Hartmanns von Aue (o. A.–1210/1220) ‚Erec‘ erzählt die Geschichte des gleichnamigen Ritters und seiner Frau Enite. Inmitten des Romans nimmt die detaillierte Beschreibung von Enites Pferd mit fast 500 Versen (V. 7264–7766) erstaunlich viel Raum ein. Die Schilderung ist mehr als nur ein ästhetisches Element. Sie trägt massgeblich zur Entwicklung der Handlung und der Charaktere bei1 und lässt ein vielschichtiges System symbolischer Bezüge erkennen. Beim deutschen Dichter steigt das Reittier zum Träger eines fein ausgearbeiteten, nach Mass und Zahl geordneten Welt-Bildes auf. Durch das kunstvolle Zwischenspiel der Pferdebeschreibung unterbricht Hartmann die lineare Abfolge der Ereignisse. In dem geschaffenen literarischen Raum führt er neue Geschichten mit eigenen Handlungssträngen ein. Der Einschub verändert die Erzählzeit und lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf andere Welten und Zeiten. Durch diese erzählerische Raffinesse verkompliziert er die Zeitstruktur und schafft spannende Bezüge zu anderen Werken der Literaturgeschichte.
Diese Seminararbeit versucht Hartmanns Absicht hinter der Beschreibung von Enites Pferd und insbesondere den Ausschmückungen des Sattelzeugs mit den mythologischen Darstellungen zu ergründen sowie die Rezeption des Stoffes von Vergils Aeneis und Ovids Erzählung von Pyramus und Thisbe aus den Metamorphosen im Mittelalter zu beleuchten.
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- Markus Stricker (Auteur), 2024, Symbolische Kunst und literarische Welten. Die Beschreibung von Enites Pferd in Hartmanns von Aue "Erec", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1582489