In vielen Veröffentlichungen und im alltäglichen Sprachgebrauch ist bezüglich der Europäischen Union oft die Rede von den „neuen Mitgliedsländern“. Gemeint sind dabei die Länder, die im Rahmen der beiden Osterweiterungsrunden am 1. Mai 2004 und am 1. Januar 2007 dem Europäischen Staatenverbund beitraten. Die Bezeichnung als „neue Mitgliedsländer“ ist in vielfacher Hinsicht problematisch: So stellen sich u. a. die zwei Fragen, ob es sich bei den MOEL a) nach wie vor um eine homogene Gruppe handelt und ob sich b) in Abgrenzung zu den „alten“ EU-Mitgliedern, den „EU-15“, die Bezeichnung als „neue Mitgliedsländer“ noch rechtfertigt?
Zur Klärung dieser Fragen, wird der Fokus auf das Wirken der Gewerkschaften gelegt. Dabei werden die beiden Thesen vertreten, dass sich sowohl die für gewerkschaftliche Interessenvertretung vorgefundenen nationalen Rahmenverhältnisse, als auch eine nationale Zersplitterung der Gewerkschaften auf das europäische Agieren auswirken.
Im ersten Schritt wird daher analysiert, wie es für Gewerkschaften am ehesten möglich ist, auf europäischer Ebene Einfluss auf Entscheidungen oder zumindest auf Entscheidungsträger auszuüben. Nach einem kurzen Einblick in die Entwicklung der zentralen
Institutionen, wird eine Rekonstruktion ihres Aufbaus zur Herauskristallisierung entscheidender Akteure beitragen. Anschließend wird analysiert, inwieweit eine Einbindung gewerkschaftlicher Interessenvertreter in bereits vor dem Beitritt vorhandene Strukturen erfolgte und ob sie sich in diesen Institutionen behaupten konnten.
Im zweiten Teil wird untersucht, welchen Einflüssen die Gewerkschaften auf der nationalen Ebene ausgesetzt waren bzw. sind. Da es nicht möglich ist, eine Tiefenanalyse aller MOEL und ihrer Akteure durchzuführen, wird zunächst eine Fokussierung auf Polen und Ungarn erfolgen. Ein kurzer Blick auf die seit dem Fall des „eisernen Vorhangs“ stattgefundene politische Entwicklung dieser beiden Länder sowie auf den gesetzlichen Rahmen, in dem gewerkschaftliches Agieren stattfindet, sollte Aufschluss darüber geben, ob und wenn ja, welche Hindernisse bei der nationalen und europäischen Interessenvertretung für die Gewerkschaften existieren. Diese Befunde werden abschließend auf ihre Konvergenz und Aussagekraft für die gesamten MOEL untersucht.
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Einleitung
- Entscheidungsbeeinflussung durch Interessenvertreter auf EU-Ebene
- Die Entscheidungsorgane und ihre Akteure
- Die beratenden Organe und ihre Akteure
- Der Soziale Dialog und seine Sozialpartner
- Der Europäische Gewerkschaftsbund und seine Mitglieder
- Integration der MOEL auf europäischer Ebene
- Die „Neuen“ im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
- Die „Neuen“ im Europäischen Gewerkschaftsbund
- Zwischenfazit — „Neu“ = „Alt“?
- Zwischen Transformation und Modernisierung – die nationale Ebene
- Polen
- Gewerkschaftliche Entwicklung
- Gesetzliche Rahmenbedingungen
- Ungarn
- Gewerkschaftliche Entwicklung
- Gesetzliche Rahmenbedingungen
- Die Gewerkschaften der „Neuen“
- Gewerkschaftliche Entwicklung
- Gesetzliche Rahmenbedingungen
- Polen
- Fazit - Sind die „Neuen“ noch neu?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Agieren von Gewerkschaftsvertretern aus den „neuen“ Mitgliedsländern der Europäischen Union. Sie analysiert, ob die Bezeichnung „neue Mitgliedsländer“ für die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) gerechtfertigt ist und ob sich die MOEL weiterhin als homogene Gruppe betrachten lassen. Der Fokus liegt dabei auf dem Einfluss von Gewerkschaften auf die Verwirklichung eines „sozialen Europas“ auf nationaler und europäischer Ebene.
- Die Integration der MOEL in die EU-Struktur
- Die Rolle von Gewerkschaften im europäischen Sozialdialog
- Die Einflussnahme von Gewerkschaften auf EU-Entscheidungen
- Die nationale Entwicklung der Gewerkschaften in den MOEL
- Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen „alten“ und „neuen“ EU-Mitgliedsländern im Hinblick auf gewerkschaftliche Strukturen und Einfluss
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik des Agierens gewerkschaftlicher Vertreter aus den „neuen“ Mitgliedsländern der EU vor und erläutert die Problematik der Bezeichnung „neue Mitgliedsländer“. Sie führt in die Thematik „soziales Europa“ ein und beschreibt die Forschungsmethodik der Arbeit. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Entscheidungsbeeinflussung von Interessenvertretern auf EU-Ebene und analysiert die Rolle von Gewerkschaften im sozialen Dialog und im Europäischen Gewerkschaftsbund. Das dritte Kapitel untersucht die Integration der MOEL in die EU-Struktur, insbesondere im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und im Europäischen Gewerkschaftsbund. Im vierten Kapitel werden die nationalen Entwicklungen der Gewerkschaften in Polen und Ungarn sowie in anderen MOEL-Staaten im Detail analysiert, wobei sowohl die gewerkschaftliche Entwicklung als auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Vordergrund gestellt werden. Das fünfte Kapitel bietet eine umfassende Analyse der Ergebnisse und zieht ein Fazit zu den Forschungsfragen der Arbeit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Gewerkschaftspolitik, Europäische Union, „neue Mitgliedsländer“, mittel- und osteuropäische Länder (MOEL), soziales Europa, Sozialdialog, Europäischer Gewerkschaftsbund, nationale Gewerkschaftsstrukturen, gesetzliche Rahmenbedingungen, Transformation und Modernisierung.
- Arbeit zitieren
- Eberhard Podzuweit (Autor:in), 2010, Sind die "Neuen" noch neu?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157824