Hamletmaschine


Seminararbeit, 2000

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1: Intertextualitätstheorien
1.1. Text und Prätext
1.2. Autor und Rezipient

Kapitel 2: Müllers Theaterkonzeption
2.1. Theater als Material
2.2. Der Einfluß Antonin Artauds
2.3. Die Rolle des Zuschauers oder die soziale Funktion des Theaters
2.4. Die Inszenierung der Hamletmaschine von Robert Wilson

Kapitel 3: Skalierung der Intertextualität in der Hamletmaschine

Epilog

Literaturverzeichnis

Einleitung

Heiner Müllers Hamletmaschine entstand 1977 und war ursprünglich als „Variation über Hamlet“ angelegt. „Ich stellte mir ein Zweihundert-Seiten-Stück vor...“[1] resümieret Heiner Müller in seiner Autobiographie. Entstanden ist daraus ein fünfseitiges Extrakt aus Bilderreihen und Textcollagen.

Die vorliegende Arbeit umfasst zwei – auf den ersten Blick – unterschiedliche Themengebiete, die im dritten Kapitel miteinander verknüpft werden.

Im ersten Kapitel soll ein einführender Überblick über die Entstehung und die Entwicklung der Intertextualitätstheorie und der hervorgegangen, divergierenden Strömungen gegeben werden. Da es sich nur um eine einführende Darstellung handelt, ist es nicht möglich, alle Theorien hier vorzustellen. Ich habe eine Auswahl getroffen, die mir persönlich sinnvoll scheint und in Hinblick auf eine Analyse der Intertextualität in Heiner Müllers Hamletmaschine relevant ist. Grundlage für diesen Überblick bildet der Aufsatz von Manfred Pfister „Konzepte der Intertextualität“[2]. Die Darstellung geht von Bachtins Begriff der Dialogizität aus, und führt über Kristeva, Genette und Bloom zu Pfisters Unterteilung in zwei Beziehungen; zum einen das Verhältnis zwischen Autor und Rezipient, zum anderen das Verhältnis zwischen Text und Prätext.

Das zweite Kapitel beschreibt Müllers Theaterkonzeption.

Die Darstellung soll einen ersten Überblick über die Theatertheorie Heiner Müllers geben. Dabei wird auf Einflüsse von Antonin Artaud und Berthold Brecht verwiesen, die mir eindeutig erscheinen. Müllers Bezüge zu „dem Absurden Theater Becketts“[3] oder „dem Surrealismus Lautreamonts“[4] werde ich angesichts dieses Rahmens ausklammern . Ich habe versucht Müllers Auffassung, Theater müsse immer eine soziale Funktion haben, anhand einiger Zitate und Ausführungen darzulegen. Hierzu soll auch ein Eindruck von Müllers Pädagogikverständnis vermittelt werden, in dem dem Zuschauer eine enorme Rolle zukommt.

Abschließend wird noch kurz die Aufführung der Hamletmaschine unter der Leitung des NY Regisseurs Robert Wilson besprochen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Inszenierungsart, die meiner Meinung nach am besten widerspiegelt, was Müllers Theaterkonzeption ausmacht.

Den Abschluß dieser Arbeit bildet eine kurzgefasste Skalierung der Intertextualität in der Hamletmaschine. Hier versuche ich, die Kriterien, die nach Manfred Pfister für eine Skalierung der Intertextualität eines Textes ausschlaggebend, sind auf die Hamletmaschine anzuwenden und jeweils mindestens ein Beispiel anzuführen. Den Schwerpunkt der Arbeit bilden allerdings die ersten beiden Kapitel.

1. Intertextualitätstheorie

Im ersten Kapitel soll ein Überblick über die Entstehung und Entwicklung und die daraus entstandenen, divergierenden Strömungen der Intertextualitätstheorie gegeben werden. Da es sich nur um eine einführende Darstellung handelt, ist es nicht möglich, alle Theorien hier vorzustellen. Grundlage für diesen Überblick bildet Manfred Pfisters Aufsatz Konzepte der Intertextualität. Anhand dieses Textes soll versucht werden, die wichtigsten Theorien auch im Hinblick auf Heiner Müllers Hamletmaschine wiederzugeben.

Der Begriff Intertextualität wird erst im 20.Jahrhundert eingeführt, die Wurzeln seiner Bedeutung gehen jedoch zurück bis ins antike Griechenland. Damals wurde in der Rhetorik zwischen imitatio vitae, dem Textbezug auf die Wirklichkeit, und imitatio veterum, dem Textbezug auf andere Texte unterschieden. Auch hier wurde schon davon ausgegangen, daß Texte zu anderen in Bezug stehen.

Michael Bachtin ( 1895 – 1975 ) entwickelt Ende der zwanziger Jahre die Theorie der Dialogizität. Für ihn gibt es keine absolute Sinnhaftigkeit, daher kann nach Bachtin eine Bedeutung nur in Relationen begriffen werden, und diese sind entscheidend von der Position des Betrachters abhängig. Vorläufige Erkenntnisse können nur in einem nie abgeschlossenen offenen Dialog zwischen dem Selbst und dem Anderen gewonnen werden.[5]

Die zentrale Opposition „Monologizität“ vs. „Dialogizität“ wird in drei Dichotomien verdeutlicht: „monologisch“ vs. „dialogisch“, „zentripetal“ vs. „zentrifugal“ und „Epos“ vs. „Roman“. Ein weiterer wichtiger Begriff innerhalb Bachtins Schaffen ist der „polyphone Roman“. In ihm tritt der Autor zurück und ist nunmehr eine Stimme unter vielen, wodurch es den Charakteren ermöglicht wird, für sich selbst zu sprechen. Die Vorstellung eines autonomen „Ichs“ wird abgelöst; das Selbst formt sich nun durch Selbstreflexion und in der Reflexion auf andere, in der dialogischen Existenz.

Mit dem individuellen Subjekt des Autors verschwindet aber auch die Individualität des Werkes selbst, das zum bloßen Abschnitt in einem universalen, kollektiven Text entgrenzt wird.[6]

Aus diesem Kontext entsteht die Theorie des Poststrukuralismus, das Bild eines „Universums der Texte“, eines „texte general“, was bedeutet, daß es kein Vakuum mehr gibt, in dem Texte entstehen können. Deshalb verweist ein Text immer – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – auf einen anderen Text und prinzipiell auf alle anderen Texte.

Der Terminus „Intertextualität“ wird in den späten Sechzigern durch Julia Kristeva ( *1941 ) geprägt, die ausgehend von Bachtins Schriften zu Dostojevski und Rabelais ein neues Konzept zur Texterfassung erarbeitete. Bei Kristeva ist Intertextualität ein allgemeines Merkmal von Texten :

[...] jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf, jeder Text ist Absorption und Transformation eines anderen Textes.[7]

Anders als Bachtin versteht sie Text als „Mechanismus“ und „Produktivität“ und spricht ihm eine bedeutungsproduzierende Selbständigkeit zu, die sich von der Instanz einer künstlerischen Gestaltungsabsicht des Autors, dem Konzept eines geschlossenen Werkes und der Idee einer dialogischen Kommunikation zwischen Subjekten ablöst. Der Autor wird zum Schnittpunkt von Diskursen, das intendierte Werk zum ambivalenten Text, an die Stelle der Intersubjektivität tritt die Intertextualität. Kristeva geht sogar so weit, alles als Text zu bezeichnen, so schließt ihr entgrenzter

Textbegriff auch jedes kulturelle System und jede kulturelle Struktur

ein.[8]

Bei der folgenden Darstellung erscheint es hilfreich, sich Kristevas Kategorisierung zu bedienen. Sie unterscheidet zwischen einer horizontalen Dimension, dem Verhältnis von Text zu Prätext, und einer vertikalen Dimension, dem Verhältnis vom Autor zum Rezipienten.

1.1.Text und Prätext:

Anders als Kristeva versuchen hermeneutische und strukturalistische Intertextualitätskonzepte an den traditionellen Begriffen wie „Autor“, „Werk“ und „Leser“ festzuhalten. Gerard Genette unterscheidet fünf Typen der „Transtextualität“ ( Bezüge zwischen Texten):

(1) Paratextualität bezeichnet die pragmatische Einrahmung des Textes durch beigeordnete Texte wie Titel, Motto, Vor – oder Nachwort, Einleitung, Umschlagtext etc.

(2) Metatextualität liegt vor, wenn der Text einen anderen kommentiert

(3) Architextualität eines Textes besteht in seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gattungen

(4) Hypertextualität beschreibt die Beziehung eines Folgetextes ( Genette Þ Hypertext[9]) zu dessen Prätext ( Hypotext[10]).

Der Folgetext wird durch Transformation ( Parodie, Travestie ) oder Nachahmung ( Imitation, Adaption usw. ) abgeleitet.

(5) Intertextualität wird hier in einem engeren Sinne verwendet, nämlich als die effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text in Form von Zitat, Plagiat oder Anspielung

Ein anderes Konzept der Intertextualitätstheorie liegt den

Werken Harald Blooms zugrunde. Seinem von Freud beeinflußtem

Konzept zufolge ist literarische Produktivität durch „anxiety of

Influence“ bestimmt und rekonstruiert die Literaturgeschichte als

einen intertextuellen, aber innerliterarischen Kampf von Autoren

gegen ihre kanonischen Vorbilder.

Da der übermächtige Einfluß literarischer Vaterfiguren den jüngeren Dichter zu paralysieren droht, muß er das idealisierte poetische Über-Ich zerstören, um sich den Freiraum für die eigene Kreativität zu verschaffen.[11]

[...]


[1] Heiner Müller: Krieg ohne Schlacht- Leben in zwei Diktaturen- Eine Autobiographie, Köln 1994

[2] Manfred Pfister, Konzepte der Intertextualität. Erschienen in

[3] Helmut Fuhrmann: Warten auf Geschichte, Würzburg 1997, S. 100

[4] Ebd.

[5] Pfister, Manfred; Konzepte der Intertextualität, S. 3

[6] Pfister, Manfred; Konzepte der Intertextualität, S. 9

[7] Zitiert nach M. Pfister, S. 6 ( Kristeva, Julia Semiotik. Recherche pur une semanalyse. Paris)

[8] Pfister, Manfred; Konzepte der Intertextualität, S. 9

[9] Metzler Lexikon – Literatur- und Kulurtheorie, S. 187

[10] Ebd.

[11] Ebd., S. 53

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Hamletmaschine
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Institut für neuere deutsche Philologie)
Veranstaltung
TPS- Heiner Müller ´Blut säuft Tinte´
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
24
Katalognummer
V1573
ISBN (eBook)
9783638109727
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
I. Intertextualtitätstheorie II. Müllers Theaterkonzeption III. Intertextualität in Heiner Müllers ´Hamletmaschine´ 191 KB
Schlagworte
Intertextualtität, Heiner Müller, Theaterkonzeption
Arbeit zitieren
Martin Börzel (Autor:in), 2000, Hamletmaschine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1573

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Hamletmaschine



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden