Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Themenrelevanz
1.2. Zentrale Forschungsfrage
1.3. Operationalisierung
1.4. Aufbau der Arbeit
2. Anti-Amerikanismus, Euroskeptizismus und Anti-Europäismus
2.1. Euroskeptizismus – ein vielschichtiges Phänomen
2.2. Der wenig beachtete Anti-Europäismus
2.3. Der viel beachtete Anti-Amerikanismus
3. Ursachen und Quellen amerikanischer EU-Skepsis
3.1. Viribus Unitis? – Die Geschichte entzweit
3.2. Eine Frage des Charakters
3.3. Die Europäer als „Softies“
3.4. Hard vs. Soft Power – die USA hat einen Herausforderer
3.5. Wirtschaft, Kultur und Ideologie
3.6. Frankophobie und britische Skepsis
4. Konklusion
4.1. Resümee
4.2. Beantwortung der Forschungsfrage
4.3. Schlussfolgerungen
LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
„Wen schert es, was die Europäer denken?
Die EU vertut ihre Zeit damit, dafür zu sorgen,
dass britische Wurst in Kilo und nicht in Pfund verkauft wird.
Der ganze Kontinent ist für amerikanische Interessen zunehmend irrelevant.“
(Tucker Carlson, Experte der US-Konservativen, in einer Polit-Talkshow auf CNN)
1.1. Problemstellung und Themenrelevanz
Der Euroskeptizismus als kritische Haltung gegenüber der Europäischen Integration und der EU an sich ist in vielen europäischen Staaten kein neues Phänomen. Es existiert seit Anbeginn der Entstehung des Projektes Europa und die Eurobarometer-Umfragen der Europäischen Kommission ermitteln in sämtlichen EU-Mitgliedsländern die Beliebtheitswerte der Union und wenig überraschend sind es immer dieselben Länder, die sich ausgeprägt skeptisch zeigen. Das Phänomen wird in der Literatur fast ausschließlich in den EU-Mitgliedsstaaten untersucht. Keine Beachtung findet die USA dabei – obwohl auch hier von einer ablehnenden Haltung gegenüber Europa, vermischt mit eklatanter Gleichgültigkeit, gesprochen werden kann.
Umgekehrt ist das Phänomen des Anti-Amerikanismus, also die ablehnende Haltung gegenüber den USA, in Europa kein neues Phänomen und in aller Munde. Die Supermacht „erfreut“ sich auch in Europa, wie dem Rest der Welt, sinkender Beliebtheitswerte. Die USA und Europa hat vor allem im Kalten Krieg der gemeinsame Kampf gegen den Kommunismus und die Sowjetunion verbunden. Die Vereinigten Staaten galten zu diesem Zeitpunkt als Befürworter des Europäischen Integrationsprozesses. Nach dem Ende des Kalten Krieges, als der gemeinsame Feind verschwunden war, entwickelte sich Europa zum ernsthaften Konkurrenten für die USA und stellte mit dem Vertrag von Maastricht 1991 die Gemeinschaft auf ein neues Level. Seit den Terroranschlägen am 11. September reagieren die Amerikaner noch verstimmter auf eine ablehnende Haltung gegenüber ihrer Nation. Umso stärker rückt daher der Anti-Amerikanismus in Europa ins Bild und umso stärker kommt der amerikanische Euroskeptizismus und Anti-Europäismus hervor (vgl. Chamorel 2006, 163f.).
Europa hat im 21. Jahrhundert divergierende Interessen – die Kluft über den Atlantik ist größer geworden. In Sicherheitsfragen rund um den Krieg gegen den Terror, den Krieg im Irak, den Balkankonflikt und des israelisch-palästinensischen Konfliktes ist man sich nicht mehr einig. Hinzu kommen neue, differenzierte demografische, ökonomische und kulturelle Trends auf beiden Seiten. So verwundert es nur wenig, wenn in den USA eine ablehnende Haltung gegenüber Europa wächst. Speziell die Frage des Irak-Krieges hat die beiden großen Blöcke geteilt. Europa stellt keine militärische Großmacht dar und zog nicht in den Krieg gegen den Terror. Für die Amerikaner inakzeptabel. Diese gipfelt zuweilen darin, dass die Europäer als Softies, Weicheier und Feiglinge von den Amerikanern gesehen werden.
Zwei auf den ersten Blick ähnliche, aber verschiedene Phänomene entwickeln sich seit den 1990er Jahren parallel: der Anti-Europäismus und der amerikanische Euroskeptizismus. (vgl. Chamorel 2006, 163f.).
Die Ursachen für diese Phänomene, die seither eine Renaissance erleben, sind vielfältig. Wie vielfältig, soll diese Arbeit verdeutlichen.
1.2. Zentrale Forschungsfrage
Ausgehend von diesen Überlegungen, stelle ich zu Beginn meiner Seminararbeit folgende zentrale Forschungsfrage auf:
- F1: Woher stammt der amerikanische Euroskeptizismus bzw. der Anti-Europäismus in den USA? Welche Quellen und Ursachen können hierfür ausgemacht werden?
Um diese Frage hinreichend beantworten zu können, drängen sich einige Detailfragen auf:
- Was versteht man unter Anti-Europäismus, was unter Euroskeptizismus und Anti-Amerikanismus?
- Wer vertritt den amerikanischen Euroskeptizismus bzw. Anti-Europäismus?
- Wie argumentieren die euroskeptischen Amerikaner? Welche Meinung herrscht vor?
- Stellt der Anti-Europäismus nur eine Gegenreaktion auf den Anti-Amerikanismus dar? Gibt es Parallelen?
Folgende Hypothese stelle ich zu Beginn meiner Forschungstätigkeit auf:
- H1: Der amerikanische Euroskeptizismus bzw. Anti-Europäismus entstand und wächst durch die zunehmende Konkurrenzsituation im internationalen politischen System. Die USA sieht in der EU einen Konkurrenten um die hegemoniale Vormachtstellung.
1.3. Operationalisierung
Obzwar das Phänomen des Anti-Amerikanismus in der Wissenschaft hinreichend beleuchtet wurde, gilt der Begriff des Anti-Europäismus als relativ neu. Ähnlich verhält es sich mit dem amerikanischen Euroskeptizismus. Zu diesem Begriff gibt es in den EU-Mitgliedsstaaten reichlich Datenmaterial, der Euroskeptizismus in Europa wurde wissenschaftlich schon oftmals unter die Lupe genommen. Zum Thema Anti-Europäismus gibt es nur wenig Fachliteratur. Dennoch fußt diese Seminararbeit, und hier besteht ganz eindeutig die Schwierigkeit und Herausforderung, auf einer umfassenden Literaturrecherche. Schwierig deshalb, weil keine vergleichbaren Umfragen wie die Eurobarometer-Werte herangezogen werden können. Letztlich sind es vor allem die Ausführungen zweier zentraler Theoretiker (Patrick Chamorel und Timothy Garton Ash), die hier als Ausgangspunkt und Basis herangezogen werden.
1.4. Aufbau der Arbeit
Im folgenden Kapitel werden zuerst die zentralen Begriffe „Euroskeptizismus“, „Anti-Europäismus“ und „Anti-Amerikanismus“ definiert und zueinander in Beziehung gesetzt. Kapitel 3 dieser Arbeit widmet sich den Ursachen und Quellen für amerikanischen Euroskeptizismus und Anti-Europäismus in den USA und geht näher auf die Frage ein, wie sich die beiden Phänomene äußern bzw. in Erscheinung treten. Im abschließenden vierten Kapitel soll die eingangs aufgestellte Forschungsfrage beantwortet und die Hypothese verifiziert bzw. falsifiziert werden. Ein Resümee und subjektive Schlussfolgerungen runden diese Seminararbeit ab.
2. Anti-Amerikanismus, Euroskeptizismus und Anti-Europäismus
2.1. Euroskeptizismus – ein vielschichtiges Phänomen
„Euroskeptiker und Euroskepsis sind Erscheinungsformen des politischen Widerstands im Integrationsprozeß“ (Schymik 2006, 12). Das Phänomen des Euroskeptizismus ist so alt wie der Europäische Integrationsprozess selbst. Seit der Maastricht-Krise in den 1990er Jahren hat es in Europa an Bedeutung gewonnen.
Nach Paul Taggart (1998) wird Euroskeptizismus folgendermaßen definiert:
„It expresses the idea of contingent or qualified opposition, as well as incorporating outright and unqualified opposition to the process of European integration“ (Taggart 1998, 366).
Cathryn Kobe wiederum definiert Euroskeptizismus
„as a reasonable political thought that is defined as a negative public opinion held by the citizens of EU member states, and other countries, about the European Union“ (Kobe , 1)
Hard Euroscepticism – Soft Euroscepticism
Euroskeptizismus tritt in verschiedenen Formen bzw. unterschiedlichen Stärken auf. Paul Taggart und Aleks Szczerbiak unterscheiden hierzu in einen prinzipiellen „Hard“ und einen kontingenten „Soft“ Euroscepticism, allerdings bezogen auf die Parteienebene:
„Hard Euroscepticism implies an outright rejection of the entire project of European political and economic integration and opposition to a country joining or remaining a member of the European Union“ (Szczerbiak/Taggart 2008, 22).
„Soft Euroscepticism is a process that involves contingent or qualified opposition to European integration and can, in turn, be further subdivided into ‚policy‘ Euroscepticism and ‚national-interest‘ Euroscepticism“ (Szczerbiak/Taggart 2008, 22)
Beim harten Euroskeptizismus geht es also um eine grundlegende Ablehnung der gesamten europäischen Integration. Diese Euroskeptiker fordern auch den Austritt eines Mitgliedslandes aus der Europäischen Union. Beim weichen Euroskeptizismus bestimmt die ablehnende Haltung einige Teilaspekte des europäischen Integrationsprozesses. Hier kommt die Skepsis in einigen eingeschränkten Politikfeldern zutage, beispielsweise dem Erweiterungsprozess (vgl. Horschmann 2009, 2).
Weiters kann man den Euroskeptizismus in einen negativen und einen positiven unterscheiden. Der negative Euroskeptizismus beinhaltet dabei den „Hard“ und „Soft“ Euroscepticism von Paul Taggart und Aleks Szczerbiak. Der positive Euroskeptizismus tritt in Form von Kritik und Verbesserungsvorschlägen in Erscheinung – beispielsweise „Vorschläge zu mehr Demokratie und sozialem Charakter in der EU (Horschmann 2009, 3).
Vier Idealtypen des Euroskeptizismus
Catharina Sorensen unterscheidet desweiteren vier Idealtypen des öffentlichen Euroskeptizismus: wirtschaftlich, souveränitätsbasiert, demokratisch und politisch (vgl. Horschmann 2009, 2 und Sorensen 2008, 8).
Beim wirtschaftlichen Euroskeptizismus geht es um die Kosten-Nutzen-Frage, also wie gewinnbringend ist eine Kooperation mit der EU. Beim souveränitätsbasierten Euroskeptizismus sieht man zwar die wirtschaftliche Komponente als gut an, die EU-Kooperation aber als Angriff auf die nationale Souveränität. Der demokratische Euroskeptizismus bezieht sich auf den Aufbau und die Strukturen der EU. Beispielsweise die viel zitierte Kritik, das Europäische Parlament habe nicht genug Gewicht im Entscheidungsprozess und sei kein „normales“ Parlament. Zuletzt noch der politische Euroskeptizismus: hier meint Sorensen, dass der politische Euroskeptizismus im Grund ein sozialer Euroskeptizismus ist. Kritisiert wird die fehlende soziale Komponente innerhalb der EU (vgl. Sorensen 2008, 8).
Vier Ausprägungen des Euroskeptizismus
Als letzte Definition, um das Phänomen des Euroskeptizismus anschaulich zu illustrieren, sei hier noch die Unterscheidung von Petr Kopecky und Cas Mudde erwähnt. Sie erstellen anhand von zwei Dimensionen – „support for the ideas of European integration“ und „support for the European Union“ – vier Typen von Euroskeptizisten (vgl. Kopecky/Mudde 2002, 301ff.).
Hier wären zunächst die Euroenthusiasten, die die generelle Idee der Europäischen Integration befürworten und daran glauben, dass die EU bald diese Ideen institutionalisieren wird können.
Als zweiten Typ gelten die „Eurosceptics“, also jene, die die Idee der Europäischen Integration zwar befürworten, aber pessimistisch über die jetzige und zukünftige Entwicklung dieser Ideen denken.
Typ drei sind die „Eurorejects“, also die „Euroablehner“. Sie befürworten oder unterstützen weder die Ideen des europäischen Integrationsprozesses, noch die EU an sich.
Und Typ vier, die „Europragmatists“, die die grundsätzlichen Ideen des Europäischen Integrationsprozesses zwar nicht befürworten, sie aber auch nicht ablehnen. Sie unterstützen die EU an sich (vgl. Kopecky/Mudde 2002, 303).
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