Ein Zweikampf und seine Folgen bilden das zentrale Handlungsgeschehen in Kleists letzter, im Todesjahr 1811 entstandener Erzählung Der Zweikampf. Dabei handelt es sich um ein
sogenanntes Gottesurteil, das als (äußerstes) Mittel weltlicher Justiz seit rund 400 Jahren überwunden war. Dies legt die Vermutung nahe, Kleist habe sich, wie bei früheren Werken auch schon, eines historischen Stoffes vor allem deshalb bedient, weil er sich dazu eignete, in ihm eine Problemlage der eigenen Zeit zu artikulieren.
Aus dieser Überlegung folgt zweierlei: Erstens richtet die vorliegende Untersuchung ihren Fokus auf die Zweikampfhandlung und ihre Folgen. Da uns dieser zentrale Komplex durch den Text eingelassen in eine Rahmenhandlung gegeben ist, soll uns zunächst die Vorgeschichte beschäftigen. Zweitens begreift sie dieses vordergründige Handlungsgeschehen als eine Art experimentale Versuchsanordnung. An ihr – so die zu prüfende These – soll eine
Problematik modellhaft verhandelt werden, d.h. eine andere als diejenige einer zwar an sich schon hochproblematischen, ansonsten aber historisch obsolet gewordenen Rechtspraxis.
Daraus ergibt sich die Frage nach den eigentlichen Konflikten und etwaigen Lösungen, die hier mit den Mitteln von Fiktion und Kunst aufgeworfen und durchgespielt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ein Brudermord
- Wer war der Mörder?
- Wer sagt die Wahrheit?
- Politik vs. Kunstmärchen?
- Der Zweikampf
- Gefühlsgewissheit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Untersuchung analysiert Heinrich von Kleists Erzählung „Der Zweikampf“ und konzentriert sich auf die Zweikampfhandlung und deren Folgen. Der Text wird als eine Art experimentelle Versuchsanordnung betrachtet, die eine Problematik modellhaft verhandelt. Dabei geht es nicht um die historischen Aspekte des Zweikampfs, sondern um Konflikte und Lösungen, die mit den Mitteln von Fiktion und Kunst aufgeworfen und durchgespielt werden.
- Die Bedeutung des Zweikampfs als Konfliktlösung in Kleists Erzählung
- Die Rolle des Gerichtsprozesses als poetisches Gestaltungsmittel
- Die Ambivalenz von Macht und Recht im mittelalterlichen Kontext
- Die Manipulation des Volks und die politische Machtkämpfe
- Die Frage nach Wahrheit und Gerechtigkeit in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in die Thematik des Zweikampfs als zentrales Handlungselement in Kleists Erzählung „Der Zweikampf“ ein. Sie stellt die historische Bedeutung des Zweikampfs als Gottesurteil in den Kontext der damaligen Zeit und argumentiert, dass Kleist diesen Stoff wählte, um eine Problemlage seiner eigenen Zeit zu beleuchten.
Ein Brudermord
Der erste Abschnitt beleuchtet die Eröffnungsszene der Erzählung, die mit einem langen Satz beginnt. Die Beschreibung des Mittelalters, die in diesem Satz enthalten ist, zeichnet kein romantisches Bild, sondern betont politische Machtkämpfe und fragilen Machtstrukturen. Der Leser wird in die komplizierten verwandtschaftlichen Beziehungen eines herrschenden Adelsgeschlechts eingeführt, die von Macht und Erbschaft geprägt sind. Der Tod des Herzogs durch einen Pfeilschuss stellt eine Bedrohung für die bestehende Machtordnung dar.
Wer war der Mörder?
Dieser Abschnitt befasst sich mit den Nachforschungen nach dem Mörder des Herzogs. Die verdächtigen Indizien richten sich gegen den Halbbruder des Ermordeten, doch sein scheinbar devote Verhalten wirft Zweifel auf. Die politischen Interessen spielen eine entscheidende Rolle bei der Suche nach dem Täter, da die Herzogin ihren Machtanspruch sichern und das Volk zufriedenstellen muss. Die politische Taktik des Grafen, sich die Sympathien des Volkes zu sichern, stellt eine Herausforderung für die Herzogin dar.
Wer sagt die Wahrheit?
Dieser Abschnitt beleuchtet die problematische Beziehung zwischen Rahmen- und Binnenhandlung. Der Mord tritt in den Hintergrund, während die Prüfung des Alibis des Grafen die Haupthandlung bildet. Die Interpretation dieser Ungleichheit führt zu der Annahme, dass Kleists Hauptinteresse beim Zweikampf selbst liegt. Der Gerichtsprozess, der aus dem Mord folgt, dient als Initiation für den Zweikampf auf Leben und Tod.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter in Kleists Erzählung „Der Zweikampf“ sind: Zweikampf, Gottesurteil, Macht, Recht, Politik, Volk, Manipulation, Wahrheit, Gerechtigkeit, Fiktion, Kunst, Mittelalter, Brudermord, Gericht, Prozess, Alibi.
- Quote paper
- R. Fehl (Author), 2009, Sinnestäuschung und Gefühlsgewissheit in Heinrich v. Kleists Erzählung "Der Zweikampf", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157420