geprägt werden.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Themen von "Der Runenberg" sind: Romantische Raumgestaltung, symbolische Topographie, seelische Prozesse, dämonische Formen der Außenwelt, Horizontale und vertikale Raumachsen, Opposition von Ebene und Gebirge, Gattungsbestimmung, Wahnsinn, Individuationsprozess, Frühromantik, Ludwig Tieck, Henrik Steffen.
- Quote paper
- Manuela Müller (Author), 2009, Die symbolische Topographie in Ludwig Tiecks Runenberg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157118