Die insbesondere seit Heinz Röllekes Studie bestehenden Gattungs- und Definitionsprobleme von Volks- bzw. Kunstmärchen stellen ein aktuelles und umfangreiches Themenfeld der aktuellen Märchenforschung dar. Tangiert werden vor allem Herkunft, Gemeinsamkeiten, schriftliche und mündliche Überlieferungswege sowie die Rezeption der Märchen. Entsprechend gestaltet sich auch die Gattungszugehörigkeit „De[s] goldne[n] Topf[es]“ als diffizil. Zum Teil wird Hoffmanns Werk als DAS paradigmatische Kunstmärchen deklariert, häufig wird durch alternative Gattungsbezeichnungen versucht, diesen Terminus zu umgehen. In der Forschungsliteratur werden für Hoffmanns Werk verschiedene Gattungsbezeichnungen vorgeschlagen, häufig wird sich mit einem ‚Sowohl- als-Auch’ beholfen, dabei überwiegen die Termini (Novellen)Märchen und Novellen.
Aus diesen Vorüberlegungen ergibt sich die grundlegende Fragestellung der Arbeit: Am Beispiel von E.T.A. Hoffmanns „Der goldne Topf“ sollen Abgrenzungsmerkmale zwischen Kunst- und Volksmärchen aufgezeigt werden. Im Hinblick auf die Probleme der Kunstmärchenforschung wird zudem beleuchtet, ob auch eine Einordnung in den Bereich der (Märchen)novelle Hoffmanns Werk gerecht wird. Dieses Ergebnis soll exemplarisch die Relevanz dieser problematischen Gattungsbezeichnung veranschaulichen.
Um dieser Aufgabenstellung nachzukommen, werden eingangs die Termini Volksmärchen und Kunstmärchen im Sinne Lothar Bluhms definiert und problematisiert: Der Märchenbegriff sei zwar nicht sinnvoll zu ersetzen, aber „das Bemühen um begriffliche Klarheit und die den Gebrauch begleitende Reflexion seiner Bedingtheiten“ wäre wünschenswert (Kap. 2.1). Die zunächst allgemeinen Stilmerkmale des Volksmärchens werden aus Max Lüthis Untersuchung „Das europäische Volksmärchen“ bezogen (Kap. 2.2), um „De[n] goldne[n] Topf“ schablonenartig zu beleuchten (Kap. 2.3). Diese Analyse soll auch den weitgehend bestehenden Forschungskonsens bestätigen, dass die Kunstmärchen eigene Merkmale entwickelt haben, die sich nicht direkt aus dem Vergleich mit dem Volksmärchen ableiten lassen. Aufgrund der Heterogenität der Gattung, die anhand von Wührls Studie verdeutlicht werden soll, konnte allerdings auch mit diesen typischen Kunstmärchenmerkmalen bislang keine eindeutige Gattungsdefinition aufgestellt werden (Kap. 2.4. Diese und weitere Probleme der Märchenforschung werden im Fazit noch einmal zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Abgrenzung des Volks- vom Kunstmärchen
- 2.1 Definitorische Abgrenzung des Volks- vom Kunstmärchen
- 2.2 Die wichtigsten Merkmale des Volksmärchens
- 2.3 Der goldne Topf Ein Kunstmärchen?
- 2.3.1 Märchenkonzeption und Sprache
- 2.3.2 Die Handlungsstruktur
- 2.3.3 Ironie und Humor
- 2.3.4 Der Mythos im Märchen – romantische Naturphilosophie
- 2.3.5 Lesarten und selbstreferentielle Intertextualität
- 2.3.6 Identifikation
- 2.4 Die Kunstmärchen als heterogene Gattung
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert E.T.A. Hoffmanns „Der goldne Topf“ im Hinblick auf seine Gattungszugehörigkeit. Sie untersucht, ob das Werk als Kunstmärchen oder Volksmärchen einzuordnen ist und beleuchtet dabei die Merkmale beider Gattungen. Darüber hinaus wird geprüft, ob „Der goldne Topf“ auch als (Märchen)novelle verstanden werden kann.
- Untersuchung der definitorischen Abgrenzung zwischen Volks- und Kunstmärchen
- Analyse der Merkmale des Volksmärchens und ihre Anwendung auf „Der goldne Topf“
- Beurteilung, ob „Der goldne Topf“ als Kunstmärchen einzuordnen ist, unter Berücksichtigung von Konzeption, Sprache, Handlungsstruktur, Ironie, Humor, Mythos und Identifikation
- Diskussion der Heterogenität der Gattung Kunstmärchen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach der Gattungszugehörigkeit von „Der goldne Topf“. Es wird auf die historischen und theoretischen Hintergründe der Unterscheidung zwischen Volks- und Kunstmärchen eingegangen. Das zweite Kapitel beleuchtet die Abgrenzung beider Gattungen anhand von Definitionen, Merkmalen und Beispielen. Dabei wird auch auf die Besonderheiten von Hoffmanns Werk im Kontext der Kunstmärchen diskutiert. Die Kapitel 2.1 und 2.2 befassen sich mit den definitorischen Grundlagen und den typischen Merkmalen des Volksmärchens. Kapitel 2.3 analysiert „Der goldne Topf“ im Hinblick auf seine Eignung als Kunstmärchen. Dabei werden verschiedene Aspekte wie die Konzeption, Sprache, Handlungsstruktur, Ironie, Humor, Mythos und Identifikation betrachtet. Kapitel 2.4 widmet sich der Heterogenität der Gattung Kunstmärchen und diskutiert die Schwierigkeiten einer eindeutigen Gattungsdefinition.
Schlüsselwörter
Volksmärchen, Kunstmärchen, E.T.A. Hoffmann, Der goldne Topf, Gattung, Definition, Merkmale, Konzeption, Sprache, Handlungsstruktur, Ironie, Humor, Mythos, Identifikation, Heterogenität, (Märchen)novelle
- Arbeit zitieren
- Anja Bossmeyer (Autor:in), 2009, Die Abgrenzung des Kunst- vom Volksmärchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157238