[...] Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich von einem Großteil der Forschungsliteratur zu Fleißers Werk
darin, daß die Basis der Interpretation kein ausschließlich autobiographischer Ansatz ist. Es wird nicht
in Frage gestellt, daß gerade die Prosa Fleißers autobiographisch gedeutet werden kann, daß viele der
fiktiven Figuren ihr Pendant in Fleißers eigener Erfahrungs- und Lebenswelt haben. Eine rein
autobiographische Interpretation tendiert jedoch dazu, die Texte als Erklärungsmuster für das Leben
der Autorin oder des Autors zu nutzen. Dieser einseitige und dadurch einschränkende
Interpretationsansatz soll in dieser Arbeit nur marginal einfließen. Die Erzählungen sollen textimmanent
mit Berücksichtigung des geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrundes analysiert werden.22
Die Erzählungen Fleißers werden in der vorliegenden Arbeit unter einem bestimmten Aspekt betrachtet.
Dieser Aspekt darf jedoch nicht zu eng gefaßt sein, da die Kurzprosa Fleißers nicht nur historisch weit
gefächert ist, sondern auch thematisch. Wie in der Einleitung gezeigt wurde, schätzte Fleißer selbst den
Einfluß der Erfahrung der Metropole und der Provinz auf ihre Prosa hoch ein. Es kann die These
aufgestellt werden, daß diese Erfahrung in Fleißers Prosa sehr vielfältig und in verschiedenen Nuancen
bearbeitet wurde. In der Forschungsliteratur wurde sie jedoch bisher nicht detailliert untersucht. Provinz
und Metropole liefern nicht nur das ‘Setting’ der Erzählungen, die Einflüsse dieser beiden
Lebensformen lassen sich ebenso in der Charakterzeichnung und in dem Personengeflecht
wiederfinden. Doch nicht nur inhaltlich-thematisch sind die Erzählungen Fleißers von diesem Aspekt
geprägt. Provinz- und Metropolenerfahrungen beeinflussen auch die formal-stilistischen Merkmale der Erzählungen. Es erscheint demnach sinnvoll und ergiebig, die Kurzprosa Fleißers als Ausdruck der
Erfahrung Provinz bzw. Metropole zu untersuchen.
An dieser Stelle soll der ungenauen Verwendung der vier Begriffe Stadt, Großstadt, Weltstadt und
Metropole entgegengewirkt werden, indem die Begriffe zunächst definiert werden: [...] Es kann konstatiert werden, daß unterschiedliche Stadtformen einerseits über die Zahl ihrer
Einwohnerinnen und Einwohner erfaßt werden können, während jedoch andererseits weitergehende
Definitionsvorhaben in den qualitativen Bereich hineinreichen müssen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hinführung zum Thema: Marieluise Fleißers Kurzprosa im Kontext von Metropole und Provinz
- Fragestellung und Intention
- Methodische Anmerkungen
- Untersuchter Textkorpus
- Forschungsbericht
- Analyse I
- Ein Pfund Orangen (1926)
- Charakterisierung der Protagonistin
- Exkurs: Natur
- Charakterisierung der Anderen
- Der Konflikt der Erzählung
- Exkurs: Gemeinschaft versus Gesellschaft und Entfremdung
- Die Lösungswege der Protagonistin
- Großstadt- und Provinzelemente in der Erzählung Ein Pfund Orangen
- Avantgarde (1962)
- Die große Stadt und der Dichter
- Exkurs: Mythos Metropole
- Die kleine Stadt und Nickl
- Exkurs: Heimat
- Cilly und ihr Pendeln zwischen den Existenzformen
- Bilder der Städte
- Zusammenfassende Analyse der beiden Erzählungen
- Analyse II
- Form und Struktur der Erzählungen
- Inhaltliche Analyse
- Entfremdung und Einsamkeit: „Am meisten beschäftigte sich jeder mit sich allein.“
- Liebe:,,[Da] war keine Liebe dabei, da hat auch keine Liebe dabei sein sollen."
- Kommunikation und Interaktion: „Da, wo man in Wahrheit reden sollte, redet man doch zu spät."
- Natur und Kultur: „Die Natur war in ihm wohl zu stark, man hat sie verbogen in lauter Pein, jetzt macht sie in ihm was Verkehrtes."
- Metropole: „Sie war in diesem Durcheinanderwimmeln von Lebewesen nur eine Wärme und keine Person, sie hatte nur recht, solange sie wohl tat."
- Exkurs: Ein Porträt Buster Keatons (1927) und Sportgeist und Zeitkunst (1928)
- Heimat und Provinz. „Und doch bückt man sich unter Zwang, das kommt von den falschen Plätzen.“
- Exkurs: Briefe Fleißers
- Zusammenfassende Analyse: Kontinuitäten und Brüche
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht die Kurzprosa von Marieluise Fleißer und analysiert ihre Darstellung von Metropole und Provinz. Die Arbeit zielt darauf ab, Fleißers spezifische Sichtweise auf die beiden Lebensräume zu beleuchten und deren Einfluss auf ihre Figuren und Konflikte zu untersuchen.
- Das Verhältnis von Stadt und Land in Fleißers Werk
- Die Darstellung von Entfremdung und Einsamkeit in den Kurzgeschichten
- Die Rolle von Liebe, Kommunikation und Interaktion in Fleißers Erzählungen
- Die Bedeutung von Natur und Kultur in Fleißers Werk
- Die Analyse von Großstadt- und Provinzelemente in Fleißers Kurzprosa
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Magisterarbeit ein. Sie stellt Marieluise Fleißer und ihr Werk im Kontext von Metropole und Provinz vor und erläutert die Forschungsfragen und die methodischen Vorgehensweisen.
Kapitel 2 analysiert zwei der wichtigsten Erzählungen Fleißers: "Ein Pfund Orangen" und "Avantgarde". Die Analyse fokussiert auf die Charakterisierung der Protagonisten, den Konflikt der Erzählungen und den Einfluss von Stadt und Land auf die Figuren.
Kapitel 3 widmet sich einer detaillierten Analyse der inhaltlichen und formalen Aspekte von Fleißers Kurzgeschichten. Hier werden Themen wie Entfremdung, Liebe, Kommunikation, Natur und Kultur sowie die Darstellung von Metropole und Provinz beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Marieluise Fleißer, Kurzprosa, Metropole, Provinz, Entfremdung, Einsamkeit, Liebe, Kommunikation, Natur, Kultur und Heimat. Der Fokus liegt auf der vergleichenden Analyse der Kurzgeschichten Fleißers und der Untersuchung ihrer spezifischen Sichtweise auf Stadt und Land.
- Citar trabajo
- Meike Bölts (Autor), 1999, Marieluise Fleißer: Eine vergleichende Analyse ihrer Kurzprosa, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15730