Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Aufgabenstellung und Zielsetzung
2. Begriff der Corporate Governance
2.1. Interessengruppen des Unternehmens
2.2. Idealtypische Ausrichtung von Unternehmenszielen
2.2.1. Shareholder Value-Ansatz
2.2.2. Stakeholder Value-Ansatz
2.3. Corporate Governance als Teil eines nationalen bzw. kulturellen Systems
3. Corporate Governance-System in Deutschland
3.1. Vorstands-/Aufsichtsratmodell der Aktiengesellschaft
3.2. Mitbestimmungsmodell
3.3. Rechtlicher Rahmen und Deutscher Corporate Governance Kodex
4. Corporate Governance-System in Japan
4.1. Keiretsu-System der Unternehmensverflechtungen
4.2. Rolle der Hauptbanken
4.3. Rechtliche Rahmenbedingungen
5. Vergleich der Corporate Governance-Systeme
5.1. Kapitalmarkteinfluss
5.2. Bedeutung von personellen Verflechtungen
5.3. Rechtliche Regelungen
6. Fazit und Entwicklung der Corporate Governance
Anhang mit Anhangsverzeichnis
Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsanweisungen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich der Corporate Governance in Deutschland und Japan
1. Aufgabenstellung und Zielsetzung
In der Theorie der Unternehmensführung sind die Aufgaben der Leitung und Kontrolle erfolgskritische Faktoren. Fehlt eine klare Regelung hinsichtlich ihrer Ausübung oder wird eine solche missachtet, können sich, wie im aktuellen Fall bei Siemens, schwerwiegende Konsequenzen ergeben.[1] Vor diesem Hintergrund scheint eine Beschäftigung mit dem Thema der Corporate Governance auch im internationalen Kontext angebracht. Grundlegende Unterschiede im Corporate Governance-System lassen sich hierbei feststellen. Im Folgenden sollen die Elemente und Einflüsse auf die Corporate Governance in den Ländern Deutschland und Japan beleuchtet und verglichen werden.
2. Begriff der Corporate Governance
In der Literatur herrscht keine allgemeingültige Definition von Corporate Governance und auch eine verbindliche Übersetzung in das Deutsche fehlt. Am ehesten findet man den Begriff Unternehmensverfassung, wobei die Beibehaltung des englischen Begriffs sich in der deutschsprachigen Literatur und Praxis durchgesetzt hat.
Nach Gerhard Cromme, dem Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, definiert sich Corporate Governance wie folgt: “Corporate Governance is a term describing good, efficient management and supervision of companies on the basis of internationally recognized standards in the interests of the company’s owners and its social environment.”[2] Diese Definition verweist auf internationale Standards und stellt explizit auf die Stakeholder ab.
2.1. Interessengruppen des Unternehmens
Bei der theoretischen Betrachtung von Unternehmen sind je nach Fragestellung unterschiedliche Akteure betroffen. Diese lassen sich zu Interessengruppen zusammenfassen, d.h. gesellschaftlichen Gruppen, die mit dem Unternehmen in einem Austauschverhältnis stehen. Als einflussreichste sind Eigenkapitalgeber, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Banken und andere Kreditgeber, Staat und Gesellschaft zu nennen.[3]
2.2. Idealtypische Ausrichtung von Unternehmenszielen
Grundsätzlich lassen sich zwei typisierende Ausrichtungen unterscheiden, auf die eine Unternehmenspolitik abzielen kann. Die entscheidende Frage ist, auf welche Interessengruppe das Handeln eines Unternehmens ausgerichtet sein soll und an welchen Ansprüchen und Vorgaben sich das Management orientiert. Beim Shareholder Ansatz steht die Interessengruppe der Anteilseigner im Vordergrund. Demnach sind primär deren Bedürfnisse zu erfüllen, welche zumindest bei kurzfristiger Betrachtung die Entwicklung des Aktienkurses und die Dividendenausschüttung sind. Der Stakeholder-Ansatz hingegen kritisiert die einseitige Fokussierung auf Aktionärsinteressen und bindet daher alle beteiligten Parteien ein. Im Folgenden werden die beiden Ansätze näher beschrieben und deren Einfluss auf die Umsetzung und Ausgestaltung der Corporate Governance dargestellt.
2.2.1. Shareholder Value-Ansatz
Unter dem Gesichtspunkt des Shareholder Value-Ansatzes steht bei der Ausgestaltung eines Corporate Governance-Systems vor allem die Disziplinierung des Managements im Vordergrund, mit dem Ziel, das Verhalten der Manager im Sinne der Anteilseigner auszurichten und die Unternehmenspolitik in deren Interesse zu gestalten.[4] Grundlegende theoretische Überlegung ist das Prinzipal-Agenten-Problem, das durch die Trennung von Eigentum und Leitung entsteht.[5]
Geprägt wurde der Begriff vor allem durch Alfred Rappaport, der in den 80er Jahren eine breite Diskussion durch sein Buch “Creating Shareholder Value“ auslöste.[6] Das entscheidende Corporate Governance-Problem aus Sicht des Shareholder Value- Konzepts ist demnach das Management im Sinne der Eigentümer zu steuern. Dies kann beispielsweise durch eine Kopplung der Bezüge an die Aktienkursentwicklung erfolgen, aber vor allem indirekt durch Wettbewerb auf Güter-, Kapital- und Arbeitskräftemarkt.[7]
Der Markt bedingt eine effiziente Ressourcenallokation und stellt nur dann neue Finanzmittel zur Verfügung, wenn marktkonforme Renditen erwirtschaftet werden.
2.2.2. Stakeholder Value-Ansatz
Der Stakeholder Value-Ansatz[8] hingegen betont, dass die Interessen der Anteilseigner nicht vorrangig vor anderen Anspruchsgruppen zu befriedigen sind, sondern dass alle Stakeholderinteressen miteinbezogen werden müssen. In dieser pluralistischen Sichtweise soll der Nutzen aller Gruppen maximiert werden. Post, Preston und Sachs definieren: “The stakeholders in a corporation are the individuals and constituencies that contribute, either voluntarily or involuntarily, to its wealth-creating capacity and activities, and that are therefore its potential beneficiaries and/or risk bearers.”[9] Der Daseinszweck von Unternehmen besteht also nicht nur in der ökonomischen Wertschaffung, sondern besitzt auch eine soziale Dimension.[10] Hier knüpft insbesondere die Corporate Social Responsibility an. Unternehmen werden als Netzwerke charakterisiert, die ein „gutes Investitionsklima mit geeigneten Anreiz- und Absicherungsmechanismen“[11] schaffen sollen, um den Interessen aller gerecht zu werden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist Transparenz, da solche Unternehmen auf gesellschaftliche Erwartungen der Stakeholder reagieren und diese nicht zu eigenem Nutzen ausbeuten.[12] Letztendlich wird so ein langfristiger, nachhaltiger Wert in umfassender Dimension geschaffen.
Ziel der Ausgestaltung eines Corporate Governance-Systems muss also sein, die richtige Balance zwischen den verschiedenen Kräften zu finden und ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Interessengruppen, trotz asymmetrisch verteilter Information, unternehmensförderliche Investitionen tätigen.[13]
2.3. Corporate Governance als Teil eines nationalen bzw. kulturellen Systems
Ein wichtiger Aspekt beim Vergleich verschiedener Corporate Governance-Systeme ist deren nationaler bzw. kultureller Hintergrund, sowie ihre historischen Gegebenheiten und Einflüsse. Die Zeit nach der Zäsur des Zweiten Weltkriegs spielte eine prägende
Rolle bei der Entwicklung von Corporate Govemance-Strukturen, insbesondere in den beiden im Folgenden betrachteten Ländern. Hier zeichnete sich in Japan die einflussreiche Rolle der Banken ab. Das gesellschaftliche Streben nach Stabilität und Zusammenhalt führte letztendlich zu den heutigen Prinzipien der sog. Senioritätsentlohnung und lebenslanger Beschäftigung.[14] Auch lässt sich weltweit der US-amerikanische Einfluss auf Unternehmenslandschaft und Governance-Struktur zeigen.[15]
3. Corporate Governance-System in Deutschland
Im Folgenden sollen die Corporate Governance-Strukturen in Deutschland aufgezeigt werden. Hierzu wird zunächst das Modell der separaten Leitung und Kontrolle untersucht und auf die Besonderheiten der Mitbestimmung eingegangen. Im Anschluss wird der rechtliche Rahmen vorgestellt und der DCGK näher erläutert.
3.1. Vorstands-/Aufsichtsratmodell der Aktiengesellschaft
Das deutsche Modell der Corporate Governance soll anhand einer (börsennotierten) Aktiengesellschaft dargestellt werden, da sich hier die trennschärfste Ausgestaltung von Leitung und Eigentum zeigt. Darüber hinaus stellt die Rechtsform der AG die international bedeutsamste Gesellschaftsform dar, da die Unternehmensgröße eine entscheidende Einflussgröße des Markterfolgs ist.[16] Nichtsdestotrotz lassen sich viele Problemstellungen auch für andere Rechtsformen aufzeigen.[17]
Das Modell der deutschen Aktiengesellschaft zeichnet sich durch eine dualistische Trennung der Aufgaben der Leitung (Vorstand) und der Kontrolle (Aufsichtsrat) aus.[18] Wesentliches Merkmal ist die Unabhängigkeit beider Organe voneinander. Dem Vorstand obliegt die eigenverantwortliche Geschäftsführung, während der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt und die Tätigkeiten der Geschäftsführung überwacht.[19] Dabei liegt eine positive Korrelation zwischen der Unabhängigkeit der Mitglieder und der Überwachungseffizienz im Aufsichtsrat vor.[20] Weitere Kontrolle wird durch die Instanzen Anteilseigner (Hauptversammlung) und Abschlussprüfung ausgeübt.[21] Dieses Führungssystem ist gesetzlich vorgeschrieben und verpflichtet beide Organe gemeinsam dem Unternehmensinteresse.[22] Im deutschen Modell ist der Einfluss im Vorstand bzw. Aufsichtsrat prinzipiell gleich verteilt, d.h. es gibt keine dominanten Untergruppen.[23] Nur in einer Pattsituation hat der Aufsichtsratsvorsitzende doppeltes Stimmrecht.[24]
3.2. Mitbestimmungsmodell
Besonderheit des deutschen Systems ist die Repräsentanz der Mitarbeiter in den Entscheidungs- und Kontrollinstanzen des Unternehmens.[25] Grundsätzlich werden zwei Formen unterschieden: die Einflussnahme durch den Betriebsrat und die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Abhängig von der Unternehmensgröße kann dieser bis zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern bestehen - ein Spezifikum, das z.B. im angelsächsischen Modell kein Pendant findet.[26]
Diese besondere Stellung birgt für beide beteiligten Gruppen Vorteile: für Arbeitnehmer deren institutionelle Interessensvertretung, für Arbeitgeber eine konsensorientierte Entscheidungsfindung auf oberster Ebene, die eine schnellere und komplikationslosere Umsetzung auch von schwierigen Entscheidungen im Unternehmen ermöglicht.[27] Aus diesem Grund wird der Einfluss der Mitbestimmung von Arbeitgebern nicht ausschliesslich als negative Enmischung gesehen. Dies zeigt sich am Beispiel von Daimler, bei dem dieses Konzept auch nach der Fusion mit Chrysler beibehalten wurde, obwohl man sich dessen hätte entledigen können.[28]
Im deutschen System wird der Einfluss der Mitbestimmung durch Arbeitnehmer auch als öffentliches Interesse angesehen und durch die Politik unterstützt. Das sog. Two tierSystem reflektiert daher den starken rechtlichen regulativen Einfluss auf interne Unternehmensangelegenheiten, da es einen effektiven Ausgleich der Interessen zwischen Management, Anteilseignern und Arbeitnehmern schaffen will.[29]
3.3. Rechtlicher Rahmen und Deutscher Corporate Governance Kodex
Initiiert wurde die Idee eines einheitlichen rechtlichen Rahmens für Corporate Governance durch den so genannten Cadbury Code aus Großbritannien aus dem Jahr 1992, welcher als Antwort auf die schweren Folgen des dortigen Finanzkollapses der 80er und 90er Jahre gesehen wird.[30]
In Deutschland hielt die Debatte um Corporate Governance im Jahr 1998 Einzug in Form eines Gesetzes zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, dem KonTraG.[31] Ziel des Gesetzes war die Verbesserung der Arbeit der Aufsichtsrats und der Abschlussprüfung sowie die Stärkung der Rechte der Hauptversammlung.[32] Dies sollte insbesondere durch eine Erweiterung der Rechnungslegungspflichten und das systematisierte Risiko-Managementsystem erfolgen.
Den internationalen Entwicklungen im Bereich der Corporate Governance Rechnung tragend wurden in Deutschland weitere Regelungen und Gesetze verabschiedet. Hier sind insbesondere das UMAG[33], das BilReG[34] oder das VorstOG[35] zu nennen. Federführend bei der Weiterentwicklung der deutschen Corporate Governance- Regelungen ist die Regierungskommission DCGK unter der Leitung von Gerhard Cromme, erstmals berufen im September 2001 durch die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.[36] Das Ziel der Kommission ist es, Verhaltensregeln für die Leitung und Kontrolle börsennotierter Unternehmen in Deutschland zu erarbeiten. So sollen einerseits Verhaltensregeln und -standards für Aufsichtsräte und Vorstände festgelegt werden und andererseits die Informationspflichten gegenüber Eigentümern und die Stellung der Abschlussprüfer praxisnah festgeschrieben werden. Diese Maßgaben sollen die Transparenz von Entscheidungen erhöhen.[37]
[...]
[1] Der frühere Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer wechselte 2005 in den Aufsichtsrat von Siemens. Ein solcher Wechsel von der Lenkungs- zur Kontrollinstanz widerspricht den Regelungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. Aufgrund von Bestechungsvorwürfen zu während seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender getätigten Geschäften, sah sich Herr von Pierer kürzlich zu seinem Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender gezwungen.
[2] CROMME, G. (2005), S. 366.
[3] Vgl. HUNGENBERG, H./WULF, T. (2006), S. 55.
[4] Vgl. WENTGES, P. (2002), S. 73.
[5] Vgl. BERLE, A./MEANS, G. (1932).
[6] Vgl. RAPPAPORT, A. (1998).
[7] Vgl. WENTGES, P. (2002), S. 84f.
[8] Zum Begriff vgl. FREEMAN, R. (1984).
[9] POST, J./PRESTON, L./SACHS, S. (2002), S. 19.
[10] Vgl. DEMISE, N. (2006), S. 9.
[11] WENTGES, P. (2002), S. 105.
[12] Vgl. DEMISE, N. (2006), S. 12.
[13] Vgl. WENTGES, P. (2002), S. 108.
[14] Vgl. BUCHANAN, J. (2007), S. 32.
[15] Vgl. SUZUKI, T. (2007), S. 264.
[16] Vgl. HEUBISCHL, J. (2005), S. 9.
[17] Vgl. HOMMELHOFF, P. u.a. (2002), S. 15.
[18] Zum Vorstands-/Aufsichtsratsmodell siehe Anhang II.
[19] Vgl. § 76 Abs. I AktG.
[20] Vgl. WERDER, A. V./WIECZOREK, B.J. (2007), S. 297.
[21] Vgl. PWC/BDI (2005), S. 14.
[22] Vgl. REGIERUNGSKOMISSION DCGK (2006), S. 1.
[23] Vgl. JACKSON, G./MOERKE, A. (2005), S. 359.
[24] Vgl. § 29 Abs. II MitbestG.
[25] Zur Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 siehe Anhang I.
[26] Vgl. TALAULICAR, T. (2002), S. 19.
[27] Vgl. SADOWSKI, D. u.a. (1999), S. 18.
[28] Vgl. HÖPNER, M. (2003), S. 158.
[29] Vgl. JACKSON, G./MOERKE, A. (2005), S. 352.
[30] Vgl. CROMME, G. (2005), S. 363.
[31] Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich.
[32] Vgl. PWC/BDI (2005), S. 10.
[33] Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts.
[34] Bilanzrechtsreformgesetz.
[35] Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen.
[36] Vgl. CROMME, G. (2005), S. 364.
[37] Vgl. PWC/BWI (2005), S. 18.
- Arbeit zitieren
- Christian Offenhammer (Autor:in), 2007, Unterschiede in der Corporate Governance zwischen Deutschland und Japan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157224
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