Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit
1.2 Methodische Vorgehensweise
1.3 Begriffsklärung
1.3.1 Demenz
1.3.2 Definition Palliative Care
2. Begründungsrahmen
3. Palliativbedürftigkeit demenzerkrankter Menschen
3.1 Begründung palliativer Pflege bei demenzerkrankten Menschen
3.2 Beginn palliativer Pflege
3.3 Lebensqualität
3.4 Kernkompetenzen palliativ Pflegender
4. Konzepte in der Sterbebegleitung demenzerkrankter Menschen
4.1 HoLDe - Begleitungskonzept der Wohnanlage Sophienhof
4.2 AnSehen - Konzept zur Sterbebegleitung von Menschen mit Demenz
5. Fazit
6. Anlagen
6.2 Abkürzungsverzeichnis
6.3 Glossar
6.4 Abbildungsverzeichnis
6.5 Literaturverzeichnis
Vorwort
„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt".
Dieses Sprichwort beschreibt in etwa meine Auseinandersetzung zu Beginn dieser Arbeit. So wurde die ursprüngliche Idee, ein Konzept zum Thema „Demenz" für den Unterricht in Palliative Care Kursen zu entwickeln, wieder verworfen. Bei der erneuten Literaturrecherche fiel mir dieses Zitat von Cicely Saunders[1] in die Hände, das zur Entscheidung für das Thema dieser Arbeit führte:
„Du zählst, weil Du Du bist, und Du wirst bis zum letzten Augenblick deines Lebens eine Bedeutung haben."
Der Mensch ist wichtig. Und bis zum letzten Augenblick seines Lebens ist er wichtig. Dieser Mensch kann an Demenz erkrankt sein.
1. Einleitung
In meiner Tätigkeit als Kursleitung und Dozentin in Palliativ Care Kursen für unterschiedliche Zielgruppen befasse ich mich mit den Thema „Verwirrtheit als Symptom in der palliativen Pflege" und somit auch mit der Sterbebegleitung demenzerkrankter Menschen.
Zu Beginn der Kurse erhalte ich auf die Frage, welche Krankheitsbilder in der Palliative Care eine Rolle spielen, meist nur folgende Antworten: „onkologische Erkrankungen", „neurologische Erkrankungen", Menschen im Vollbild AIDS". Die an Demenz erkrankten Patienten werden von den Pflegenden immer noch wenig als palliative Patienten wahrgenommen.
Lege ich diese Erfahrungen mit den Teilnehmern zugrunde, so stellen sich folgende Fragen:
Sind an Demenz erkrankte Menschen denn palliative Patienten?
Wann beginnt palliative Pflege bei an Demenz erkrankten Menschen?
Welche Kompetenzen benötigen Pflegende in der palliativen Begleitung demenzerkrankter Menschen?
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Palliativbedürftigkeit demenzerkrankter Menschen zu untersuchen.
1.1 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in folgende Kapitel gegliedert:
Im ersten Kapitel erfolgt die Einleitung in das Thema. Zudem werden der Aufbau der Arbeit sowie die Vorgehensweise zur Erstellung dieser Arbeit dargestellt. Ferner werden die Begrifflichkeiten von Demenz und Palliative Care geklärt, die für das Verständnis dieser Arbeit grundlegende Voraussetzung sind.
Im zweiten Kapitel werden internationale und nationale Aspekte zur Wahrnehmung/ zur Einschätzung demenzerkrankter sterbender Menschen aufgezeigt, die den Begründungsrahmen für diese Arbeit bilden.
Das dritte Kapitel ist das Kernkapitel dieser Arbeit. In diesem Kapitel wird die Palliativbedürftigkeit demenzerkankter Menschen in unterschiedlichen Punkten untersucht. Des Weiteren wird die Lebensqualität als zentrales Ziel palliativer Pflege in den Blick genommen und auf die Kernkompetenzen palliativ Pflegender eingegangen.
Im vierten Kapitel werden Konzepte in der Sterbebegleitung demenzerkrankter Menschen erläutert, die eine Implementierung einer Abschiedskultur vorstellen.
Im fünften Kapitel soll das abschließende Fazit gezogen werden.
Im sechsten Kapitel finden sich die Anlagen wie das Abkürzungs- und Abbildungsverzeichnis, das Glossar und die Literaturangaben.
1.2 Methodische Vorgehensweise
Diese Arbeit ist deskriptiv analytisch, da faktische und auf ihre Bedeutung geprüfte Kenntnisse für die Auseinandersetzung benötigt werden.
Für die Literaturrecherche gilt insgesamt, dass die Beschäftigung mit der Literatur nicht nur für die Analyse und für Begriffsklärungen wesentlich ist. Die Auseinandersetzung mit der Literatur stellt gleichsam die Methode des Vorgehens dar, unter der diese Arbeit erstellt worden ist.
In der Literaturrecherche wird auf Primär- und Sekundärliteratur zurückgegriffen, die sich über klassisches Bibliographieren ergeben hat. Für die Recherche ist die wohnortnahe Universitätsbibliothek der Universität Duisburg/ Essen sowie die themenrelevanten Internetseiten genutzt worden.
Für das Textverständnis dieser Arbeit werden kurze Informationen in der Fußnote gegeben, ausführlichere Inhalte finden sich im Glossar.
Die Darstellung der Ausführung wie Umgang mit Zitaten, Literaturverzeichnis usw. orientiert sich an den Vorgaben aus dem im Literaturverzeichnis angegebenen Skript „Kriterien der Erstellung schriftlicher Arbeiten".[2]
An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass die aus Gründen der Vereinfachung gewählte maskuline Schreibweise die geschlechtsabstrakte Form bedeutet, wenn in der Arbeit von Pflegenden gesprochen wird.
1.3 Begriffsklärung
Die Ausführungen in diesem Abschnitt dienen der Orientierung zu Demenz und Palliative Care. Die Erläuterungen erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sondern sollen ein Grundverständnis von Demenz und Palliative Care darlegen.
1.3.1 Demenz
Der Begriff leitet sich ab aus lat.: Mens = Verstand und de = abnehmend und bedeutet so viel wie abnehmender Geist, Verstand.
Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern, Orientierung und Verknüpfen von Denkinhalten einhergehen und die dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten eingeschränkt oder nicht mehr eigenständig durchgeführt werden können.
Die Häufigkeit, an Demenz zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. Begründet in der noch uneinheitlichen Anwendung diagnostischer Kriterien fehlen genaue Zahlen von Neuerkrankungen oder Krankheitshäufigkeit.
Klassifiziert wird die Demenz nach DSM-IV[3] unter „Delir, Demenz, amnestische oder andere kognitive Störungen" bzw. nach ICD-10[4] unter „organischen, einschließlich symptomatischen psychischen Störungen". Die WHO differenziert in Beeinträchtigung (impairment), Behinderung (disability) und Handikap (handicap).[5]
Die Demenzen werden in primär degenerative und in sekundäre Demenzen unterschieden.
Schweregrade der Demenz
Eine kurze Beschreibung der Schweregrade der Demenz ist aus Gründen der Einordnung von an Demenz erkrankten Menschen in die Palliative Care sinnvoll.
1. Leichte Demenz (Vergessensstadium): [6]
Die an Demenz erkrankte Person vergisst vieles, es fällt schwer, gewohnte Aktivitäten auszuführen. Dieses Stadium beeinflusst das Sterben nicht.
2. Mittelschwere Demenz (Verwirrtheitsstadium):
Die Selbstbestimmung der betroffenen Person lässt nach, der Mensch ist zur Zeit, Person und Ort nicht orientiert, körperlich aber noch recht fit. Besonders bei hochbetagten multimorbiden Menschen kann dieses Stadium das Sterben forcieren.
3. Schwere Demenz (Hilflosigkeitsstadium):
Der an Demenz erkrankte Mensch benötigt Führung und Zuwendung, die selbstständige Lebensführung ist aufgehoben, Gedankengänge können nicht mehr nachvollziehbar kommuniziert werden.[7] Er stirbt über einen Zeitraum von mehreren Monaten an zunehmender Schwäche.[8]
1.3.2 Definition Palliative Care
Der Begriff „Palliative Care" hat seinen sprachlichen Ursprung im lat. Wort Pallium, was übersetzt so viel heißt wie „Mantel" oder „Umhüllung" und Care (engl.): Sorge, Achtsamkeit, Pflege.
In diesem Abschnitt werden zwei Definitionen von Palliative Care aufgeführt.
Definition der World Health Organization (WHO) - 2002 aktualisiert "Palliative care is an approach that improves the quality of life of patients and their families facing the problem associated with life-threatening illness, through the prevention and relief of suffering by means of early identification and impeccable assessment and treatment of pain and other problems, physical, psychosocial and spiritual.'[9] (Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und deren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.)
Definition der European Association for Palliative Care (EAPC) "Palliative care is the active, total care of the patients whose disease is not responsive to curative treatment. Control of pain, of other symptoms, and of social, psychological and spiritual problems is paramount.
Palliative care is interdisciplinary in its approach and encompasses the patient, the family and the community in its scope."[10] (Palliative Care ist die angemessene medizinische Versorgung von Patienten mit fortgeschrittenen und weiter fortschreitenden Erkrankungen, bei denen die Behandlung auf die Lebensqualität zentriert ist und die eine begrenzte Lebenserwartung haben. Ziel ist die Kontrolle von Schmerzen und von sozialen, psychologischen und spirituellen Problemen. Palliative Care schließt die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Familie und der Gemeinschaft vor und nach dem Tod des Patienten ein.)
Im Einzelnen heißt dies, „Palliative Care: respektiert das Leben und seine Endlichkeit achtet die Würde und Autonomie des Patienten und stellt seine Prioritäten in den Mittelpunkt wird unabhängig vom Lebensalter jedem Patienten angeboten, der an einer unheilbar fortschreitenden Krankheit leidet strebt die optimale Linderung von belastenden Symptomen wie Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Angst oder Verwirrung an o ermöglicht auch rehabilitative, diagnostische und therapeutische Massnahmen, die zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen o ermöglicht eine optimale Zusammenarbeit zwischen Betroffenem, Angehörigen und Betreuern."[11]
Um zum Anfang der Erläuterung zu Palliative Care zurückzukehren: Wie ein Mantel sollen alle Maßnahmen der Palliative Care den Schwerstkranken schützend umhüllen. „Pallium", der Mantel, schützt gegen Nässe und Kälte, aber er ändert das Wetter nicht. Palliative Care schützt den Patienten bei Schmerzen und Leiden, aber ändert die Krankheit nicht.
2. Begründungsrahmen
Eine in den USA durchgeführte Studie zeigt, dass eine Demenzerkrankung eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit birgt, dass ein Pflegeheim zum letzten Aufenthalt des betroffenen Menschen wird und der demenzerkrankte Mensch dort sein Leben beendet.[12]
So wurde u.a. ein Vergleich der Situation von Demenz- und Krebspatienten gezogen. Dazu wurden Daten von Patienten mit einer fortgeschrittenen Demenz und von Patienten mit einer onkologischen Erkrankung im Endstadium in Pflegeheimen analysiert. Ergebnis ist, dass „Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz nicht als Personen wahrgenommen werden, die in das Endstadium ihrer unheilbaren Erkrankung eingetreten sind. Aus diesem Grund sind sie weitaus „aggressiveren" Behandlungen ausgesetzt als Bewohner, bei denen eine diagnostizierte Krebserkrankung vorliegt."[13]Auffallend ist die Tatsache, dass nur bei 1,1% der fortgeschritten demenzerkrankten Menschen von professionell Pflegenden die Lebenserwartung auf weniger als 6 Monate eingeschätzt wurde. 71% der Bewohner verstarben innerhalb der 6 Monate. Auf augenfällige Unterschiede in der Qualität der Behandlung der demenzerkrankten Menschen im Vergleich zu den onkologischen Patienten in der letzten Lebensphase weist auch die hohe Zahl nicht palliativer Behandlungsmethoden wie der Einsatz von Nahrungssonden und die Anwendung von Fixierungen und Infusionstherapien hin.[14]In einer weiteren Studie wurde die Situation sterbender demenzerkrankter Menschen in einer Pflegeeinrichtung bzw. in der häuslichen Umgebung unter Einbindung eines ambulanten Pflegedienstes untersucht. Ohne den Aspekt, dass in Pflegeheimen der Grad der Pflegebedürftigkeit der Patienten höher ist, außer acht zu lassen, zeigten beide Umgebungen Mängel in der palliativen Versorgung. Meist wurde der beginnende Sterbeprozess nicht erkannt, so dass auch keine Inanspruchnahme von Hospizleistungen erfolgte. Allerdings kam es gehäuft zu, den Patienten belastenden, Krankenhauseinweisungen.[15]
In Deutschland sind kaum Studien vorhanden, die die Pflege von demenzerkrankten Menschen am Lebensende untersuchen.
Vor neun Jahren schrieben Dr. Bettina Sandgathe und Prof. Dr. Stein Huseb0 (norwegische Palliativmediziner und Pflegeheimärzte) in der Zeitschrift für angewandte Schmerztherapie: „Bislang wurde die Palliativmedizin völlig zu Unrecht in der Geriatrie vernachlässigt, obwohl viele alte Menschen ernsthaft erkranken und im weiteren Verlauf sterben." Cicely Saunders gab zu, dass sie sich bewusst der Versorgung von Tumorpatienten gewidmet habe. Die Missstände in der Versorgung der alten Mitbürger aufzugreifen, sei als Problem einfach zu groß.[16] Internationale Gremien der Palliativversorgung fordern eine Erweiterung des Fokus auf andere Patientengruppen, zu denen an Demenz erkrankte Menschen zählen.
So hat die Deutsche Hospiz Stiftung anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages[17] einen nationalen Demenzplan gefordert: „Ein nationaler Demenzplan ist unerlässlich. Wir brauchen ein umfassendes Programm, das sich Ziele setzt. Denn nur so ist Erfolg tatsächlich überprüfbar."[18]
3. Palliativbedürftigkeit demenzerkrankter Menschen
In diesem Kapitel werden unterschiedliche Aspekte der Palliativbedürftigkeit demenzerkrankter Menschen dargelegt.
3.1 Begründung palliativer Pflege bei demenzerkrankten Menschen
Sind an Demenz erkrankte Menschen palliative Patienten?
Für die Antwort auf diese Frage, werden die Definitionen von WHO und EAPC zugrunde gelegt.
[...]
[1] engl. Ärztin, Sozialarbeiterin und Krankenschwester, * 22. 06. 1918 - Barnet, | 14. 07. 2005 - London, Cicely Saunders gilt als Begründerin der modernen Hospizbewegung
[2] Baur, J., 2007
[3] Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
[4] Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (engl.: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)
[5] Vgl. Weissenberger-Leduc, M. (2009). S. 11 ff.
[6] Grond, E. (2009), S. 22
[7] Vollmar, H. C., Koch, M., Löscher, S., Butzlaff, M. (2005)
[8] Grond, E. (2009), S. 22
[9] WHO, http://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/, 22.09.2009, 15:18 Uhr
[10] EAPC, http://www.eapcnet.org/about/definition.html, 22.9.2009, 15:54 Uhr
[11] WHO, http://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/, 25.09.2009, 18:50 Uhr
[12] Radzey, B. (2007), S. 7
[13] Radzey, B. (2007), S. 8
[14] Vgl. Radzey, B. (2007), S. 8
[15] Vgl. Radzey, B. (2007), S. 9
[16] Vgl. Steurer, J. (2008), S. 9
[17] Seit 1994 finden am 21. September in aller Welt vielfältige Aktivitäten statt, um die Öffentlichkeit auf die Situation der Alzheimer-Kranken und ihrer Angehörigen aufmerksam zu machen. Der WeltAlzheimertag wird von der Dachorganisation Alzheimer's Disease International (London) weltweit unterstützt. Das Motto des Welt-Alzheimertages 2009 lautete in Deutschland: "Demenz - nicht nur ein Wort", http://www.deutsche-alzheimer.de/index.php?id=43, 22.9.2009, 16:37 Uhr
[18] Eugen Brysch, geschäftsführender Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, http://www.bibliomed.de/cps/rde/xchg/bibliomd/hs.xsl/90 16465.htm, 22.9.2009, 16:44 Uhr